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Calendula

Bewertungen

Insgesamt 113 Bewertungen
Bewertung vom 13.02.2022
Thomas, Claire

Die Feuer


ausgezeichnet

Drei Frauen sehen in Melbourne ein Theaterstück an, während um die Stadt herum die größten Buschbrände toben, die das Land je erlebt hat. Während sie die Handlung auf der Bühne verfolgen, hängt jede ihren eigenen Gedanken nach. Über die Ereignisse des Tages, ihr Leben, ihre Mitmenschen. In der Pause zwischen zwei Akten treffen diese Frauen zufällig aufeinander. Die Begegnung wird die Gedanken jeder einzelnen von ihnen in unterschiedliche Richtungen lenken.

Ein unheimlich faszinierendes Buch. Jede Figur ist sehr gut gestaltet und lässt den Leser tief in ihre Gedankenwelt blicken. Dabei sind die Themen, die die Frauen bewegen, so unterschiedlich wie die Frauen selbst. Margot, Ivy und Summer stehen an verschiedenen Punkten in ihrem Leben und als Leser nimmt man teil an ihren tiefen und existentiellen Ängsten. Wie ein Hintergrundrauschen wird das Theaterstück wahrgenommen. Immer wieder kehren die Gedanken zurück zum Geschehen auf der Bühne. Um dann, je nach Stichwort aus dem Stück, wieder in andere Richtungen abzudriften.
Die Gestaltung der Pause als eine Art eigenes Theaterstück war für mich ein überraschender Twist. Aber es passt perfekt in die ganze Athmosphäre des Buches hinein.

Es ist schon ein wenig verrückt, denn im Grunde passiert nicht wirklich viel. Bei jedem anderen Buch hätte mich das furchtbar gelangweilt. Aber die Gedankengänge der Frauen um persönliche und globale Themen sind so vielschichtig und tiefgründig dargestellt, es gibt einzelne Punkte in den ich selbst wiedergefunden habe; der Kontrast zwischen dieser Blase im Theater und den Geschehnissen "draußen" ist so groß - das Gesamtpaket dieses Buches ist für mich einfach so stimmig und fesselnd, dass ich es in einem Rutsch durchgelesen habe.

Bewertung vom 11.02.2022
Vida, Vendela

Die Gezeiten gehören uns


weniger gut

Sea Cliff ist die Heimat von Eulabee und ihrer besten Freundin Maria Fabiola. Es ist ein Ort, in dem jeder jeden kennt und sich Gerüchte schnell verbreiten. Es ist ein beschaulicher Ort. Eines Tages stellt ein fremder Mann den Mädchen eine unverfängliche Frage. Die Antwort auf diese Frage wird unvorhergesehen Folgen für die Freundinnen haben.

Die Mädchen sind in der Pubertät, Jungs und Sexualität sind zentrale Themen in ihren Gesprächen. Im Mittelteil, der mir am besten an dieser Geschichte gefallen hat, wird dann auch die Dynamik unter Jugendlichen sehr gut geschildert. Wie wenig es im Grunde braucht, um als Ausgestoßene dazustehen. Wie schwierig es ist den Weg zurück in die Gruppe zu finden. Es wird aber auch deutlich, dass auch die Erwachsenen sich hinter einer Fassade verstecken, die heile Welt für alle sichtbar. Das wirft auch die Frage auf: wie gut kann man einen anderen Menschen kennen?

Der Rest des Buches hat mich weniger begeistert. Im Grunde ist es eine belanglose Geschichte um - nichts. Der Umgang mit den Geschehnissen ist teilweise so unrealistisch, dass es keinen richtigen Spaß gemacht hat weiterzulesen. Die Geschichte läuft so vor sich hin, es gibt viele Beschreibungen die irgendwie dann doch nicht im Zusammenhang mit dem Rest stehen und es passiert im Grunde nichts.

Schade, der Klappentext klingt sehr vielversprechend und auch den Schreibstil finde ich sehr ansprechend. Leider konnte die Geschichte mich nicht begeistern.

Bewertung vom 30.01.2022
Schoch, Julia

Das Vorkommnis / Biographie einer Frau Bd.1


gut

Auf einer Lesung wird eine Frau, eine Autorin, von einer ihr fremden Frau angesprochen. Sie eröffnet ihr, dass sie den gleichen Vater haben. Noch am gleichen Abend trennen sich ihre Wege wieder, ohne das sie länger miteinander gesprochen haben. Diese Begegnung wird von der Protagonistin als "das Vorkommis" bezeichnet. Es ist ein Auslöser für ein sich drehendes Gedankenkarrussel. Jeder in der Familie hat eine eigene Meinung dazu, wie mit der veränderten Situation umzugehen ist. Jeder hat eine andere Strategie um das vor langer Zeit Geschehene für sich zu verarbeiten. Auch eine berufliche Reise in die USA stellt für die Protagonistin eher eine Flucht dar. Fliehen, Abstand bekommen, nicht daran denken müssen.

Die Protagonistin, ihre Kinder, ihre Familie - alle bleiben namenlos. Und für mich auch irgendwie konturlos. Es ist mir nicht gelungen, diesen Figuren für mich ein Gesicht zu geben. Sie werden auch eher abstrakt beschrieben, z.B. "das ältere Kind". So sehr auch über das vorliegende Gefühlschaos berichtet wird, in dem die Erzählerin sich befindet, so bleibt bei mir trotzdem eine gewisse Distanz erhalten. Ich habe das Gefühl, die Autorin möchte mir zwar ihre Geschichte erzählen, mich aber gleichzeitig trotzdem nicht zu nah an sich heranlassen.
Dabei ist das Erzählte alles andere als belanglos. Die Protagonistin lässt ihr Leben gedanklich Revue passieren und stellt dabei auch ihre familiären Beziehnungen auf den Prüfstand. Für meinen Geschmack schießt sie dabei in Bezug auf ihren Mann allerdings gewaltig übers Ziel hinaus.
Dabei schreibt sie einige sehr schöne und vor allem sehr kluge Sätze, die mich als Leser unwillkürlich inne halten lassen. Und darüber nachdenken lassen, wie es denn in der eigenen Familie so ist. Oder wir man selbst gehandelt bzw. gefühlt hätte.

Allerdings hatte ich im Verlauf das Buches das Gefühl, dass sich die Gedanken wiederholten und man sich im Kreis drehte. Manche Einwürfe aus ihrer Kindheit oder Begebenheiten aus ihrem Leben konnte ich nicht so recht in Zusammenhang mit den aktuellen Situation bringen. Wobei das auch daran liegen mag, dass ich um einiges jünger als die Autorin bin und mir schlicht und ergreifend die für das Verstehen notwendige Lebenserfahrung fehlt. Ein Umstand, für den die Autorin absolut nichts kann.

"Das Vorkommnis" bildet den Auftakt einer Trilogie. Ich hatte mir aber etwas anderes versprochen. Es ist ein gutes Buch. Tiefgründig und authentisch, subtil und nachdenklich machend. Aber es hat mich leider nicht restlos begeistern können.