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Buecherundschokolade

Bewertungen

Insgesamt 144 Bewertungen
Bewertung vom 21.11.2022
Sayram, Iris

Für euch


ausgezeichnet

Der Hersteller Storck bewirbt das Pralinenkonfekt Merci regelmäßig als perfektes Muttertagsgeschenk. Und ein riesiges Muttertagsgeschenk - nicht bloß Konfekt - hätte Mimi, so der Kosename der Mutter der Autorin, definitiv verdient.

In Für Euch erzählt die Anwältin und rbb-Journalistin Iris Sayram eindrücklich und autobiografisch die Geschichte ihrer von Armut geprägten Kindheit und Jugend im Köln der 80er und 90er, die Geschichte ihres (schweren) sozialen Aufstiegs, aber vor allem auch die Geschichte ihrer Mutter (und auch ihres Vaters - eines türkischen Gastarbeiters).

Mimi ist eine Frau, die immer nach der Devise handelt „Für euch“ und die für das Wohl ihrer Tochter bereit ist, alles zu opfern: ihren Körper, ihre Gesundheit, ihre Freiheit. Iris soll es an nichts fehlen: Schöne Klamotten, um in der Schule nicht gemobbt zu werden? Ein übervoller Kühlschrank, weil dat Mädche so dünn ist? Eine Sprachreise nach Südfrankreich? Für alles findet Mimi Mittel und Wege. Arbeitet als Klofrau, Putzfrau, dealt mit Tabletten und irgendwann kommt ihrer Tochter noch ein anderer Verdacht, wie ihre Mutter Geld beschafft. Währenddessen schwankt Iris zwischen bedingungsloser Liebe für ihre Mutter und der Angst, das andere sie wegen ihrer Herkunft verurteilen.

Dieses Buch ist an einigen Stellen sehr harter Tobak, es geht um Themen wie Sucht, Kriminalität, HIV, Rassismus, aber trotzdem ist es kein schweres Buch, das einen niederdrückt und in die Knie zwingt. Nein, vielmehr ist es ein Buch, das einen auch hoffen lässt und ja, an manchen Stellen sogar zum Lachen bringt. Vor allem aber ist es ein sehr berührendes Buch, eine Liebeserklärung an ihre Mutter, die offenbar ein sehr besonderer Mensch war.

Summa summarum vielleicht also das ultimative Muttertagsgeschenk, für Mimi (von ihrer Tochter), aber auch für andere Mütter. Noch viel besser als Schokolade und mit langem Nachhall.

Bewertung vom 09.11.2022
Byeong-mo, Gu

Frau mit Messer


ausgezeichnet

Frau mit Messer von der südkoreanischen Autorin Gu Byeong-Mo ist der vielleicht ungewöhnlichste Thriller des Jahres.

Eine unauffällige, ältere Dame entpuppt sich als jahrzehntelange Auftragsmörderin im Dienste einer sogenannten „Schädlingsbekämpfungsagentur“.

Doch ebenjener für ihre Perfektion bekannten Hornclaw unterlaufen plötzlich Schnitzer auf Schnitzer. Und dann kommt ihr auch noch so etwas wie Liebe in die Quere. Und warum hat es ihr jüngerer Kollege Bullfight auf die abgesehen?

Der Roman ist rasant erzählt, dabei durchgehend fesselnd und witzig. Ziemlich blutig wird es auch und die Protagonistin wächst einem trotz ihres grausamen Berufs seltsam ans Herz.

Alles in allem ein fühlt es sich so an wie Tarantino auf Koreanisch, der Roman ist richtig gute Unterhaltungsliteratur und meine Thriller-Empfehlung des Jahres.

Bewertung vom 08.11.2022
Winter, Solomonica de

Das Gesetz der Natur


ausgezeichnet

Ich muss gestehen, dass ich mit diesem Buch am Anfang nicht so recht warm geworden bin. Der erste Teil zieht sich einfach sehr lange und ist auch sehr distanziert erzählt. Anders als Lauren Groff bei Matrix tut sich Solomonica de Winter in Das Gesetz der Natur zunächst keinen Gefallen mit einer Handlung, die in indirekter Rede erzählt wird. Doch mit der Zeit nimmt der Roman Fahrt auf und man folgt dem Aufstieg der letzten Mutanten Gaia Marinos mit Spannung.

