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Lu
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Hamburg

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Insgesamt 258 Bewertungen
Bewertung vom 22.09.2024
Lenze, Ulla

Das Wohlbefinden


gut

Ulla Lenzes Roman „Das Wohlbefinden“ bietet auf den ersten Blick ein vielversprechendes Setting: eine historische Begegnung in den Heilstätten Beelitz im Jahr 1907, eingebettet in die okkulte Szene jener Zeit, und verknüpft mit einer Rahmenhandlung in Berlin 2020. Das Potenzial, eine packende Geschichte mit Tiefgang zu entwickeln, ist also eindeutig vorhanden. Doch trotz dieser faszinierenden Prämisse konnte mich der Roman letztlich nicht vollständig überzeugen.

Im Mittelpunkt steht die ambivalente Beziehung zwischen der angeblich hellsichtigen Fabrikarbeiterin Anna und der großbürgerlichen Schriftstellerin Johanna Schellmann. Beide Frauen scheinen voneinander zu profitieren, doch gleichzeitig bleibt unklar, welche Absichten wirklich dahinterstecken: Ist Anna ein echtes Medium oder eine geschickte Betrügerin? Nutzt Johanna sie lediglich als Inspiration für ihr neues Buch? Diese Spannung zieht sich durch den Roman, blieb jedoch für mich zu blass, um wirklich zu fesseln. Besonders Annas religiös-okkulte Äußerungen erschwerten es mir, ihre Anziehungskraft auf Johanna nachzuvollziehen. Auch die Figur von Johannas Enkelin Vanessa, die im modernen Berlin auf die Spuren ihrer Familiengeschichte stößt, bleibt für meinen Geschmack zu oberflächlich. Ihre Nachforschungen und die Entdeckungen über das wahre Ende von Johannas und Annas Geschichte fügen der Handlung zwar eine interessante Meta-Ebene hinzu, konnten mich emotional jedoch ebenfalls nicht erreichen.

Trotz dieser Kritikpunkte schätze ich Lenzes Sprache und den geschickten Aufbau des Romans. Ihre Fähigkeit, verschiedene Zeitebenen miteinander zu verknüpfen, zeugt von einer literarischen Raffinesse, die mich durchaus beeindruckt hat. Auch wenn „Das Wohlbefinden“ mich nicht vollkommen in seinen Bann ziehen konnte, würde ich dennoch weitere Romane von Ulla Lenze lesen, denn ihre stilistische Eleganz und die sorgfältige Konstruktion ihrer Geschichte sind unbestritten. Insgesamt lässt sich sagen, dass „Das Wohlbefinden“ trotz seiner gelungenen sprachlichen und erzählerischen Elemente letztlich für mich daran scheitert, die Tiefe seiner Figuren und die Dynamik ihrer Beziehungen überzeugend zu vermitteln. Wer sich jedoch für die Themen Okkultismus und historische Frauenfiguren interessiert, könnte in diesem Roman trotzdem eine lesenswerte Geschichte finden.

Bewertung vom 15.09.2024
Flury, Doris

My Vegan Bakery


sehr gut

„My Vegan Bakery“ ist ein äußerst gelungenes Backbuch, das mit 80 veganen Rezepten überzeugt, die einfach nachzubacken und dabei sehr lecker sind. Die Gestaltung des Buches ist ansprechend und hochwertig, was es zu einem echten Hingucker in der Küche macht. Besonders wichtig für mich ist, dass jedes Rezept von einem passenden Bild begleitet wird – und genau das bietet dieses Buch.

Die Rezepte selbst sind einfach und verständlich geschrieben, was sowohl für Backanfänger als auch erfahrene Hobbybäcker einen leichten Einstieg bietet. Auch die Zutaten sind nicht exotisch, sondern in größeren Supermärkten problemlos zu finden. Ich habe bisher drei Rezepte ausprobiert, darunter auch die Cookies, die mittlerweile zu Hause zu unseren Favoriten geworden sind. Die Mischung aus klassischen und neuen veganen Backideen macht dieses Buch besonders vielseitig. Ein weiterer Pluspunkt: Mit My Vegan Bakery hat man eine solche Vielfalt an leckeren Klassikern zur Hand, dass man sich aus meiner Sicht weitere Backbücher, ob vegan oder nicht, sparen kann. Es deckt ein breites Spektrum an Rezepten ab, sodass für fast jeden Geschmack etwas dabei ist.

