Benutzer
Benutzername: 
yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2103 Bewertungen
Bewertung vom 14.02.2025
Anthony, Jessica

Es geht mir gut


sehr gut

In einem Swimmingpool im November

Der Roman ist in Maine, 1957 angesiedelt und stellt das Ehepaar Kathleen und Vergil in den Mittelpunkt. Sie sind schon ein paar Jahre verheiratet, haben Kinder. Vergil ist eher ein oberflächlicher Typ, liebt den Jazz und macht sich keinen Kopf. Die sportliche Kathleen aber ist in eine Krise geraten. Sie steigt an einem Novembertag in den Swimmingpool und weigert sich, wieder rauszukommen.
Es ist aus heutiger Sicht nicht einfach, sich in die Situation der amerikanischen Paare der fünfziger hineinzuversetzen. Doch das Buch, im Original The Most, ist als Gesellschaftsporträt nicht zu unterschätzen. Es war sogar auf der Longlist des National Book Award 2024.

Bewertung vom 12.02.2025
Lehmann, Astrid

Nur ein kurzer Sommer


sehr gut

Begegnung von Bretagne und Schwarzwald

Astrid Lehmann ist nach eigenen Angaben französische Schwarzwälderin und daher ist es kein Wunder, dass sie in diesem Roman französische und deutsche Schicksale zusammenbringt.

In der Zeit der deutschen Besetzung in der Bretagne 1940 werden zwei Menschen zusammengeführt: die schwangere Bretonin Anne-Marie und der deutsche Arzt Helmut. Dann gibt es noch eine weitere Hauptfigur im Schwarzwald, der anfangs sechsjährige Emil. Er wird den zweiten Teil des Buches im Vordergrund stehen.

Die Autorin baut ihre Figuren sympathisch auf und wie sie Helmut die Bretagne sehen und empfinden lässt, ermöglichen wunderbare Sätze über das Land.
Genauso deutlich wird aber die gleichzeitige Verdüsterung durch deutsche Untaten als Besatzer und in der Heimat.

Astrid Lehmann hat sich von der Geschichte ihrer Eltern inspirieren lassen und das gibt dem Buch eine ganz persönliche Note.

Meine Wertung: 4 starke Sterne für diesen Roman!

Bewertung vom 02.02.2025
Simenon, Georges;Bocquet, José-Louis

Der Passagier der Polarlys


ausgezeichnet

grandios gezeichnet

Mit Der Passagier der Polarlys setzen Jose-Louis Bocquet und Christian Caillenaux einen frühen Roman des Kultautors Georges Simenon als Graphic Novel um.
Zugegeben, ich bin kein Kenner der Graphic Novel. Vielleicht bin ich deswegen nahezu sprachlos. Was sind das für grandios gemalte Bilder? Detalliert, ausdrucksstark.
Zudem ist die Handlung aber auch wirklich stark.
Bevor es auf die Fahrt von Hamburg nach Norwegen auf dem Schiff Polaryls geht, gibt es eine Art Prolog. Eine junge Frau erlebt in Montaparnasse eine wilde Nacht, die sie leider nicht überlebt.
Auf der Schiffahrt geht es geheimnisvoll zu. Sowohl Besatzung als auch Passagiere könnten etws zu verbergen haben.
Das Buch überzeugt mit einem raffinierten Plot.
Simenons Romane haben sich stets durch erzählerische Dichte ausgezeichnet. In dieser Form erreicht es neue Ausmaße.

Bewertung vom 29.01.2025
Muschg, Adolf

Nicht mein Leben


ausgezeichnet

Dies ist sicher kein Buch für jeden, aber für Freunde zeitgenössischer Literatur von Niveau ist es ein außergewöhnlicher Leckerbissen.

Dieses Buch hat Klasse und einen Autor, der weiß, wie man schreibt. Die Dialoge, zum Beispiel sind einfach nur brillant.
Muschg Routine kommt hier im besten Sinne zum Tragen.

