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anushka

Bewertungen

Insgesamt 167 Bewertungen
Bewertung vom 29.07.2012
Scholes, Katherine

Das Herz einer Löwin


sehr gut

Herzerwärmender Schmöker

Die kleine Angel ist mit ihrer Mutter Laura in der tansanischen Wüste unterwegs, fernab von jeglicher Zivilisation. Da nimmt die Tragödie ihren Lauf, die damit endet, dass Angel plötzlich mitten in der Wüste auf sich allein gestellt ist.
Die Virologin Emma will mit ihrer Vergangenheit abschließen. Sie will auf ihrer Afrikareise nur einen kurzen Abstecher zur Fieber-Forschungsstation machen, in der ihre Mutter starb als sie gerade so alt war, wie Emma selbst jetzt. Doch dann begegnet sie dem Veterinär und Massai Daniel und macht sich mit ihm auf die Suche nach Angel.

Wenn man die Inhaltsangabe so liest, klingt sie sehr trivial und wenig kreativ. Und sicherlich gab es solche oder ähnliche Geschichte schon in zahlreichen Sehnsuchtsromanen. Aber so ganz gerecht wird dies dem Buch dann doch nicht. Zugegeben, die Wendungen in diesem Buch sind nicht immer sehr realistisch und auch die Protagonistin hat einiges an Nervpotential mit ihrem Selbstmitleid, und doch ist dieses Buch anrührend und herzerwärmend. Besonders wer Tiere mag - und Löwen im Besonderen - kommt hier auf seine Kosten. Ich will nicht zu viel verraten, aber wie der Titel schon sagt, spielen Löwen hier eine besondere Rolle und zwar nicht nur im metaphorischen Sinn. Handlungstechnisch hatte ich mehr erwartet, aber das Buch befasst sich überwiegend mit der Suche nach Angel. Dabei kommen sich Daniel und Emma näher, doch zum Glück steht dies nicht im Vordergrund. Zwischenzeitlich betreibt Emma etwas viel Innenschau und kommt dabei immer wieder zu den gleichen Schlüssen. Das ist nicht sehr subtil und wird dem Leser manchmal fasst mit dem Holzhammer vermittelt. Dagegen werden jedoch Landschaft und Menschen farbenprächtig beschrieben und die Mensch-Tier-Interaktion ist herzerwärmend. Beim Lesen entwickelt sich eine Art Magie und die angepriesene "Liebeserklärung an Afrika" wird förmlich spürbar. Als Urlaubs- oder Sommerschmöker ist dieses Buch absolut geeignet und weckt das Fernweh. Zum Schluss bleibt man mit der festen Überzeugung zurück, dass diese Erde mehr als schützenswert ist und die Tiere sichere Territorien verdienen.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.07.2012
Peetz, Monika

Sieben Tage ohne / Dienstagsfrauen Bd.2


gut

"Sex and the City" im Altmühltal

Die Dienstagsfrauen verreisen gemeinsam. Allerdings wird dies kein Spaß- oder Erholungsurlaub, sondern die fünf ungleichen Freundinnen machen eine knallharte Fasten- und Entschlackungskur auf der Burg Achenkirch im Altmühltal. Aber das ist noch nicht alles. Einige der Frauen haben eine ganz eigene Agenda. Da ist zum einen Eva, die sich Hinweise auf ihren leiblichen Vater erhofft, Caroline, die ihren Freunden etwas gestehen muss, Kiki, die mit allen Kräften um Job und Beziehung kämpft und Judith, die plötzlich neue Seiten an sich entdeckt. Einzig Estelle scheint kein emotionales Gepäck dabei zu haben ...

