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hasirasi2
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Insgesamt 1219 Bewertungen
Bewertung vom 12.02.2018
Falk, Rita

Kaiserschmarrndrama / Franz Eberhofer Bd.9


ausgezeichnet

Niederpornokaltenkirchen, oder was?

Denkt der Eberhofer, als sich die im Wald gefundene nackte Tote als Betreiberin eine Stripshow im Internet rausstellt. Dabei ist Mona die Schwester des Pfarrers (!) aus dem Nachbarort und Simmerls Untermieterin. Das Mädchen wirkte so nett und harmlos! Der Fall wird noch delikater als sich herausstellt, dass auch der Flötzinger, der Simmerl und selbst Leopold, die verklemmte Schleimsau, zu Monas Kunden gehörten – jetzt sind sie alle verdächtig.
Doch dann wird eine zweite Tote im Wald gefunden – geht in Niederkaltenkirchen etwa ein Serienmörder um?!

Nachdem Rita Falk den letzten Band „Weisswurstconnection“ mit einem fiesen Cliffhanger beendet hatte war ich ziemlich froh, dass es nun endlich weitergeht und der Franz den Unfall fast verletzungsfrei überstanden hat. Ganz im Gegenteil zum Birkenberger, seinem Beifahrer. Der liegt nun schon seit 10 Wochen komplett eingegipst im Krankenhaus und bringt das Pflegepersonal an seine Leistungs- und den Franz an seine Leidensgrenze. Der Rudi jammert und nervt, das Weichei!
Auch der Bürgermeister scheint sich zu langweilen. Er taucht zu den ungünstigsten Momenten in Franz Büro auf und macht dumme Bemerkungen.
Und zu Hause gibt’s ebenfalls immer wieder Ärger: „Bier und Fußball, das ist dein Leben. Und dein dämlicher Saustall vielleicht noch.“ (S. 49) wirft ihm die Susi vor, weil er sie nicht beim Bau des Doppelhauses mit dem Leopold unterstützt. Aber Franz will ums Verrecken keine Gemeinschaftssauna mit der Schleimsau und auch die Feng-Shui Expertin, welche die Panida anbringt, ist ihm mehr als suspekt.

Rita Falks Krimis menscheln einfach. Ich hab das Gefühl, in Niederkaltenkirchen zu wohnen und alle schon ewig zu kennen. Die Mosshammerin weiß immer als Erste Bescheid, der Wolfi zapft das beste Bier, beim Simmerl gibt’s die beste Brotzeit und die Oma kocht nicht nur göttlich sondern weiß außerdem, wie man sichdie günstigsten Schnäppchen erkämpft. Alle scheinen einen Plan zu haben, echte Ziele, nur der Franzl, der würde am liebsten einfach so weitermachen wie bisher.

Auch das „Kaiserschmarrndrama“ ist wieder saukomisch, sehr spannend, viel zu schnell ausgelesen und geht ans Herz, denn Franz erleidet einen schweren Verlust (ich verrate natürlich nicht, wer stirbt).

PS: Wenn ihr wissen wollt, was Franz und Rudi im Partnerlook im Bett so treiben, dann müsst ihr das Buch lesen ;-).

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.02.2018
Edelmann, Gitta

Himmelsliebe


sehr gut

Spionage, Sabotage und ein Mord

1880 werden in der Nordsee Überreste der legendären Insel Rungholt geborgen. Das neuartige Forschungs-Luftschiff „Himmelsliebe“ bricht daraufhin zu einer Expedition auf, die bald durch Spionage, Sabotage und einen Mord verzögert wird ...

Die Erlebnisse dieser Fahrt werden aus der Sicht der verschiedenen Besatzungsmitglieder erzählt und wirken dadurch sehr lebendig. Man erfährt sozusagen aus erster Hand, wer mit wem gut kann und welche Animositäten es gibt. Leider sind das nicht gerade wenige, denn durch die erfolgreiche badische Revolution 1849 ist Bismarck nie an die Macht gekommen und seit 1850 gibt es Frankoallemannien (eine zentraleuropäische Republik aus Frankreich und den deutschen Landen mit der Hauptstadt Straßburg). Das hat zur Folge, dass auch Frauen einen Beruf ergreifen können (so lange sie nicht heiraten) und gleich 5 von ihnen mit an Bord sind. Selbst der Kapitän ist eine Frau – ein Unding aus der Sicht vieler Männer!
Dabei ist die Kapitänin Alberta Lefort eine gestandene Frau mit sehr viel Erfahrung, die schon seit ihrer Kindheit unbedingt Luftschifferin werden wollte. Sie akzeptiert die Marotten der ihr unterstellten Männer bis zu einem bestimmten Grad, weiß darüber hinaus aber ihre Autorität durchzusetzen. Dafür bewundert sie vor allem Annie Dupont. Sie ist die Funkerin und Dolmetscherin des Teams und hat sich wegen der Karriere gegen einen Ehemann entschieden – ihr Geliebter kann ihr das nicht verzeihen. Annie wird für Alberta bald zur Vertrauten und unterstützt sie genau wie der erste Offizier Wilhelm Friedrichsen bei der Untersuchung der Ereignisse. Friedrichsen ist eigentlich Albertas erbittertster Gegner – war er bis zu einem Unfall doch selbst Kapitän. Er versucht sich immer wieder in den Vordergrund zu drängen (und war dadurch für mich der Hauptverdächtige).

