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sommerlese
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Zu meinen Hobbies gehört Lesen einfach dazu. Meine Rezensionen erscheinen auch auf meinem Blog. Schaut doch bei Interesse mal rein! https://sommerlese.blogspot.com/
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Insgesamt 2718 Bewertungen
Bewertung vom 18.02.2021
Bartels, Inken

Der kleine Gasthof an der Schlei


sehr gut

Der Landgasthof Seestern in Nordernby an der Schlei ist ein Familienbetrieb mit bürgerlicher Küche. Isa hat vor einigen Jahren ihrer Heimat den Rücken gekehrt und als Sterneköchin ihre Kochkarriere nach London verlegt, doch nach dem Tod ihrer Oma Luise kehrt sie zu ihren Wurzeln zurück. Bleiben möchte sie allerdings nicht, denn ihr Verlobter Henry lebt auch in London. Es kommt aber anders als erwartet, denn Oma hat ihr den Seestern vererbt, mit der Auflage, ihn vier Wochen lang gemeinsam mit ihrer Mutter Jette zu bewirtschaften, ehe sie den Betrieb veräußern darf. Isa fügt sich dem letzten Wunsch ihrer Oma und auch wenn Jette sie als kleines Kind bei Oma gelassen hat und sie kaum Kontakt hatten, müssen sie jetzt an einem Strang ziehen, Oma zuliebe. Und das ist schwerer als gedacht, denn es kommen noch einige Hindernisse, die sie überwinden müssen.

Bei diesem Roman darf man sich auf eine locker erzählte Geschichte freuen, die auch die negativen Seiten des Lebens nicht ausblendet. In weiser Voraussicht hat Oma Luise ihr Erbe so verfasst, dass der Seestern Isa und ihre Mutter Jette wieder zusammenführen soll, sie haben die Aufgabe vier Wochen gemeinsam zu kochen, danach kann Isa über den Betrieb verfügen und ihn verkaufen, wenn sie es denn möchte.

Was so einfach klingt, ist für Isa ein Problem, nicht nur weil ihre neue Heimat nun in London liegt, sondern auch, weil die Trauer um ihre Oma sie belastet und eine Beziehung zu ihrer Mutter Jette nicht wirklich existiert. Gleichzeitig freut sich Isa aber auch auf das Wiedersehen mit ihrem Ex-Freund Tim, der sie auch nach ihrer Rückkehr unterstützt und ihr nichts nachträgt. Die Freundschaft ist vom ersten Wiedersehen wieder vorhanden und es entwickeln sich auch einige Gefühle, die Isa aber nicht für voll nimmt.

Die Kapitel beginnen immer mit vielfältigen und interessanten Zitaten rund um die Themen Kochen und Essen, was ich sehr genossen habe. Im Anhang finden sich auch regionstypische Gerichte wie Matjestatar, Fischsuppe und Apfelbrötchen.

Als Jette ebenfalls nach Nordernby zurückkehrt, nähern sie Mutter und Tochter etwas an, es stehen aber viele verletzte Gefühle zwischen ihnen und Jette ist kein Mensch, der mit Isas störrischem Verhalten gut umgehen kann, sie sind beide nicht aneinander gewöhnt. Dafür geben sie in der Küche aber ein gut funktionierendes Team ab und man wird mit vielen appetitanregenden Gerichten und Kochvorhaben verwöhnt. Die exquisiete Sterneköchin Isa findet auch wieder Gefallen an der Hausmannskost, sorgt aber immer für eine besondere Note, die dem Essen den letzten Pfiff versetzt.

Die Zeichnung der Charaktere und der Dorfgemeinschaft ist Inken Bartels sehr vielfältig gelungen, auch wenn man Isa nicht sofort gern hat und sich auch an Jette erst gewöhnen muss. Aber gerade das verleiht dem Roman eine lebensechte, gewisse Würze, sympathisch und weichgespült kann jeder. Folgt man der Geschichte, sind einige Geheimnisse verborgen, die die Lektüre unterhaltsam und lebensnah wirken lässt.