Eine kleine Kritik habe ich jedoch: Die Rezepte werden als gesund beworben, aber der Einsatz von Zucker und Fett ist - nicht überall, aber teilweise - doch recht großzügig. Beispielsweise enthalten manche Rezepte 150g Kokosblüten- oder Rohrzucker sowie 100g Margarine – Mengen, die man nicht als „gesund“ bezeichnen würde. Das ist nicht unbedingt negativ, schließlich handelt es sich um Backwaren, die man ohnehin nicht täglich genießen sollte. Dennoch sollte man sich bewusst sein, dass diese Leckereien eher als Genussmittel und nicht als kalorienarme Alternativen zu verstehen sind. Hier sollte man die Zutaten der Rezepte einfach genau prüfen. Ich habe manche Rezepte auch schon mit weniger Zuckeralternativen gebacken und z.B. Schokolade durch Kakaonibs ersetzt.

Insgesamt ist My Vegan Bakery aber eine echte Empfehlung für alle, die auf unkomplizierte Weise backen und genießen wollen - und ausdrücklich nicht nur für Menschen, die vegan leben!

Bewertung vom 15.09.2024
Burseg, Katrin

Tage mit Milena


gut

„Tage mit Milena“ ist ein Roman, der eine Brücke zwischen der rebellischen Hausbesetzerszene der 1980er-Jahre und den heutigen Klimaaktivisten schlagen möchte. Im Mittelpunkt steht Annika, die ein ruhiges Leben in Lübeck führt, bis die Aktivistin Luzie plötzlich alte Wunden aufreißt und Annika mit ihrer Vergangenheit in der Hamburger Hafenstraße konfrontiert. Besonders gelungen finde ich den Versuch des Romans, den Aktivismus der Letzten Generation mit dem politischen Engagement der Achtzigerjahre in Verbindung zu setzen und so einen historischen Kontext für die aktuellen Protestbewegungen zu schaffen. Dieser Vergleich lädt die Leser*innen dazu ein, über die Entwicklung von politischem Widerstand und dessen verschiedene Formen nachzudenken.

Zu Beginn der Geschichte wirkten dabei auf mich leider einige Details etwas zu bemüht. Wenn Annika etwa ihren Mann als Teil der „slowflower Bewegung“ beschreibt und von ihren Einkäufen im Biosupermarkt spricht, wirken diese Anspielungen auf den modernen, ökologisch bewussten Lebensstil fast wie eine zu offensichtliche Konstruktion, um die Gegenwart zu beschreiben. Je tiefer die Geschichte jedoch in Annikas Vergangenheit und die Hausbesetzerzeit eintaucht, desto organischer und authentischer wirken die Charaktere. Die emotionale Tiefe der Figuren wird greifbar, besonders dann, wenn Annikas alte Freundschaften und ihre Beziehung zu Milena in den Fokus rücken.

Dennoch gibt es auch später im Roman Momente, in denen einige Handlungen der Charaktere zu sehr nach literarischem Kalkül anmuten. Manche Entscheidungen und Wendungen erscheinen etwas konstruiert. Dennoch ist „Tage mit Milena“ ein lesenswerter Roman, der nicht nur eine persönliche Geschichte über Freundschaft, Liebe und Verlust erzählt, sondern auch ein gelungenes Porträt zweier Generationen des Widerstands zeichnet. Insbesondere Hamburger:innen dürfte der Einblick in die Geschichte der Hafenstraße gefallen.

Bewertung vom 09.09.2024
Hempel, Patricia

Verlassene Nester


gut

Der Roman „Verlassene Nester“ bietet eine vielschichtige Erzählung, die in der Zeit nach der Wiedervereinigung spielt und sich mit den Spannungen und Unsicherheiten dieser Ära auseinandersetzt. Der Sommer 1992 im ehemaligen Grenzgebiet der Elbe wird hier zu einer Übergangsphase, nicht nur für das Land, sondern vor allem für die Protagonistin Pilly und ihre Umgebung. Mit der Schilderung ihrer Suche nach Zugehörigkeit und der Ergründung der Dynamiken in ihrer zerrütteten Familie stellt der Roman Fragen nach Identität und dem Umgang mit Veränderungsprozessen.

Was mich besonders angesprochen hat, ist die eindringliche Sprache des Romans und die vielschichtige Darstellung der Charaktere. Viele Perspektivwechsel zeigen verschiedene Sichtweisen auf die Ereignisse im Dorf, die die Leserschaft wie Puzzleteile zusammensetzen muss. Gerade dieser erzählerische Ansatz, der das Fragmentarische der Geschichte betont, spiegelt die Verwirrung und Orientierungslosigkeit wider, die die Menschen kurz nach der Wiedervereinigung im Dorf empfinden.

