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Benutzername: 
takabayashi
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Berlin
Über mich: 
Vielleser

Bewertungen

Insgesamt 163 Bewertungen
Bewertung vom 30.08.2020
Das Haus in der Claremont Street
Carolsfeld, Wiebke von

Das Haus in der Claremont Street


sehr gut

Bewegendes Familiendrama
Der neunjährige Tom wird Zeuge eines schrecklichen Familiendramas, bei dem seine beiden Eltern ums Leben kommen. Er reagiert darauf mit "selektivem Mutismus", d.h. er hört auf zu sprechen und zieht sich komplett in sich zurück.
Seine Mutter Mona war das jüngste von vier Geschwistern: der verheirateten, perfektionistischen Sonya, die sich vergeblich ein Kind wünscht und nach dem frühen Tod ihrer Mutter die jüngeren Geschwister aufgezogen hat, der etwas chaotischen, alleinerziehenden Rose und Will, einem Weltenbummler, der mit 30 immer noch nicht erwachsen ist.
Das Leben sämtlicher Familienmitglieder wird von Monas Tod gründlich aufgemischt und durch Toms stumme und widerwillige Anwesenheit können sie ihre Trauer, ihre Schuldgefühle und das Nachdenken über ihr Leben und die Fehler, die sie gemacht haben, nicht länger verdrängen. Nach 2 Monaten in Sonyas Haushalt, wirft diese das Handtuch und Tom zieht zu Rose, Will und Roses Sohn Nick.
In dem Roman geht es darum, wie es ihnen allen ganz allmählich gelingt, sich gegenseitig zu helfen und ins Leben zurückzufinden. Es geht in diesem Roman um die Familie als Gesamtgefüge und die Autorin bringt uns - in teilweise durchaus amüsanter und humorvoller Weise - die einzelnen Familienmitglieder näher. Eine bewegende und ziemlich traurige Geschichte, an deren Ende es aber immerhin einen Silberstreif am Horizont gibt. Sehr lesenswert!

Bewertung vom 28.08.2020
Der Gepäckträger
Rawlings, David

Der Gepäckträger


weniger gut

Plattitüden
Die Grundidee klang durchaus interessant, doch die Umsetzung enttäuscht.
Im selben Flugzeug sitzen 3 Personen, die einander nicht kennen. Jeder von ihnen steht an einem für ihn schwierigen Punkt im Leben: Gillian, der Hausfrau und Mutter, mangelt es an Selbstwertgefühl, sie denkt alle anderen sind besser, erfolgreicher und glücklicher als sie. Der junge Michael steht vollkommen unter dem Einfluss seines Vaters, der hofft, dass sein Sohn seine eigenen gescheiterten Träume verwirklicht, ein Spitzensportler zu sein, obwohl der Junge selbst viel lieber an seinem künstlerischen Talent arbeiten möchte. Und David, der gestresste und ewig wütende Geschäftsmann, der von morgens bis abends hart arbeitet, um seiner Familie ein gutes und sorgenfreies Leben zu ermöglichen, erkennt nicht, dass es nicht nur ums Geld geht, sondern dass seine Familie auch seine Anwesenheit als Ehemann und Vater braucht. In ihrer Verzweiflung und Einsamkeit hat seine Frau ihn ein einziges Mal betrogen, was er ihr absolut nicht verzeihen kann.
Alle drei haben einen schwarzen Koffer mit rotem Anhänger und so kommt es, dass jeder von ihnen den falschen Koffer erwischt. Ein mysteriöser "Gepäckträger" ist nicht ganz unschuldig daran. Und jeder hat etwas in seinem Koffer, dass er für seinen Besuch am Zielort dringend braucht.
Alle bekommen eine Adresse in einem abgelegenen Industriegebiet, wo sie sich ihren Koffer abholen können. Und dort trifft jeder von ihnen wieder auf den Gepäckträger, der ihnen helfen soll, "sich um ihr Gepäck zu kümmern". Hier geht es natürlich in Wirklichkeit nicht um die Koffer, sondern um den Ballast, den jeder Mensch in einem gewissen Maß mit sich herumträgt. Durch gezielte Fragen und seine "mitleidvollen und wehmütigen" Blicke bringt der Gepäckträger/Therapeut die drei Protagonisten dazu, über ihr Leben nachzudenken.
Es geht im Wechsel jeweils um einen der drei Kandidaten und seinen speziellen Ballast. Es ist eine kurze Erzählung und dementsprechend bleibt alles ziemlich oberflächlich und klischeehaft und mir als Leserin war es nicht möglich, eine Beziehung zu den einzelnen Personen zu entwickeln. Auch literarisch hat mich das Buch nicht überzeugt. Für mich ist es ein als Roman verkleidetes Ratgeberbuch und von der im Untertitel versprochenen "Kunst, unbeschwert zu leben" habe ich nichts verspürt.

