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pw

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Insgesamt 128 Bewertungen
Bewertung vom 28.08.2020
Rumpl, Manfred

Schwarzer Jasmin


sehr gut

Trotzdem begeistert

In einer Vorankündigung dieses Buches stand „Ein vielschichtiger Thriller zwischen Arabischem Frühling und europäischem Lifestyle“. „Klingt spannend“, dachte ich.

Die Geschichte fängt ganz allmählich an, spielt zunächst in Tunesien, dann in Deutschland. Zuerst sieht es überhaupt nicht nach einem Thriller aus, sondern nach einem Roman mit verschiedenen Lebenserfahrungen, die hier abwechselnd dargestellt werden. Ich fand es trotzdem überaus interessant und war sofort gefesselt von den Charakteren und dem, was sie erlebten.

Da sind die Tunesier: Der Junge Eymen, Haupt-(Anti-)Held, denn seine Handlungen sind nicht heldenhaft, sondern eher kriminell. Dann ist da sein Freund Ahmed – das ganze Gegenteil von ihm. Bei den „krummen Dingern“ fühlt der sich eigentlich gar nicht wohl, die macht er nur aus Loyalität zu seinem Freund mit. Die beiden flüchten dann nach Europa.

In Berlin lernen wir Jakob, einen aus Österreich stammenden Weinexperten, kennen – und seine Freundin oder Ex-Freundin oder eben auch nicht – Julia. Deren Probleme erscheinen zunächst ziemlich banal zu sein im Vergleich zu denen der Tunesier oder überhaupt der Flüchtlinge.

Die Handlung wechselt zuerst zwischen Tunesien und Deutschland, aber nicht nur örtlich, sondern auch zeitlich. In Tunesien ist gerade der Arabische Frühling ausgebrochen. In Deutschland ist es die Zeit kurz vor dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016.

Das Ganze gewinnt recht schnell an Dynamik. Es wird zum Thriller. Als weitere Hauptpersonen kommen Polizisten aus einer speziellen Anti-Terror-Abteilung hinzu. Eine ziemlich bunte und sympathische Truppe. Unkonventionell professionell, denn leider bekommen sie so etliche politisch motivierte Knüppel „von höherer Stelle“ zwischen die Beine geworfen.

Die Handlungsstränge überschneiden sich immer mehr. Die Wechsel werden dramatischer. Die Personen sind überzeugend dargestellt. Der Autor schafft es, dass ich regelrecht in den Kopf der handelnden Personen hineinsehen kann und von jedem auch eine menschliche Seite sehe, auch wenn ich mich ansonsten nicht mit der Person identifiziere.

Zum Ende hin werden die Wechsel immer schneller. Die Zeit, in der die beschriebenen Szenen spielen, mäandert sich regelrecht an den 19. Dezember 2016 heran. So viel darf ich sagen: Es geht letzten Endes nicht um den Anschlag aus der Realität. Aber am Ende gibt es durchaus ein „Wow!“.

Was ich allerdings überaus schade finde und dem Autor übelnehme, ist seine nachlässige Recherchearbeit. Durch einen Blick auf einen alten Kalender von 2016 hätte sich der Fehler mit den Wochentagen, der sich durch das ganze Buch zieht, vermeiden lassen. Der 19. Dezember 2016 war ein Montag und kein Sonntag, wie im Buch dargestellt. Dementsprechend war der 17. Dezember ein Samstag und kein Freitag usw. Hinzu kommt noch, dass man aus dem Skykitchen in der Landsberger Allee, wo Jakob und Julia gespeist haben, doch eher den Berliner Fernsehturm als den Funkturm sieht. Ich habe den Eindruck, der Autor kennt den Unterschied nicht.

Dass ich dennoch vier von fünf Sternen vergebe, spricht für die sonstige Qualität, die dieser Thriller in meinen Augen hat. Denn ich bin trotzdem begeistert davon.

Bewertung vom 17.08.2020
Taylor, Thomas

Malamander - Die Geheimnisse von Eerie-on-Sea / Eerie-on-Sea Bd.1


ausgezeichnet

Zugabe bitte!

Man nehme einen Sommerurlaubsort und trenne im Winter einfach die ersten beiden Buchstaben ab. So wird aus „Cheerie on Sea“ der Winterort „Eerie on Sea“, den niemand kennt, denn wer verirrt sich schon dorthin, wo es kalt und ungemütlich ist? Nur ganz besondere „Gestalten“.