In Neuamerika haben sich nach einer großen Katastrophe, die die Zivilisationen der Welt ausgelöscht hat, vier Stämme gebildet, die quasi mittelalterlich leben. Alle Mutanten wurden getötet, nur Gaia wurde gerettet und lebt mit dem Jäger und dem Lehrer in der Wildnis, der eine brutal, der andere geistvoll. Aus dieser Welt wird sie gerissen, als Gregorianer (eine der vier Nationen) sie gefangen nehmen. In der Hauptstadt soll sie hingerichtet werden. Ihre Flucht und der Aufstieg in einer anderen Nation zur Kriegsheldin bilden den Kern der Handlung. Mehr kann ich im Hinblick auf Spoiler nicht verraten. Insgesamt hat mich dieser Auftaktband einer Trilogie sehr gut unterhalten, sodass die fast 600 Seiten (nach etwas zähen 100 Seiten zu Beginn) an mir vorbeigeflogen sind. Der Stil changiert zwischen distanziert (indirekte Rede), Innenleben der Hauptfigur und dann irgendwann auch Dialogen. Auch sprachlich ist das Buch gelungen, obschon ich nicht weiß, ob Kinder wirklich so reden, wie hier teilweise.

Alles in allem eine klare Empfehlung für Fantasyfans. Die Vorfreude auf Band 2 ist da, die Figuren will man wiedersehen (-lesen).

Bewertung vom 01.11.2022
Margil, Irene;Schlüter, Andreas

Eine wichtige Entscheidung / Fußball Academy Bd.1


sehr gut

Der Traum vieler Kinder wird für den kleinen Kicker Yao wahr. Bei einem Fußballspiel seines E-Junioren-Vereins wird der Zehnjährige von einem Talentscout entdeckt und ergattert einen Platz in der elitären Fußballschule Fußball Academy. Was dann kommt, ist eine Geschichte zwischen Internat, Heimweh, ganz viel Kicken und Freundschaft. Inhaltlich und auch in puncto Illustrationen ist das Ganze sehr gut gelungen und Fußballfans können sich sofort in die Handlung hineinversetzen. Die Aufmachung des Buches ist auch sehr gelungen - Hardcover und schönes reißunempfindliches Papier (ideal für ein Kinderbuch). Man darf auf weitere Bände der Reihe darf man sehr gespannt sein.
Unserem Sohn haben wir es vorgelesen. Ihm hat es gefallen und er war auch gefesselt von der Handlung, sodass wir daher eine Leseempfehlung aussprechen können.

Bewertung vom 29.10.2022
Eliopoulos, Christopher;Meltzer, Brad

Jede*r kann die Welt verändern! - Ich bin Malala Yousafzai


ausgezeichnet

Malala Yousafzai kennt mal als mutige Kämpferin für Mädchen- und Frauenrechte, insbesondere Bildung. Dafür hätte sie schon als Kind fast ihr Leben verloren bei einem Anschlag der Taliban und für ihr Engagement erhielt sie später den Friedensnobelpreis. In diesem Comic aus der Serie Jede*r kann die Welt verändern - Ich bin … wird ihre Geschichte für Kinder verständlich und schön illustriert erzählt. Die Serie hat uns schon mit Einstein begeistert, aber die Ausgabe über Malala ist noch besser gelungen. Das Buch bietet tolle Bilder und auch die Texte sind einfühlsam und doch für Kinder verständlich. Gerade auch die Szene hinsichtlich des Attentats ist so gestaltet, dass sie auch für jüngere Lesende nicht zu gruselig ist, ohne dass das Geschehen verharmlost würde. Einer der besten biografischen Comics für Kinder, den wir bei uns im Regal stehen haben und daher eine klare Empfehlung für dieses Büchlein.

Bewertung vom 23.10.2022
Cho, Nam-joo

Miss Kim weiß Bescheid


ausgezeichnet

Kurzgeschichten führen in Deutschland - anders als im englischsprachigen Raum - immer noch ein literarisches Schattendasein. Zu Unrecht, da gerade hier die Meisterschaft einer Autor*in auf engstem Raum offen zu Tage tritt. Ein Grund mehr Miss Kim weiss Bescheid (Stories) von Cho Nam-Joo wärmstens zu empfehlen.

Die Autorin ist seit ihrem Welterfolg mit dem Roman Kim Jiyoung, geboren 1982 in aller Munde, aber auch ihre Kurzgeschichten sollte man nicht übersehen.

Ohne zu viel über den Inhalt verraten zu wollen behandelt die Autorin in ihnen viele große, gesellschaftliche Themen (nicht nur) Südkoreas. Den Umgang mit alten Menschen (präziser alten Frauen), die in der Gesellschaft an den Rand gedrängt werden, die Situation von Müttern, die damals wie heute, zwischen Karriere, fehlenden Betreuungsmöglichkeiten und Care-Arbeit zerrieben werden, das Ausbrechen aus einem konservativen Korsett, häusliche Gewalt und auch psychische Gewalt gegen Frauen im Internet (hier verarbeitet die Autorin wohl eigene Erfahrungen nach ihrem Bucherfolg). Weiterhin geht es um eine toxische Beziehung voller Kontrolle und die harsche Arbeitswelt Koreas wird anhand der titelgebenden Geschichte vorgeführt, in der eine hervorragende Mitarbeiterin entlassen wird, aus Angst der eigenen Inkompetenz ins Auge blicken zu müssen.