Bewertung vom 21.08.2020
Ein Mann der Kunst
Magnusson, Kristof

Ein Mann der Kunst


ausgezeichnet

Satirischer Ausflug in die Welt der Kunst
Der exzentrische, zurückgezogen auf einer Burg im Rheingau residierende Künstler KD Pratz trifft sein bildungsbürgerliches Publikum in Form der Mitglieder des Fördervereins für das Museum Wendevogel. Diese wollen ihn kennenlernen als Entscheidungshilfe für die Frage, ob der geplante Museumsanbau in Gänze dem Werk dieses Künstlers gewidmet werden soll.
Der gesellschaftskritische Künstler und die kunstbeflissene, wohlbetuchte Klientel – da prallen zwei Welten aufeinander, es kommt zum Desaster – oder doch nicht? Die Schilderungen sowohl des Künstlers als auch der unterschiedlichen Kunstfreunde sind äußerst amüsant, die pointierten Dialoge sind einfach köstlich. Wer ist dieser publikumsscheue KD Pratz nun eigentlich, ist er einfach völlig durchgeknallt oder am Ende gar ein Marketinggenie?
Dieser kurzweilige Roman unterhält blendend, hält einem (wenn man sich zum Bildungsbürgertum zählt) einen Spiegel vor und regt zum Nachdenken an. Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 26.07.2020
Die Marschallin
Del Buono, Zora;Del Buono, Zora

Die Marschallin


weniger gut

Zeitgeschichte, Familiengeschichte mit einer sperrigen Protagonistin
Ich lese sehr gern historische Romane, aber DIE MARSCHALLIN von Zora del Buono hat mir leider nicht das geboten, was ich von einem solchen erwarte: nämlich Geschichte erfahrbar zu machen anhand der Geschichte von Protagonisten, denen man sich als Leser emotional verbunden fühlt, mit denen man mitfiebert. Es geht um die Großmutter gleichen Namens der Autorin, um deren Lebensgeschichte als großbürgerliche Arztgattin, Kommunistin und glühende Tito-Verehrerin - ein Widerspruch in sich! Zora ist in einem kleinen Ort in Slowenien geboren, aber bürgerlich pölyglott aufgewachsen. Ihr Ehemann Pietro, gebürtiger Sizilianer, ist ein erfolgreicher Radiologe und auch er ein Kommunist. Man residiert in Bari, wo Zora ein palastartiges Haus nach ihren Vorstellungen bauen läßt. Eigentlich fühlt sie sich nicht wirklich zur Mutterschaft berufen, hätte auch selbst gern gearbeitet.

Die Geschichte wird chronologisch erzählt, allerdings zumeist mit mehrjährigen Lücken. Im Mittelpunkt der meisten Kapitel steht Zora, hin und wieder aber auch ein anderes Familienmitglied. Leider bleibt man als Leser auf Distanz, eine Identifikation mit den Protagonisten bleibt aus.

