Benutzer
Benutzername: 
meggie3

Bewertungen

Insgesamt 139 Bewertungen
Bewertung vom 08.01.2021
Dobson, Melanie

Erinnerungen aus Glas


gut

Spannender und gut geschriebener Roman mit für mich zu starkem Bibelbezug

Ich finde es schwierig diesen Roman zu rezensieren, da ich mich persönlich ab der Hälfte des Buches sehr schwergetan habe, obwohl mir die Geschichte und auch der Schreibstil gefallen haben.

In „Erinnerungen aus Glas“ gibt es zwei Zeitstränge, der eine spielt in der heutigen Zeit und wird aus der Sicht der jungen US-Amerikanerin Ava erzählt und dann gibt es Kapitel, die sich mit den Erlebnissen der beiden Frauen Josie und Eliese während des zweiten Weltkrieges in den Niederlanden befassen.

Ava wurde von der sehr reichen Familie ihrer Mutter nach deren Tod aufgenommen und so arbeitet sie nach dem Studium für die Familienstiftung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, wohltätige Projekte und Organisationen finanziell zu unterstützen. Um Förderanträge zu prüfen, fliegt Ava nach Uganda und lernt dort Landon kennen, der gemeinsam mit seiner Schwester eine Kaffeeplantage und ein Waisenhaus aufgebaut hat und den Kaffee in Cafes in den USA vertreibt. Zeitgleich stößt Ava auf Ungereimtheiten im Lebenslauf ihres Urgroßvaters, auf dessen Geschäften das heutige Vermögen der Familie beruht.

In den historischen Kapiteln wird die Geschichte von Eliese, einer jüdischen Frau, die als Registrierungskraft für die Nazis in Amsterdam arbeiten muss und Josie, die für ihren Bruder im Widerstand Briefe von A nach B bringt, erzählt. Josie arbeitet in der Kinderkrippe gegenüber dem Theater, in dem viele niederländische Juden registriert und dann in Lager gebracht werden. So kreuzen sich die Wege der beiden Jugendfreundinnen wieder und gemeinsam versuchen sie viele der Kinder, die registriert werden sollen, zu retten.

Ich habe den Beginn des Romans sehr gerne gelesen, der Schreibstil ist schön und die Geschichte fesselnd und lehrreich. Stück für Stück wurde es mir aber leider zu viel Bezugnahme auf die Bibel, Gott und Jesus. Das ist für mich persönlich schwierig, mag aber für andere LeserInnen überhaupt kein Kriterium sein. Mir ist dies vielleicht etwas zu fremd, wodurch ich zeitweise auch einige Charaktere als weniger überzeugend und authentisch empfunden habe. Vielleicht ist es mir mit der Zeit auch etwas zu viel an zufälligen Begegnungen und Verflechtungen geworden. Am Rande taucht noch der Begriff „Missionsarbeit“ auf, die von Landons Organisation betrieben wird. Leider wurde dieser Bereich nicht weiter ausgeführt und blieb für mich unspezifisch. Entsprechend hatte ich, was diese Passagen anbelangt, nach der Lektüre einige ungeklärte Fragen.

Für alle, die Romane mit religiöser Prägung mögen, ist „Erinnerungen aus Glas“ ein schöner, sehr spannender und fesselnder Roman. Ich empfinde es als schade, dass ich den Roman nicht mehr so gerne weiterlesen mochte wie auf den ersten 150 Seiten. Dennoch möchte ich festhalten, dass die Geschichte nachvollziehbar aufgebaut und sehr schön lesbar und spannend geschrieben ist. Der Schreibstil der Autorin zieht durchaus in den Bann. Ich vergebe aufgrund meiner persönlichen Vorbehalte 3,5 Sterne.

Bewertung vom 14.12.2020
Elliott, Rachel

Bären füttern verboten


ausgezeichnet

Großartige Charakterzeichnungen

Schon mal vorweg: dieser Roman besticht durch seine starken Charakterbeschreibungen.

Dreißig Jahre nach einem schweren Unglück in einem Familienurlaub kehrt Sidney zurück nach St. Ives. Jahrelang hatte sie einen großen Bogen um die Stadt gemacht, in der sie in ihrer Kindheit einige Sommerwochen mit ihren Eltern und ihrem Bruder verbracht hatte.

Sidney ist Freerunnerin und erregt durch ihre Anwesenheit auf den Dächern von St. Ives einige Aufmerksamkeit. So entsteht eine lose Verbindung zu den BewohnerInnen des Ortes. Entsprechend gibt es Kapitel, die aus sehr unterschiedlichen Blickwickeln erzählen: da sind die junge Buchhändlerin und ihre Mutter, die die Frau auf den Dächern aus der Ferne sehen, Sidney selbst und ihr Vater, aber auch noch weitere Charaktere.

