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Milienne
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Insgesamt 149 Bewertungen
Bewertung vom 26.09.2022
Schulman, Alex

Verbrenn all meine Briefe


ausgezeichnet

Persönlich, poetisch und so tragisch

„Die Geschichte ist ein Riese, der sich in Bewegung setzt, eine Dreiecksgeschichte, die heranrollt, auf dem Weg in die unausweichliche und endgültige Katastrophe.“

Obwohl man schnell weiß, wie es endet, fesselt die Geschichte von Alex Schulman von Anfang bis Ende. Kaum zu glauben, dass die Basis der Geschichte echt ist: Seine Großmutter Karin verliebt sich im Sommer 1932 in Olof, der allerdings nicht sein Großvater ist, der berühmte Schriftsteller Sven Stolpe. Diese Liebe, die sie in ihrer Ehe nie finden wird, ist zum Scheitern verurteilt - Scheidung kommt für den cholerischen Sven nicht in Frage. Die möglichen Konsequenzen schweben immer über Karin und sie findet keinen Weg aus dieser unglücklichen Verbindung hinein in eine Zukunft mit Olof. Was bleibt sind die Erinnerungen an diesen ereignisreichen Sommer, und die Briefe, die Gott sei Dank nie verbrannt wurden.

Das Trauma, das alle Parteien durch dieses verhängnisvolle “Liebes”-Dreieck erleben, soll sich noch durch den gesamten Stammbaum ziehen. Während seiner Recherche, kommen szenenartig Erinnerungen, die Alex Schulman mit steigendem Wissen immer besser einordnen kann. Wir sind in seiner Gegenwart, der Vergangenheit der Großeltern, und in Schulmans Kindheit,und Stück für Stück erkennt man, woher all die Wut in seiner Familie rührt. Olof Lagercrantz Tagebuch bietet die Umrisse für die Erzählungen der Geschehnisse 1932, Schulman malt sie aus und es fühlt sich so echt an.

Man darf nicht vergessen, was für einen Mut es erfordert, so über die eigene Familie zu schreiben, gerade der Großvater kommt nicht gut dabei weg. Der Autor bleibt dabei reflektiert, selbstkritisch und beruft sich letztlich auch auf die Gattung des Romans, nichtsdestotrotz: Karin und Olofs Liebe hat es nach all den Jahren im Schatten verdient, ans Licht zu kommen. Und ganz persönlich bin ich der Meinung, dass auch Sven Stolpe verdient hat, zumindest postum ein wenig für seine privaten Taten zur Verantwortung gezogen zu werden. Vielleicht hätte es ihm als Schriftsteller sogar gefallen, in einem gelungenen Roman belangt zu werden.

Obwohl man es besser weiß, hofft man doch auf ein Happy End, aber vielleicht gibt es das zumindest für die nachkommenden Generationen.
Ein Roman, der einen fassungslos, gerührt und nachdenklich zurücklässt, eine große Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.09.2022
Carty-Williams, Candice

People Person


ausgezeichnet

Tolle Konstellation von people(n)

Ein Vater und vier Mütter, 5 Kinder, die sich in ihrer Gesamtheit als Geschwister auch nur kennengelernt haben, weil ihr Vater Cyril zufällige Inszest im Erwachsenenalter vermeiden wollte. Das sagt schon sehr viel über den eigenen Charakter des Frauenjägers aus: Zu jeder der Mütter hat er eine eigene, oft körperbasierte Erinnerung, während die meisten von ihnen nicht mehr gut auf ihn zu sprechen sind. So richtig liebt er nur die Musik, um genau zu sein Reggae. Ohne richtige Bestimmung oder Bindung zu irgendwem ist er mal hier, mal da, People Person, aber selten bei seinen Kindern. Nach ihrem katastrophalen ersten Treffen, sehen sich Nikisha, Danny, Dimple, Lizzie und Prynce erst viele Jahre später in voller Konstellation wieder, leider aus einem noch unschöneren Anlass. Obwohl sie sich alle kaum kennen, stellt Nikisha als Älteste klar: Wir halten ab jetzt zusammen.

