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hamburger.lesemaus
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Bargfeld-Stegen

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Insgesamt 463 Bewertungen
Bewertung vom 27.08.2024
Murschetz, Luis

Tubi Walross


ausgezeichnet

TUBI WALROSS
Luis Murschetz

Für die dicken Walrosse in Eisland gibt es nichts besseres, als in der Sonne zu liegen und sich auf dem Packeis treiben zu lassen. Doch das Eis schmilzt und es wird immer enger auf den treibenden Eisinseln.
Eines Tages fällt ein Walross von dem Eisberg herunter und stürzt ins Meer. Glücklicherweise treibt dort gerade eine kleine Eisscholle, auf die sich das dicke Walross retten kann.
Tagelang treibt es auf dieser Scholle, die jetzt sein neues Zuhause ist. Er schläft und sonnt sich und eigentlich geht es ihm gut, bis immer mehr Schiffe seinen Weg kreuzen und er ein wenig Angst vor ihnen bekommt. Doch als ein heftiger Sturm ausbricht und seine ohnehin viel zu klein gewordene Eisscholle arg ins Wanken gerät, kommt er in Seenot. Nur mit Mühe kann er sich auf einen Container retten, der zuvor von einem Containerschiff gefallen war.
Doch sein Abenteuer ist noch lange nicht zu Ende. Doch wie das Walross zu seinem Namen Tubi kommt, wie er Ludwig, den Leuchtturmwärter und viele kleine Freunde kennenlernt und was das alles mit der goldenen Tuba zu tun hat, das müsst ihr einfach selber herausfinden!

Was für eine gelungene Geschichte von dem Autor Luis Murschetz, den wir bereits von seinem Buch “Der Maulwurf Grabowski“ kennen.
Zart und fein weist der Autor auf unsere Umweltprobleme hin und gibt uns so die Chance, früh mit unseren kleinen Kindern über das Thema „Klimawandel“ zu sprechen. Wie intensiv man das Ganze dann bespricht, bleibt dem Vorleser überlassen.
Für mich ist das ein wichtiges Buch, denn ich finde, dass man nicht früh genug beginnen kann, unserem Nachwuchs das Bewusstsein für unsere Umwelt näherzubringen …
Das Buch wurde liebevoll illustriert und ist für Kinder ab 4 Jahren als Vorlesebuch bestens geeignet.

Große Leseempfehlung von mir.
5/ 5

Bewertung vom 26.08.2024
Zerbe, Zara

Phytopia Plus


ausgezeichnet

PHYTOPIA PLUS
Zara Zerbe

Hamburg um 2040:
Extreme Hitze im Wechsel mit anhaltenden Trockenperioden haben Hamburg zugesetzt. Die Elbe hat die Umgebung verschlickt. Es gibt kaum noch frische Lebensmittel zu kaufen. Die Einzigen, denen es noch möglich ist Frischwaren zu kaufen, sind die Reichen, die in eingezäunten Wohnanlagen mit Bio-Märkten abgeschirmt in den Edelwohngebieten wohnen.

Phytopia Plus ist ein Verfahren, das ermöglicht, das menschliche Bewusstsein zu digitalisieren und in der DNA von Pflanzen zu speichern. Die Drosera AG hat dieses Verfahren entwickelt.
Hier arbeitet Aylin als Aushilfsgärtnerin. Es ist ihre Aufgabe, die Pflanzen mit dem gespeicherten Bewusstsein zu pflegen, Wasserstände zu erfassen und deren Überleben zu sichern.
Gerne hätte sie selbst einen solchen Speicherplatz für das Bewusstsein ihres Großvaters erworben. Doch die Summe von 350.000 Euro, die der Transponder kostet, der erst in die Hirnrinde des Patienten eingesetzt - und nach dem Tode wieder entnommen wird, mit dem Ziel, diese Informationen in die Pflanzen einzusetzen, kann sie nicht aufbringen.
Eines Tages entdeckt sie in einem Gewächshaus eine Veränderung an einer Pflanze: Die Blätter weisen kleine weiße Muster auf. Anstatt ihre Entdeckung zu melden, nimmt sie kurzerhand einen Trieb dieser Pflanze mit nach Hause und beginnt dort eine eigene kleine Pflanzenzucht.
Schnell bemerkt Aylin, dass die Ableger der Pflanze sich wunderbar für viel Geld im Internet verkaufen lassen.
Dass sie das Bewusstsein eines Menschen kopiert und in der ganzen Stadt verteilt, ist ihr zwar bewusst, tangiert sie aber eher peripher.
Ob die Drosera AG von Aylins neuem „Businessmodell“ begeistert ist, müsst ihr allerdings selber herausfinden.