Da ist Herbie Lemon, der zwölfjährige Sachenfinder des Grand Nautilus Hotels, selbst ein Findelkind, das in einer Zitronenkiste angeschwemmt wurde, daher sein Name. Dann sind da noch Lady Kraken, die geheimnisvolle schildkrötenhafte Besitzerin des Hotels, Mister Mollusc, der missgünstige Hoteldirektor, Jenny Hanniver, die Betreiberin der „Bücher-Apotheke“, die etwas vertrottelt erscheinende Strandgutsammlerin Mrs. Fossil und nicht zu vergessen Hakenhand, vor dem sich die quirlige Violet Parma versteckt, als sie ins „Reich“ von Herbie Lemmon hineinplatzt.

Violet bittet Herbie um Hilfe, denn dieser ist darauf spezialisiert, Besitzer von verloren gegangenen Sachen zu finden, und schließlich ist Violet doch verloren gegangen und möchte wissen, was mit ihren Eltern passiert ist.

Der Autor entführt uns mit diesem Buch in eine ganz eigene phantasievolle Welt. Auch wenn das Wetter rau ist, mag man die Gegend nach einer Weile und freundet sich beim Lesen schnell mit den meisten Personen an. Alles wird aus der Sicht von Herbie Lemon erzählt und irgendwie sind alle mehr oder weniger auf der Suche nach dem Ei des Malamander, weil es Wünsche erfüllen kann. Der Malamander ist eine Art Seeungeheuer.

Die Geschichte zieht ihre kleinen (und großen) Leser in eine faszinierende Welt hinein. Wir laufen mit Herbie und Violet durch die kleine Stadt und lernen zunächst alles kennen, Plätze und Menschen, meistens in spannenden Situationen.

Je weiter man dieses Buch liest, desto fesselnder wird es. Schlussendlich haben dann wohl alle etwas daraus gelernt. Besonders gut gefallen haben mir der sympathische Erzählstil und die unterschwelligen kleinen „Lehren“, die das Buch für jeden bereithält.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das hier nicht das letzte „Eerie-on-Sea“-Buch von Thomas Taylor sein wird, denn es schreit geradezu nach einer Fortsetzung.

Bewertung vom 13.08.2020
Ait Si Abbou, Kenza

Keine Panik, ist nur Technik


gut

Auf Algorithmen tanzen?

Das ist ein Buch, in dem Künstliche Intelligenz (KI) sehr anschaulich erklärt wird. Die Autorin hat einen wundervoll lockeren Schreibstil und schafft es, eigentlich komplizierte Zusammenhänge recht einfach darzustellen. Dabei fließen immer wieder Geschichten aus ihrem eigenen Alltag, ihrer Familie und ihrem Freundeskreis ein.

Das Buch ist sehr logisch aufgebaut. Am Anfang erklärt sie die Grundlagen, und zwar anhand konkreter Beispiele. Zunächst einmal, was Programmieren ist, und anschließend, was das Besondere daran ist, künstliche Intelligenz zu programmieren und zu trainieren.

Danach folgen Kapitel zu jeweils einem bestimmten Anwendungsgebiet von KI. Ich habe gestaunt, wohinter bereits heute überall Künstliche Intelligenz steckt. Sehr schön finde ich auch den Humor, wenn es z. B. darum geht, die „Technik zu überlisten“.

Die Autorin geht neben den technischen Hintergründen auch auf Vor- und Nachteile von nahezu jeder beschriebenen Idee ein. Das finde ich ebenfalls sehr gut.

Was mich allerdings besonders zum Ende hin ein wenig stört, ist eine Art Ungleichgewicht zwischen technischen Schilderungen und dem Anprangern von Missständen. Ich gebe der Autorin dabei zwar in fast allen Punkten Recht, aber sie hat ihre Kritiken mehrfach wiederholt. Das kommt für mich einer Agitation schon recht nahe, und so etwas mag ich persönlich überhaupt nicht.

Meiner Meinung nach wäre es nützlicher, später auch technische Erklärungen zu wiederholen, anstelle jeweils nur zu erwähnen, welche Art des maschinellen Lernens bei der gerade beschriebenen Technologie angewendet wird. Ich glaube nicht, dass jeder Leser sofort wieder etwas damit anfangen kann, nachdem er es einmal am Anfang erfahren hat.

Mein zweiter Kritikpunkt sind die am Anfang nur briefmarkengroß abgebildeten schwarzen Screenshots, auf denen Code-Beispiele mehr zu erahnen als zu lesen sind. Die hätte man ruhig als Text abdrucken können, denn die späteren Erklärungen haben auch Textform.