Dimple ist diejenige, die die ganze Handlung durch eine sehr ausgeartete Schieflage in ihrem Leben zum Rollen bringt, weswegen wir von ihr am meisten mitbekommen und der Erzählfokus auf ihr liegt. Spannend fand ich dabei den allwissenden Erzähler, der die Intentionen und Gedanken der anderen kannte, sodass man sich in der bereits wilden Konstellation sich nicht auch noch diese Aspekte erschließen musste, sondern die Figuren genauso kennenlernen konnte, wie sie gedacht waren. Sie durch Dimples Augen wahrzunehmen, hätte niemandem gut getan, weder ihrer Figur, noch uns als Lesern, denn sie ist sehr sensibel und lebt(e) in einer sicheren Blase, die sie aus eigenen Gründen als Influencerin versucht ins Internet zu verlagern. Ich fand es wunderbar, wie sie auf ihre Macken schonungslos hingewiesen wurde, obwohl das die sich noch entwickelnden Geschwisterbeziehungen, auf die man doch irgendwie hofft, natürlich gefährdet. Auch die anderen Geschwister habe ich mit all ihren positiven als auch negativen Eigenschaften fast schon lieb gewonnen.

Was der fehlende Vater mit ihnen macht, wird immer mal wieder angeschnitten, doch bei dem wuseligen Plot wäre in dieser Hinsicht mehr auch zu viel gewesen. Ich könnte noch so viel mehr dazu sagen, es passiert so viel und der Humor geht dabei nie verloren, ich hatte eine schöne Zeit, ganz ohne echte people, aber mit tollen Figuren.

Bewertung vom 13.09.2022
Stohner, Friedbert

Bleibt Oma jetzt für immer?


ausgezeichnet

Einbißchen ist alles wie immer, aber in der Hauptsache anders:

Schleichend fällt der 11-Jährigen Karla auf: Mit ihrer Oma stimmt etwas nicht und das liegt nicht nur am verstauchten Knöchel, wegen dem sie jetzt bei ihrer Familie wohnt. Wie ein verschrecktes Eichhörnchen guckt sie manchmal und scheint ganz weit weg. Auch ihren Eltern und dem aufmerksamen kleinen Bruder Anton entgehen diese zwischenzeitlichen Verwirrungen nicht und tatsächlich stellt sich heraus: Die sonst so selbstbewusste und schlagfertige Oma leidet an Demenz.

Ab da begleiten wir weiterhin den Alltag aus Karlas rückblickender Perspektive, denn als sie erzählt, ist sie schon 13.
Ein wahnsinnig schönes, lustiges und gleichzeitig trauriges Buch über Demenz, welches ich sofort meinen Kindern schenken würde, denn besser könnte ich dieKrankheit nie und nimmer erklären. Die kindliche Perspektive zeigt sehr genau, wie viel Kinder eigentlich doch mitkriegen und verstehen. Gott sei Dank lassen Klaras Eltern sie und ihren Bruder bei den Entwicklungen nie außen vor und versuchen diese Krankheit, die das Wesen der Oma doch leider verändert zu erklären - obwohl sie selbst am kämpfen sind. Ganz besonders hat mir der pfiffige kleine Bruder Anton gefallen, aber auch Klaras Kommentare sind gleichzeitig klug, lustig und aufmunternd und erleichtern wirklich jedem den Umgang mit so einem schwierigen Thema.

Bewertung vom 13.09.2022
Pavlenko, Marie

Die Welt, von der ich träume


gut

Ein Junge schlägt ein Buch auf und liest die Geschichte einer jungen Heldin:

Samaas Welt sieht anders aus als unsere jetztige. In der Wüste brauchen sie Sauerstoffflaschen zum Leben, Wasser wird in Form von Gelkapseln eingenommen, Tiere kennt sie nur aus Erzählungen der Alten. Diese nervt sie wiederum mit ihren ausgedachten Geschichten. In ihrem Übermut, ebenfalls eine Jägerin zu werden, begibt sie sich in Gefahr und merkt: Vielleicht hat die Stammesälteste doch Recht und das Fällen der Bäume ist ein großer Fehler…

Mit Samaa hat Marie Pavlenko uns eine mutige Heldin geschenkt, der zurecht in der Rahmenerzählung ein Buch gewidmet wurde. Die kindliche Ich-Perspektive veranschaulicht ihren Prozess des Begreifens, darüber, wie wichtig die Natur und die Bäume sind - etwas, was viele Kinder auch heute vermutlich sowieso besser verstehen als manch Erwachsener.