Eigentlich finde ich Zeit und Schauplatz sehr interessant, aber die Art, wie die Autorin die Geschichte präsentiert macht das Ganze zu einer eher zähflüssigen Lektüre, durch die ich mich zeitweise regelrecht hindurchquälen musste.

Zora lebt in einer Welt von Männern: sie hat viele Brüder, ihren Ehemann und 3 Söhne. Am liebsten wäre es ihr, wenn es keine Schwiegertöchter gäbe, oder wenn, dann solche, die sie selbst ausgewählt hat. 1948 wird die großbürgerliche Familie zu ihrer eigenen Verwunderung aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen. Den Leser wundert das weniger! Der Roman endet mit einem langen inneren Monolog von Zora, in dem sie im Zeitraffer die Zeit von 1948 bis 1980 (Titos Todesjahr) reflektiert. Sie ist inzwischen verarmt und lebt in einem Altersheim in Slowenien, während ihr Mann Pietro in einem anderen Altersheim in Italien residiert. Seine Demenz konnte Zora nicht ertragen, weshalb sie nach Slowenien zurückging.

Diese Frau wirkt ziemlich unsympathisch, sie wächst einem nicht ans Herz und ihr Schicksal ist einem letztendlich gleichgültig. Ich wollte den Roman mögen und finde die darin abgehandelte Zeitgeschichte sehr spannend, aber für mich hat dieses Buch leider nicht funktioniert.

Bewertung vom 29.06.2020
Schwarzer August / Leander Lost Bd.4
Ribeiro, Gil

Schwarzer August / Leander Lost Bd.4


sehr gut

Band 4 von LOST IN FUSETA: etwas schwächer als die Vorgänger
Wie immer bei dieser Reihe, lebt der Roman von den Eigenheiten seines Protagonisten, der an einer Asperger-Störung leidet, die die Interaktion mit seinen Mitmenschen prägt. Der Hamburger Kommissar, der Dank eines europäischen Austauschprogramms seit einem Jahr in Portugal arbeitet, wird von seinen portugiesischen Kollegen aufgrund seiner herausragenden Fähigkeiten in manchen Bereichen sehr geschätzt - an seine Eigenarten im Umgang mit anderen Menschen (z.B. Unverständnis von Ironie, die Unfähigkeit zu lügen, das Wörtlichnehmen von Metaphern usw.) haben sie sich schnell gewöhnt und sind gewillt, diese hinzunehmen. Ganz im Gegensatz zu seinen ehemaligen deutschen Kollegen, von denen zwei im Verlauf des Romans auftauchen, die ihn nur als Witzfigur ansahen und sehr erstaunt sind, über die Wertschätzung, die er in Fuseta gnießt. Erst hier erfahren sie, was tatsächlich mit ihm los ist. Und so ist es eine große Freude für Lost, dass seinem Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltes stattgegeben wurde. Zumal er und Soraia - die Schwester seiner Chefin - wie es sich in den ersten Bänden schon andeutete, nun endlich zusammengekommen sind und Lost seine erste Liebe erlebt. Dieser Liebe wird vom Autor etwas zu viel Platz eingeräumt und obwohl man sich als Leser für Lost freut, erscheint mir Soraias Liebe zu ihm doch etwas zu selbstlos dargestellt zu sein. Überhaupt geht es in diesem Band sehr viel um die persönlichen Beziehungen der Protagonisten untereinander, und für Band 5 oder 6 zeichnet sich jetzt schon eine Annäherung zwischen Losts Vorgesetzter Graciana und ihrem Kollegen Carlos ab. Das ist zwar alles ganz nett, nimmt aber für einen Krimi hier etwas zu viel Raum ein. Das portugiesische Lokalkolorit macht wie gewohnt Lust und Laune auf einen Portugalurlaub, aber die Krimihandlung liest sich teilweise leider etwas zäh und wirkt auch etwas konstruiert: ein todkranker Weltverbesserer versucht, vor seinem Ableben noch etwas Positives zu bewirken und nimmt zum Ende hin auch in Kauf, dass nicht nur Sachschäden durch seine Sprengsätze entstehen, sondern auch Menschenleben gefährdet werden. Erst ganz zum Ende hin kommt dann endlich Spannung auf.
Ich mag die Lost-Reihe und hoffe, dass uns in den nächsten Bänden wieder ein besserer Plot erwartet!