Obwohl es in „Bären füttern verboten“ zu einem nicht geringen Anteil um Trauer und Verarbeitung geht, habe ich das Lesen nicht als „schwer“ empfunden. Viel mehr habe ich die unterschiedlichen wertfreien Weisen des Umgangs wahrgenommen, die ich als sehr spannend empfunden habe. Eigentlich sind sämtliche ProtagonistInnen verloren in ihren Erinnerungen an ein anderes Leben oftmals mit einem Menschen, der nicht mehr da ist. Und trotzdem schafft es der Roman, ein Gefühl von Hoffnung und Aufbruch zu vermitteln – auf einfühlsame und gleichermaßen skurrile Art.

Der Titel ist spannend und auch die Kapitelüberschriften sind – wie das ganze Buch – im positivsten Sinn ungewöhnlich. Vielleicht braucht es etwas Zeit, um in den Roman hineinzufinden. Spannung hat sich aber durchaus entwickelt, indem Stück für Stück aufgelöst wird, wie es zu dem tödlichen Unfall im Familienurlaub kam und wie Sidney, ihr Bruder und ihr Vater damit umgegangen sind. Die Charaktere sind sehr liebevoll und detailreich beschrieben, sodass ich das Gefühl hatte, einige der ProtagonistInnen schon ewig zu kennen. Der Ort St. Ives ist ebenfalls so bildhaft beschrieben, dass ich mich selbst am rauen Strand in St. Ives gewähnt habe.

In „Bären füttern verboten“ hat für mich alles zusammengepasst. Schreibstil, Charaktere und Handlung sind eine Einheit, die mir einige schöne Lesestunden beschert haben.

Bewertung vom 13.12.2020
Cameron, Sharon

Das Mädchen, das ein Stück Welt rettete


ausgezeichnet

Sehr lesenswert!

Stefania, die auch Fusia genannt wird, beschließt als junges Mädchen nicht mehr auf dem Bauernhof ihrer Familie auf dem Land leben zu wollen, sondern in die Stadt Przemysl zu gehen und dort zu arbeiten. Sie bekommt einen Ausbildungsplatz in einem Lebensmittelladen und ist schon bald fast wie ein Familienmitglied für die jüdische Ladenbesitzerin Frau Diamant und deren Familie. 1939 verschärft sich die Situation für die jüdische Bevölkerung, die gezwungen wird, ins Ghetto zu ziehen. So auch Fusias Freund Izio Diamant, seine Brüder und Eltern. Fusia versucht, so gut sie ohne Einkommen kann, zu helfen, zum Beispiel indem sie Lebensmittel beschafft und diese ins Ghetto bringt. Als die Deportationen beginnen, versteckt sie zunächst einen der Söhne der Familie. Schon bald versteckt sie noch weitere Menschen, um sie vor den Nazis und Deportationen zu schützen.

Ich bin sehr froh, dieses Buch gelesen zu haben. Dieser Roman hat mich tief beeindruckt und berührt. Die wahre Geschichte von Stefania werde ich wohl nicht vergessen. Besonders eindrücklich habe ich auch Fusias Abwägungen empfunden, die sich der Gefahr, der sie sich, und vor allem auch ihre kleine Schwester aussetzt, bewusst ist. Manchmal habe ich beim Lesen vergessen, dass Fusia selbst noch sehr jung ist. Erinnert hat mich daran dann die Naivität, mit der Fusia sich in bestimmte Situationen begeben hat und, trotz ihrer Erfahrungen die Tendenz hat, zu vertrauen.

Der Schreibstil lässt sich gut lesen. Einige Passagen sind thematisch wirklich schwer zu ertragen, sodass ich beim Lesen Pausen einlegen musste. Sie bleiben mir sicher lange im Gedächtnis.

Bücher wie „Das Mädchen, das ein Stück Welt rettete“ sind unfassbar wichtig und lesenswert. Ich denke, dass der Roman für jugendliche LeserInnen genauso geeignet sein kann wie für Erwachsene.

Bewertung vom 13.12.2020
Horowitz, Anthony

Mord in Highgate / Hawthorne ermittelt Bd.2


sehr gut

Sherlock und Watson in modern

Wie bei Sherlock Holmes und Dr. Watson geht es auch hier um einen Privatermittler, der von der Polizei bei besonders kniffligen Fällen hinzugezogen wird, und einen Schriftsteller, der die Fälle zu Papier bringt. Die beiden Protagonisten sind sehr unterschiedlich und eine richtige Freundschaft besteht zwischen den beiden auch nicht. Dennoch ist es sehr interessant, wie die Interaktionen ablaufen und wie vorsichtig sie agieren, um ja nicht zu viel von sich preiszugeben.