Was für eine starke Geschichte!
Eine Dystopie, die in Hamburg spielt, gesellschaftskritisch ist und auf unsere Umweltprobleme weist, musste ich einfach lesen.
Leicht und locker liest sich das Buch und täuscht des Öfteren über ein erschreckendes Szenario hinweg - von dem ich befürchte, dass es in Hamburg zukünftig so aussehen könnte.
Zara Zerbes Geschichte regt zum Nachdenken an und deshalb möchte ich euch diesen Roman unbedingt empfehlen.
4½/ 5

Bewertung vom 21.08.2024
Solla, Gianni

Bei Licht ist alles zerbrechlich


ausgezeichnet

„Wir wussten nicht, dass wir Motten waren, die sich zu nah ans Feuer wagten: Angezogen vom strahlenden Licht, enden sie mit versengten Flügeln in diesem letzten Tanz, bei dem die Freude die Angst überwiegt.“ (Tolino S. 82)

BEI LICHT IST ALLES ZERBRECHLICH
Gianni Solla

1942:
Davide wächst in Tora e Piccilli, einem kleinen italienischen Dorf, in der Nähe Neapels, als Sohn eines Schweinezüchters, auf. Er ist der Spott der Kinder und Jugendlichen, da er humpelt und den Geruch der Schweine nicht ablegen kann.
Sein Traum ist es, eines Tages wegzugehen, dem Dorf den Rücken zu kehren und den Klauen seines Vaters, dem Patriarchen der Familie, zu entkommen.
Teresa, die Tochter des Seilmachers, teilt mit ihm diesen Traum. Wenn Davide es schafft, sich heimlich aus dem Stall zu entfernen, verbringen sie die Nachmittage gemeinsam. Teresa hat ihm einige Buchstaben gelehrt, denn sein Vater verbot ihm die Schule zu besuchen.
Eines Nachmittags werden ein paar Juden in das Dorf gebracht. Kein anderes Dorf wollte diese haben und auch die Dorfbewohner Toras sind wenig begeistert von diesen Eindringlingen. Doch Davide ist von der äußerlichen Erscheinung des jungen jüdischen Nicolas angetan und sucht seine Nähe. Ganz langsam beginnt eine Freundschaft, die auch Teresa einbindet. Nicolas Vater, einst Lehrer in Neapel, sieht in Davide einen begabten Jungen und lehrt ihm Lesen und Schreiben.
Die zarte Freundschaft der drei jungen Menschen kommt zu einem jähen Ende, als die Deutschen ins Dorf kommen, um alle Juden zu deportieren.

Was für eine zarte und eindringliche Geschichte eines Jungen, der gefangen in seinem oktroyierten Leben ist.
Der erste Teil, der mehr als die Hälfte des Buches ausmacht, konnte mich sofort und ganz für sich einnehmen. Die Beschreibungen waren fein und ausgeschmückt, sie erweckten Bilder in meinem Kopf, die noch lange nachwirken werden.
Der zweite Teil konnte mich hingegen nicht ganz greifen: Diese großen Zeitsprünge und die Geschichte als solche war mir zu farblos, die Erzählungen, rund ums Theater, zu lang. Davide drohte mir zu entgleiten, doch der dritte Teil brachte ihn mir zurück und ich konnte alle Teile als ein großes Ganzes für mich zusammenfügen.

Insgesamt ein tolles Buch. Authentisch und wunderschön geschrieben. Ich freue mich jetzt schon auf weitere Sollas, die es hoffentlich bald geben wird.
Große Leseempfehlung von mir.
4½/ 5

Bewertung vom 21.08.2024
Krien, Daniela

Mein drittes Leben


ausgezeichnet

„Wir können nichts festhalten, alles fließt.“ (S. 239)

MEIN DRITTES LEBEN
Daniela Krien

Die Tochter von Linda und Richard ist tot. Sonja wurde von einem Lkw Fahrer, der links abbiegen wollte, übersehen. Jetzt ist alles anders, vorher hatten sie alles, nichts ist geblieben.
Richard und Linda trauern unterschiedlich. Während Robert versucht in die Zukunft zu blicken, schirmt sich Linda ab - will keinen Kontakt, mag kein Mitgefühl von anderen erhalten oder wahrnehmen, wie diese hinter ihrem Rücken über sie sprechen.
Sie vermisst ihre Tochter, die sie über alles liebte und ihr Familienglück erst perfekt machte - obwohl sie nicht ganz perfekt war - aber sie war voller Leben und deshalb versucht Linda, Sonja lebendig zu halten, aus Angst, dass kleine Erinnerungen in ihrem Gedächtnis wegbröckeln könnten.