Die flüssige Erzählweise trägt unterhaltsam durch das Buch, vor der wunderschönen Kulisse der Gegend an der Schlei kann man sich ein wenig treiben lassen und erlebt eine Story, die mit Abwechslung, emotionalen, menschlichen und finanziellen Sorgen zu unterhalten weiß. Dieser Roman dreht sich um Heimat, Familie und das eigentliche Lebensglück, das manchmal vor der eigenen Haustür zu liegen scheint. Eine schöne Lektüre für gemütliche Lesestunden mit Urlaubsatmosphäre und einer liebenswerten Story.

Bewertung vom 16.02.2021
Lima, Mario

Die Mauern von Porto


ausgezeichnet

Authentischer Krimi, der mit seinem Fall und reichlich Portugal-Feeling gut unterhalten kann.

Im ältesten Viertel Portos, dem Stadtteil Bairro da Sé, werden nach einem Brand in einem leer stehenden Haus hinter einer zugemauerten Wand zwei skelettierte, weibliche Leichen gefunden. Die Gerichtsmedizin stellt ein Tötungsdelikt fest, das vor 22 Jahren stattgefunden haben muss. Inspektor Fonseca von der Polícia Judiciária und sein Team befassen sich mit den Ermittlungen zu diesem Cold Case, als aber die Staatsanwaltschaft den Fall überprüft, wird der Fall wegen Überschreitung der Verjährung zu den Akten gelegt. Das sorgt nicht nur bei den Ermittlern, sondern auch bei der Bevölkerung für große Empörung.

Im deutschen Recht verjährt Mord nicht, in Portugal bereits nach 15 Jahren. Diese Erkenntnis ärgert auch die Ermittler beim vorliegenden Cold Case, einem Mord an zwei Frauen. Als ein Mitarbeiter einer Stiftung ermordet wird, bekommt der Fall eine neue Richtung. Hängen die Fälle zusammen?

In diesem abwechslungsreichen Polizeiroman zeigen Fonseca und sein Team eindrücklich wie Polizeiarbeit abläuft und wie sie an Nachbarn, die nichts bemerkt haben wollen und an den Hürden der Gesetzgebung scheitern. Der Fall wird mit reichlich Arbeitseifer verfolgt, viele Bewohner werden befragt und doch scheint man dem Täter nichts mehr anhaben zu können. Mario Lima schreibt sehr flüssig und mit reichlich landestypischem Flair, sodaß man die Schönheiten der Stadt und das portugiesische Lebensgefühl miterleben kann, das mit Geselligkeit, gutem Essen und Vinho Verde für echtes Urlaubsfeeling führt. Arroz de Tamboril und hinterher eine Pastel de Nata, das erinnert an eigene Urlaubsfreuden.

Es geht aber auch um einen Mordfall, der Verbindungen zum Drogenmilieu aufweist und um das Problem der Verjährung von Mord. Sehr interessant finde ich die eingebauten Informationen bezüglich der Folgen der Nelkenrevolution in den portugiesischen Kolonien, wie beispielsweise in Angola. Durch den Umsturz in Portugal wurde Angola entkolonialisiert, für die Bevölkerung begannen nun aber bewaffnete Auseinandersetzungen von Befreiungsbewegungen, die in einen Bürgerkrieg mündeten. Solche gesellschaftspolitischen Hintergründe bereichern Krimis immer ungemein, denn sie zeigen die Realität.

Mit den unterschiedlichen und differenziert gezeichneten Charakteren wird man gut unterhalten, besonders die sympathische Figuren, wie Fonseca, Tété und Marcia, habe ich gern begleitet. Mit Tété Marinho kommt eine neue Inspektorin mit angolanischen Wurzeln zum Team, die auch mit ihrer Herkunft für interessante Aspekte sorgt.