Hawthorne wird zu einem Mord an einem Scheidungsanwalt gerufen, der in seinem Haus ermordet wurde. Während die Ex-Frau eines seiner Mandanten ihn in der Öffentlichkeit angegangen hat, rückt auch ein einige Jahre zurückliegendes Unglück eines Höhlenkletterers in den Fokus von Hawthorne und Horowitz. Neben dem Fall geht es auch immer um den Stolz des Protagonisten Horowitz, der unbedingt den Fall vor seinem Kompagnon Hawthorne lösen und nicht immer nur ratlos hinterherlaufen möchte. Da auch die eigentlich ermittelnden Polizeibeamten den Fall nur zu gern ohne Hawthornes Hilfe lösen möchten, entwickelt sich ein eigenartiges, aber unterhaltsames Wettrennen um die Lösung des Falls.

Dies ist schon der zweite Teil um den Ermittler Hawthorne und den Schriftsteller Horowitz. Nachdem ich den ersten Band mit viel Freude gelesen haben, war ich sehr gespannt auf „Mord in Highgate“. Enttäuscht hat mich der Roman nicht, obgleich er mich nicht ganz so begeistern konnte wie Teil 1. Mir hat wieder gut gefallen, wie der Autor die Beziehung zwischen den Protagonisten und auch andere Charaktere beschreibt. Allerdings habe ich den Plot des Kriminalfalles diesmal als weniger spannend empfunden. Dennoch werde ich den nächsten Krimi sicher auch lesen wollen.

Insgesamt ist „Mord in Highgate“ für mich ein unterhaltsamer Roman, der nicht von der Spannung lebt, sondern von der Art des Beschreibens und den zwischenmenschlichen Episoden. Er kommt eher locker und leicht daher, befasst sich aber auch mit Themen wie Schuld und Vergebung. Ein schönes Buch für ein entspanntes Wochenende!

Bewertung vom 28.11.2020
Berkel, Christian

Ada


sehr gut

Über weite Strecken überzeugend

Ada wird Ende des zweiten Weltkriegs geboren und wächst zunächst in Argentinien bei ihrer Mutter und später mit beiden Elternteilen in Berlin auf. Ihre Kindheit und Jugend wurden durch das Schweigen ihrer Eltern und Adas Unsicherheit und Unverständnis geprägt. Nachdem Ada viele Jahre keinen Kontakt zu ihrer Familie hatte, kommen anlässlich des Mauerfalls viele Erinnerungen und ungeklärte Konflikte wieder hoch und sie sucht sich Hilfe durch eine Gesprächstherapie. Episodenhaft wird Adas Leben aus ihrer Sicht erzählt.

Christian Berkel schreibt sehr fesselnd und durchaus literarisch. Die erste Phase in Adas Leben hat mich besonders beeindruckt und mir den Einstieg in den Roman sehr leicht gemacht. Besonders eindrücklich ist das Unverständnis und die Unsicherheit Adas der Generation ihrer Eltern und im speziellen ihren Eltern gegenüber geschildert.
Allerdings habe ich mich streckenweise mit der Protagonistin Ada schwergetan. Während ich ihr Handeln, Denken und Fühlen in den ersten beschriebenen Lebensjahren noch nachvollziehbar und sie als Charakter durchaus sympathisch fand, hat sich das zunehmend verändert. An einigen Stellen hatte ich erhebliche Probleme, Ada zu verstehen und ihr für mich widersprüchlich wirkendes Handeln nachzuvollziehen. Die Naivität, die sie als Protagonistin durchaus sympathisch macht, war für mich ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr glaubwürdig.

Insgesamt habe ich „Ada“ gerne gelesen, mit einigen Abstrichen im Laufe des Romans bezüglich der mich manchmal irritierenden Protagonistin. Da ich zur beschriebenen Zeit noch längst nicht geboren war, habe ich viel gelernt und einige Passagen als sehr intensiv und eindrücklich empfunden. Das es einen Vorgängerroman gibt, den ich bisher nicht kenne, war kein Hindernis für das Verständnis. Den ersten Roman werde ich vermutlich demnächst noch lesen.