Die Geschichte spielt fast nur in der Enge des Luftschiffs (Zeppelins) und entwickelt eine ganz eigene Dynamik. Freundschaften entstehen, man ist aufeinander angewiesen. Aber dann werden geheime Unterlagen durchwühlt, die Steuerung macht Probleme und der Motor streikt. Die Besatzung fängt an, sich zu misstrauen und zu beobachten – wer ist der Spion, der Saboteur und der Mörder? Ist alles dieselbe Person oder sind es mehrere? Aber: „Wieso sollte jemand an Bord sich selbst in Gefahr bringen?“ (S. 144)

Wie schon erzählt, spielt das Buch zwar 1880, aber die Vergangenheit ist nicht unsere reale, sondern fiktional. Man könnte es auch als historische Utopie bezeichnen – Europa ist friedlich vereint, Hitler wird durch diese politischen Entwicklungen nie an die Macht kommen, die Weltkriege nie stattfinden. Auch die Gesellschaft hat sich weiterentwickelt. Frauen dürfen arbeiten, so lange sie nicht heiraten, und sogar wählen, wenn sie reich sind und / oder studiert haben.
Dazu kommen technische Errungenschaften. Auf der „Himmelsliebe“ wird neben dem Dieselmotor auch ein Solarantrieb getestet.

„Himmelsliebe“ ist durchaus spannend, aber ich habe es eher als Gesellschaftsstudie und Spionageroman als als Krimi empfunden. An einigen Stellen wirkte die Geschichte und Sprache (ein Gemisch aus französischen und deutschen Begriffen, zum Teil von der Autorin erfunden) etwas konstruiert und ein kleiner Teil des Motivs des Mörders erschien mir nicht so ganz glaubhaft.
Trotzdem hat mich das Buch sehr gut unterhalten und ich könnte mir gut vorstellen, dass die „Himmelsliebe“ bald wieder mit Alberta Lefort und ihrer Mannschaft aufsteigt.

Bewertung vom 02.02.2018
Kalpenstein, Friedrich

Gipfelträumer


ausgezeichnet

Superpapi oder: „Herbert, ich will (noch) ein Kind von Dir!“

Mit dieser Aussage schockt Anja Herbert im ersten gemeinsamen Familienurlaub, als wäre der nicht so schon stressig genug. Man hockt 24 Stunden aufeinander in einem Familien(aktiv)hotel, umgeben von besserwissenden Super-Eltern, Spackos, die unter den Pantoffeln der Ehefrauen stehen, und durchtrainierten Sportfanatikern. Klar dass Herbert Anjas kritischer Blick auf seine Onepack-Mitte zu schaffen macht. Dabei hat er sich doch gerade so schön im Leben eingerichtet. Oskar ist aus dem Gröbsten raus (wenn es nach Herbert geht, nach diesem Urlaub auch endlich aus den Windeln!), er hat beim Finanzamt gekündigt und grillt stattdessen Bio-Burger in seinem Food-Trick. Aber irgendwie kann er es Anja nie recht machen. Nachdem ihr Café und das Catering so gut laufen, soll Herbert auch expandieren. Doch jetzt ist erst mal Urlaub angesagt!
Natürlich kommt es, wie es kommen muss. In der Enge des kleinen Hotelzimmers wird ein Geheimnis gelüftet, das Anja lieber für sich behalten hätte und die Situation eskaliert. „Mir wurde umgehend klar, richtige Erholung gab es erst, wenn das Auto gepackt war und wir die Heimreise antraten.“ (S. 70)

