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YukBook
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München

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Insgesamt 323 Bewertungen
Bewertung vom 25.07.2022
Jansen, Lina

Fräulein Stinnes und die Reise um die Welt


ausgezeichnet

Was bewegt eine Rennfahrerin und Industriellentochter dazu, mit dem Auto die Welt zu umrunden? Im Fall von Clärenore Stinnes war es die gefühlskalte Mutter, der sie zeigen wollte, wozu Frauen imstande sind.

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und das ist bei Clärenore wörtlich zu nehmen. Welche Hindernisse sie und ihre Begleiter auf der Strecke von Frankfurt über zahlreiche Stationen wie Wien, Konstantinopel, Damaskus, die Wüste Gobi, Moskau, Peking, San Francisco und Lima bis nach Berlin überwinden mussten, erleben wir hautnah mit.

Mit überzeugenden Charakteren und vielen interessanten Details entfaltet Lisa Jansen die waghalsige, teils lebensgefährliche Reise vor unseren Augen. Mit an Bord sind ein Hund, ein Fotograf sowie zwei Mechaniker, die ständig die Expedition in Frage stellen und Clärenores Autorität untergraben. Diese lässt sich jedoch weder von Räuberbanden und Wölfen noch von Eis, Hitze und Schlamm abschrecken. Lediglich ihr Verantwortungsgefühl für die Crew und ihre Gefühle für den verheirateten Fotografen bringen sie in Gewissenskonflikte.

Diese spannende Romanbiografie, die uns in atemberaubende Landschaften und fremde Kulturen und Bräuche entführt, war für mich ein großartiges Leseabenteuer.

Bewertung vom 09.07.2022
Gottschalk, Maren

Fräulein Steiff


ausgezeichnet

An mein erstes Steiff-Tier, einen großen Collie, kann ich mich noch gut erinnern. Welch bewundernswerte Frau hinter dieser berühmten Marke steckt, konnte ich dank dieser Romanbiografie erfahren. Die Handlung setzt zu dem bedeutenden Zeitpunkt ein, als aus einem Nadelkissen in Elefantenform die Idee zu einem Kinderspielzeug reift. In einer zweiten Ebene schildert die Autorin, wie Margarete Steiff in Giengen aufwächst, Schneiderin wird und ein Filzgeschäft eröffnet.

Das Porträt liest sich wie ein Kaleidoskop, das nicht nur die Meilensteine ihrer beruflichen Karriere, sondern auch ihren Charakter in all seinen Facetten auffächert. Obwohl sie auf Grund einer Kinderlähmung nicht laufen kann, ist Zurückhaltung ein Fremdwort für sie. Als Kind ist sie vorlaut, will überall mitmischen und nutzt jede Gelegenheit, dem einengenden Elternhaus zu entfliehen. Als Unternehmerin stellt sie höchste Ansprüche an die Qualität, wägt klug Risiken ab und ist streng zu ihrem Personal, aber auch mitfühlend und nahbar.

Maren Gottschalk beschreibt mit viel Feingefühl, in welchen Situationen Margarete Steiff besonders unter ihrer Behinderung litt, sich jedoch davon nicht abhalten ließ, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und ihrer Berufung zu folgen. Sehr spannend ist auch zu lesen, welche wichtige Rolle ihr Bruder, ihre Neffen und Nichten bei der Firmengründung und Expansion spielten. Nach dieser wunderbaren Lektüre hätte ich große Lust, das Steiff-Museum in Giengen zu besuchen und mir ihr umfangreiches Schaffenswerk anzusehen.

Bewertung vom 05.07.2022
Kankimäki, Mia

Frauen, an die ich nachts denke


ausgezeichnet

Ich beneide Mia Kankimäki. Statt nachts im Bett Probleme zu wälzen, denkt sie an außergewöhnliche Frauen und ihre Pioniertaten. Welche genau, verrät sie in diesem Buch.

Eine von ihnen ist Karen Blixen, deren Spuren sie bis nach Nairobi gefolgt ist. Während ihrer Reise und Recherchen kommt die Autorin mehrmals in die Lage, ihr bisheriges Bild ihrer „Heldin“ zu hinterfragen. Dieser selbstkritische Blick macht sie sympathisch. Auch bei Forschungsreisenden wie Ida Pfeiffer oder Mary Kingsley schwingen sowohl große Bewunderung für deren Mut und Willensstärke als auch Unverständnis dafür, dass sie nach der Rückkehr wieder in ihre alten Rollenmuster zurückfielen, mit.