Am Anfang habe ich die Kapitel verschlungen, aber zum Ende hin hat mein Leseenthusiasmus leider aus bereits genannten Gründen nachgelassen. Durch den Rest habe ich es in der Hoffnung geschafft, doch noch zu erfahren, warum man auf Algorithmen super tanzen kann, wie im Untertitel versprochen wird. Aber leider gibt es dazu keine konkrete Erklärung, wie ich sie von einer Ingenieurin erwarte. Es ist eben nur eine Metapher.

Fazit: Das Buch gefällt mir gut, abgesehen von den auf mich ziemlich agitatorisch wirkenden Wiederholungen. Ich habe etwas gelernt und wurde unterhalten.

Bewertung vom 29.07.2020
Schuster, Stephanie

Alles, was das Herz begehrt / Wunderfrauen-Trilogie Bd.1


ausgezeichnet

Ja, es darf ein bisschen mehr sein!

Wir begleiten vier junge Frauen in Bayern in den Jahren 1953/54: Luise, ein Bauernmädchen aus einem bayerischen Dorf, Marie, eine Vertriebene aus Schlesien, wo ihre Familie ein Gut hatte, Helga, eine Fabrikantentochter aus München. die gegen die verstaubten Konventionen ihrer Familie rebelliert, und Annabel, die als Arztgattin in einem goldenen Käfig lebt.

Die vier laufen sich über den Weg und haben letzten Endes mehr gemeinsam, als man zunächst erahnen würde. Der zentrale Ort des Geschehens ist der Tante-Emma-Laden von Luise. Dort lernen wir alle vier gleich am Anfang kennen, und zwar während sich drei von ihnen bei einer gemeinsamen Turnstunde in Luises Laden betätigen und die vierte neugierig von draußen durchs Fenster hineinschaut.

In der zeitlichen Abfolge der Geschichte liegt diese im Prolog dargestellte Szene mittendrin. Dann folgt in Teil 1 des Buches die Zeit davor, in Teil 2 die Zeit danach. Das empfinde ich als sehr geschickt gewählt. So sah ich das ganze Geschehen sofort wie in einem Film vor mir und erhielt ganz nebenbei einen ersten Eindruck von allen vier Hauptfiguren, der mich neugierig machte.

Dann werden im ersten Teil die Geschichten der einzelnen Figuren bis zu dieser Turnszene im Laden erzählt. Sie beginnen aus den vier unterschiedlichen Perspektiven und Ausgangsorten heraus und sind in einer Art Rundum-Wechsel angeordnet. Die einzelnen Kapitel haben als Überschrift einfach den Namen der jeweils handelnden Protagonistin: Luise, Marie, Helga, Annabel.

Die Handlungsstränge überschneiden sich dann immer mehr – sowohl zeitlich als auch örtlich. So werden einige Szenen, an denen zwei der Frauen beteiligt sind, jeweils aus unterschiedlicher Sicht beschrieben. Das hat mir besonders gut gefallen. Bei jedem Wechsel war ich aufs Neue gespannt. So kam es, dass ich mich schon nach dem ersten „Durchlauf“ kaum vom Buch lösen konnte.

Als der Roman nach dem ersten Teil bei der Turnstunde in Luises Laden angelangt war, fühlte ich mich inzwischen mit den Personen verbunden und wollte unbedingt wissen, wie es mit ihnen weiterging. Der zweite Teil war nicht weniger interessant und aufregend.

Die Geschichte ist nicht nur von der Handlung her sehr abwechslungsreich, sondern auch von der Stimmung: Einige Szenen brachten mich zum Schmunzeln, bei etlichen freute ich mich mit den Protagonistinnen, andere empfand ich als nachdenklich bis traurig, manche schockierten mich.

Ein i-Tüpfelchen bilden die an passenden Stellen eingestreuten Auszüge aus Luises Notizbüchern mit Ideen und Gedanken zum Laden, Rezepten und Anekdoten.

Fazit: Die für den Tante-Emma-Laden und überhaupt jene Zeit typische Frage „Darf’s ein bisschen mehr sein?“ beantworte ich gern mit „Ja, auf jeden Fall!“ und freue mich schon auf den nächsten Band der Trilogie, der in den sechziger Jahren spielen wird.

Bewertung vom 27.07.2020
McKinty, Adrian

Alter Hund, neue Tricks / Sean Duffy Bd.8


gut

Eine solide Geschichte

Detective Inspector Sean Duffy ist vierzig und steht kurz vor der Pensionierung. Um dann die vollen Bezüge zu erhalten, arbeitet er noch als Teilzeitpolizist. Dem Leser wird sofort klar, dass das jedoch überhaupt nicht der Natur dieses „alten Haudegens“ entspricht.