Etwas schade fand ich, dass man in dem doch kurzen Buch länger braucht, um sich die utopische Umwelt ohne Bäume und mit anderer Nahrung zu erschließen, denn am Anfang merkt man nicht unbedingt, dass Samaas Welt keine erstrebenswerte ist. Umso gelungener ist ihre Erkenntniss: Ein lebendiger Baum bietet so viel mehr als ein toter. Ein recht schönes, altersgerechtes Buch zum Thema Umwelt und Achtsamkeit.

Bewertung vom 22.08.2022
Schaper, Fam

In your eyes / Catching up with the Carters Bd.1


gut

Aphrodite führt zwar ein luxuriöses Leben, an ihrer Stelle möchte man trotzdem nicht sein. Wie fern von jeglicher Realität ihr Leben und auch die Reality-Show ist, die von ihrer Familie handelt wird recht früh klar: Sobald die Kameras aus sind, rückt sie von ihrer Schwester ab, Abends versucht sie durch Feiern mit losen Bekannten abzuschalten.
Garret teilt ihr Schicksal, schließlich gehört er der anderen Reality-Familien-Dynastie des Landes an - offiziell in einer Fehde mit den Carters, sodass die einstige Liebe der beiden keinen Platz in ihrer Welt hat.

Aphrodite ist sich bewusst darüber, wie unglücklich sie ist und versucht Unabhängigkeit zu gewinnen, in dem sie als Assistentin in der Produktion einer Dating-Show mitmacht - ausgerechnet Garret hat auch seine Gründe vor Ort zu sein.

Den Plot finde ich super spannend, auf die Idee muss man erst einmal kommen. Bei lauter Fake-Dating Stories im Genre Romance, ist das Konzept der "Fake-Reality" einfach mal was anderes und gar nicht so irrelevant. Über die Schattenseiten von Ruhm und Geld kann man nicht genug philosophieren. Außerdem lassen sich hier die intensiven Gefühle von Garret und Aphrodite erklären, da sie eine gemeinsame Vergangenheit haben, weswegen deren Beschreiebung zwar oft sehr ausführlich, jedoch nie realitätsfern waren, was mich sonst gerne mal bei solchen Lovestories stört.

Realistisch ist die Geschichte natürlich trotzdem nicht, aber den Anspruch habe ich auch gar nicht. Nur verstehe ich oft nicht, warum Aphrodite weggeht, ich finde da wird einiges an künstlichem Drama verursacht, wodurch die Geschichte sehr in die Länge gezogen wird. Da hätte man andere Aspekte unterbringen können bzw. andere Teile der Storyline, auch in Vorbereitung auf die nächsten Teile, ausbauen können. Auch die detaillierten Sex-Szenen sind absolut nicht meins.

Der Schreibstil ist sehr angenehm und zwanglos, man merkt, da hat jemand Talent.
Im Romance-Genre irgendwie mal was anderes, aus genannten Gründen jedoch kein Highlight für mich.

Bewertung vom 17.08.2022
Boie, Kirsten;Weiß-Freiburg GmbH

Vorbei ist eben nicht vorbei


ausgezeichnet

1961, der Krieg ist vorbei, fast jeder hat jetzt einen Fernseher, das Leben in Deutschland ist unbeschwert, könnte man meinen. So auch die anfangs 13-Jährige Karin, die das Verbot ihrer Wunschfrisur für das Schlimmste hält, zu dem ihre Eltern fähig sind. Im Austausch mit ihrer Freundin Regina hört sie zum ersten Mal, was im Krieg mit den Juden passiert ist. Angesprochen darauf reagiert ihre Mutter wütend und will keine Juden gekannt haben, Karin könne sich nicht vorstellen, wie das war. Aber wie kann es sein, dass es bei keinem der Erwachsenen Juden in der Gegend gab? Zumindest ihre Eltern lügen doch nicht! Lange kann sie das Vertrauen in ihre Eltern nicht wahren, denn manch Beweis lässt sich nicht durch Worte wegwischen. Und was man einmal weiß, weiß man. Die Flut, die über ihre Heimat einbricht, zerstört auch die letzte Leichthaftigkeit und Karin beginnt ein ernsthafter Teenager zu werden, der die Vergangenheit nicht loslassen kann, denn vorbei ist eben nicht vorbei.