Als versierter Leser wittert man hier natürlich autobiografische Bezüge.
Wie der Protagonist der Erzählung ist auch Muschg eine intellektuelle Persönlichkeit und mit einer Japanerin verheiratet.
Doch Muschg hält sich auch bedeckt. Ein raffiniertes Spiel.

Adolf Muschg ist jetzt 90 Jahre alt. Und schafft dennoch eine Erzählung, immerhin 176 Seiten, von Relevanz und Bedeutung.

Bewertung vom 28.01.2025
Kiss, Nikoletta

Rückkehr nach Budapest


sehr gut

Márta
Nikoletta Kiss wählt für ihren Roman „Rückkehr nach Budapest“ eine interessante Zeit und Konstellation: Zwischen Ungarn und DDR ab 1986.
Erzählt wird von der Ungarin Márta, die ihre Cousine Theresa in Ostberlin besucht und sich da in den Dichter Konstantin verliebt.Der wird aber der Freund von Theresa.
Konstantin leidet an der DDR. Er ist als Heimkind schlecht behandelt worden, seine regimekritischen Texte traut er sich deswegen nicht zu veröffentlichen. Aber Theresa will ein Manuskript von ihm nachWestdeutschland schmuggeln. Ein großes Risiko.

Die Handlung springt in den Zeiten. Es wird eindringlich erzählt, mit leicht melancholischen Ton. Es gibt die Szenen in der DDR. Dann wieder Jahre später ist gerade das Begäbnis von Theresa und Márta erinnert sich an vieles.

Es ist ein eher ruhiges Buch, dessen Stärke darin besteht, die Empfindungen der Figuren in dieser Zeit und Situation transparent zu machen.

Bewertung vom 28.01.2025
Fabbri, Camila

Dancing Queen


gut

Dancing Queen ist ein Roman aus Argentinien, der eine Frau in der emotionalen Krise zeigt.
Das Cover zeigt ein Auto und es beginnt auch mit einem schweren Autounfall. Die Protagonistin Paulina ist schwer verletzt, kann sich nicht bewegen, aber doch die Umgebung wahrnehmen. Dieser besondere Zustand bestimmt die Erzählweise.

Wechselnd auf der Fahrt ins Krankenhaus wird gezeigt, was vorher und danach passiert. Das ist ganz gut gemacht, obwohl mich der vorherrschende Erzählton nicht unbedingt anspricht.

Auch mit dem Ende kann man nicht ganz zufrieden sein. Irgendwie scheint etwas im Buch zu fehlen.

Dennoch gibt es von der Autorin Camila Fabbri gut gemachte Passagen. Das Buch hat was und man muss es nicht bereuen, dass Buch gelesen zu haben.

Über den Titel Dancng Queen, der auf ABBAs Song anspielt, habe ich mich gewundert, den der Roman hat nicht das Brave, dass dieser Song ausstrahlt.

Bewertung vom 28.01.2025
Köhlmeier, Michael

Die Verdorbenen


sehr gut

Gianni

Michael Köhlmeiers neuer Roman heißt Die Verdorbenen.
Die Geschichte handelt in den Siebziger Jahren und Michael Köhlmeier lässt uns Leser in den Kopf der Hauptfigur Johann, genannt Gianni.
Er ist ein junger Student, orientierungslos und mit leicht soziopathischen Gedanken.

Johann landet schließlich in eine Dreierbeziehung mit den Mitstudenten Christiane und Tommie. Eine Beziehung mit selbstzerstörerischen Tendenzen. Johann bleibt getrieben und es ist nur eine Frage der zeit bis es eskaliert.

Erwähnen muss man noch, dass die Geschichte 40 Jahre später rückerinnernd berichtet wird. Dieses Erzählkonzept funktioniert.