Während ich über diese Pionierinnen schon Manches gelesen habe, brachte mir Mia Kankimäki auf ihrer Reise nach Florenz drei mir noch völlig unbekannte, sehr erfolgreiche Malerinnen der Renaissance nahe.

Wie die Autorin mit all den Frauen in Dialog tritt, Parallelen und Unterschiede zu ihrem eigenen Leben oder der heutigen Zeit herausstellt und Inspirationen und praktische Ratschläge für sich und die Leser auflistet, hat mir wie schon in ihrem Vorgängerroman "Dinge, die das Herz höher schlagen lassen" besonders gut gefallen. Ich bin sowohl den Spuren ihrer Nachtfrauen als auch ihren eigenen Entdeckungsreisen und Gedanken sehr gern gefolgt.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.07.2022
Ross, Hannah

Revolutions: Wie Frauen auf dem Fahrrad die Welt veränderten


ausgezeichnet

Radfahren liegt mehr denn je im Trend, und entsprechend steigt die Zahl der Bücher über die Geschichte des Radsports. Warum aber spielen Frauen oft eine untergeordnete Rolle, fragte sich Hannah Ross und setzt mit ihrem Buch einen neuen Fokus. Immerhin wird das Fahrrad in Frankreich umgangssprachlich „La Petite Reine“ – die kleine Königin – genannt. Doch was war? Radeln galt für Frauen lange Zeit (in manchen Ländern heute noch) als unschicklich. Wer es dennoch wagte, wurde beschimpft oder gar mit Steinen beworfen. Unfassbar!

Viele ließen sich das neue Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit trotzdem nicht nehmen und nutzten das Zweirad als Mittel politischen Widerstands. In einer Zeitspanne von etwa 150 Jahren begleiten wir in diesem Buch Radfahrerinnen unterschiedlichster Art: aristokratische Damen, die im Park ihre Runden drehten, niederländische Widerstandskämpferinnen, berühmte Persönlichkeiten wie Simone de Beauvoir oder Marie Curie auf ihren Radreisen und mutige Langstreckenradlerinnen, die die Welt umrundeten.

Die Freuden, Qualen und den Kampfgeist der strampelnden Frauen beschreibt Hannah Ross voller Anteilnahme und so lebendig, als säße sie auf dem Gepäckträger. Ein sehr informatives und beeindruckendes Buch über die Etappen der weiblichen Fahrradbewegung.

Bewertung vom 26.06.2022
Shteyngart, Gary

Landpartie


gut

Der Roman spielt in einer Zeit, an die man sich nicht so gern erinnert. Es ist März 2020, und der Protagonist Sasha Senderovsky, ein russischstämmiger Schriftsteller, hat ein multikulturelles Ensemble aus Freunden und Bekannten in seine Bungalowkolonie außerhalb von New York eingeladen, um dem Coronavirus zu entfliehen.

Einige von ihnen sind nur aus einem Grund der Einladung gefolgt: Sie wollen einen angekündigten Hollywoodstar treffen. Man verbringt die Zeit mit hochtrabenden Gesprächen, Spaziergängen und kulinarischen Genüssen. Abgesehen von neuen Freund- und Liebschaften, nicht überwundenen Kränkungen und hysterischen Ausfällen passiert wenig, weshalb ich die Lektüre in weiten Teilen als zäh empfand. Umso mehr aktuelle Themen wie Diversität, die Macht der Algorithmen und sozialen Medien hat der Autor hineingepackt.

Wie schon in seinem Vorgängerroman "Willkommen in Lake Success" haben mich sein satirischer Humor und Sprachwitz sehr unterhalten. Fantasiereiche Bilder wie "Sie rieb sich schon seit zwei Tagen das Auge. Es war, als hätte sich unter ihrem unteren Augenlid ein kleines Insekt häuslich eingerichtet und ließe sich nicht zwangsräumen", sind ganz typisch für ihn. Die abstrusen Verwicklungen werden in dieser Geschichte aber so sehr auf die Spitze getrieben, dass ich mich zum Schluss mit einer gewissen Erleichterung von der verrückten Truppe verabschiedet habe.

Bewertung vom 08.06.2022
Hummelt, Norbert

1922


sehr gut

Dieses Buch hat mich an eines von Florian Illies erinnert. Diesmal wird jedoch nicht das Jahr 1913, sondern 1922 porträtiert. Der Untertitel macht neugierig. Warum ist es für Norbert Hummelt ein „Wunderjahr der Worte“?