„Alter Haudegen“ ist vielleicht nicht die richtige Bezeichnung für einen Typen wie Duffy, denn gleich am Anfang steht fest, dass er zwar ein „harter Hund“, aber dazu über die Maßen kultiviert ist. Er besucht Dichterlesungen und ist ein Nerd, was klassische Musik angeht. Außerdem verachtet er die Mainstream-Achtziger-Jahre und steht auf Nirwana. Naja, wer tat das 1992 nicht?

Als er wegen Personalmangels zusammen mit seinem Kollegen und wohl bestem Freund, ebenfalls noch Teilzeitpolizist, einen Routine-Mord aufklären soll, stoßen sie auf IRA-Verwicklungen und geraten ins Schussfeld der IRA. Das Ganze spielt 1992 in Nordirland und in der Republik Irland.

Die Geschichte ist sehr geradlinig aufgebaut. Sie wird ausschließlich aus der Sicht des Protagonisten Sean Duffy erzählt. Dadurch ist sie sehr schlüssig. Am Ende sind dann alle Fragen beantwortet. Die Personen und Orte sind gut vorstellbar. Also Kopfkino – bis zu einem gewissen Grad.

Der Erzählstil gefiel mir besonders am Anfang außerordentlich gut. Es waren witzige Formulierungen und interessante Wortschöpfungen dabei. Etwa nach der Hälfte verlor das Ganze aber für mich irgendwie seinen Reiz – sowohl Erzählstil als auch Handlung. Der Autor hat zwar versucht, Überraschendes passieren zu lassen, und ich fand einige Szenen auch ganz spannend, aber meiner Meinung nach hätte es besser sein können.

Mehr und mehr ging mir auch die zuweilen oberlehrerhafte Art auf die Nerven. So flossen immer mal wieder Belehrungen an den Leser ein, derart: „Haben Sie xyz gelesen? Sollten Sie, denn daraus können Sie dieses und jenes lernen.“ Außerdem kamen fremdsprachige Zitate vor, die unbedingt im Original wiedergegeben werden mussten, z. B. der Anfang der Bibel auf Isländisch, oder irgendetwas in griechischen Buchstaben mit der lapidaren Bemerkung „Schlagen Sie es nach!“. So etwas wäre nicht nötig gewesen, um den Charakter Duffys darzustellen, denn der war auch so schon gut genug gezeichnet.

Fazit: Das Buch hat stark angefangen, aber zwischenzeitlich war für mich ein wenig die Luft raus. Im hinteren Teil kam noch ein sehr spannendes, weil sehr gefährliches Erlebnis an der Grenze. Schließlich zog sich das Finale für meinen Geschmack ein wenig in die Länge. Es gab zwar letzten Endes Antworten, aber keine völlig unerwartete Überraschung. Mein Urteil: Es war einigermaßen spannend und ich bin mit dem Ende zufrieden, aber es ist nichts Außergewöhnliches. Eine solide Geschichte.

Bewertung vom 09.07.2020
Petrowitz, Michael

Der Drache des Feuers / Dragon Ninjas Bd.2


ausgezeichnet

Kleine Superhelden

Welcher kleine Junge oder welches kleine Mädchen möchte nicht gern Superheld bzw. Superheldin sein? Oder zumindest Geschichten von Superhelden lesen, besonders dann, wenn es sich dabei um Kinder handelt. Dieses Buch bietet genau das – und dazu noch in einer geheimnisvollen Welt mit Ninjas und Drachen.

„Dragon Ninjas - Der Drache des Feuers“ ist der zweite Band einer spannenden Reihe um Drachenblut Lian und seine Freunde Sui und Pepp. Die drei gehen auf eine Ninja-Schule und wohnen in einem dazugehörigen Internat. In diesem Band müssen sie Fukiya, das magische Blasrohr, in Sicherheit bringen und es dazu vorher dem Feuerdrachen Long Lung abnehmen.

Das Buch ist sehr schön geschrieben und auch, wenn man den ersten Teil dieser Reihe nicht gelesen hat, fehlt nichts, um die Handlung zu verstehen. Dabei kommt der Autor ohne eine lange Zusammenfassung des ersten Buches aus. Überhaupt macht es den Eindruck, dass sich der Autor den kleinen Jungen in ihm bewahrt hat, denn sonst hätte er nicht ein so schönes Kinderbuch schreiben können.