Im Großen und Ganzen kommt dieser Krimi durch die angenehme Lebensart der Portugiesen mit viel Leichtigkeit daher, auch wenn die Gewalttaten, Prostitution und das Drogenproblem zum Tagesgeschäft der Polizei gehören. Die Opfer wurden mit brutaler Gewalt ermordet, dennoch werden keine blutigen Szenen beschrieben und man kann die Handlungen nur im Nachhinein erahnen. Es gibt viele spannende Momente, besonders eine spezielle Befragung zum Ende des Buches bringt reichlich Nervenkitzel und es stellt mich als Leserin zufrieden, dass der ursprüngliche Täter letzten Endes der Tat überführt werden kann. Ein wenig mehr Spannung hätte dem Buch zwar gut getan, aber ich habe mich auch so gut unterhalten gefühlt.

Dieser gut durchdachte Krimi punktet mit authentischen Figuren, realistisch wirkender Polizeiarbeit, gesellschaftspolitischen Hintergründen, zeigt das besondere portugiesische Lebensgefühl und weckt damit Urlaubsstimmung.

Bewertung vom 14.02.2021
van der Wel, Marlies

Seesucht


sehr gut

Das Meer ist für viele Menschen ein Anziehungspunkt, zum Baden, Boot fahren oder Angeln lieben es die Menschen besonders. Auch Jonas fühlt sich vom Meer angezogen und möchte gern mit den Fischen tauchen, nur Schnorcheln allein reicht ihm nicht. Er möchte unter Wasser leben, dafür braucht er ein Boot, denn die Tiefsee lockt ihn und das Meer übt eine besondere Faszination auf ihn aus.

In diesem Buch lernen wir Jonas kennen, dessen großer Traum das Leben unter Wasser ist. Wir begleiten ihn durch sein Leben. Er möchte die Tiefsee erforschen und im Meer leben, für dieses Ziel entwickelt er großen Ehrgeiz und viel Ausdauer. Er beginnt schon als Kind mit dem Sammeln von Strandgut und hat einfallsreiche Ideen, um spezielle, merkwürdig aussehende, aber ganz besondere Erfindungen zu bauen. Wie kann man unter Wasser leben, wie muss ein Schiff gebaut sein, damit Menschen dort leben können? Jonas entwickelt und baut seine Unterwasser-Konstruktionen, leider muss er einige Misserfolge hinnehmen, doch er gibt nicht auf und hält an seiner Vision fest. Das hat mir sehr imponiert und ich habe Jonas dafür bewundert, dass er selbst als alter Mann noch immer diesen wunderbaren Traum lebt und am Ende sogar Erfolg hat.

Dieses Buch richtet sich an Kinder ab 3-5 Jahren, meistens enthalten die Seiten nur wenig Text oder auch gar keinen. Die Bilder sprechen aber auch für sich. Viele Bilder sind in Blautönen gehalten, damit assoziiert man das Wasser des Meeres. Helle und dunkle Bilder zeigen, ob Jonas sich über oder unter Wasser aufhält. Die dunklen Illustrationen wirken ein wenig bedrohlich, ängstliche Kinder könnten damit ein Problem haben. Gemeinsam können Große und Kleine die originellen Bau-Ideen von Jonas bestaunen und die Unterwasserwelt beobachten. An diesen kunstfertigen und originellen Konstruktionen kann man sich erfreuen, sie wecken auf alle Fälle die Fantasie.

Marlies van der Wel zeigt in ihrem Buch, dass es sich lohnt, mit Ehrgeiz und Ausdauer an seine Lebensträume zu glauben.

Beim Betrachten des Buchs packt mich ein wenig die Sehnsucht nach dem Meer, ich bekomme Lust auf einen Strandspaziergang, möchte die Fische im Meer sehen und im Meer baden.


