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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2102 Bewertungen
Bewertung vom 16.04.2021
Möllers, Christoph

Freiheitsgrade


sehr gut

Freiheitsgerade und ihre Voraussetzungen

Das Buch betrachtet den Liberalismus aus verschiedensten Blickwinkel.
Dazu nutzt Christoph Möllers viele kurze Kapitel und den Begriff Freiheitsgrade und den Voraussetzungen dafür. Das halte ich für einen guten Einfall.

Die Freiheitsgrade definiert Möllers wie folgt:
1. Freiheit steht Individuen und Gemeinschaften zu
2. Freiheit kann rational gerechtfertigt und willkürlich wahrgenommen werden
3. Freiheit kann im Rahmen einer formalisierten Ordnung und außerhalb dieser wahrgenommen werden

Die Freiheitsgrade haben Voraussetzungen:
Veränderbarkeit setzt Unveränderbarkeit voraus
Freiheit setzt Ungleichheit voraus
Freiheitswahrnehmung bedarf der Aneignung von Entscheidungen

Mit diesem Rüstzeug setzt sich der Autor mit den Mechanismen der Politik auseinander. Das führt am Schluß zu praktischen Ausblicken wie politische Lager, Klimakrise und Freiheitsgrade in der Pandemie.

Das Buch ist umfangreich und man muss nicht alles lesen, aber man findet mit Leichtigkeit viele interessante Kapitel.

Bewertung vom 16.04.2021
Offill, Jenny

Wetter (eBook, ePUB)


sehr gut

Wetter ist ein Buch, dass einen Blick auf das gesellschaftliche Klima der USA wirft. Dieser Blick gehört einer eigenwilligen Bibliothekarin. Es wird die ganze Zeit aus ihrer Sicht und ihrem familiären Umfeld erzählt. Der Roman ist unkonventionell gemacht. Es gibt durchgehend immer kurze, fragmentarische Textböcke. Dennoch ist Jenny Offills Roman gut lesbar und schafft das Kunststück, ernsthaft zu sein, aber auch viele komische Momente zu haben.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.04.2021
Modick, Klaus

Fahrtwind


gut

Ein moderner Taugenichts

Ein junger Mann zieht in den siebziger Jahren nur mit seiner Gitarre ziellos in die Welt. Das ziellose ist Programm, inspiriert und orientiert an Aus dem Leben eines Taugenichts.
Das jemand außer der Freiheit und Spaß nichts will, tut einmal ganz gut. Der Icherzähler lässt sich treiben, hat aber auch das Glück, Leute zu treffen, die ihn mitnehmen. Streckenweise ist es fast eine Road novel und selbst der Leser kann den Fahrtwind fühlen.

Was mich zeitweise daran hinderte den Roman richtig zu genießen, ist der nur vorgeblich naive Ton und manchmal die Dialoge. Ich denke, auch in den siebziger Jahren haben viele Menschen normal geredet ohne diesen ständigen Jugendjargon, der aufgesetzt wirkt. Auf die Dauer kann das nerven, aber zum Glück gibt es auch einige gute Passagen, wo Klaus Modicks typischer Humor funktioniert.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.04.2021
Modick, Klaus

Moos


sehr gut

Erzählt wird anhand von nachgelassenen Notizen eines Botanikers. Es sind naturwissenschaftliche Aufzeichnungen, aber auch noch mehr.
Das Leben des Verfassers Lukas Ohlburg bis tief in die Vergangenheit spielt auch eine große Rolle und man lernt diese Figur dadurch gut kennen.
Außergewöhnlich ist seine Faszination von Moos. Die Sprache ist nicht nur wissenschaftlich sondern auch erzählerisch und wird so Literatur.

Es gibt zum Teil bemerkenswerte Beschreibungen von Natur, insbesondere Moos. Das wird sehr dicht. Das trägt dazu bei, dass der Text als Novelle funktioniert.

Eine gut Idee, ein schon älteres, lange nicht mehr lieferbares Buch von Relevanz neu aufzulegen. Das Buch hat ein Nachwort vom Autor.

Bewertung vom 14.04.2021
Behrend, Heike

Menschwerdung eines Affen


ausgezeichnet

Menschwerdung eines Affen ist eine großartige Autobiografie, ausdrucksstark und lebendig sowie interessant und spannend.
Beim Titel stutzt man zunächst, doch es ist die 1947 geborene Autorin Heike Behrend selbst, die zunächst den abwertenden Titel Affe erhält, als sie vor Jahrzehnten in Kenia, Ostafrika ankommt, um als Ethnologin zu forschen. Da warten anfangs einige Fettnäpfchen auf sie. Das betrifft sprachliche Missverständnisse und fehlende Kenntnisse der Sitten und Kultur. Aber sie lernt dazu, nimmt an Ritualen teil und steigt auf der Leiter zur Menschwerdung. Schließlich kann die Fremdheit überwunden werden.

Mir fällt sofort die Sympathie und den Respekt auf, den sie für die Menschen in den kenianischen Tugenbergen hat. Die weiteren Teile des Buches spielen sich überwiegend in Uganda Ende der achtziger Jahre bis 2005 ab, ein bürgerkriegsversehrtes Land, in dem die Forschungs- und Fotoarbeit riskant ist. Heike Behrend forscht im Kriegsgebiet über die Holy Spirit-Bewegung.