Die Illustrationen sind ebenfalls sehr gelungen. Sie sind kindgerecht ansprechend, ohne kitschig zu sein.

Bewertung vom 08.07.2020
Beck, Zoë

Paradise City


ausgezeichnet

Packend von Anfang bis Ende

„Paradise City“ von Zoë Beck ist ein Thriller, der in einem Deutschland der Zukunft spielt. Ich habe mich von der ersten bis zur letzten Seite „hindurchgesüchtelt“.

Die Hauptfigur, Liina, ist Rechercheurin bei einer der letzten unabhängigen Nachrichtenagenturen. Diese haben neben den staatlichen Medien nur noch eine Art Alibi-Funktion. Wir lernen Liina bei einer ziemlich unsinnig erscheinenden Recherche in der Uckermark kennen.

Sie kommt in die Hauptstadt, Frankfurt am Main, zurück und ist zunächst wütend auf ihren Chef, der sie zu der Recherche geschickt hatte, obwohl sie eigentlich an einer viel interessanteren Story arbeiten sollte.

Allerdings muss sie bestürzt feststellen, dass ihr Chef nach einem vermeintlichen Unfall im Koma liegt und eine Kollegin tot ist. Was steckt dahinter? Gemeinsam mit anderen Kollegen beginnt sie, die Hintergründe Stück für Stück zu rekonstruieren.

Obwohl niemals erwähnt wird, wann genau dieser Roman spielt, merkt man schnell, dass es sich um eine nicht allzu ferne Zukunft handeln muss. Ich habe den Eindruck, dass die Autorin die heutige Gesellschaft und die bereits heute selbstverständliche Alltagstechnik nur etwas weitergedacht hat. Das Ganze hat sie mit einer Portion trockenen Humors bis zu leichtem Sarkasmus etwas gewürzt. So ist ein überaus interessantes und dazu noch unterhaltsames Bild einer Zukunft entstanden.

Darin leben die meisten Menschen in den Mega-Citys. Frankfurt am Main, was inzwischen das ganze Rhein-Main-Gebiet umfasst, ist die Hauptstadt. Berlin ist vor allem Touristenattraktion, aber es leben dort nicht mehr viele Menschen. Ländliche Gegenden sind nur noch sehr dünn besiedelt, wenn überhaupt. Das Klima hat sich zwar verändert, es ist insgesamt heißer, aber es wird nicht zur Katastrophe.

In den Mega-Citys funktioniert alles wie am Schnürchen: Autos gibt es nur noch in Ausnahmefällen. Das öffentliche Verkehrsnetz ist rund um die Uhr verfügbar und wird gesteuert von KI. Vollzeitarbeit bedeutet Zwanzig-Stunden-Woche. Die Leute haben genug Freizeit und auch Geld, diese zu genießen. Ein Bilderbuch-Gesundheitssystem: schnelle Behandlung ohne Wartezeiten. Das bekommt man alles erst nach und nach „serviert“, so dass man, obwohl man aus einem sehr kritischen Blickwinkel startet, durchaus etwas ambivalente Ansichten zu allem haben kann.

Was ist der kritische Aspekt? Hinter allem steckt ein System, gegen dessen Datensammelwut und Kontrollbestreben die heutigen sozialen Medien und Google geradezu harmlos wirken. Die totale Überwachung. Profile und Sozialpunkte.

Die Geschichte ist sehr geradlinig aufgebaut. Wir begleiten die ganze Zeit die Hauptheldin Liina. Durch passende kurze Rückblenden innerhalb der Haupthandlung erfahren wir alles Drumherum, was wichtig ist. Dadurch ist die Story abwechslungsreich, ohne verworren zu werden. Alles fügt sich nach und nach schlüssig zusammen.

Die Autorin hat einen lockeren und sympathischen Schreibstil. Die Figuren sind gut gezeichnet und ihre Handlungen nachvollziehbar. Sehr gefallen haben mir auch verbale Illustrationen, die dem Ganzen meiner Meinung nach noch ein „Sahnehäubchen“ aufsetzen, wie z. B. Papageien oder große Schmetterlinge, die herumfliegen, oder die Erwähnung einer Erlebnistour „Berlin 1989“, die auf die Kinder „verstörend“ wirkte.

Das Wichtigste ist für mich, dass es eine schlüssige und zufriedenstellende Auflösung gibt – möglichst nicht vorhersehbar. Das ist meines Erachtens bei „Paradise City“ der Fall.

Fazit: Spannend und unterhaltsam von der ersten bis zur letzten Seite.