Seit mir eine Freundin den ersten Herbert-Band mit der Aussage „Den musst du unbedingt lesen, du wirst ihn lieben!“ geschenkt hat, bin ich ihm verfallen. Herbert ist herrlich bodenständig, manchmal etwas schwerfällig (und auch schwer von Begriff *hüstel*), aber er hat das Herz auf dem rechten Fleck, einen tollen Humor und seinen besten Freund Hans, der ihm ab und an den Kopf zurechtrückt.
Die Bücher leben von den Menscheleien und Wortgeplänkeln, außerdem tappt Herbert ganz gern mal in ein Fettnäpfchen. Doch diesmal wächst er förmlich über sich hinaus und übernimmt – ganz gegen seinen Plan – die Anführung der aufmüpfigen Männer. Dabei mogelt er bei Oskars Alter, damit er ihn in der Kinderbetreuung abgeben kann, schließt Freundschaft mit dem Chefkoch und versucht dessen Rat „Zuhören und hinschauen“ zu beherzigen und am Ende stehen 3 Kinderzelte (ein Tippi, ein Wigwam und ein Märchenschloss) auf dem Rasen vor dem Kurhotel. Natürlich verrate ich Euch nicht warum, das müsst ihr schon selber herausfinden ;-).
Ach, ja: Last but not least gibt es ein Wiedersehen mit der Warnweste – Herbert-Fans wissen jetzt sofort, wovon ich rede.
Ich war nach der Lektüre echt froh, dass ich keine Kinder habe und mir damit anscheinend so manche Peinlichkeit und einige Wettbewerbe erspart bleiben.

Herbert ist eben einfach Kult! Kaufen! Lesen! Lachen! Weiterempfehlen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.01.2018
Moyes, Jojo

Mein Herz in zwei Welten / Lou Bd.3


ausgezeichnet

Lebe mutig, Clarke

„Und das hier ist so was wie mein Versuch, einen Neuanfang zu machen.“ (S. 12) erklärt Louisa dem Beamten von der Einwanderungsbehörde, als sie in New York landet. Nathan, Wills ehemaliger Pfleger, arbeitet inzwischen für Mr. Gropnik, einen Finanzmagnaten und Millionär mit einer sehr jungen zweiten Gattin – Agnes. Diese leidet anscheinend an Depressionen und Louisas Job als ihre Assistentin wird es sein, ihr durch den Alltag und die dunklen Zeiten zu helfen. Das Ehepaar ist trotz des Altersunterschiedes sehr verliebt, doch die erste Mrs. Gropnik und vor allem die erwachsene gemeinsame Tochter Tabhita funken ihnen ständig dazwischen.
Und das sind nicht Louisas einzige Probleme. Sie hat in England nicht nur ihre chaotische Familie, sondern auch ihren Freund, den Rettungssanitäter Sam, zurückgelassen und die Fernbeziehung ist schwieriger als gedacht – zumal Sam bald eine neue Partnerin zugeteilt bekommt und Louisa Josh kennenlernt. Wo gehört sie hin und zu wem? Zu Hause fühlt sie sich eigentlich nirgendwo mehr. „Weißt Du, dass ich mit jedem Bein an einem anderen Ort stehe?“ (S. 385)

Schon beim Aufschlagen des Buches hat mich die fröhliche dicke Hummel auf dem Vorsatzblatt zum Lächeln gebracht und die Erinnerungen heraufbeschworen. „Mein Herz in zwei Welten“ geht fast ansatzlos da weiter, wo „Ein ganz neues Leben“ endet (man muss die ersten beiden Bände aber nicht zwingend gelesen haben). Louisa befolgt endlich Wills Rat und wagt einen richtigen Neubeginn. IN NEW YORK. Die Stadt ist beeindruckend und natürlich wird alles anders, als sie es sich vorgestellt hat. Sie wohnt in einem winzigen Zimmerchen und hat fast rund um die Uhr für Agnes da zu sein, muss den Spagat zwischen Arbeitnehmer und Agnes gespielter Freundin schaffen, wenn sie diese auf Veranstaltungen der High Society begleitet. Sie schafft es, dass Agnes bald wirklich so etwas wie eine Freundin in ihr sieht und sie in ihre dunkelsten Geheimnisse einweiht.