„Nicht die Liebe ist Richard und mir abhandengekommen, nur die gemeinsame Blickrichtung.“ (S. 195)

Durch einen Zufall hat sich die Möglichkeit ergeben einen kleinen alten Hof in einem Dorf bei Leipzig zu mieten. Hier zieht sie sich zurück, empfängt keinen Besuch, versucht die Nachbarn, so weit es geht, auf Abstand zu halten, kümmert sich um die alte Hündin Kaja, versorgt die Hühner und lässt die wenige Kraft, die sie hat, in den kleinen Garten fließen.
In Gedanken beschäftigt sie sich damit, ihrem Leben, das nicht mehr lebenswert erscheint, ein Ende zu setzen.
Dem täglichen Kampf, aufzustehen um zu essen und zu trinken oder mit dem Hund rauszugehen, muss sie sich täglich neu stellen.
Doch da ist etwas, ein unsichtbarer Faden, der sie langsam wieder zurück ins Leben zieht, sie müsste ihn nur greifen und es zulassen …

Was für ein berührender Roman. Ich habe mit Linda gefühlt, geweint und mit ihr mitgelitten, obwohl sie mir nicht immer sonderlich sympathisch war.
Ganz authentisch beschreibt Daniela Krien ein Szenario, was keiner von uns erleben möchte.
Die ganze Geschichte drohte mich - für ein paar Stunden - mit hinabzuziehen, aber dann gab es glücklicherweise ein kleines Licht am Himmel.
Eindrucksvoll und sprachlich wunderbar! Große Leseempfehlung für dieses tieftraurige Buch.
5/ 5

Mein Lieblingszitat stammt von einer Nachbarin und ist an Linda gerichtet:
„Er (Richard) hat sich gerettet. Auf einem schmalen Grat zwischen Leben und Tod hat er sich für das Leben entschieden, während Sie versucht haben, ihn zu den Toten rüberzuziehen.“ (S. 71)

Bewertung vom 21.08.2024
Balzano, Marco

Café Royal


sehr gut

CAFÉ ROYAL
Marco Balzano


Das Café Royal, an der Via Marghera ist gut besucht. Einige Gäste kommen herein um einen Espresso zu trinken, etliche gehen nur vorbei.
Der Lockdown ist gerade beendet, es zieht die Menschen wieder nach draußen. Manch einer konnte die Ruhe, die der Lockdown mit sich brachte, genießen, die meisten fühlten sich jedoch physisch und psychisch an ihre Grenzen gebracht.

Geschickt verwebt Marco Balzano Schicksale oder Lebenssequenzen von 17 Personen und beleuchtet diese aus unterschiedlichen Perspektiven:
Ein paar von ihnen kennen sich gut, andere hatten in der Vergangenheit miteinander zu tun, nicht alle mochten sich, wenige jedoch waren oder sind ineinander verliebt.
Manuel, z. B. schreibt einen Brief an seinen Freund Luca. Er beschwert sich über seine Frau, von der er in den letzten Jahren nur noch enttäuscht wurde. Sie besitze kein Durchhaltevermögen, schreibt er, beginne alles und brächte nichts zu Ende. Er gesteht, dass er eine andere Frau kennengelernt und es Liebe auf dem ersten Blick gewesen sei.
Später kommt seine Frau zu Wort und erzählt ihre Sichtweise auf die Beziehung.
Oder wir hören die Geschichte von Ahmed, der seine alte Liebe Barbara nie vergessen konnte. Während des Lockdowns konnte er nur noch an sie denken. Als die Bevölkerung endlich wieder rausgehen durfte, reiste er extra für sie nach Mailand, um in das Café zu gehen, welches sie des Öfteren als ihren Standort postete, dort sieht er sie, doch sie zeigt keine Anzeichen des Erkennens.