Ein durchaus spannender Roman, der von dem Wesen von Menschen und Beziehungen erzählt. Er hat die hohen Qualitäten, die jeder Köhlmeier-Roman hat, erinnert mich aber weniger an Köhlmeiers Erfolgsbuch Das Philosophenschiff sondern vielmehr an Frankie, dem Roman von 2023.
Es ist ein kurzes Buch, aber sehr intensiv. Auch ein Buch, dass schätzenswerter weise seine Rätselhaftigkeit ein Stück bewahrt.

Bewertung vom 28.01.2025
Dardan, Asal

Traumaland


sehr gut

Weitere Betrachtungen

Die Kulturwissenschaftlerin Asal Dardan nutzt in ihrem neuen Buch Traumaland wieder ihre Fähigkeit Sachthemen erzählerisch zu gestalten.
Gut getroffen ist der Untertitel „Eine Spurensuche in deutscher Vergangenheit und Gegenwart“
Ihre Einschätzung der Erinnerungskultur Deutschlands löst Betroffenheit aus.
Sie zieht Bezüge zu Schriftstellern wie Edouard Glissant, Heinrich Böll, Christa Wolf, Brigitte Reimann, und Doğan Akhanlı und detailliert sein Roman Madonnas letzter Traum.
Asal Dardan gelingt es historische Zusammenhänge herzustellen
Die Buchabschnitte umfassen die Orte Berlin, Köln, Dessau, Hoyerswerda.
Asal Dardans Essays sind hochkomplex, gut durchdacht und ausformuliert. Das führte zu einem eindrucksvollen Ergebnis.

Bewertung vom 26.01.2025
Sparr, Thomas

Zauberberge


sehr gut

Das Alphabet des Zauberbergs

Thomas Manns Zauberberg, dieses Jahrhundertbuch ist sehr reichhaltig, voll an Themen und Motiven. Um dem gerecht zu werden, lässt Thomas Sparr seine Kapitel am Alphabet entlang wandern. Und zu jedem Buchstaben findet er viel erwähnenswertes. Ich nenne nur ein paar: A wie Ankunft, B wie Bleistift ….Demokratie, Humanität, Ironie, Krieg, Queer, Schnee, Tod.
Über Thomas Mann wurde schon viel geschrieben. Thomas Sparr zitiert daher einige Male und immer treffend.
Wer sich schon viel mit dem Zauberberg beschäftigt hat, begegnet vielen wieder. Man kann aber so einiges neues erfahren. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass die Figur des Naphta auf den ungarischen Philosophen Georg Lukacs zurückging. Oder dass das Original-Manuskript des Zauberbergs verlorenging. Auf einer Seite dieses Buches ist ein Foto abgebildet, bei dem das Manuskript auf Manns Schreibtisch lag.
Fotos sind sonst leider sparsam und doch sieht man Thomas Mann am Anfang des Buches beim Eisfest in Davos 2021. Großartig!

Bewertung vom 25.01.2025
Pochoda, Ivy

Sing mir vom Tod


ausgezeichnet

Ein Roman wie ein Faustschlag

Ein Auszug aus dem Prolog zeigt schon eine gewisse Haltung:
„Ich mag eine Mörderin sein. Ich mag Stimmen hören. Aber das heißt nicht, das ich verrückt bin.“
Die amerikanische Schriftstellerin Ivy Pochoda gestattet ihren Figuren Eigenwilligkeit und Persönlichkeit. Das schätze ich sehr.
Außerdem gibt sie den Frauen Stimmen, die diese Persönlichkeiten ausdrücken. Dadurch wird es auch mehr als nur ein Thriller.

Im Mittelpunkt stehen Dios und Florida, die beide aus dem Knast kommen und doch bald schon fliehen müssen.
Die beiden sind sehr unterschiedlich und durch die Ereignisse doch auch miteinander verbunden.
Gesucht werden sie von einer weiteren beeindruckenden Figur: Lobos, die Polizistin und doch auch ein Stück einsame Wölfin.

Ich mag Ivy Pochodas Stil. Sie konnte mich mit Sing mir vom Tod genauso überzeugen wie mit ihren vorherigen Roman Diese Frauen.