... und diese Estelle sorgt beim Lesen für den Ausgleich, da sie sarkastisch und teilweise urkomisch kommentiert, was um sie herum passiert und als einzige nicht von ihren eigenen Problemen vereinnahmt wird, sondern tatsächlich die Zeit mit den Freundinnen zu genießen scheint. Bei allen anderen scheint diese gemeinsame Zeit zu kurz zu kommen, weil alle mit sich selbst beschäftigt sind und es nicht schaffen, sich für sieben Tage davon zu lösen. Und obwohl zum Fasten eigentlich auch das Entschleunigen gehören soll, halten die Frauen trotzdem ständig den Kontakt zur Außenwelt. An diesem Punkt kam mir das Buch sehr inkonsequent vor. Denn gerade dieser Konflikt zwischen Entschleunigung und ständiger Erreichbarkeit hätte so viel Stoff für die Geschichte liefern können. Neben ein paar Erläuterungen über das Heilfasten geht es aber vor allem darum, Evas Vater zu finden, sodass man es zum Schluss hin sogar mit fünf Amateurdetektivinnen zu tun bekommt. Für einen Zeitraum von sieben Tagen bietet die Handlung extrem und unrealistisch viel "Action", während vorher viel Zeit vergeht ohne dass bahnbrechende Dinge passieren.
Zudem waren die Frauen recht stereotyp gezeichnet, sodass sie wirklich ungleich waren, ich mich aber fragte, wie sie sich überhaupt kennengelernt und angefreundet haben. Möglicherweise wird das jedoch im Vorgängerbuch "Die Dienstagsfrauen" thematisiert, das ich nicht gelesen habe. Estelle ist die reiche Apothekersgattin, die eine Wohltätigkeitsveranstaltung organisiert. Eva ist Ärztin, die sich zuhause mit 4 Kindern und einer dominanten Mutter herumschlägt. Caroline ist eine kinderlose Strafverteidigerin, die von ihrem Mann betrogen und verlassen wurde. Judith war einer der Seitensprünge von Carolines Mann und wird permanent von einem schlechten Gewissen geplagt. Außerdem ist sie die einzige erfolglose Single-Frau in dieser Runde. Kiki hat ein kleines Baby mit einem wesentlich jüngeren Mann, der blöderweise auch noch der Sohn ihres Ex-Chefs ist. So bietet die Autorin eigentlich jeder Leserin eine Figur an, mit der man sich identifizieren kann. Zunächst bleiben alle jedoch recht blass und eindimensional. Stück für Stück werden sie dann lebensechter. Die Handlung ist jedoch wenig innovativ und der Fokus liegt klar auf Eva und Caroline und deren Problemen. Leider sind die Perspektivenwechsel auch nicht ganz konsequent und die Erzählperspektive springt immer wieder mitten in den Kapiteln hin und her.

Alles in allem hat mich dieses Buch stark an das Schema von "Sex and the City" erinnert. Fünf unterschiedliche Frauen mit ihren eigenen Problemen, die nun sieben Tage aufeinander hocken und durch eine Fastenkur etwas enthemmter sind. Die Handlung ist schon tausendmal dagewesen und bietet im Wesentlichen nichts neues. Das Buch ist locker und leicht geschrieben und lässt sich in kurzer Zeit weglesen. So sorgt es für einige Stunden Leseunterhaltung, nach der man direkt zum nächsten Buch greift ohne zurückzublicken.

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2010
Strobel, Arno

Der Trakt


ausgezeichnet

Sibylle ist nachts in einem Park überfallen worden und hat dabei - so klischeehaft es klingt - einen Schlag auf den Kopf bekommen. Nun wacht sie zwei Monate später im Krankenhaus auf. In einem Raum ohne Fenster und ohne Beeper. Der Arzt weicht ihren Fragen aus und legt eine Art an den Tag wie "ein Psychiater mit seiner Patientin". Als er zudem leugnet, dass Sibylle einen Sohn hat, reißt ihr der Geduldsfaden. Doch die Merkwürdigkeiten enden nicht: keine Klinke, kein Lichtschalter, eingesperrt ... Sibylle gelingt die Flucht und sie muss feststellen, dass man sie in einem Keller festgehalten hat. Sie sucht die Personen aus ihrem Leben auf an die sie sich erinnert, doch alle behaupten, sie nicht zu kennen bzw. dass sie nicht Sibylle sei. Aber vor allem: dass Sibylle niemals ein Kind hatte. Sibylle ist verzweifelt und weiß nicht, an wen sie sich wenden soll. Sie flüchtet vor der Polizei, die ihr ebenfalls nicht glauben und macht sich allein auf die Suche nach Antworten.