Ich bin genau wie Louisa von NY und ihren Erlebnissen überwältigt. Die Stadt und ihre Arbeit verändern sie. Statt ihrer heißgeliebten Hummelstrumpfhose und Vintageklamotten muss sie eine praktische (hässliche) Uniform tragen und ihre verrückten Schuhe weichen schon bald Sneakers, damit sie mit dem Puls der Stadt und Agnes Schritt halten kann. „Es ist, als ... Als wärst du zu deinem eigentlich Selbst geworden. Oder vielleicht zu jemand anderem.“ (S. 254) „Ich bin immer noch ich, Sam.“ (S. 256)
Zudem bewundere ich Louisa für Anpassungsfähigkeit. Sie wächst an ihren Aufgaben – quasi über sich hinaus. Als sie sieht, wie sich die Ehe ihrer Arbeitgeber langsam auflöst, hält trotzdem eisern an den vorgeschriebenen Prinzipien fest – nicht sehen, nichts hören, nichts weitererzählen, nicht einmischen – auch wenn sie daran fast erstickt.
Und obwohl sie Sam vermisst, denkt sie endlich mal an sich, an ihre Wünsche und Ziele. „Es sind immer die Frauen, die im Leben die wirklich schwierigen Entscheidungen treffen müssen. Aber es liegt ein großer Trost darin, etwas zu tun, was man gern macht.“ (S. 445)
Ich mag auch ihre neuen Freunde, besonders den Portier Ashok und die schrullige alte Nachbarin Mrs. De Witt mit ihrem bissigen Mops Dean Martin.

„Mein Herz in zwei Welten“ ist genau so berührend wie die Vorgängerbände. Es geht darum, im Leben anzukommen, mutig zu sein, seine Träume zu verwirklichen, sich treu zu bleiben und nie unterkriegen zu lassen. „Wissen sie, meine Liebe, irgendwann müssen sie herausfinden, wer Louisa Clarke wirklich ist.“ (S. 510)

Das Buch lässt mich etwas wehmütig zurück denn ich habe das Gefühl, dass Louisas Geschichte jetzt erzählt ist und es keine weitere Fortsetzung geben wird. Aber wer weiß? Und mir bleibt ja immer noch die Hoffnung auf die Verfilmung ...

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.01.2018
Gaynor, Hazel

Das Mädchen aus dem Savoy


ausgezeichnet

Das Galeriemädchen

Lancashire 1916: Als ihr Verlobter Teddy in den Krieg ziehen muss, bricht es Dolly das Herz. Sie hoffen, dass die Kämpfe nur wenige Monate dauern und sie danach heiraten können. Doch aus den Monaten werden Jahre und als Teddy 1919 zurückkommt, hat er ein schweres Kriegstrauma und kann sich nicht an Dolly erinnern. Der Krieg hat ihre Zukunft zerstört: „Ohne jemals ein Schlachtfeld gesehen zu haben, hatte auch ich Verwundungen davongetragen.“ (S. 158)

London 1923: Dolly träumt wie alle „Galeriemädchen“ (Arbeiterinnen, die sich nur die billigsten Stehplätze der Theater auf der Galerie leisten können) davon, selber einmal in einem Varieté-Theater zu tanzen. Noch hat sie es nicht geschafft, aber zumindest arbeitet sie jetzt als Zimmermädchen im Savoy für die berühmten Gäste. Vielleicht ist das ja ihr Sprungbrett? „Man kann nie wissen, was im Savoy alles passiert.“ (S. 61) Doch schnell wird ihr klar gemacht, dass sie als „Reinigungskraft“ unsichtbar zu sein hat. Man darf ihre Anwesenheit vielleicht spüren, sie aber um Gotteswillen nie sehen.
Eines Tages entdeckt sie die Anzeige des Komponisten Perry Clements in der Zeitung – Muse gesucht! – und meldet sich. Was kann ihr schon passieren? „Ich wünsche mir mehr von Leben ... und als ich die Anzeige sah, erschien sie mir als Wink des Schicksals. Schließlich muss man selbst die kleinste Chance wahrnehmen, wenn man ein großes Ziel erreichen will.“ (S. 289) Durch ihn lernt sie ihr Idol, seine Schwester, die Schauspielerin Loretta May kennen und die drei treffen eine Vereinbarung ...

Der Autorin Hazel Gaynor ist mit „Das Mädchen aus dem Savoy“ eine sehr außergewöhnliche Geschichte gelungen. Dolly, Teddy, Perry und Loretta sind Überlebende des 1. WK und verkörpern verschiedene Gesellschaftsschichten. Jeder will diese schlimme Zeit auf seine Art so schnell wie möglich vergessen und sein Geheimnis weiter verbergen.
Teddy hat sämtliche Erinnerungen unterdrückt. Dolly ging 1919 nicht freiwillig nach London, aber jetzt will sie ihre Chance nutzen und träumt vom großen Durchbruch. Loretta macht zwar Karriere, aber sie kann nur betäubt durch Medikamente, Alkohol und Drogen auf der Bühne stehen. Perry versucht sich als Komponist, aber die Kriegserlebnisse lassen ihn nicht los. Ständig plagen ihn Schuldgefühle, die ihn bei seiner Arbeit behindern.
Lorettas und Perrys Leben haben sich durch den Krieg aber auch positiv verändert. Die Adeligen lehnen sich gegen die althergebrachte Lebensweise ihrer Eltern auf. Im Krieg arbeitet Loretta wie viele Frauen als Krankenschwester und Dolly in einer Munitionsfabrik. Endlich gingen sie einer sinnvollen Tätigkeit nach, wurden gebraucht und haben etwas geschaffen. Leider verloren sie dabei ihre Unbeschwertheit. „Wir alle haben eine Vergangenheit ... Hinter einem Menschen steckt immer mehr, als was er nach außen hin zeigt.“ (S. 365)