Die Frage beantwortet er uns in zahlreichen Geschichten und Anekdoten, die vor allem um die Entstehung der zwei Werke „Ulysses“ von James Joyce und „The Waste Land" von T.S. Eliot kreisen, aber auch um den Schaffensrausch und Schaffenskrisen weiterer Literaten wie Rainer Maria Rilke, Virginia Woolf, Ezra Pound oder Katherine Mansfield.

Die Lektüre ist sehr kontrastreich: Alltagsrituale, körperliche Leiden, zufällige Begegnungen und Rivalitäten zwischen den Schriftstellern wechseln sich ab mit einschneidenden politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Schlaglichtern. Eine ungewöhnliche Teemischung, die sich Rilke aufgießt, findet ebenso Erwähnung wie eine Vortragsreihe von Albert Einstein im Fernen Osten.

Bei den vielen Sprüngen und Ortswechseln kann einem schon ein wenig schwindlig werden. Zum Glück lockert Norbert Hummelt mit seinem Humor und Plauderton die Informationsfülle auf und machte mir begreiflich, warum 1922 ein Schlüsseljahr der modernen Literatur war.

Bewertung vom 01.06.2022
Wagendorfer, Eva

Klänge einer neuen Zeit / Die Radioschwestern Bd.1


ausgezeichnet

Geschichten, die in den 1920er Jahren spielen, haben mit ihrer Aufbruchs- und Pionierstimmung auf mich eine besondere Anziehungskraft. In diesem Roman gilt die Begeisterung dem Radio, das 1927 in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckte.

Die drei Protagonistinnen wollen sich das Medium auf unterschiedliche Weise zunutze machen, um ihre hochfliegenden Träume zu verwirklichen: Gesa als Hörspielsprecherin, Margot als Cellistin im Rundfunkorchester und Inge als Solosängerin. Ihr beruflicher Alltag beim Südwestdeutschen Rundfunkdienst und die vielen Stolpersteine, die ihnen einige Männer in den Weg legen, zeigten mir zur Abwechslung einmal nicht die Partyszene und den Glamour der Goldenen Zwanziger, sondern drei junge Frauen, die sich mit knappem Einkommen ein unabhängiges Leben in einer Großstadt aufbauen wollen.

Als interessanten Ausgleich empfand ich, dass die Geschichte auch aus einer männlichen Perspektive erzählt wird: Der Intendant Albert Bronnen sprüht nur so vor innovativen Ideen für den Sender und lässt sich von Befindlichkeiten schwieriger Mitarbeiter nicht beirren. Kein Wunder, dass die Figuren so authentisch wirken: Im sehr informativen Glossar erläutert die Autorin, welche realen Personen hinter ihnen stecken.

Eva Wagendorfer lässt in ihrem rundum geglückten Roman fortschrittliche Visionen auf traditionelle Rollenbilder prallen, gibt Einblick in Hörspielaufnahmen und Außenreportagen und vermittelt viel Zeit- und Lokalkolorit aus dem damaligen Frankfurt.

Bewertung vom 21.05.2022
George, Elizabeth

Meisterklasse


sehr gut

„Gott schütze dieses Haus“ war das erste Buch, das ich von Elizabeth George gelesen habe. Mittlerweile ist bereits ihr 21. Inspektor-Lynley-Roman erschienen. Dass die Krimiautorin lange Jahre Kreatives Schreiben unterrichtete, war mir neu. In diesem Buch verrät sie, wie sie ihren eigenen Schreibprozess entwickelte.

Die Zutaten eines guten Romans wie genaue Ortsbeschreibungen, mehrdimensionale Figuren oder Wendepunkte kennt man auch aus anderen Schreibratgebern. Statt verschiedene Beispiele zu zitieren, beschränkt sich Elizabeth George jedoch auf einen einzigen Roman, um uns das Handwerkszeug zu vermitteln. Jedes Thema erläutert sie anhand von Textpassagen aus ihrem eigenen Krimi „Doch die Sünde ist scharlachrot“, die für meinen Geschmack zu lang geraten sind.

Am besten gefiel mir der Abschnitt über die Recherche vor Ort. Ich hatte das Gefühl, selbst dabei zu sein, als sie die Klippen von Cornwall erkundete, auf der Suche nach dem idealen Tatort, und die Stimmung und Witterung auf sich wirken ließ. Sie beschreibt anschaulich, wie sie sich von interessanten Entdeckungen und Gesprächen mit einheimischen Surfern und Klippenkletterern zu Romanfiguren und Handlungselementen inspirieren ließ.