Bewertung vom 28.11.2020
Ferrante, Elena

Das lügenhafte Leben der Erwachsenen


sehr gut

Zwischen den Welten

Giovanna lebt mit ihren Eltern im Neapel der Neunzigerjahre und wächst die ersten Jahre ihres Lebens behütet auf. Sie vergöttert ihren Vater, der wie Giovannas Mutter als Lehrkraft an einer Schule arbeitet und zusätzlich Texte und Aufsätze für Zeitungen verfasst. In einem Umfeld, das viel Wert auf Intellektualität legt, schreibt Giovanna gute Noten. Bis sie auf das Gymnasium kommt und ihre bis dato heile Welt Risse bekommt. Sie kämpft mit sich, mit ihren Eltern und nimmt Kontakt zur Schwester ihres Vaters auf, zu der er jeden Kontakt abgebrochen und an ihr kein gutes Haar gelassen hat. Giovanna lernt eine Welt außerhalb des schönen Viertels, in dem sie aufgewachsen ist, kennen.

Elena Ferrante gelingt es herausragend, Giovannas Selbstzweifel, die Wut auf sich und alle anderen und den Wunsch nach Zuneigung zu beschreiben. Ich habe Giovanna nicht immer verstanden, sie sich aber auch nicht. Dieser zunächst erstmal paradox anmutende Umstand macht diesen Roman für mich so besonders. Denn obwohl mir Giovanna in einigen Situationen ein Rätsel geblieben und teilweise das Gegenteil von liebenswürdig ist, habe ich sie als spannende, authentische und eben doch sympathische Protagonistin empfunden. Ich finde es schwierig, Elena Ferrantes Schreibstil in „Das lügenhafte Leben der Erwachsenen“ einzuordnen. Es gab Passagen, die ich als sehr intensiv und fesselnd wahrgenommen habe, aber auch Abschnitte, mit denen ich weniger gut zurechtgekommen bin. Für mich war der Roman nicht wie aus einem Guss, trotzdem habe ich ihn insgesamt gerne gelesen. Besonders spannend und eindrücklich war für mich das Spannungsfeld zwischen den beiden Welten, in denen sich Giovanna bewegt, aber eben auch das Verschwimmen und ineinander übergehen der zu Beginn noch scharfen Trennlinien, beispielsweise zwischen Giovannas Vater und Tante.

Alles in allem habe ich den Roman als gut zu lesen empfunden, der einigen Eindruck bei mir hinterlässt.

Bewertung vom 08.11.2020
Michaud, Martin

Aus dem Schatten des Vergessens / Victor Lessard Bd.1


ausgezeichnet

Extrem spannend

In Montreal wird eine Psychologin brutal ermordet, ein bekannter Anwalt verschwindet und die Geldbörsen beider Personen werden bei einem Obdachlosen gefunden, der vor den Augen einer Polizistin Suizid begeht. Victor Lessard und seine Partnerin Jacinthe ermitteln gemeinsam mit ihrem Team und können zwischen den Fällen bald Zusammenhänge herstellen.

So entspinnt sich eine rasante Story, die sich keine Pausen gönnt. Von Beginn ist die Spannung auf einem hohen Level, auf dem der Thriller im weiteren Verlauf auch bleibt. Kontinuierlich entfaltet sich der Plot, der für mich so manche Überraschung parat hatte. Gut gelungen ist der Blick zurück in die Vergangenheit, die auf die aktuellen Geschehnisse selbstredend große Auswirkungen hat. Trotz zwischenzeitlich doch einer Vielzahl von verschiedenen Personen habe ich nicht das Gefühl gehabt, dass die ohne Frage vorhandene Komplexität des Falls allzu unübersichtlich wird. Dennoch bewegt sich der Thriller auf vielen thematischen Baustellen, vielleicht auf etwas zu vielen.
Der Protagonist Victor hat neben dem Fall mit sich und seiner Vergangenheit zu kämpfen, mit Zweifeln, aber auch der Hoffnung, das Gute in seinem Leben diesmal festhalten zu können. Obwohl auch er einer der vielen „kaputten“ Ermittler in aktuellen Krimis und Thrillern ist, habe ich die Charakterbeschreibung als authentisch und nicht überzeichnet oder übertrieben empfunden. Auch die anderen Charaktere neben Victor haben alle etwas Besonderes, sodass der Thriller von Martin Michaud für mich aus der Masse an Thrillern heraussticht.

Alles in allem hat mich „Aus dem Schatten des Vergessens“ von Anfang bis Ende sehr gefesselt und es mir in einigen Stunden ermöglicht, dem Alltag etwas zu entfliehen. Die Charaktere habe ich als durchweg interessant empfunden, sodass ich mich schon sehr auf weitere Thriller um Victor Lessard freue.