Die ersten Kapitel dieses Buches ließen die Panik von Sibylle wirken, als könnte man sie fast anfassen. Sprachlich weniger flach als viele andere Thriller, konnte mich der Schreibstil des Autors überzeugen. Auch wenn ich den Namen Sibylle nun nicht unbedingt poetisch finde, soll er vielleicht gerade das Allerweltliche transportieren, damit sich Leser leichter hineinversetzen können. Und das ist mir aufgrund des Schreibstils und der Ich-Perspektive sehr gut gelungen. Als Leser ist man überzeugt von Sibylles Sicht auf die Dinge und hält ihr Wissen für unumstößliche Fakten. Zwischendurch wechselt die Perspektive in die dritte Person, sodass man Sibylle zudem durch die Augen eines Dritten beobachtet, der für einen mysteriösen Doktor arbeitet. Auch wenn ich auf ca. Seite 120 heraus hatte, was passiert war, konnte ich das Buch die ganze Zeit vor Spannung kaum weglegen und war erstaunt, dass ich es schließlich so schnell durch hatte. Die Spannung ging trotz meines Verdachtes nicht verloren, da mir das Wie und Warum bis zum Ende nicht klar waren. Die Auflösung fand ich zudem dann auch glaubhaft und darüber hinaus sehr interessant. Was mich nur wundert ist, dass die Bösewichte zum Ende hin immer so redselig werden ...
Insgesamt finde ich es berechtigt, Strobels Buch mit den Büchern von Sebastian Fitzek zu vergleichen. Und Fitzek-Fans würde ich dieses Buch uneingeschränkt empfehlen. Mich freut zudem, dass es den deutschen Thriller-Autoren scheinbar gelungen ist, diesem Genre eine eigene Richtung zu geben. Im Vergleich zu amerikanischen Psychthrillern, gibt es weder jede Menge Leichen noch literweise Blut. Stattdessen geht es um psychologische Spannung, das Spiel mit Wahnsinn und Normalität und den Einfluss auf die Gedankenwelt. Das finde ich eine sehr positive Entwicklung, die dem Leser sehr gute, deutsche Psychothriller beschert, die sich längst nicht mehr verstecken brauchen. Ich bin schlichtweg von diesem Buch begeistert und lege es allen Fans von Fitzek-Büchern ans Herz. Auch den anderen Lesern würde ich einen Blick hinein auf jeden Fall empfehlen.

5 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2010
Fahy, Warren

Biosphere


sehr gut

In den USA gibt es eine neue Reality Show: SeaLife. Eine Gruppe aus Schauspielern und Wissenschaftlern kreuzt im Ozean und besucht verschiedene Inseln. Nach einer Flaute, die der Show schlechte Quoten beschert, empfängt das Schiff ein Notsignal von einem vermissten Boot in der Nähe einer bislang unerforschten Insel. Die Wissenschaftler und Schauspieler gehen nichtsahnend an Land ... doch nur zwei von ihnen überleben die Begegnung mit noch nie gekannten, aggressiven Arten auf sechs Beinen. Diese letzte Episode der Show ruft die U.S. Marine und den Präsidenten auf den Plan, die Militär und Wissenschaftler auf die Insel schicken, um die Lage zu sondieren. Dabei finden die Wissenschaftler heraus, das es sich bei dieser Insel um eine Evolutionsnische handelt, auf der sich seit Millionen von Jahren ganz andere Arten entwickeln konnten. Doch was bedeutet das für das Festland? Was würde passieren, wenn diese Arten die Insel verlassen würden?