Bewertung vom 03.05.2020
Pandatage
Gould-Bourn, James

Pandatage


sehr gut

Komische und zugleich rührende Vater-Sohn-Geschichte
Danny Maloony und sein elfjähriger Sohn Will leben zu zweit, seit Liz, Dannys Frau und Wills Mutter, vor einem Jahr bei einem Autounfall ums Leben kam. Will hat seitdem aufgehört zu sprechen und Danny geht es auch gar nicht gut. Als er seinen Job auf dem Bau verliert und wegen Mietschulden der Rausschmiss aus der Wohnung droht, verfällt Danny auf die Idee, als Straßenkünstler Geld zu verdienen - denn er hat gesehen, dass manche von denen eine ganze Menge Geld verdienen. Nur hat er leider keinerlei Talente, tanzen kann er auch nicht, glaubt aber, dass er das am ehesten noch erlernen kann. Er kauft sich ein Pandakostüm und legt los. Durch einen Zufall treffen Will und "der Panda" aufeinander und seltsamerweise kann Will dem Panda gegenüber seine Redehemmung überwinden. So erfährt Danny vieles über seinen Sohn, das er vorher nicht wusste und versucht, durch dieses Wissen zu einem besseren Vater zu werden. Er lernt zufällig die Pole-Tänzerin Krystal kennen und sie hilft ihm beim Tanzenlernen und wird allmählich zu einer guten Freundin. Mit ihrer und Dannys Freund Ivans Hilfe gelingt es Will und Danny ihre Beziehung zu reparieren, ihre Probleme zu lösen und wieder Freude am Leben zu haben.
Das Ende ist vielleicht ein wenig zu märchenhaft, aber insgesamt eine beglückende Feelgood-Lektüre um Verlust, Trauerarbeit, Freundschaft und ein sympathisches Vater-Sohn-Duo, sehr komisch und sehr berührend! Der Autor findet die richtige Balance zwischen Humor und Ernsthaftigkeit und reißt viele Themen an. Es hat Spaß gemscht, Danny und Will und ihre Freunde kennenzulernen. Die Geschichte wird leicht, aber nicht seicht erzählt. Ein empfehlenswerter heiterer Roman mit Tiefgang.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.04.2020
Das wirkliche Leben
Dieudonné, Adeline