Obwohl das Buch über 500 Seiten hat, ist es durchweg fesseln und kurzweilig. Die Geschichte blieb bis zum Ende überraschend und war nie vorhersehbar. Zudem transportiert Hazel Gaynor die 20-er-Jahre-Stimmung perfekt durch die Beschreibung der Musik, Theaterkostüme, Frisuren und Designerkleider der Stars. Ich kann Dolly verstehen – einmal im Leben möchte ich auch Chanel tragen ...

Bewertung vom 16.01.2018
Maly, Beate

Die Salzpiratin


sehr gut

Abenteuerliche Geschichte um das weiße Gold

Ursel ist 16 und die Tochter des Gutshofherren der Halbinsel am Traunsee, als Graf Wilhelm von Chiemgau nach einer „göttlichen Eingebung“ (er ist vom Blitz getroffen worden) unbedingt an dessen Stelle ein Kloster errichten will. Also lässt er alle Bewohner umbringen – nur Ursel und ihr infantiler Bruder Nikolaus überleben. Während Nikolaus als „Zurückgebliebener“ keine Gefahr für Wilhelm darstellt und zum Bau des Klosters abgestellt wird, flieht Ursel als Mann verkleidet zu den Salzpiraten.

Ursel wäre nach heutigem Maßstab eine emanzipierte Frau, um 950 war sie ihrer Zeit aber weit voraus. Sie stellt lieber Bogen her, als eine Familie zu gründen. Durch ihre knabenhafte Figur geht sie problemlos als Mann durch. Nach dem Mord an ihrer Familie schließt sie sich von Rachegedanken getrieben den Salzpiraten an – so kann sie Graf Wilhelm hoffentlich an seiner empfindlichsten Stelle treffen.
Graf Wilhelm ist ein typischer Adliger. Er will seinen Reichtum ausbauen und sich mit dem Kloster ein Denkmal setzen. Selber kann er kaum Lesen und Schreiben - dafür hat er schließlich seinen Sekretär Steffen. Dieser ist sehr gewitzt und gebildet und entdeckt schon bald Ursels Geheimnis. Aber nicht nur er ...
Auch Wilhelms Cousine Ata, die Äbtissin des zukünftigen Klosters, ist eine sehr unsympathische, eiskalte und berechnende Person. Ihr geht es nicht um Gott, sondern um Macht, Reichtum und ihre eigene Bequemlichkeit. Dafür kann man schon mal über Leichen gehen.
Sehr undurchsichtig hingegen ist Gerold, der Chef der Piraten. Er vertritt das Prinzip Zuckerbrot und Peitsche, man kann sich nie sicher sein, woran man bei ihm ist. Außerdem hat er eindeutig zu viele Geheimnisse vor seinen Mitstreitern.

Beate Maly verbindet in „Die Salzpiratin“ spannende historische Hintergründe über die Salzgewinnung um 950 mit den Lebensumständen der verschiedenen Bevölkerungsschichten.
Die Geschichte lässt sich wunderbar flüssig lesen und war gerade zum Ende hin sehr abenteuerlich, mir allerdings an einigen Stellen zu vorhersehbar und das Ende zu Happy. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Mein Fazit: Lehrreich, spannend, kurzweilig, unterhaltsam, abenteuerlich - für alle Fans von Iny Lorenz.

Bewertung vom 11.01.2018
Maiwald, Stefan

Der Spion des Dogen Bd.1


sehr gut

Der Fall und Aufstieg des David Venier

1568 fällt der reiche Venezianer Davide Venier einer Intrige zum Opfer. Er verliert sein ganzes Vermögen und landet für 10 Jahre in den Bleikammern. Seine Zelle teilt er mit dem Osmanen Hasan, der ihm die wirklich wichtigen Dinge des Lebens beibringt – Kämpfen und Schachspielen. 2 Jahre später ist Davide in Beidem kaum zu schlagen und man bietet ihm die Freiheit an, wenn er in den Dienst der Serenissima tritt. Er wird zum Unterhändler, Boten, Spion. Und er ist gut darin. Aber dann werden Baumeister des Arsenals (der Schiffswerft) getötet, die an einem geheimen Projekt beteiligt waren. Wer steckt dahinter? Ging es wirklich im sie oder will man der Republik schaden? Und auf wen hat es der Attentäter abgesehen, der in der Stadt eingetroffen ist?

