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Batyr
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Ahrensburg

Bewertungen

Insgesamt 112 Bewertungen
Bewertung vom 11.11.2018
Hornak, Francesca

Sieben Tage wir


sehr gut

Familien-Labyrinth
Der Weihnachtsroman bildet ja durchaus eine eigene Gattung, alle Jahre wieder in zahlreichen Beispielen in den Buchhandlungen repräsentiert. Wie erfreulich, in ‚Sieben Tage wir’ einmal ein gelungenes Exemplar dieses Genres vorzufinden: In dieser Familie hat jeder seine eigene Leiche im Keller: Mutter Emma mit ihrem frisch diagnostizierten Krebs, den sie geheimzuhalten sucht, Papa Andrew mit seinem aus dem Nichts aufgetauchten Sohn, Tochter Phoebe, dunkel ahnend, dass eine Twitter-Facebook-Instagram-kompatible Verlobung möglicherweise doch nicht der Schlüssel zum Glück ist, und Olivia, als katastrophen-erfahrene Ärztin eher unsicher, wie sie ihren Gefühlshaushalt handhaben soll. Einem Weihnachtsfest, dessen Stressfaktor alle Rekorde brechen dürfte, steht also nichts mehr im Wege! Einerseits jongliert der Roman voller Freude mit allen erwartbaren Verwicklungen, andererseits aber zeigt er keine Berührungsängste gegenüber echten Emotionen.

Bewertung vom 11.11.2018
Theurillat, Michael

Lenz / Kommissar Eschenbach Bd.6


sehr gut

Zeitkritisch
Der Fokus in Michael Theurillats Roman ‚Lenz‘ liegt weniger auf der Krimihandlung, vielmehr sucht der Autor einen philosophisch-zeitkritischen Akzent zu setzen. In den Zeiten der vielbeschworenen Fake News problematisiert der Autor die Fragilität der Wahrheit, in allen Bereichen, in denen sie entweder zum Tragen kommt oder aber ignoriert, wenn nicht gar mit Füßen getreten wird. Da geht es einmal um die persönlichsten Beziehungen, in Freundschaft oder Liebe, wo es nicht länger absolute Gewissheiten gibt. Das gleiche gilt auch für berufliche Belange, in deren Kontext Verlässlichkeiten nicht mehr existent sind. Aber gemäß der gegenwärtigen Erfahrungen im öffentlichen Leben, in Politik und Wirtschaft, im umfassenden Bereich der Medien, tritt die Erosion in diesem ganz dezidiert politisch akzentuierten Text am deutlichsten zu Tage. Wie bedauerlich, dass der Handlungsstrang, der sich mit dem Syrien-Engagement einer der Hauptfiguren beschäftigt, so aufgepfropft daherkommt, so überhaupt nicht organisch mit der Romanhandlung verwoben. Insgesamt werden die Angelpunkte, an denen Theurillat seine Handlung vertäut, allzu deutlich: die mit dem Nobelpreis gewürdigte Entdeckung der DNS mitsamt der Jahre später einsetzenden Kritik an dem ausgezeichneten Wissenschaftler und seiner in Konsequenz eintretenden Geldnot, das für jegliche Manipulation anfällige Internet, die unterschiedlichen globalen Interessen, die im Nahen Osten zum Tragen kommen. Inmitten dieses Konglomerats von ‚issues‘ geht manchmal unter, worin die eigentliche Stärke dieses Romans besteht: die menschliche Angreifbarkeit seiner Protagonisten.