Das wirkliche Leben


ausgezeichnet

Grandios, egrreifend und hammerhart
Wirklich ein ganz hervorragender Roman, wunderbar geschrieben - und doch nichts, was ich gleich noch einmal lesen möchte. Denn es geht um die harte Realität einer dysfunktionalen Familie mit einem gewalttätigen Vater. Auch wenn das Ende zufriedenstellend ist und ein gewisser Abschluss zu spüren ist, so bleibt doch der bittere Nachgeschmack über diese unsäglichen Lebensumstände.
Berichtet wird über dieses Leben von einem zehnjährigen Mädchen. Die Ich-Erzählerin beschreibt, wie sich bei ihrem Vater über einen längeren Zeitraum eine solche Wut anstaut, dass er sie irgendwann nicht mehr zurückhalten kann und dann an der Mutter auslässt. Nur wenn er zwischendurch Reisen macht, bei denen er seinem Hobby, der Großwildjagd frönen kann, gelingt es ihm, eine längere Zeit friedlich zu bleiben.
Ihre Mutter beschreibt das Mädchen als "Amöbe", als ein willenloses Wesen, das stumm duldet und sicht bemüht, nicht aufzufallen. Von beiden Eltern können die Kinder keine Herzlichkeit und Wärme erwarten. Der einzige Sonnenschein im Leben des Mädchens, dessen Namen wir nicht erfahren, ist ihr kleiner Bruder Gilles, dessen Milchzahnlächeln ihr das Herz erwärmt. Ihre Mission im Leben ist es, diesen Bruder zu beschützen.
Sie und ihr Bruder werden Zeuge eines scheußlichen Unfalls und von da an verändert sich der kleine Bruder, er zieht sich zurück, wird verschlossen, lächelt nicht mehr und gerät allmählich unter den Einfluss des Vaters.
Das Mädchen tut nun alles, was sie kann, um sich und ihren Bruder aus dem Einflussbereich des Vaters zu entfernen. Sie ist stark, hochintelligent, interessiert sich besonders für Physik und flüchtet sich in ihre Lehrbücher. Sie schafft sich eine eigene Gegenwelt, die sie vor der Familie verbirgt. Sie befreundet sich mit Leuten, die sie als "normal" ansieht - einer freundlichen älteren Nachbarin, die ihr von Marie Curie erzählt, einem netten jungen Nachbarsehepaar, bei denen sie als Babysitter arbeitet, einem emeritierten Professor, der ihr Privatstunden in Physik gibt.
Die Geschichte wird über einen Zeitraum von 5 Jahren erzählt, das Mädchen kommt in die Pubertät und bekommt allmählich weibliche Rundungen, wodurch sie nun auch ins Opferschema ihres Vaters passt. Ich will das Ende der Geschichte nicht spoilern, aber jedenfalls entwickelt das Buch gegen Ende einen immer stärkeren Sog, so dass ich es gar nicht mehr aus der Hand legen konnte.
Die Protagonistin dieser besonderen Coming of Age Story, ist eine starke Persönlichkeit, die sich mit ihren Mitteln zur Wehr setzt. Der Schreibstil ist beeindruckend, die Ich-Erzählerin beweist größere Reife, als ihrem Alter entsprechen würde, die Art, wie sie ihre Familie analysiert ist erstaunlich klar und ich stand immer voll hinter ihr, habe mit ihr mitgefiebert. Und obwohl es um deprimierende Lebensumstände geht, ist das Buch doch nicht deprimierend, sondern hoffnungsvoll.
Ein formidabler Debutroman von einer Autorin, von der man mit Sicherheit noch einiges hören wird. Unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 07.04.2020
Die Toten vom Lärchensee / Ein Fall für Arno Bussi Bd.2
Fischler, Joe