Davide ist ein reicher Lebemann. Er betreibt ein Badehaus und ist mit einer verheirateten Frau liiert. Nach seiner Verurteilung fehlt ihm der Lebensmut, erst durch Hasan findet er ihn wieder. Außerdem halten ihn die Wut und Rachegedanken hoch – er will herausfinden, wer hinter seiner Verurteilung steckt und warum. Leider sind seine diesbezüglichen Ermittlungen trotz diverser Tricks und Bestechung lange nicht von Erfolg gekrönt.
Die Handlung ist zum Teil recht abenteuerlich, manchmal sogar fantastisch. Aber das farbenfrohe Bild, das von den Menschen, Schiffen und Venedig der damaligen Zeit gezeichnet wird, entschädigt dafür. Besonders gefallen haben mir die „Gastauftritte“ von Miguel de Cervantes, Tintoretto und William Shakespeare – so macht Lesen Spaß!

Geschickt verwebt Stefan Meiwald die Historie Venedigs mit Davides Geschichte. An einigen Stellen überwog für mich der historische Hintergrund leider zu Lasten der Spannung, da wäre weniger mehr gewesen und auch einige glückliche Zufälle gegen Ende des Buches waren mir zu konstruiert.

Trotz meiner Kritikpunkte ist „Der Spion des Dogen“ ist ein toller historischer Krimi, der sich sehr flüssig lesen lässt und sehr gut unterhält.

Bewertung vom 09.01.2018
Simon, Teresa

Die Oleanderfrauen


ausgezeichnet

Sophies Geheimnis

Ich hab das Buch am Silvesterabend ausgelesen und die Böller und Raketen draußen hören sich fast so entsetzlich an, wie ich mir in die Bombennächte 1943 in Hamburg vorstelle. Wie muss sich da erst eine junge Mutter fühlen, deren kleine Tochter in diesen Nächten vor Angst nicht mehr atmen kann? Was ist aus den beiden geworden und vor allem was hat Johannas Mutter damit zu tun? Diese Fragen stellt sie sich 2016, als sie beim Ausmisten des Dachbodens unter deren Sachen einen Pappkoffer mit einem herzzerreißenden Brief, einem Medaillon und einem Tagebuch findet. Das Medaillon fühlt sich gleich irgendwie vertrau an, sie legt an und nie mehr ab. Aber auch das Tagebuch nimmt sie sofort gefangen und wirft immer neue Fragen auf.

Teresa Simon kann es einfach! Kaum eine Autorin schreibt so fesselnde, atmosphärische und intensive Familiensagas wie sie. Dabei verlangt sie ihren Lesern wirklich alles ab und beschönigt nichts. Seit den „Frauen der Rosenvilla“ (das in meiner Heimatstadt Dresden spielt) bin ich ein absoluter Fan ihrer Art, deutsche Geschichte aus der Sicht von Frauen zu erzählen. Eine Besonderheit ihrer Bücher ist, dass sie die Geheimnisse Stück für Stück offenbart und dem aufmerksamen Leser durch geschickt platzierte Hinweise die Chance gibt, diese zum Teil selbst zu enthüllen. Nach Dresden und München (Die Holunderschwestern) geht es in „Die Oleanderfrauen“ nun nach Hamburg.

1936 verliebt sich Sophie, die Tochter des Kaffeebarons Terhoven, ausgerechnet in Hannes, den Sohn der Köchin – dabei kennen sie sich schon ihr ganzes Leben: „Tausend mal berührt, tausend mal ist nichts passiert ...“ Natürlich hat ihre Liebe eigentlich keine Chance, aber Sophie hört nicht auf, dafür zu kämpfen. Doch dann kommen lange verborgene Geheimnisse ihrer Eltern ans Licht und verändern alles.