Ich gebe zu, dass ich mich erst einlesen musste. Kurzgeschichten sind nicht mein bevorzugter Lesestoff, doch nach kurzer Zeit konnte ich mehr hinter den Geschichten erkennen. Die Traurigkeit, die sich hinter den vielen unterschiedlichen Schicksalen versteckt, die Frustration, die die Corona-Krise bei den Menschen ausgelöst hat, der Drang endlich wieder Freude am Leben zu haben - all das hat der Autor perfekt verstanden in Worte zu packen.
Nebenbei spricht Balzano ein paar wichtige Themen an, wie die mangelnde Fürsorge und Achtsamkeit für andere Mitmenschen oder die übersättigte, heutige junge Generation.
Nicht jede Geschichte wurde zu Ende erzählt. Bei einigen hat es mich nicht gestört, da die Protagonisten mir komplett unsympathisch waren, von anderen hätte ich gerne mehr erfahren.
Insgesamt ein kurzweiliges Lesevergnügen.
4/ 5

Bewertung vom 15.08.2024
Dolan, Naoise

Das glückliche Paar


sehr gut

DAS GLÜCKLICHE PAAR
Naoise Dolan

Celine und Luke sind bereits seit drei Jahren zusammen, als sie sich verloben.
Damals stellte er von Anfang an klar, dass er keine feste Beziehung wollte, knickte aber ein, als sie ihm eines Nachts das Ultimatum „Wenn nicht fest, dann gar nicht“ stellte.
Diese verbindliche Zusage vor einigen Jahren seitens Luke änderte allerdings nichts an seinem Verhalten hinter Celines Rücken, denn auch nach diesem Versprechen betrog er sie weiter, wann und wo auch immer sich die Gelegenheit dazu bot. Celine hingegen guckt bis heute weg, konzentriert sich auf ihr Klavierspielen und braucht ihre Ruhe als Pianistin.
Erst als Luke seine eigene Verlobungsfeier mit Celines Ex-Partnerin verlässt und sich mit dieser ein Hotelzimmer mietet, ahnt der Leser, dass DAS GLÜCKLICHE PAAR vielleicht doch nicht ganz so glücklich ist.
Verschiedene Personen im Buch, alle queer veranlagt, sorgen dafür, dass beide Partner mehr oder weniger ihre Beziehung infrage stellen, während der Tag der Hochzeit rasend schnell immer näher kommt.

Eine kurzweilige Lektüre, die ich in fast einem Rutsch gelesen habe.
Allerdings war es mir ein bisschen viel: Zu viel queer, zu viele Drogen und ein wenig zu abgehoben. Was aber nicht heißt, dass das ein schlechtes Buch ist, ganz im Gegenteil: Ich glaube nur, dass jüngere Leser, die noch Teil einer Bar-Szene sind, sich von diesem Buch mehr angesprochen fühlen werden.
Was mir persönlich ganz besonders an dem Buch gefiel, war der leichte, andersartige und humorvolle Schreibstil - er lässt einen nur so durch die Seiten fliegen.
Große Leseempfehlung für alle um die 30!

Bewertung vom 12.08.2024
Russo, Richard

Diese gottverdammten Träume


ausgezeichnet

DIESE GOTTVERDAMMTEN TRÄUME
Richard Russo


Empire Falls ist eine Kleinstadt in Maine, die in den 60er-Jahren florierte. Heute bestimmen Arbeitslosigkeit und Depression das Leben der Bürger.
Miles Roby, unser Hauptprotagonist, betreibt hier einen Diner, der seine besten Jahre hinter sich hat. Doch diese Tatsache stört Miles nicht. Überhaupt stört ihn wenig. Er ist gelassen und ruht nicht nur in sich, sondern nimmt es auch als gegeben hin, dass es gerade nicht so gut für ihn läuft:
Seine Frau Janine ist mit einem aufgeblasenen Muskelprotz durchgebrannt. Sein Haus wurde von genau diesem Mann als dessen Eigentum annektiert. Der neue Freund seiner Tochter ist ausgerechnet der Sohn des Dorfpolizisten und ehemaligen Nachbarn, dem er seit Jahren versucht, aus dem Wege zu gehen - er ist hinterlistig und weist misogyne Züge auf. Seine Jugendliebe Charlene hält ihn geflissentlich auf Abstand und sein eigenes Libido scheint im Keller verschwunden zu sein.
Und zu allem Überfluss klaut sein ewig klammer Vater die letzten Dollars aus seinem Handschuhfach.
Was das alles miteinander zu tun hat und was das zur Folge haben wird, müsst ihr selber herausfinden.