Die Toten vom Lärchensee / Ein Fall für Arno Bussi Bd.2


ausgezeichnet

Richtig netter Krimi - humorvoll und spannend
Ich kenne schon die Veilchen-Reihe des Autors, die mir auch sehr gefallen hat, aber im Vergleich mit den heiteren Bussi-Romanen ist Veilchen eher etwas düster.
Der gebürtige Tiroler Arno Bussi ist Polizist in Wien, allerdings unseligerweise in der Abteilung Kriminalstatistik tätig, weil Innenminister Qualtinger es Arno verübelt, dass er ihn mit seiner Frau im Bett erwischt hat. Aber hin und wieder, wenn es einen kniffligen Fall in Tirol zu lösen glt, kommt Arno dann als "Einheimischer" doch zum Einsatz.
Wie nun hier am Lärchensee, wo es um einen Cold Case geht, einen fünf Jahre alten Todesfall, der anfänglich als vermeintlicher Unfalltod ad acta gelegt wurde. Warum das nun gerade jetzt wieder aufgerollt werden soll, versteht Arno zwar nicht, macht sich aber nichtsdestotrotz an die Arbeit. Im Laufe seiner Ermittlungen drängt sich ihm die Vermutung auf, dass es Qualtinger weniger um diesen Fall geht, als um die Durchsetzung seiner eigenen dubiosen politischen Interessen ...
Der vom Tourismus weitgehend unbeleckte Lärchensee soll mit Macht erschlossen werden. als erster Schritt steht die Erbauung eines Chalet-Dorfes an. Und wo gebaut werden soll, da gibt es auch Proteste. Der Arno gerät gleich mitten hinein ins Geschehen und trifft dabei den Bauunternehmer mit seinen zwei Bodyguards, die ehrgeizige Bürgermeisterin, die engagierte Umweltaktivistin, den alten Polizisten Bernhard Franz und dessen Lawinenhund Bernhard und das Bäckerehepaar Baldauf, deren Käsesahnetorte fast so gut ist wie die von Arnos Mutter.
Der Bruder vom Bäcker ist derjenige, der vor fünf Jahren zu Tode gekommen ist. Er hatte das Restaurant Zum Seewirt so erfolgreich betrieben, dass es weit über Tirol hinaus in Schickimicki-Kreisen bekanntgeworden war. Die Einheimischen zum Sprechen über seinen Tod zu bewegen ist schwieriger als erwartet. Aber dann beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen und es gibt zwei weitere Todesfälle. Zusammen mit der aus Innsbruck angereisten Inspektorin Katz (mit Berliner Zungenschlag) gelingt es Arno schließlich, den äußerst verschlungenen Fall zu lösen.
Ein reines Lesevergnügen! Ein Krimi genau nach meinem Geschmack, zwar heiter und amüsant, aber trotzdem spannend und durchaus am Puls der Zeit. Arno Bussi ist ein sympathischer und liebenswerter Charakter, der nun schon zum zweiten Mal beweist, dass er ein zu guter Ermittler ist, um seine Talente in der Kriminalstatistik zu vergeuden. Die Riege skurriler Figuren, auf die er in diesem Fall stößt, sind die humorvolle Würze der Geschichte. Wer Cosies liebt, wird hier hervorragend bedient. Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 04.04.2020
Pandora / Stein und Wuttke Bd.1
Amber, Liv;Berg, Alexander

Pandora / Stein und Wuttke Bd.1


sehr gut

Berlin 1948 - Interessanter Krimi aus der Nachkriegszeit
Kommissar Stein, dessen Eltern in der Nazi-Zeit nach England emigrierten, wo er dann auch seine Polizistenkarriere bei Scotland Yard begann, ist nun nach dem Krieg nach Deutschland zurückgekehrt. Zuerst hat er bei der Volkspolizei im Ostteil der Stadt gearbeitet, wo auch sein Vater - ein glühender Kommunist - eine hohe Position innehat, ist aber nun gerade zur Westberliner Polizei gewechselt, da er die Überzeugungen seines Vaters nicht teilt.

Sein Vorgesetzter, ein unangenehmer Alt-Nazi, ist ihm nicht wohlgesonnen und möchte den "Tommy" schnell wieder loswerden, sein direkter Kollege Wuttke ist aufgrund traumatischer Erlebnisse während des Krieges pervitinabhängig und entsprechend unberechenbar. Ein Mord an einem Charlottenburger Bordellbesitzer muss aufgeklärt werden. Außerdem gibt es eine alte Akte über den Tod von fünf Patientinnen der Nervenheilanstalt Wittenau, die Stein in die Hände fällt. Er möchte dem Fall auch gern nachgehen, muss aber feststellen, dass sein Chef Krüger alles daran setzt, die Akte unter Verschluss und ihn von Ermittlungen in Wittenau abzuhalten. Die Dritte im Bunde ist Lore Krause, die junge Schreibkraft und Assistentin, die eigentlich auch gerne Polizeibeamtin sein möchte und Stein und Wuttke hin und wieder bei den Ermittlungen hilft. Im Laufe der Zeit wird klar, dass die beiden Fälle zusammenhängen und auch, welches Interesse Krüger daran hat, den Fall zu deckeln.