Wider Erwarten hat mir dieses Buch ziemlich gut gefallen. Auf ein paar Schwächen muss man allerdings eingehen und diese lassen keine volle Punktzahl zu. Aber unterhalten wurde ich gut und kurzweilig. Das Buch beginnt mit einer fiktiven wissenschaftlichen Einleitung, die doch sehr gut recherchiert scheint. Darin geht es darum, wie heimische Arten sich schon immer gegen Invasoren, die überwiegend von Menschen eingeschleppt wurden, verteidigen mussten. Hier wird die Frage gestellt, was wäre, wenn Arten fähig wären, sich gegen Fremdlinge zu wehren. Dies ist ein guter und spannender Ausgangspunkt für die darauf folgende Geschichte. Allerdings ist es mir schwer gefallen, mir die Lebewesen direkt vorzustellen. Ihre Beschreibung, aber auch die Zeichnungen im Anhang, wirken doch sehr Sci-Fi- oder Alien-mäßig und dadurch für mich nicht immer realistisch. Andererseits gab es zu Zeiten der Saurier auch einige merkwürdige Spezies, die ich wahrscheinlich nie geglaubt hätte, wenn es nicht Fossilien davon gäbe. Auf jeden Fall aber weist das Buch ein unglaublich hohes, geradezu rasantes Tempo und sehr viel Spannung auf. Der Autor ist nicht zimperlich mit Splatterszenen und dem Tod von Charakteren, die man eigentlich für zentral gehalten hatte. Für die Menschen ist es ein einziger Wettlauf gegen die Zeit und die unbekannten Wesen wirken unbesiegbar überlegen. Mir haben tatsächlich des öfteren die Nackenhaare hochgestanden und ich glaubte, verwesenden Atem im Nacken zu spüren.

Zu den Kritikpunkten: meiner Meinung nach dozieren die wissenschaftlichen Charaktere zu viel und zu irrelevant. Ich hatte das Gefühl, dass der Autor selbst ein paar kontroverse Hypothesen hat, die er einfach noch mit unterbringen wollte, die aber letztlich keinen Mehrwert für die Geschichte haben, wie beispielsweise Binswangers Polterabende. Zudem belehren sie auch ihre wissenschaftlichen Kollegen zu stark, die ja eigentlich - um als Experten ausgewählt worden zu sein - auf dem gleichen wissenschaftlichen Level sein sollten. Dass der Autor hier auf Zwang noch mehr wissenschaftliche Erläuterungen unterbringen wollte, begreift der Leser mit der Holzhammer-Methode. Des weiteren wird sehr deutlich, aus welcher Stadt der Autor stammt: Hollywood. Die Story gleicht manchmal sehr einem solchen Film und auch die Zutat "skrupelloser Wissenschaftler, der alles für die Aufrechterhaltung seiner Theorie tut" deutet in diese Richtung. Genauso wie der hohe Splatter- und Spannungsfaktor.

Abschließend kann ich aber sagen, dass ich von diesem Buch positiv überrascht war. Statt Monstergeschichte ist dieses Buch doch eher ein manchmal mehr, manchmal weniger gut durchdachter Wissenschaftsthriller. Das fiktive wissenschaftliche Vorwort sowie die fiktiven Anhänge aus wissenschaftlichen Publikationen fördern den positiven Eindruck. Ich habe mit diesem Buch einige spannende und atemlose Lesestunden verbracht und bereue es nicht.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2010
Durst-Benning, Petra

Die Zarentochter / Zarentochter Trilogie Bd.2


gut

Olga (Olly) Romanowa ist die zweitälteste Tochter des Zarenpaars von Russland. Sie wächst in einem der pompösesten Höfe Europas auf. Die Kinder lernen von klein auf Französisch, sprechen dafür aber kein Wort Russisch. Von den sozialen Problemen ihres Reiches werden sie abgeschottet und erleben das Volk nur als undankbar, dass ihrem Vater mit Rebellenaufständen das Leben schwer macht. Für die Mädchen dreht sich alles um die Einführung in die Gesellschaft, Bälle und die Suche nach dem politisch günstigsten Ehemann. Daneben interessiert sich Olly jedoch auch für Steine und Mineralien und sehnt sich nach karitativen Tätigkeiten um der Oberflächlichkeit des Hofes zu entkommen. Bis sie sich eines Tages in einen jungen Mann verliebt, der nicht den Ansprüchen der Eltern genügt. Nun muss Olly feststellen, wieviel Einfluss andere auf ihr Leben nehmen, um es in die vom Zaren erwünschte Bahn zu lenken.