„Vernunft statt Gefühle. Tradition anstelle von Leidenschaft.“ (S. 27)

2016 kämpft Jule mit ihrem Café Strandperlchen ums Überleben, als dessen Miete drastisch erhöht wird. Ihre Mutter nannte sie immer „Julchen ohne Plan“, weil sie angeblich nie etwas zu Ende bringt – aber an dem Café hängt sie wirklich und auch „Ich schreib Dir Dein Leben“ ist ihr eine Herzensangelegenheit. Trotz ihres abgebrochenen Geschichtsstudiums liebt sie nämlich Familiengeschichten und erforscht die Vergangenheit ihrer Kunden gegen kleines Geld. Als Johanna ihr Sophies Tagebuch bringt, fesselt sie die Geschichte sofort und wird zu ihrem persönlichsten Fall.

Sophie schildert darin ihr Leben und das ihrer Freunde während des 2. Weltkrieges: Die Ausweitung des Nationalsozialismus und die damit einhergehenden Veränderungen, die Wirren des Krieges und die Bombenangriffe auf Hamburg 1943.
Neben Sophies und Hannes Geschichte hat mich besonders die von Malte berührt – er ist ihr bester schwuler Freund und würde seine Neigung gern offen ausleben, muss sich aber wegen der Nazis verstecken und verbiegen.
Extrem unangenehm war mir hingegen Hellmuth Moers, ein Jugendfreund von Sophies Vater und überzeugter Anhänger Hitlers. Immer wenn er „auftrat“, bekam ich Gänsehaut.

Natürlich kommt auch der Kaffee in dem Buch nicht zu kurz. Es werden die verschieden Sorten und Zubereitungsarten erklärt, wie sich die Einfuhr, Verteilung und der Konsum des plötzlichen „Luxusgutes“ veränderte (auch heute wieder) und was das für die Wirtschaft im Allgemeinen und die Familie Tervhoven im besonderen bedeutete – schließlich lebten sie davon! Auch Kaffee gab es während des Krieges nämlich nur noch mit Lebensmittelmarken auf Zuteilung und es wurde damit spekuliert ...

Mein Fazit: Unbedingt lesen und hoffen, dass bald ein neues Buch von Teresa Simon erscheint!

Bewertung vom 05.01.2018
Richman, Alyson

Abschied in Prag


ausgezeichnet

Wiedersehen nach 60 Jahren

»„Ich kenne sie irgendwoher“, brachte er heraus ... „Sie müssen sich irren,“ erwiderte die Frau höflich. ... „Ich bin´s, Lenka,“ sagte er. „Josef. Dein Mann.“« (S. 11/12). Zu diesem Zeitpunkt sind beide über 80 und haben sich vor 60 Jahren das letzte Mal gesehen. 1939, direkt nach ihrer Hochzeit, emigrierte Josef wegen der Machtübernahme der Nazis in die USA. Lenka wollte ihn nicht ohne ihre Familie begleiten. Sie hoffte darauf, dass er für sie alle Visa beschaffen würde.

„Abschied in Prag“ ist das erschütterndste Buch über die Geschichte der tschechischen Juden während des 2. WK, dass ich in letzter Zeit gelesen habe. Es ist kein Buch, das man mal so nebenher liest, dazu geht es viel zu sehr an die Nieren und auch die dazu Besprechung fällt mir schwer.

Lenka wächst wohlbehütet als Tochter eines Glashändlers in Prag auf. Schon ihre Mutter hatte genau wie sie Malerei studiert. Josef ist der Bruder einer Kommilitonin und studiert Medizin. Sie verlieben sich und mit der Machtübernahme der Nazis heiraten sie – als seine Frau kann sie mit ihm in die USA emigrieren. Aber sie bleibt bei ihrer Familie. Als kurz darauf sein Schiff sinkt, wird er irrtümlich für tot erklärt. Lenka wird 1942 nach Theresienstadt deportiert, 1945 nach Auschwitz und Josef erhält irgendwann vom Roten Kreuz die Nachricht, dass sie dort gestorben ist. Doch dann treffen sie sich ausgerechnet bei der Hochzeit ihrer Enkel wieder.

Es gibt Bücher über dieses Thema, die unterhalten sollen, und solche die aufrütteln – dieses gehört zur letzteren Kategorie.
In extrem eindringlichen und erschreckenden Bildern erzählt Alyson Richman von Lenkas „Leben“ (so mag man es eigentlich gar nicht nennen) in den KZ´s. Dabei war Theresienstadt noch eines der besseren, die „Vorzeigevariante“, in der sich die Inhaftierten zum Teil selbst verwalteten. Die Häftlinge wurden hier nicht in Massen vernichtet – dazu gab es die Transporte in den Osten (nach Auschwitz). Da niemand wusste, was sie dort erwartet, meldeten sich Familienangehörige freiwillig, sobald einer von ihnen auf die Reise geschickt werden sollte.
Besonders nah ging mir die Geschichte der KZ-Kinder. Die Erwachsenen haben alles versucht, um ihnen das Leben irgendwie lebenswert erscheinen zu lassen. Sie schmuggelten Papierfetzen und Farben für sie, veranstalteten geheime Ausstellungen und führten mit ihnen eine Kinderoper auf.
Lenkas ist eine starke Frau und lässt sich nicht brechen. Sie knüpft überall Freundschaften und versucht immer wieder ihrer Familie und Schwächeren zu helfen.