Ach was ist das wieder für ein typischer Russo. So wie John Irving sein New Hampshire und den Bären braucht, geht es bei Russo nicht ohne eine heruntergekommene Kleinstadt und eine Bar mit seinen schrulligen Stammgästen. Ich liebe diese verlässlichen Komponenten.
Während man sich wie so oft zu Beginn ein wenig durch die Seiten kämpfen muss, kann man zum Ende nicht aufhören zu lesen.
Es ist dieser minutiöse Schreibstil, der mich einfängt, diese Fäden, die Russo spinnt und sie später zu einem großen Ganzen verwebt - gepaart mit feinem Humor und ironischen Anekdoten.

Ich habe mich wieder einmal köstlich unterhalten gefühlt und empfehle euch dieses Buch, welches mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet wurde.
Herzlichen Glückwunsch von mir lieber Richard Russo.
4½ / 5

Die Originalausgabe erschien 2001 unter dem Titel „Empire Falls“ bei Alfred A. Knopf, New York.
Die deutsche Erstausgabe erschien 2016 im DuMont Buchverlag.

Bewertung vom 07.08.2024
Murray, Lily

Von Eintagsfliege bis Grönlandwal


ausgezeichnet

VON EINTAGSFLIEGE BIS GRÖNLANDWAL
Wie lange Tiere leben
Lily Murray


Das Lebewesen eine unterschiedliche Lebenserwartung haben, ist uns nicht neu. Aber warum sind die Lebensexistenzen bei Tieren so stark unterschiedlich?
Während Elefanten durchschnittlich siebzig Jahre alt werden, beträgt die Lebensspanne einer Eintagsfliege gerade mal fünf Minuten und endet spätestens nach vierundzwanzig Stunden.
Wusstet ihr, dass es eine Quallenart gibt, die sich am Ende ihres Lebens einfach in einen Polypen zurückverwandelt und ihren Lebenszyklus anschließend wieder von vorne beginnt? Das wäre vergleichbar mit einem Schmetterling, der sich zurück in eine Raupe verwandelt und anschließend wieder zum Schmetterling wird …
Wieso kann die Schildkröte ein Jahr keine Nahrung zu sich nehmen, während die Etruskerspitzmaus spätestens alle zwei Stunden etwas zu Essen braucht?
Und warum gibt es Tiere, die im kalten Arktischen Ozean vierhundert Jahre alt werden? Ist es einem Eishai dort nicht zu kalt?

In diesem Buch erhaltet ihr nicht nur Antworten auf diese Fragen, sondern ihr erfahrt auch alles über die unterschiedlichen Lebensspannen der Tiere und wie sie diese verbringen.
Es gibt unglaublich viele kuriose Geschichten und spannende Fakten zu entdecken. 28 Tiere werden hier genauer beleuchtet.
Kinder in dem Alter zwischen 5 und 10 Jahren werden mit diesem schönen Buch großartige Lesestunden verbringen und ich kann Euch versprechen, dass nicht nur eure Kinder etwas lernen werden, sonder auch ihr - oder wusstest ihr, dass der Glasschwamm 11.000 Jahre alt wird?

Liebevoll illustriert von Jesse Hodgson
Große Leseempfehlung!
5/ 5

Bewertung vom 05.08.2024
Chambers, Clare

Scheue Wesen


ausgezeichnet

SCHEUE WESEN
Clare Chambers

1964:
Helen, ehemalige Kunstlehrerin, arbeitet seit einigen Jahren als Kunsttherapeutin in einer Einrichtung für psychisch erkrankte Menschen.
Sie hat seit drei Jahren eine Affäre mit einem der Ärzte der Klinik. Während sie zu Beginn der Liebe noch glücklich war, plagt sie nun zunehmend das schlechte Gewissen, denn der Psychiater Gil ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Während Helen versucht, immer für spontane Besuche seitens Gils parat zu stehen, vergisst sie, dass sie ein eigenes Leben mit Freunden und Familie führen könnte.