Auch wenn Olly wiederholt gegen die Oberflächlichkeit des Hofes wettert, habe ich als Leserin sie selbst als ebenso oberflächlich empfunden. Irgendwann interessiert sie sich selbst nur noch für die beste Partie unter den europäischen Prinzen. Und auch wenn sie immer wieder das "unselige Heiratskarussell" verdammt, mischt sie doch munter mit. Um sich dem zu entziehen, verlobt sie sich mit Stephan von Österreich. Und obwohl sie behauptet, das nur getan zu haben, um ihre Ruhe vor der Partnersuche zu haben, ist sie obsessiv damit beschäftigt, wann sie ihn endlich kennenlernen kann. Auch hier dreht sich bei Olly und ihren Schwestern vieles darum, ob die angebotenen Männer gut aussehen. In meinen Augen kommt besonders Ollys karitatives Interesse - zumindest in diesem Buch - ziemlich kurz, und wenn es erwähnt wird, wirkt es irgendwie gekünstelt. Insgesamt bin ich eigentlich mit keinem der Charaktere warm geworden. Sie wirkten distanziert, kühl und oberflächlich. Und wenn ihnen etwas zu Herzen ging, wurde es irgendwie doch einfach mit einer Bemerkung zur Seite gewischt. Auch in den Szenen mit Liebeskummer konnte ich einfach nicht mitfühlen, weil sie nicht eingängig geschildert waren. Zudem geben die Charaktere ständig Lebensweisheiten und Platitüden von sich. Die einzige, die in Teilen überzeugenden Charakter zeigte, war Mary, obwohl sie nicht wirklich als liebenswerte Person herüberkam.
Insgesamt konnte mich das Buch - vor allem aufgrund seiner oberflächlichen Charaktere - nicht überzeugen. 400 Seiten Suche nach einem Ehemann waren für mich keine tiefgründige Geschichte. Die sozialen und politischen Zustände im Russland Anfang des 19. Jahrhunderts kamen mir zu kurz. Dieses Buch ist eindeutig ein historischer Roman für Frauen, aber dafür fehlte mir eindeutig die Emotion. Trotzdem bin ich vom Ausmaß der Recherche der Autorin angetan und werde auch den zweiten Band um die russische Großfürstin Olga lesen, um mir danach ein abschließendes Urteil zu bilden, ob ich weitere Bücher der Autorin lesen werde.

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2010
Khadra, Yasmina

Die Schuld des Tages an die Nacht


ausgezeichnet

Der zehnjährige Younes wächst mit Vater, Mutter und einer kleinen Schwester in Algerien auf dem Land auf. Viele der Einwohner haben sich der Landflucht angeschlossen, aber Issa, Younes' Vater, ist stolz auf das Land, das schon seit Generationen der Familie gehört. Doch es sind die 1930er Jahre und das Leben ist schwer. Issa ist hoch verschuldet, aber die diesjährige Ernte verpricht Rettung ... bis Issa sein Glück im Dorf ausplaudert und kurze Zeit später die Felder lichterloh brennen. Nun hat die Familie nichts mehr und flüchtet selbst im französisch besetzten Algerien in die Stadt. Bei der Ankunft kommt die Stadt dem jungen Younes paradiesisch vor: wunderschöne Häuser, schöne und entspannte weiße Menschen, Gärten und Balkone. Mit Hilfe eines Onkels will die Familie wieder auf die Füße kommen. Doch wer nichts hat, lernt die dunkle Seite der Stadt kennen, die Vororte und Slums: "Es genügt, einen Häuserblock zu umrunden, schon gelangt man vom Tag in die Nacht, vom Leben in den Tod."
Issa ist stolz und hängt sehr an seiner Ehre. Daher will er von seinem Bruder, dem Apotheker, keine Hilfe annehmen, obwohl es diesem finanziell sehr gut geht. Issa gibt seine Familie somit dem Untergang preis. Sich hochzuarbeiten ist schwere Arbeit und dauert lange. Zudem erlaubt er Younes nicht, sich am Familienauskommen zu beteiligen. Als Issa durch einen Verrat schließlich alles bisher Erarbeitete verliert, ist er am Boden zerstört.