So kämpferisch Lenka ist, um so wehleidiger habe ich Josef empfunden.
Sein Leben in Amerika ist nicht leicht. Er hat als einziger seiner Familie das Unglück überlebt, muss die Sprache lernen, nochmal Medizin studieren und wird wie sein Vater Geburtshelfer – denn er will den Menschen ins Leben helfen, nicht beim Sterben. Er heiratet auch bald wieder und liebt seine Frau (irgendwie) – aber er vergleicht sie sein ganzes Leben mit Lenka und wird die Albträume nicht los. Mit seiner Figur bin ich nicht so richtig warm geworden. Er erschien mir zu widersprüchlich und deprimiert, war nie richtig zufrieden.

Trotzdem klingt „Abschied in Prag“ immer noch in mir nach und bekommt 4,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 25.12.2017
Basson, Mary

Die Malerin / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.4


ausgezeichnet

Ella, Gabriele, wird schon als Kind immer als Sonderling angesehen, weil sie lieber malt, als mit anderen zu reden oder gar zu spielen: „Mit Ella stimmt was nicht.“ (S. 19) Sie war ein Nachzügler, ihre Geschwister viel älter, der Vater verstarb früh. Niemand versteht, dass sie als Erwachsene ihr Leben der Kunst und nicht einer eigenen Familie widmen will. Ich will etwas anderes, nicht das Gewöhnliche – ich will eine Künstlerin sein.“ (S. 127)
1902 wird Wassily Kandinsky ihr Lehrer. Sie fühlt sich sofort zu ihm hingezogen und er nutzt ihre Naivität aus – denn natürlich ist er verheiratet. Sie wird seine „Gefährtin“ nicht nur Geliebte. Zusammen entwickeln sie sich und ihre Kunst weiter, Kandinsky immer als Vorreiter. Obwohl sich ihre künstlerischen Wege bald trennen (er malt abstrakter, fortschrittlicher), bleiben sie ein Paar. Und immer hofft sie, dass er sich scheiden lässt um sie zu heiraten ...

Ich habe „Die Malerin“ förmlich inhaliert. Es ist extrem fesselnd und beschreibt Gabriele Münters Leben und Arbeiten sehr bildlich. Sie hatte es nicht leicht, wurde hinter ihrem Rücken als Hure verschrien, weil sie unverheiratet mit Kandinsky zusammen gelebt hat und war auch nie so erfolgreich – sie war eben „nur“ eine Frau.
Ella war mir sehr sympathisch, ich habe sie um ihr Leben aber nicht beneidet. Ihre Entwicklung von einer etwas weltfremden, schüchternen aber talentierten jungen Frau zur selbstbewussten Künstlerin und Kandinskys „Mädchen für alles“ (sie hat ihm immer den Rücken freigehalten und alles organisiert) war sehr beschwerlich.
Kandinsky hingehen war mir von Beginn an unsympathisch. Er hält sie über Jahre hin, nur sein Wille, seine Ideen und Werke zählten. Ab einem gewissen Zeitpunkt macht er ihre Arbeiten vor seinen Freunden und Künstlerkollegen sogar schlecht – dabei hatte er das doch gar nicht nötig. Sie hat ihm seinen Erfolg nie streitig gemacht.

Aber Gabriellas große Stunde schlägt, als die Nazis an die Macht kommen. Ich war verblüfft, wie unpolitisch sie lange Zeit war. Was deren Ideologie bedeutet versteht sie erst, als sie 1937 die Ausstellung für „entartete Kunst“ besucht. Sie begreift, dass sie die über Jahre gesammelten Bilder irgendwie retten muss: „Ich bin kein aufopferungsvoller Held. Aber hier geht es um Kandinsky.“ (S. 346)

Bemerkenswert ist auch, wie die Autorin die über den Prozeß des Malens, die Formen und Farben schreibt. Sie macht das sehr plastisch und ich hatte auch die abstrakten Bilder dadurch immer vor Auge.

Mary Basson hat hier ein sehr berührendes Portrait einer bewundernswerten Frau und Künstlerin geschaffen. Chapeau.

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