Eine Herausforderung des Romans liegt jedoch darin, dass er subtil mit historischen und politischen Kontexten spielt, die nicht jeder Leser oder jede Leserin unmittelbar parat haben mag. Das kann einerseits ein Anreiz sein, sich tiefer mit der Geschichte auseinanderzusetzen, andererseits könnte es dazu führen, dass bestimmte Nuancen und kritische Themen unbeachtet bleiben. Für diejenigen, die den Roman ohne Hintergrundwissen lesen, bleibt möglicherweise ein Teil der gesellschaftskritischen Tiefe verborgen, die das Buch zu bieten hat - z.B. die Gleichgültigkeit der Dorfbewohner:innen gegenüber den Anschlägen auf Vertragsarbeiter:innen und ihre Weigerung, ihnen gegenüber Empathie zu empfinden und diese zu Wort kommen zu lassen, weil sie vor allem mit sich und eigenen Sorgen beschäftigt sind. Trotzdem könnte darin auch eine Stärke von „Verlassene Nester“ liegen: Es bietet Raum für Interpretation und fordert eine aktive Leserschaft, die bereit ist, sich mit den komplexen Verstrickungen von Vergangenheit und Gegenwart auseinanderzusetzen.

Insgesamt empfinde ich den Roman daher als gelungen, besonders wegen seiner Sprache und der vielschichtigen Erzählweise. Aber ich bin unsicher, ob er für jede Leserin und jeden Leser gleich zugänglich ist. Vielleicht liegt darin aber auch seine Qualität: Er bietet eine Lektüre, die nicht sofort alles preisgibt, sondern zur Reflexion und zum Nachdenken anregt.

Bewertung vom 05.09.2024
Wood, Laura

Agency for Scandal Bd.1


gut

„Agency for Scandal“ ist ein spannender Jugendroman, der die Leser:innen
in die glitzernde und gleichzeitig gefährliche Welt der Londoner High Society à la Bridgerton führt. Die Hauptfigur Izzy Stanhope ist eine komplexe Heldin mit vielen Geheimnissen: Sie ist in den attraktiven Duke verliebt, arbeitet heimlich in einer Detektei und hat außergewöhnliche Fähigkeiten wie das Knacken von Schlössern. Die Handlung entwickelt sich zu einem spannenden Mix aus Krimi, Romanze und Abenteuer, der durchaus auch feministische Botschaften enthält.

Besonders gelungen ist die Darstellung der rein weiblichen Detektei, die durch weibliche Solidarität und Stärke mächtige Männer zur Rechenschaft zieht und Frauen vor Skandalen schützt. Auch die queeren Nebenfiguren tragen zur Vielfalt der Charaktere bei und machen die Geschichte inklusiver. Allerdings wäre hier aus meiner Sicht noch mehr möglich gewesen. Die Liebesgeschichte zwischen Izzy und dem Duke bleibt leider in klassischen Klischees verhaftet. Der Duke wird als der typische, selbstbewusste, attraktive und außergewöhnlich große Held dargestellt, während Izzy als unsichere, außergewöhnlich zierliche und unscheinbare Figur beschrieben wird.

Trotz dieser Kritik bleibt „Agency for Scandal“ ein netter Roman mit Wilde Hühner- und Bridgerton-Vibes. Wer eine leichte Lektüre für zwischendurch sucht, ist hier gut aufgehoben.

Bewertung vom 02.09.2024
Hamilton, Henrietta

Mord in der Charing Cross Road / Ein Fall für Sally und Johnny Bd.1


weniger gut

Die Ankündigung des Romans „Mord in der Charing Cross Road“ von Henrietta Hamilton verspricht einen spannenden Krimi im Londoner Antiquariatsmilieu der 1950er Jahre. Leider konnte das Buch meine Erwartungen nicht erfüllen. Es ist unklar, warum dieser Roman von 1956 nun neu aufgelegt und von Dorothee Merkel übersetzt wurde, denn in meinen Augen fehlen ihm viele Qualitäten, die einen klassischen Kriminalroman ausmachen.