Auch die Kapitel über Dialoge und Szenenaufbau zeigen, wie strukturiert Elizabeth George vorgeht, um eine schlüssige Geschichte zu liefern und sich dabei genügend Spielraum für plötzliche Eingebungen und Wendungen während des Schreibens gibt. Viele Fotos, Charakteranalysen und Übungsaufgaben liefern angehenden Schriftstellern eine nützliche Hilfestellung und Krimifans einen tiefen Einblick in die Werkstatt einer Lady of Crime.

Bewertung vom 14.05.2022
Williams, Pip

Die Sammlerin der verlorenen Wörter


ausgezeichnet

Ich kann mich noch genau erinnern, wie er aussah: der Oxford Advanced Learner’s Dictionary – das Standardwerk für jeden Englischschüler im analogen Zeitalter. Die australische Schriftstellerin Pip Williams interessierte sich nicht nur für seine Entstehungsgeschichte zwischen 1886 und 1928, sondern vor allem welche Rolle die Frauen dabei spielten und verarbeitete das Ergebnis ihrer Recherchen in diesem Roman.

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Esme Nicoll, der Tochter eines wissenschaftlichen Mitarbeiters, die die mühsame Erstellung des Lexikons im von Männern dominierten Skriptorium hautnah mitbekommt. Sie arbeitet sich im wahrsten Sinne des Wortes hoch: als Kind sammelt sie unter dem Arbeitstisch aussortierte Wörter; mit der Zeit darf sie immer mehr Verantwortung übernehmen, sortiert Belegzettel und überprüft die Bedeutung von Wörtern in der Bodleian Library.

Die Vorgehensweise der Lexikographen allein ist schon für einen Sprachliebhaber wie mich unheimlich interessant, doch der besondere Reiz des Buches liegt in den vielfältigen Frauenfiguren, die Esmes Weg kreuzen. Die Alltagssprache einer Marktfrau, einer Schauspielerin und Suffragette oder des Dienstpersonals schaffen es nicht ins Wörterbuch, weil sie nicht vornehm genug oder nirgendwo niedergeschrieben sind - zu Unrecht findet Esme und unternimmt etwas dagegen.

Pip Williams hat in einer gelungenen Mischung aus Fakten und Fiktion eine warmherzige Hommage an die Frauen dieser Zeit verfasst: sowohl an die weiblichen Mitarbeiterinnen des Wörterbuchs, die einen wichtigen Beitrag leisteten, als auch an die Frauenrechtlerinnen, die für das Frauenwahlrecht kämpften.

Bewertung vom 10.05.2022
Knausgard, Karl Ove

Der Morgenstern / Der Morgenstern-Zyklus Bd.1


sehr gut

Die Länge des Romans hat mich kaum überrascht, ist Karl Ove Knausgård doch vor allem durch sein umfangreiches autobiografisches Projekt bekannt geworden. Diesmal steht jedoch nicht er selbst oder seine Familie im Mittelpunkt, sondern neun fiktive Ich-Erzähler, die in der norwegischen Küstenstadt Bergen leben.

Diese könnten unterschiedlicher nicht sein: eine Pastorin, ein Journalist, eine Krankenschwester … Mühelos wechselt der Autor zwischen den Figuren, gibt jedem einzelnen so klare Konturen und eine eigene Stimme, dass ihre Geschichten einen eigenen Roman füllen würden. Doch Knausgård hat sie alle in ein Buch gepackt, und man fragt sich warum. Eine Gemeinsamkeit haben sie immerhin: Sie beobachten unheimliche Naturphänomene und erleben unerklärliche Dinge, die mir so manches Mal einen Schauer über den Rücken jagten. Einiges erinnerte mich an seine Essaysammlung "Im Winter", in der es auch um das Unbegreifliche des Daseins ging.

Zum Ende hin verdichten sich die Gedanken über die großen existenziellen Themen wie Freiheit, Religion und ein Leben nach dem Tod, die mir viel Konzentration abverlangten. Die Mühe hat sich jedoch gelohnt, auch wenn die einzelnen Geschichten viele Fragen offen ließen. Der Autor beschreibt in dieser Dystopie sehr eindringlich, auf was für eine Welt wir zusteuern, wenn wir aktuelle Krisen ignorieren und immer weitermachen wie bisher.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.