Die Geschichten sind dabei allesamt aus der Perspektive von Frauen erzählt. Mal sind sie berührend, mal schockierend. Dann wieder durchaus lustig mit einer bitteren Note. Es ist wie mit Kimchi, dem traditionell fermentierten „Nationalgemüse“ Koreas (z. B. Kohl, Rettich). Richtig zubereitet, schmeckt es köstlich und das gleiche gilt für diese Stories. Die Zutaten stimmen und die Autorin kennt ihr Kimchi - Pardon - ihr Handwerk und liefert wohlschmeckende literarische Kost ab.

Daher eine klare Leseempfehlung für dieses abwechslungsreichen Stories.

Bewertung vom 20.10.2022
McDonnell, C. K.

This Charming Man / The Stranger Times Bd.2


ausgezeichnet

„Es gibt keine Vampire. Umso ärgerlicher, wenn sie dann in Manchester auftauchen.

Wirklich niemand freut sich darüber. Nicht die magischen Wesen, die es tatsächlich gibt, und schon gar nicht die Menschen in Manchester. Denn nichts ist ärgerlicher, als von ausgedachten Monstern um die Ecke gebracht zu werden. Zum Glück gibt es die Mitarbeiter der Stranger Times.“



Diesen Klappentext konnten wir euch einfach nicht vorenthalten, recht viel besser hätten wir es nicht formulieren können. Ja, da tauchen plötzlich Vampire auf. In Nordengland. Und die Redaktion der Stranger Times wird in das Geschehen hineingezogen. Und das ist nicht das einzige Problem, wenn die magische Welt in Aufruhr ist.

Das Ganze ist ein unglaublich irres Rezept für das schon jetzt witzigste Buch, das wir dieses Jahr gelesen haben. This Charming Man strotzt nur so vor skurrilen Charakteren, grandiosen Dialogen und irrwitziges Einfällen. Man liest fieberhaft die 521 Seiten.

Wer Neil Gaiman mag, wird hier vom irischen Komiker C. K. McDonnell reichlich und köstlich bedient. Wir fanden den zweiten Roman von C. K. McDonnell sogar besser als Gaimans American Gods (Ist das jetzt schon Blasphemie?).

Jedenfalls haben wir umgehend den ersten Band der The Stranger Times-Reihe bestellt, den man nicht für das Verständnis des vorliegenden Buches braucht, den wir aber um des Lesevergnügens willen haben wollen.

Daher eine klare und uneingeschränkte Leseempfehlung für ein grandioses Fantasy-Vergnügen (wir kennen schon zwei Personen, die dieses Buch zum Geburtstag bekommen werden).

Bewertung vom 19.10.2022
Kolee, Nestor T.

Der Junge im Fluss


gut

Panta rhei - alles fließt. „Nichts ist immer gleich, denn alles fließt.“

Ben lebt das genau Gegenteil. Er will alles so konservieren, wie es ist. Am liebsten auch die abgelegene und kaum noch besiedelte Insel, die er seine Heimat nennt und die immer mehr zerbröckelt und dem Untergang entgegen geht. Ganz anders lebt sein Bruder. Der hat die Insel vor langem verlassen, um die Welt zu entdecken und Abenteuer zu erleben. Er kommt nur wieder, wenn jemand stirbt, wie es so prägnant am Anfang des Buches heißt. Und dann kommt er doch einmal ohne Todesfall zurück. Denn er will Ben mitnehmen, um ihn an einen Ort zu bringen, den schon ihr Urgroßvater gesucht habe: Der Ort, an dem die Zeit still steht: Damai.

Der Weg dorthin ist für Ben auch eine rätselhafte Reise zu seinem selbst, wobei auch immer alles um die Frage kreist: Bewahrer oder Veränderer?

Vorweg: Philosophische Romane/Geschichten sind mir oft ein Graus, John Strelecky z. B. ist so gar nichts für mich. Wenn schon, mochte ich Siddhartha von Hesse, das übrigens vor genau 100 Jahren erschienen ist.

Und ich habe mich unvoreingenommen ans Lesen gemacht. Das Resultat ist zwiespältig. Einerseits muss ich gleich zu Beginn die gestalterische Umsetzung loben, das Buch ist hochwertig verarbeitet und mit schönen Illustrationen versehen. Inhaltlich bin ich nicht zu 100% überzeugt.