Ihm bleibt nichts anderes übrig als dem Drängen seines Bruders nachzugeben und Younes in dessen Obhut zu geben. Der Apotheker und seine Frau adoptieren den Jungen und ziehen mit ihm nach Río Salado. Aus Younes wird Jonas und als einer von sehr wenigen Arabern wächst Jonas mit anderen französischen, christlichen und jüdischen Kindern auf und genießt ein komfortables Leben. Dabe wird er immer wieder Zeuge, wie schlecht es den eigentlichen Algeriern geht, zu denen auch seine ursprüngliche Familie gehört. Er sieht auch, wie die Franzosen die Algerier misshandeln und ausbeuten. Doch Jonas kann sich nicht für eine Seite entscheiden, wird es aber bald müssen - so wie die Geschichte voranschreitet.

Yasmina Khadra ist das Pseudonym eines algerischen Schriftstellers, der zur Armee gehörte und sein Pseudonym erst lüften konnte, als er sich bereits im Exil befand. Seine Bücher sprechen gesellschaftsrelevante Themen der arabischen Länder (bspw. Afghanistan, Algerien, Iran) an. Die Selbstverständlichkeit moslemischer Werte machen dem Leser deutlich, dass es auch noch andere Kulturen gibt. Die Überraschung des jungen Younes darüber, dass Frauen unverschleiert auf den Straßen unterwegs sind, ist ein Beispiel dafür. Khadra öffnet dem Leser die Augen und ist in der Lage, diese Kulturen nicht als etwas Exotisches, sondern völlig Alltägliches darzustellen. Hinzu kommt Khadras wunderschöner Schreibstil, den ich einfach liebe. Die Beschreibungen und Vergleiche sind farbenprächtig, das Leben spürbar und für den Leser erlebbar. Die Sprache ist poetisch und anschaulich. Im Vergleich zu "Die Schwalben von Kabul", das einem sehr viel Konzentration abverlangte, ist "Die Schuld des Tages an die Nacht" sehr leicht und flüssig zu lesen. Khadra macht auch sehr deutlich, wie sehr die historischen Entwicklungen an Younes vorbeigehen und doch gelingt es ihm, dem Leser die Umbruchstimmung im Algerien der 60er Jahre nahezubringen.
Neben einer Geschichte über das Schicksal, die Freundschaft und die Liebe ist dem Autor auch eine spannende Darstellung der algerischen Geschichte von 1930 bis 1960 gelungen, in der ein Weltkrieg and Algerien vorbeizieht und das Land sich schließlich von Frankreich emanzipiert. Mich hat Khadra mit diesem neuen Werk absolut überzeugt, gefesselt und auch mitleiden lassen. Und ich kann es nur jedem ans Herz legen!

9 von 10 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2010
Sethi, Ali

Meister der Wünsche


gut

Zaki Shirazi kehrt für die Hochzeit seiner Cousine von seinem Studium in Amerika in seine Heimatstadt Lahore in Pakistan zurück. Es ist für ihn aber nicht nur eine räumliche, sondern auch eine zeitliche Rückkehr. Er blickt auf die Geschichte seiner Familie, vor allem aber der Frauen in seiner Familie, zurück. Dabei wird deutlich, dass die vielen Einzelschicksale eng verwoben sind mit der Religion und der Geschichte des Landes, das nach der Unabhängigkeit von den Briten völlig zerrissen ist. Und mit der fortschreitenden Islamisierung Pakistans ändern sich auch die Rollen der Frauen in Zakis Familie.