Ein zentrales Problem des Romans ist die Erzählweise. Über weite Strecken werden Begebenheiten lediglich wiedergegeben, anstatt sie anschaulich zu schildern. Dieses häufige Verletzen des Erzählprinzips „Show, don’t tell“ führt dazu, dass die Handlung flach bleibt und das Lesen der vielen Details anstrengend ist. Auch die Charakterzeichnung lässt zu wünschen übrig. Die Hauptfiguren Sally Merton und Johnny Heldar bleiben oberflächlich und unnahbar, was bedauerlich ist, da der Roman den Auftakt einer ganzen Reihe um dieses Ermittlerduo darstellt. Die Nebendarsteller:innen, von denen es zudem viel zu viele gibt, gewinnen ebenfalls keinerlei Tiefe. Dadurch wirken viele ihrer Handlungen unmotiviert und die Figuren selbst bleiben blass und eindimensional. Dies zeigt sich auch in der unglaubwürdigen Liebesgeschichte zwischen Sally und Johnny, die völlig überraschend und nicht überzeugend kommt. Zudem entsprechen beide Figuren typischen Geschlechterklischees, die heutzutage eher veraltet wirken und den Roman zusätzlich altbacken erscheinen lassen.

Insgesamt hat mich „Mord in der Charing Cross Road“ enttäuscht. Im Vergleich zu Klassikern des Genres, wie etwa den Werken von Agatha Christie, fehlt „Mord in der Charing Cross Road“ die sorgfältige Konstruktion und die Raffinesse in der Erzählung. Ich frage mich wirklich, warum Klett-Cotta sich zur Neuauflage der Reihe entschieden hat - sonst gefallen mir die Romane des Verlags nämlich fast ausnahmslos. Einen weiteren Band dieser Reihe werde ich aber garantiert nicht lesen.

Bewertung vom 27.08.2024
Lind, Jessica

Kleine Monster


ausgezeichnet

Für mich hat sich der Roman, der eigentlich ein Familiendrama darstellt, wie ein Psychothriller gelesen. Ich fand ihn unheimlich spannend und atmosphärisch dicht geschrieben, da war kein Wort zu viel und trotzdem gab es immer wieder einfühlsame, kreative Sprachbilder und Beschreibungen.

Im Zentrum der Handlung stehen Pia und ihr Sohn Luca. Luca wird beschuldigt, ein Mädchen in der Grundschule bedrängt zu haben, schweigt jedoch beharrlich zu den Vorwürfen. Dieses Schweigen bringt Pia aus dem Gleichgewicht und lässt alte Wunden aus ihrer eigenen Kindheit wieder aufbrechen. Auch in Pias Kindheit wurde viel geschwiegen und gelogen. Die Erzählung entfaltet eine dichte Atmosphäre des Misstrauens und der Ungewissheit, was dazu führt, dass man sich als Leser:in immer wieder fragt: Was ist wirklich passiert? Besonders gelungen ist die Darstellung von Pias innerem Kampf als Mutter. Ihre wachsende Angst und das Misstrauen gegenüber ihrem eigenen Sohn haben mich selbst zunehmend unwohl werden lassen.

Der Roman wirft somit wichtige Fragen auf: Dreht sich die Spirale von Familientraumata immer weiter, weil diese von Generation zu Generation weitergegeben werden? Und wie geht man damit um, dass man nie genau wissen wird, was tatsächlich geschehen ist? In „Kleine Monster“ gibt es keine einfachen Antworten. Die Charaktere versuchen zu lernen, mit den eigenen Unsicherheiten und den Lücken in ihren Erinnerungen umzugehen, sich selbst und einander zu vertrauen. Bis zur letzten Seite bleibt es spannend, ob sie das schaffen oder ob die Familie dadurch auseinanderbrechen wird.

Bewertung vom 24.08.2024
Parrott, Ursula

Ex-Wife


ausgezeichnet

Klassikerin
Dieser Roman kam mir ein bisschen so vor wie die reiche, amerikanische große Schwester von „Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun.
Patricia lebt als Ex-Frau unabhängig und berufstätig im New York Ende der 1920er-Jahre. Obwohl sie Halt bei einer guten Freundin und Spaß am New Yorker Nachtleben findet, trauert sie ihrem Mann und dem Leben als Ehefrau hinterher. Schließlich sind die Rollenerwartungen an Frauen klar: Sie soll möglichst gutaussehend, möglichst rein und möglichst verheiratet sein. Patricia versucht allerdings immer wieder sowohl Ablenkung durch Sex als auch eine neue Liebe zu finden. Dabei begegnen ihr neben Männern, die zu guten Freunden werden, auch immer wieder misogyne und gewalttätige Männer, sodass die Strukturen als sexistisch und ungerecht entlarvt werden.
An „Das kunstseidene Mädchen“ hat mich einerseits die Erzählweise erinnert, die mitunter gedankenstromartig ist, dann wieder raffend wie ein Tagebucheintrag. Zudem wird durch die Erzählweise deutlich, dass Patricia einige misogyne Strukturen selbst eher nicht hinterfragt, sondern vor allem versucht, mit deren negativen Folgen klarzukommen. Andererseits gibt es aus meiner Sicht auch inhaltliche Überschneidungen: Patricias Suche nach Glück, die Rolle von Mode und Äußerlichkeiten dabei, ihr ständiges Scheitern und Wiederaufstehen oder ihre Hilfsbereitschaft gegenüber anderen Frauen. Eines hat Patricia jedoch ihrer deutschen kleinen Schwester voraus: Durch Bildung und soziale Herkunft kann sie ihren Lebensunterhalt selbst finanzieren. Sie zeigt, dass Frauen ökonomisch nicht auf Männer angewiesen sein müssen.
Alles in allem habe ich den Roman sehr gerne gelesen - ich kann es Fans vom kunstseidenen Mädchen und/oder Sex and the City empfehlen. Aus meiner Sicht eignet sich der Roman durch die Erzählweise und den kulturhistorischen Hintergrund von Prohibition und der Lebensweise von bürgerlichen Frauen in den 1920ern auch sehr gut zur Klassikerin.