Das große Thema dieses Krimis sind die Nazi-Verbrechen, die an den Insassen von Nervenheilanstalten begangen wurden. Der Kommissar ist zwar gebürtiger Berliner, sieht seine Heimatstadt nach 15 Jahren Abwesenheit aber doch mit den Augen eines Außenseiters und tut sich manchmal schwer, die Verhaltensweisen seiner Landsleute zu verstehen, geschweige denn zu verzeihen. Allmählich wachsen aber er, Wuttke und Lore doch zu einem Team zusammen und schaffen es, ihren Fall gegen alle Widerstände aufzuklären. Die Stimmung, die Atmosphäre dieser Zeit wird gut zum Leben erweckt, der Fall ist durchaus spannend, wenn auch etwas gebremst, und mit den beiden Kommissaren konnte ich nie so ganz warm werden. Dennoch ein gelungener historischer Berlin-Krimi, aber mit Luft nach oben ... wie z.B. bei Volker Kutscher oder Susanne Goga, deren historische Krimis für mich einen stärkeren Sog entwickeln.

Bewertung vom 22.03.2020
Die Geheimnisse meiner Mutter
Burton, Jessie

Die Geheimnisse meiner Mutter


sehr gut

Eine Tochter sucht ihre Mutter und findet sich selbst
Im Jahre 2017 bekommt die 34jährige Rose von ihrem Vater endlich einen Hinweis auf ihre kurz nach ihrer Geburt verschwundene Mutter. Er gibt ihe zwei Bücher der Autorin Constance Holden, mit der ihre Mutter befreundet gewesen sein soll. Rose lebt seit Jahren zusammen mit Joe, dem sie versucht, bei der Verwirklichung seines Traumes zu helfen: Joe träumt von einem Burrito Food-Truck, hat auch irgendwann einen alten Truck gekauft, den er aufmöbeln will, aber viel konkreter ist die Träumerei noch nicht geworden. Rose glaubt allmählich nicht mehr an das Projekt, hat aber auch keine eigenen Träume, denn die Geheimnisse, die das Verschwinden ihrer Mutter umgeben, haben sie irgendwie davon abgehalten, ihre eigene Persönlichkeit zu entwickeln.
Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen, 1979-1983 und 2017/18. 1979 lernt die blutjunge und bildschöne Elise Morceau die über zehn Jahre ältere Autorin Constance Holden kennen und verliebt sich in sie. Wir können die Entwicklung dieser Beziehung verfolgen, den temporären Umzug nach LA, wo Constances erster Roman verfilmt wird und wie es zu Roses Zeugung und Geburt kam.
In den der Jetztzeit gewidmeten Kapiteln versucht Rose, deren Beziehung zu Joe nicht mehr sonderlich gut läuft, Constance ausfindig zu machen. Sie nutzt dann eine sich zufällig ergebende Chance und nimmt unter falschem Namen eine Arbeit als Connies Assistentin an. Der Kontakt mit dieser Frau eröffnet ihr völlig neue Perspektiven und sie wird endlich erwachsen und findet zu sich selbst.
Diese beiden Handlungsstränge, die schließlich zu einer Geschichten zusammenfließen, sind durchaus spannend, man bleibt die ganze Zeit über neugierig zu erfahren, wie es weitergeht. Mit der Figur von Rose' Mutter Elise konnte ich nicht recht warm werden, Rose selbst bietet da mehr Identifikationspotenzial. Ich habe schon DAS GEHEIMNIS DER MUSE von dieser Autorin gelesen, das nach einem ganz ähnlichen Strickmuster aufgebaut ist (Notiz an den Verlag: Muss jeder deutsche Titel dieser Autorin das Wort "Geheimnis" enthalten? Wenig einfallsreich, zumal dieses Wort in den kurzen und kackigen Originaltiteln (The Muse + The Confession) nicht vorkommt!). Beides gut lesbare, unterhaltsame Schmöker!