Der Verlag Matthes & Seitz hat mit diesem Buch wirklich etwas zu bieten und es ist kein Wunder, dass dieses Buch für den Deutschen Sachbuchpreis nominiert wurde.

Bewertung vom 13.04.2021
Gaitskill, Mary

Das ist Lust


ausgezeichnet

Ein kurzes Buch, das im Original 2019 im New Yorker veröffentlicht wurde. Und es vermittelt auch das Gefühl einer Erzählung aus diesem Magazin, inklusive der literarischen Kraft und Qualität.
Erzählt wird abwechselnd von M und Q. Das sind die analytisch denkende Margot und der charismatische Quin, die seit langen miteinander befreundet sind und die in der Buch-Branche arbeiten.
Quin ist jetzt von einer MeToo-Aktion betroffen. In einer Petition werfen ihm viele Frauen Übergriffe vor und er steht davor, seinen Job zu verlieren.
Während man in seinen Abschnitten hauptsächlich seine Gedanken und Überlegungen erfährt, wirken Margots Kapiteln wie ein Bericht. Das ist wirklich brillant gemacht und auch sprachlich außerordentlich beeindruckend. Mary Gaitskill versteht es, eine Story zu erzählen.

Bewertung vom 13.04.2021
Maar, Michael

Die Schlange im Wolfspelz


ausgezeichnet

Dem Geheimnis auf der Spur

Die Schlange im Wolfspelz von Michael Maar ist ein grandioses Sachbuch über verschiedene Aspekte der Literatur. Betrachtet wird klassische Literatur, aber manchmal auch moderne.
Es ist ein aufregendes Werk, auch eins über das man sich manchmal aufregen kann. Nicht allen provokanten Thesen von Michael Maar stimme ich ohne weiteres zu. Aber viel ist wirklich originell und Michael Maar ist alles andere als dogmatisch. Michael Maar steigert sich ganz schön rein und zieht den Leser mit in einem Taumel literarischer Fragestellungen über Stil, Metaphern, Bildsprache, Dialoge

Es werden beeindruckend viele, überwiegend deutschsprachige Autoren behandelt: Fontane, Thomas Mann, Canetti, Hemingway, Franz Werfel, Goethe, Grimm, Hebel, Hölderlin, Valery, Heidegger, Heine, Stifter, Storm, Rudolf Borchardt, Anna Seghers, Robert Walser, Kafka, Leo Perutz, Thomas Bernhard, W,G,Sebald, Brigitte Kronauer, Herta Müller, Walter Kappacher, Wolfgang Herrndorf, Botho Strauß, Martin Mosebach, Clemens J.Setz, uva.
Es gibt auch einen Ausflug in die Lyrik.

Ob Maar wirklich dem Geheimnis großer Literatur auf die Spur kommt, kann ich nicht sagen. Aber ich habe viel neues erfahren.

Ein kluges Buch mit viel Humor.

Bewertung vom 11.04.2021
Weiß, Josefine

Wenn es uns gegeben hätte


sehr gut

Ela und Timo

Eine unerfüllte Liebesgeschichte, die einst abrupt endete. Doch 8 Jahre später treffen sich Ela und Timo wieder. Die alten Gefühle sind sofort wieder da, aber es ist nicht einfach. Gibt es eine zweite Chance, die Beziehung doch realisieren zu können?
Schließlich versuchen sie es. Dann erfährt Ela von Timos schwerer Herzerkrankung, die tödlich enden kann. Das klingt wie aus einem Nicolas Sparks-Schmöker, aber hier fehlt glücklicherweise das offensichtliche Kalkül.
Die Realität ist, das Ela nicht damit fertig wird, dass Timo ihr seine Krankheit verschwiegen hat und sie verlässt ihn.

Es wird immer aus Elas Perspektive erzählt und es gibt viele Momente, in denen sie zweifelt, auch an sich selbst. Sie erinnert sich auch an ihre Kindheit, als sie vom Vater verlassen wurde. Das prägte sie.

Die Autorin Josefine Weiss zeigt die Schwierigkeiten einer Liebesbeziehung unter Belastungen. Das hebt ihr Buch aus der Masse heraus.

Bewertung vom 10.04.2021
Ruiz, Olivia

In einer Nacht ein ganzes Leben


gut

Die Französische Sängerin und Schauspielerin Olivia Ruiz nutzt in ihrem Debütroman „In einer Nacht ein ganzes Leben“ einen literarischen Kniff um das Leben einer Frau zu erzählen, die schon als Kind das Exil von Spanien im Bürgerkrieg nach Frankreich erlebte. In Zehn Briefen wird Abuela Ritas ganzes Leben geschildert. Gelesen werden die Briefe nach ihrem Tod von der Enkelin in einer einzigen Nacht. Diese Erzählmethode funktioniert, hätten für meinen Geschmack aber literarisch anspruchsvoller sein können. Eigentlich kenne ich diese Erzählform hauptsächlich aus Frauen-Unterhaltungsromanen und das hatte ich hier nicht so erwartet, da der Stoff angeblich vom Leben der Familie der Autorin beeinflusst sein sollte. Das heißt aber nicht, dass mir der Roman nicht gefallen hätte, aber man muss seine Erwartungshaltung anpassen.
Am Ende sind die Briefe bzw. das Leben Ritas sind das Erbe für ihre Enkelin, die sich von dem gelesenen getröstet und gestärkt fühlt.