Kirsten Boie holt die Lebensrealität Jugendlicher aus den 60er Jahren erfolgreich in die Gegenwart. Sie verleiht dem historischen Begriff “Nachkriegszeit” Merkmale, Gesichter und Emotionen, über die man sich zu wenige Gedanken macht. Wie ging es für die Leute nach dem Krieg weiter? Welche Schuld lastet auf wem und was erzählen diejenigen, die vor Jahren beim Tod von Kindern weg sahen, nun ihren eigenen? Die Autorin lässt ihre Figur unangenehme Fragen stellen, macht Geschichte zu etwas Greifbarem, das nicht nur als Wissen im Lehrbuch vermittelt wird und erinnert daran, dass man nie vergessen sollte, wozu Menschen fähig sind. Dabei bleibt sie dem Genre des Jugendromans stets gerecht, wobei sich dieser für jede Generation eignet, schließlich handelt der Roman von einem Generationenkonflikt.

Bewertung vom 14.08.2022
Clima, Gabriele

Der Geruch von Wut


sehr gut

Vom Weg abkommen

Nach dem Unfall, der sein Leben veränderte, weiß Alex gar nicht wohin mit seinen Gefühlen, vor allem der Wut. Und so richtig verstehen kann ihn sowieso keiner. Die partielle Lösung scheint nah: den Mann finden, der den anderen Wagen fuhr und demnach Schuld am Tod seines Vaters und der Behinderung der Mutter ist. Und so gerät er an die Gruppierung “Black Boys”, Jugendliche, die es auf Ausländer abgesehen haben. Diese helfen natürlich zu gerne, den ausgerechnet schwarzen Fahrer zu finden. Das Alex so zusammen mit seinem Kumpel Teo fest in dieses Netz radikaler Gewalt eingesponnen wird und nicht mehr einfach raus kann, bringt ihn in Gefahr.

Der Roman vereint in seiner Kürze eine Bandbreite von Problemen. Trauer und Wut bei Verlust eines geliebten Menschen, Rassismus in Italien und gefährliche Gruppendynamiken. Diese werden hier clever und logisch kombiniert, sodass sie sich nicht aufheben oder stören. Sehr berührend sind besonders die Stellen, wo Alex seinen toten Vater “sieht”. Wichtig finde ich, dass das nicht als etwas psychisch problematisches oder rührseliges dargestellt wird, sondern als Teil des Trauerprozesses. Auch die Beziehung zur Mutter, die trotz weniger aktiver Auftritte einen tollen Charakter darstellt, lässt einen mit einem Lächeln und auch Hoffnung für Alex zurück.
Durch den Roman lässt sich sehr gut nachvollziehen, wie auch eigentlich “anständige” Jugendliche schnell in falsche Kreise geraten können. Da Gewalt ein explizites Thema ist, erschien mir das Ende etwas zu sehr nach Happy End, auch es eher offen gestaltet ist. Die Probleme und Taten sind zu komplex, um es auf diese Art auslaufen zu lassen.
Die wohl wichtigste Message galt nun aber der Wut, die Alex seit dem Tod seines Vaters begleitet. Und dieser wird doch ein gebührendes und rührendes Ende gesetzt, sodass ich diesbezüglich ein Happy End mehr als dulde. Vom Weg abkommen bleibt nicht ohne Folgen, sei es beim Autofahren oder im Leben, doch Gabriele Clima führt den Begriff der Zustandsveränderung ein und zeigt auf: Es geht weiter, manchmal halt anders.
Ein schöner, kurzweiliger Roman, der viel aufwühlt, aber genauso viel wieder einordnet.

Bewertung vom 11.08.2022
Cole, Jan

Was du nicht erwartest


sehr gut

Diese Story war tatsächlich nicht zu erwarten!