Bewertung vom 08.11.2020
Buti, Roland

Das Leben ist ein wilder Garten


gut

Für mich nur sprachlich überzeugend

Carlo ist am liebsten in der Natur und fühlt sich in geschlossenen Räumen schnell unwohl. Er ist Landschaftsgärtner und Vater einer inzwischen erwachsenen Tochter, die in London studiert. Von der Mutter seiner Tochter lebt er seit kurzer Zeit getrennt, wobei er sich von der Trennung noch nicht erholt hat und den alten Zeiten nachtrauert. Dann verschwindet seine Mutter aus einem Seniorenheim und er begibt sich auf die Suche nach ihr und erfährt von ihrem Leben während des Krieges.

In „Das Leben ist ein wilder Garten“ passiert nicht sonderlich viel. Es geht eher um die Charakter- und auch Naturbeschreibungen. Oftmals tue ich mich mit Auslassungen über Landschaften, Pflanzen oder Tiere schwer. Zu Beginn des Romans hat mich Roland Buti überrascht, in dem er es geschafft hat, dass ich mit den detaillierten Beschreibungen der Pflanzen und Natur durchaus etwas anfangen konnte und diese nicht als zu ausschweifend und langatmig empfunden habe. Im Laufe des Romans wurde mir der Anteil der Beschreibungen dann aber einfach zu groß. Die Charakterzeichnungen sind meiner Meinung nach liebevoll und gut gelungen, auch wenn ich einzelne Handlungen der Protagonisten nur schwer nachvollziehen konnte. Was mir aber wirklich gefehlt hat, war etwas Überraschendes. Es ist mir nicht gelungen, mir von der Mutter von Carlo ein Bild zu machen, das für mich wirklich nachvollziehbar ist und Sinn macht. Obwohl nicht immer alle Handlungsansätze auserzählt werden müssen, hätte ich mir in diesem Fall etwas mehr Tiefe gewünscht. Vielleicht hatte ich auch nicht die richtigen Erwartungen an das Buch, restlos begeistern konnte es mich leider nicht.

Alles in allem hat mich der Roman von Roland Buti zwar sprachlich voll überzeugt, von der Handlung her hatte ich mir aber noch mehr erwartet.

Bewertung vom 08.11.2020
Othmann, Ronya

Die Sommer


sehr gut

Komplexe episodenhafte Handlung

Leyla wächst als Tochter eines jesidischen Kurden und einer Deutschen in einem kleinen Ort in Bayern auf. Die Sommerferien in ihrer Kindheit verbringt sie in Syrien bei ihrer Familie väterlicherseits. In "Die Sommer" werden einerseits episodenhaft Leylas Erinnerungen in Bezug auf die Sommer in Syrien sowie Erinnerungen ihres Vaters beschrieben, zum anderen ihr Leben und Erwachsenwerden in Deutschland. Je älter Leyla wird, desto stärker spitzt sich die politische und humanitäre Lage im Heimatland ihres Vaters zu.

Der Debütroman von Ronja Othmann ist nicht ganz einfach zu lesen. Ich habe die Sprache als eher emotionslos empfunden und die Sätze als relativ komplex. Der Schreibstil ist meiner Meinung nach passend, um die Unsicherheit und Zerrissenheit Leylas zu schildern. Die Art des Beschreibens hat bei mir Eindruck hinterlassen und dazu geführt, dass ich immer wieder innegehalten habe. Es hilft allerdings definitiv am Ball zu bleiben, um den Episoden folgen und diese einordnen zu können. Manchmal habe ich es als schwierig empfunden, die einzelnen Geschichten und Berichte in einen zeitlichen Rahmen und in Zusammenhang zu bringen, um für mich einen roten Faden ausmachen zu können. Obwohl ich dachte, ganz gut informiert zu sein, war es nicht immer einfach, die geographischen, historischen, politischen und religiösen Aspekte zusammenzubringen.
Der Autorin gelingt es vor allem im zweiten Teil des Romans, Leylas Prozess des Erwachsenwerdens authentisch und nachvollziehbar zu beschreiben. Die Spannung zwischen ihrer Jugend in Deutschland mit Feiern und kleinen Ladendiebstählen und auf der anderen Seite den Fernsehbildern aus Syrien und den durch die Behörden verhinderten Nachzug ihrer Familie ist wirklich gut herausgearbeitet. Diesen Teil des Romans habe ich als besonders und eindrücklich empfunden.

Dennoch war es mir vor allem in der ersten Romanhälfte einfach zu komplex und etwas zu sprunghaft zwischen den einzelnen Episoden, als dass ich mich von dem Roman komplett fesseln lassen konnte. „Die Sommer“ ist trotzdem empfehlenswert, auch aufgrund des Schreibstils, und durchaus lehrreich.