Ein wunderschönes Bilderbuch über die Liebe zum Meer und zur Unterwasserwelt, das mit der Botschaft an seine Träume zu glauben überzeugen kann.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.02.2021
Hauff, Kristina

Unter Wasser Nacht


sehr gut

Seit ihrer Zeit als Aktivisten in Gorleben sind die Paare Sophie/Thies und Inga/Bodo befreundet und bewohnen im idyllischen niedersächsischen Wendland einen Hof mit Scheune. Doch ihre frühere Freundschaft ist inzwischen zerbrochen. Thies und Sophie haben ihren Sohn Aaron verloren, er ertrank in der Elbe, der Grund seines Ertrinkens wurde nie aufgeklärt. Die Trauer und Schuldgefühle sitzen tief und umso schlimmer ist es für das Paar, weil sie täglich neidvoll vor Augen haben, wie Inga und Bodo mit ihren Kindern ein scheinbar perfektes Familienleben führen. Die Gründe für den Tod kommen ans Licht, als eine Besucherin einige Dinge über Aarons Leben aufdeckt.

"Sie liebte ihren Sohn. So sehr. Aber manchmal war das Gefühl wie verschüttet, unter dicken Schichten von Geröll. Manchmal wusste sie einfach nicht, wer er war. Er war ihr fremd." Zitat Seite 56

Zwei Paare teilen sich im Wendland einen Hof. Anfangs waren sie eng befreundet, doch nach dem Tod von Aaron geht man sich aus dem Weg und die Stimmung ist angespannt. Was ist geschehen? Die dahinter verborgenen Gründe und schmerzhaften Wahrheiten werden im Laufe der Geschichte aufgedeckt.

Kristina Hauff schreibt sehr flüssig und beschreibt bildhaft und fast schon poetisch die Landschaft und das Elbufer. Vor dieser Naturidylle lässt sie ein Drama ihrer Figuren ablaufen. Kapitelweise wechselt die Perspektive und aus der Sicht ihrer Figuren taucht man immer tiefer in die Geschichte ein und erhält damit Einblicke in deren Seelenleben. Jeder hat das Leben mit Aaron und mit seinem Verlust anders erlebt.


Dieser Roman zeigt, wie sich Geheimnisse auf die Beziehungen von Menschen auswirken können. Die Ehe von Thies und Sophie steht durch den Verlust ihres Kindes auf der Kippe, die Freundschaft beider Paare ist darüber zerbrochen. Mit den Auftauchen von Mara aus dem dänischen Freistadt Christiania, lockert sie die melancholische Stille zwischen den Familien mit ihrem umgänglichen Wesen etwas auf, freundet sich mit ihnen an und wirbelt damit aber reichlich Staub aus der Vergangenheit auf, mehr als den Bewohnern lieb ist. Aber sie bringt wieder Leben in die Bewohner und es entwickelt sich sogar wieder eine lockere Beziehung. Als Mara jedoch eine andere Seite von sich zeigt und die Eltern mit Vorwürfen überhäuft, beginnen die Paare über sie nachzuforschen.

Das Buch hat eine fesselnde Wirkung, weil die Hintergründe um den Tod von Aaron einfach neugierig machen. Jeder der Protagonisten hat eigene Probleme, aber niemand ist fähig, darüber zu sprechen. Während des Lesens habe ich mich immer gefragt, wie jeder Einzelne unter den Umständen gelitten haben muss. Wie schmerzhaft muss es für eine Mutter sein, wenn sie ihr Kind nicht mehr so lieben kann wie sie es möchte, weil es ihr fremd wird und es dann von einem auf den anderen Tag stirbt? Aarons Verhalten entpuppt sich alles andere als friedlich. Er ist ein gewalttätiges Kind, neigt zu aggressiven Aussetzern und setzt die Nachbarstochter Jella unter Druck. Warum hat das niemand gemerkt, wo man doch so eng beieinander wohnt? Und warum haben die Eltern keine professionelle Hilfe geholt? Auch hat es mich gewundert, dass Mara hier so schnell Vertrauen gewinnen konnte.

Die Konflikte der Charaktere kommen in den Dialogen ans Licht, manches wird aber nur angedeutet. Trotzdem werden die Sorgen, Trauergefühle und Ängste sichtbar gemacht. Einiges erscheint mir etwas aufgesetzt und ich konnte auch zu keiner Figur eine besondere Nähe aufbauen. Was ja nicht zwingend erforderlich ist.