Bewertung vom 21.08.2024
Clausen, Murmel

Leming


weniger gut

TW: Suizid, Tod. Dieser Roman hatte mich mit der Ankündigung „Tschick trifft auf Nick Hornbys A Long way Down im Setting von The End of the F***ing World“ sehr neugierig gemacht, leider hat er mich jedoch überhaupt nicht berührt. Es scheint, als bemüht sich der Roman sehr, genau diese Vorgaben zu erfüllen, ohne jedoch eine eigene Sprache zu finden, sodass am Ende alles oberflächlich abgehandelt auf mich wirkte. Nur das Nachwort im Namen des Autoren hat mich schließlich emotional erreicht.
Es geht um drei Außenseiter, die nach Ungarn aufbrechen, um sich umzubringen. Der Roadtrip erinnert tatsächlich an Tschick, allerdings ohne dass die Nebencharaktere wirklich Tiefe bekommen. Erzählt wird in einer ähnlich derben Sprache, die auf mich jedoch oft aufgesetzt und unauthentisch wirkte - dort redet kein Teenager, sondern es schimmert ein Erwachsener durch, der versucht, wie ein Teenager zu schreiben. Während Wörter wie „behindert“ reflektiert werden, werden „bitch“ und „normal“ einfach verwendet, ohne dass das irgendwie ironisch gebrochen wird o.Ä. Auch Trauer und Verzweiflung wurden für mich weder ernst noch ironisch dargestellt, sodass die Darstellung vor allem oberflächlich und bemüht wirkt.
Positiv: Die Geschichte wird flüssig erzählt, ich habe sie trotz Genervtheit zwischendurch zügig weglesen können. Das Nachwort und die zur Verfügung gestellten Informationen zu Hilfsmöglichkeiten fand ich auch gelungen.

Bewertung vom 19.08.2024
Wells, Benedict

Die Geschichten in uns


sehr gut

Dieses Sachbuch über das Schreiben (und eigentlich auch über das Lesen) habe ich vor allem nachts gelesen. Ich habe 2-3 Nächte im Monat, in denen ich aufwache und meistens direkt weiß, dass ich nicht schnell wieder einschlafen werde. In den Momenten fange ich gerne neue Bücher an - so hat sich das Wachliegen wenigstens gelohnt. Und wie passend war es dann bei diesem Sachbuch, dass der Autor laut eigenen Angaben selbst viele Nächte durchwacht?
Wells schreibt im ersten Teil über sein Aufwachsen und, wie er zum Schreiben kam, so packend, dass ich den Teil in einem Rutsch gelesen habe. Dass ich außerdem Vieles zum Entstehungsprozess von meinen Lieblingsbüchern „Hardland“ und „Fast genial“ erfahren habe, fühlte sich fast an, wie alte Bekannte wiederzusehen und endlich mehr über sie zu erfahren.
Der zweite und dritte Teil gehen dann auf Theorie und Praxis des Schreibens ein. Dieser Teil ist gespickt mit Zitaten und Beispielen berühmter Schriftsteller:innen sowie eigenen Textpassagen. Die Zitate und Weisheiten wirken manchmal plakativ, andererseits habe ich den Teil auch als gute Fundgrube für den Literaturunterricht empfunden. Sicherlich hätte hier einerseits die Auswahl der Beispiele noch diverser sein können, andererseits erhebt der Ratgeber nie Anspruch auf Vollständigkeit und Wells ist so selbstkritisch, dass ich selbst nachsichtiger wurde.
Alle Teile sind - typisch Wells - flüssig erzählt. Menschen, die gerne schreiben und/oder lesen, werden Freude an diesem Buch haben!