Nik ist Autist, soziale Situationen bereiten ihm Schwierigkeiten und sobald er etwas nicht in Form von
Zahlen und Listen kontrollieren kann, bereitet er die Schwierigkeiten, vor allem seiner Mutter. Als Nik
Stella sieht, versucht er ein Experiment, das so schief geht, dass eine Mutter einen vorübergehenden
Aufenthalt in einer Klinik für ihn beschließt. Für Nik eine Horrorvorstellung.

Auch Maike braucht Kontrolle - allerdings über ihre Kalorien und ihr Gewicht. Dass ihre Essstörung
ihre Gesundheit gefährdet reicht nicht, um sich nicht gegen den Klinikaufenthalt zu wehren. Trotz
ihrer Verschiedenheit vereint die beiden eins: Der Kontrollverlust motiviert beide, nicht in der Klinik
bleiben zu wollen und so entsteht ein ungewöhnliches Duo, das auf eine doch sehr gefährliche Tour
geht, wobei sowohl sie als auch der Leser viel über ihre Krankheiten lernen.

Die Idee, Autismus und Magersucht in einem Roman zu kombinieren und so darüber aufzuklären ist
sehr geschickt, Nik und Maike ergänzen und verstehen sich, vielleicht fast zu gut, denn Nik findet ihr
Verlangen Kalorien zu zählen eher spannend als beunruhigend.
Wir erleben beide abwechselnd aus der Ich-Perspektive und dementsprechend ihre Wahrnehmung der
Dinge, das ist einerseits sehr aufschlussreich, andererseits gerade bei Maike erschreckend realistisch.
Der Autor, der noch einen speziellen, ungewöhnlichen aber auch unterhaltsamen Einfluss auf die
Geschichte nehmen wird, hat sich sehr viel Mühe gegeben hinter die Essstörung zu blicken und ich
kann mir vorstellen, dass sich viele Betroffene wiedererkennen. Gerade deswegen würde ich ihnen das
Buch nur bedingt empfehlen, da es doch alte Wunden aufreißen könnte. Alle eandern, die auf eine
einfühlsame und auch humorvolle Weise Einblick in Maikes und Niks Lebensrealität bekommen
möchten, werden in ihren Erwartungen vielleicht sogar übertroffen.

Bewertung vom 11.08.2022
Fessel, Karen-Susan

Blindfisch


sehr gut

Lon, am seltenen Usher-Syndromerkrankt, hat sich bereits an ein Leben mit Hörgerät gewöhnt und ist
sportlich, beliebt und sympathisch. Als sich nun auch das Sehvermögen anfängt zu verschlechtern,
versucht Lon sich noch mehr Zeit im “normalen” Leben zu geben und weiht niemanden ein. Das
macht den Alltag nicht gerade einfacher, vor allem wenn man sich al Jugendlicher sowieso noch mit
anderen Dingen auseinandersetzen muss: Liebe, Freundschaft, Familie und Sexualität.

Die Kapitel sind kurz, häufig einfache Sätze wie Gedankenfetzen, ein sparsamer aber gewählter
Umgang mit den Worten, die Lons Gefühlslage aus der Ich-Perspektive auf den Punkt bringen.
Gedanken, die sich ein gesunder Mensch nicht machen muss. wie wird es sein, wenn alle einen sehen
aber man selbst nicht mehr, wenn man altert, das eigene Umfeld im Kopf aber immer jung aussehen
wird? Wie viel Selbstständigkeit wird noch bleiben, genau das, wonach sich doch alle Jugendlichen
sowieso sehnen?

Queerness durchzieht den Roman ganz nebenbei, sie wird nicht großartig thematisiert, sie ist einfach
da und bereit niemandem ein Problem, das ist eine erfrischende Herangehensweise. Tatsächlich könnte
Lon sowohl weiblich als auch männlich sein, es gibt wenige bis gar keine Stellen, die eindeutige
Aussagen treffen. Die Geschichte hätte auch kaum Raum gegeben, dies noch weiter zu thematisieren,
das eigentliche Thema kam schon etwas zu kurz. Man würde gerne mehr über die Krankheit, die
Ursachen und den Verlauf erfahren, auch das Ende war sehr abrupt. Aber gerade wegen dieser Kürze
ist Lons seltenes Schicksal ein umso intensiveres Leseerlebnis welches man gar nicht aus der Hand
legen möchte.