Für die Figuren habe ich lange keine Sympathie empfinden können, erst gegen Ende wurde es etwas besser. Allgemein hat dieses Buch mich wenig gepackt, ich will nicht sagen, dass ich nichts gefühlt habe, aber eher wenig. Zudem sind gerade am Anfang extrem viele Kalenderweisheiten enthalten und damit kann ich nichts anfangen.

Positiv kann ich festhalten, dass die Handlung durchaus einen gewissen Reiz entfaltet, jedenfalls wollte ich wissen, wie es ausgeht und habe nicht abgebrochen.

Das Ende hat mich ein bisschen mit dem Buch versöhnt, weil es doch recht überraschend und originell war.

Daher eine Empfehlung für die Fans philosophischer Romane und jene, die gerne Strelecky oder Coelho lesen. Alle übrigen sollten erst einmal Probe konsultieren, um zu erkennen, ob es für sie in Betracht kommt.

Bewertung vom 14.10.2022
Disney, Walt

Der kleine Mäuseprinz


ausgezeichnet

Le Petit Prince - Der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry als Disney-Comic, kann das gutgehen? Oder ist das ein Frevel? Nach der Lektüre des Bandes kann ich nur sagen: Chapeau, Disney. 10 von 10 Punkten. So liebevoll gezeichnet und mit Mickey und Goofy als kleiner Prinz respektive Erzähler sehr schön besetzt. Zum Inhalt des Petit Prince schreibe ich nichts, da entweder vom Original sehr bekannt oder Spoilergefahr. Nur so viel: es ist ein wunderschönes Kunstmärchen und Plädoyer für Freundschaft und Humanismus. Gerade für Kinder bietet der Comic noch einmal einen tollen Zugang zu dieser wunderbaren Geschichte. Besonders gut gefallen hat mir auch die hochwertige Verarbeitung dieses gebundenen Kinderbuchs. Daher eine klare Empfehlung von mir, eventuell auch als Geschenk für große und kleine Fans des Petit Prince und von Mickey Mouse.

Bewertung vom 05.10.2022
Ng, Celeste

Unsre verschwundenen Herzen


ausgezeichnet

Woran merkt man, dass ein Buch gut ist? An einer spannenden Geschichte, die einen so sehr fesselt, dass man im Liegen sein Bein so lange angewinkelt lässt bis es schmerzt und man es nicht einmal gemerkt hat? Daran, dass man bis 1 Uhr nachts liest und kein Zeitgefühl mehr hat? An Charakteren, die so lebendig sind, dass man sie neben sich stehen sieht? An einer klaren und dennoch poetischen Sprache?

Bei Unsre verschwundenen Herzen von Celesete Ng trifft alles oben Gesagte zu.

Die USA in der Zukunft: Nach einer großen Krise, die von Armut, Krawallen und Unsicherheit gekennzeichnet war, wurde PACT erlassen, ein striktes Gesetz „zur Erhaltung amerikanischer Kultur und Traditionen“.

Unter PACT wird jedwedes „unamerikanische Verhalten“ scharf sanktioniert, es entsteht ein Überwachungsstaat, Büchereien werden von „gefährlichen“ Büchern gesäubert und gleichen einem zahnlosen Maul, asiatisch aussehende Menschen werden massiv diskriminiert, es kommt sogar zu Tötungsdelikten.

Doch das schlimmste staatliche Unterdrückungsinstrument ist das Herausnehmen von Kindern aus vermeintlich subversiven Familien.

Hiergegen wendet sich eine Widerstandsbewegung mit kreativen Aktionen & weckt damit das Interesse des 12-jährigen Bird, dessen chinesischstämmige Mutter vor drei Jahren verschwand, nachdem eines ihrer Gedichte - Our missing hearts - zum Slogan der Proteste wurde.

Wird Bird seine Mutter wiederfinden? Und welche Rolle spielen Bibliotheken im Widerstand gegen das Regime?

Ein Roman über den Verlust von Demokratie und Freiheit, über die Frage, was der Einzelne überhaupt bewirken kann und muss, wenn es einfacher scheint, einfach die Augen zu verschließen. Ein Buch über die Macht des geschriebenen und gesprochenen Wortes, in dem Bezug genommen wird auf japanische Volksmärchen ebenso wie auf Anna Achmatowa. Gleichzeitig ein großartiges Werk über die Liebe zwischen Eltern und ihren Kindern, ein bewegender, ein verstörender, ein hervorragender Roman und eine klare Leseempfehlung.

Vermutlich schon jetzt eines der besten Bücher, die ich dieses Jahr gelesen habe.