"Meister der Wünsche" ist das Debüt des pakistanischen Autors Ali Sethi. Es lassen sich viele Parallelen zwischen seinen fiktiven Charakteren und seiner tatsächlichen Familie finden. Beispielsweise ist Zakis Mutter Redakteurin einer politik-kritischen Zeitschrift. Auch Sethis echten Eltern gehört ein kritisches Wochenmagazin.
Und dass es ein Erstlingswerk ist, merkt man leider auch an einigen Stellen sehr deutlich. Sehr detailliert werden die Hochzeitsvorbereitungen beschrieben, sodass anfänglich Bollywood-Feeling aufkommt, und der Leser sich zunächst auf eine etwas leichtere Lektüre einstellt. Doch gerade zu Beginn des Buches ist sie sehr anstrengend. Es werden übermäßig viele Urdu-Begriffe verwendet, sodass ich gerade auf den ersten 80 Seiten extrem oft zum Glossar am Ende des Buches blättern musste. Das hat den Lesefluss erheblich behindert und mir ist die Notwendigkeit nicht deutlich geworden. Beispielsweise geht doch nichts von der Exotik verloren, wenn man Kichererbsen übersetzt anstatt dafür den Urdu-Begriff zu verwenden, zumal in Pakistan die zweite Amtssprache sowieso Englisch ist, in dem dieses Buch geschrieben wurde.
Zudem wurde mir das Ziel der Geschichte nicht klar und daher wirkte es auf mich, als würde die Geschichte ziellos vor sich hinplätschern, zumal es streckenweise an Spannung fehlte. Dass die Geschichte einen Kreis bildet, der genau dort ankommt, wo er angefangen hat, wird erst auf den letzten Seiten deutlich. Bis dahin erfährt der Leser die Lebensgeschichte der konservativen Großmutter Daadi, ihrer auf dem Dorf lebenden Schwester Choti, Zakis liberaler Mutter Zakia und seiner rebellischen und modernen Cousine Samar Api. Dabei springt der Autor in der Zeit hin und her und erzählt zwischendurch sogar die Lebensgeschichte der Dienstangestellten.
Viele Dinge sind kulturbedingt unverständlich und werden für den westlichen Leser nicht zusätzlich erklärt, was dem Autor natürlich selbst überlassen ist. Doch dadurch blieb mir die Pointe von so manchem Dialog und mancher Situation verborgen. Auch die Geschichte Pakistans ist nicht leicht verständlich und steht auch nicht im Mittelpunkt, wie im Klappentext angepriesen. Sie bildet lediglich einen, manchmal unsichtbaren, Rahmen der Erzählung. Es ist beispielsweise von Vorteil, schon vorher etwas über Benazir Bhutto zu wissen, die übrigens 2007 Opfer eines Attentats wurde, was im Buch leider nicht thematisiert wurde.
Auch sprachlich überzeugt dieses Buch nicht auf ganzer Linie, wenn die Sprache auch sehr poetisch und bildhaft ist. Doch aneinandergereihte "er sagte" - "sie sagte" störten mich des Öfteren.

Alles in allem ist dieses Buch aber durchaus lesenswert, wenn es auch nicht an die Werke von Khaled Hosseini (ich denke, da dieser Autor im Klappentext zitiert wird, ist der Vergleich auch zulässig) oder Yasmina Khadra herankommt. Es versprüht jedoch Exotik und führt ein kompliziertes Leben in einem Land mit einer komplizierten Gesichte vor Augen. Und ab einem gewissen Punkt ist man auch in der Geschichte von Zaki angekommen und gefangen. Man braucht jedoch gerade am Anfang etwas Geduld und Durchhaltevermögen.

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.