Eines Tages wird der stumme William Tapping mit seiner verwirrten Tante in die Klinik eingeliefert.
Nachbarn hatten die Polizei benachrichtigt, nachdem im Nachbarhaus ein Streit ausbrach. Diese waren ganz verwundert, dass aus dem Haus ein völlig verwildert und vernachlässigter Mann mit einem unendlich langen Bart abgeführt wurde. In der ganzen Zeit, in der sie dort wohnten, hatten sie nie zuvor einen Mann in dem Haus gesehen.
William wird Gils Patient. Helen bemerkt schnell, dass dieser ein besonderes Talent zum Zeichnen hat und lädt ihn in ihre Therapiestunde ein. Um seine Vergangenheit zu klären, wendet sie sich an Williams ehemalige Klassenkameraden und erfährt so Bruchstücke aus seinem Leben. Unter anderem findet sie heraus, dass William seine Schule im Alter von 11 Jahren abbrach und nie mehr zur Schule zurückkehrte, außerdem ist es wahrscheinlich, dass er ab diesem Zeitpunkt das Haus nie mehr verließ.
Mit Fingerspitzengefühl gelingt es Helen, hinter das große Geheimnis von William zu kommen.

Was für ein unglaublich tolles Buch!
Ich habe es in nur drei Tagen gelesen und bin nur so durch die Seiten geflogen. Zum Ende wurde es so spannend, dass ich das Buch mit seinem leichten Schreibstil und dem schönen Cover gar nicht mehr aus der Hand legen konnte.
Geschickt hat es die Autorin verstanden, Fiktion und die wahre Geschichte des William Tapping zu verknüpfen. Dabei gefiel mir besonders gut, dass der Erzählstrang vom William rückwärtslaufend war und bis in den Sommer 1938 reichte.
Die Protagonisten wirkten auf mich komplett authentisch und absolut passend in die Zeit der 60er-Jahre, als die Frauen gerne mal als hysterisch in den Psychiatrien weggeschlossen und mit Elektroschocks behandelt wurden.

Große Leseempfehlung für dieses feine Buch und ja, es müsste eigentlich eine Triggerwarnung geben, aber wenn ich die ausspräche, verrate ich den Plot.
5/ 5

Bewertung vom 25.07.2024
Shafak, Elif

Am Himmel die Flüsse


sehr gut

AM HIMMEL DIE FLÜSSE
Elif Shafak

Kann sich Wasser erinnern? Hat Wasser ein Gedächtnis?
In diesem Buch gibt es einen Wassertropfen, der in unterschiedlichen Aggregatzuständen auftritt, an die verschiedensten Orte reist, dort Personen besucht und unsere Handlungsstränge verknüpft.

In der Urzeit ist Assurbanipal der Herrscher von Mesopotamien, dem Land, wo die Zivilisation entsteht. Er ist der stolze Besitzer einer großen Bibliothek, wo er diverse Ton- und Lehmtafeln hütet. Sein größter Schatz ist eine Lapislazuliplatte. Hier in Mesopotamien schreibt man in der nicht sehr verbreiteten Keilschrift.

1850: Arthur wird als Sohn der Müllsammlerin, einer sogenannten "Tosher" und einem Taugenichts im Londoner Elendsviertel geboren.
Er ist ein hochbegabter Junge, der einige Talente und ein hervorragendes Gedächtnis besitzt.
Später stellt sich heraus, dass er die Keilschrift der alten assyrischen Kultur entziffern kann.

Wir begleiten die junge 9-jährige ezidische (jesiden) Narin, die 2014 in der Türkei lebt und am Tigris nach traditionellen Riten getauft werden soll. Des Öfteren wird ihr Stamm, der eine Minderheit darstellt, als Teufelsanbeter beschimpft. Der Bau des Ilisu-Staudamms bedroht ihre Familie und zwingt die ezidische Gemeinschaft, deren Zuhause zu verlassen.

Und dann ist da noch die Hydrologin Zaleekah, die Tochter einer Einwanderin aus dem Nahen Osten. Wegen des frühen Todes ihrer Eltern war sie gezwungen, bei dem patriarchalischen Onkel zu wohnen. Aus dieser Zeit ist sie schwer traumatisiert.

In poetischer Sprache, gespickt mit historischen Ereignissen, verwebt Elif Shafak geschickt wichtige Themen:
Es geht um Vertreibung der Eziden und um die Verschmutzung der Flüsse.

Nicht jeder Erzählstrang konnte mich gleichermaßen fesseln, dennoch war es ein gelungenes Leseerlebnis. Ganz besonders berührt hat mich das IS-Massaker an der jesidischen Glaubensgemeinschaft im Jahr 2014. Für mich war es das erste Buch der preisgekrönten Autorin und sicherlich nicht das letzte.
4/ 5