Diese Story hat mich gefesselt und ich mag den interessanten Kontrast zwischen schöner Naturkulisse und familiären Problemen. Ein Gegenwartsroman, der menschlichen Lebenswegen, Erfahrungen und Beziehungsnöte aufdeckt und einem Drama auf die Spur kommt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.02.2021
Mehler, Jutta

Mord mit Puderzucker


sehr gut

Ein unerschrockenes Seniorinnen-Trio ermittelt auf unterhaltsame Weise

Thekla, Hilde und Wally sind drei ältere Freundinnen und unternehmen einen Ausflug ins Nationalparkzentrum Lusen, dort leben Wölfe, Luchse und es gibt einen Baumwipfelpfad. In erster Linie wollen sie aber Wallys Tochter Christina besuchen. Doch zuvor machen sie einen gräßlichen Fund, in einer Baumkrone hängt ein Toter, es ist Anselm, der neue Freund von Christina. Der Ermittlungseifer der drei Hobbydetektivinnen ist geweckt und der persönliche Bezug macht eine Aufklärung erst recht nötig. Durch wen musste Anselm sterben? Es beginnt eine wilde Ermittlungsjagd, bei der sich die drei Damen auch noch selbst in Gefahr bringen.


Dieser Krimi ist der 7. Teil einer Reihe, in der die drei Freundinnen Thekla, Hilde und Wally ihrem Hobby als Detektivinnen nachgehen. Seit ihrer Jugend sind sie befreundet und bilden trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere ein perfektes Team. Jede kennt die Eigenarten der anderen und so ergänzen sie sich perfekt. Hilde ist der Kopf der Truppe, energisch und mit reichlich Mut ausgestattet. Die vernunftbegabte Thekla ist eher nachdenklich und untersucht alles akribisch, während Wally eher zurückhaltend und auf Vorsicht bedacht ist.

Als dieser Todesfall das Lebensglück von Wallys Tochter Christina beschattet, nehmen die drei Damen unverzüglich die Spurensuche auf. Immerhin haben sie mit Kreisbrandrat Ali Schraufstetter einen Ansprechpartner, mit dem sie immer wieder ihre Ermittlungsergebnisse austauschen. Die Handlung besteht hauptsächlich aus der Ermittlung, die wechselseitig aus der Sicht des Trios erzählt wird. Mir hat die Charakterdarstellung bei diesem Krimi am meisten gefallen, hier werden lebensnahe Figuren beschrieben, die Ecken und Kanten und auch ihre besonderen Lebenserfahrungen mit sich tragen.

Der Todesfall fand im Nationalpark Lusen statt, Jutta Mehler baut einige interessante Fakten zu diesem geschützten Waldgebiet in ihr Buch ein, die den regionalen Bezug herstellen und mich an meinen eigenen Besuch erinnert haben. Ihr Erzählstil ist sehr flüssig, mit den Dialogen auch lebendig und zuweilen auch humorvoll angelegt. Das Trio befragt Ranger des Parks, Mitarbeiter und Freunde des Toten. Es gibt Waldbauern, die gar nicht gut auf den Nationalpark zu sprechen sind, sie möchten dem geschützten Borkenkäfer den Garaus machen. Die Spannungskurve liegt auf einem mittleren Niveau, steigt aber zum Ende hin noch einmal rasant an. Der Täterkreis ist eingegrenzt, man kann gut mitraten und ich wurde gut unterhalten. Es gibt einige ausführliche Erklärungen, die für den nichtgeübten Krimileser manche Spuren genauer beschreiben. Das hat mich aber nicht sonderlich gestört, ich mochte das Ermittlungs-Trio und habe mich ein wenig mit ihnen angefreundet.

Dieser Krimi kommt ohne Blutvergießen aus, zeigt regionale Besonderheiten auf, sorgt für gute Unterhaltung und ist somit die geeignete Nachmittagslektüre.

Bewertung vom 07.02.2021
Krausz, Tom

Aves Vögel. Charakterköpfe


ausgezeichnet

Ein großartiger Fotobildband zum Staunen und Entdecken!
Aves, lateinisch für Vögel, sind eine Klasse der Wirbeltiere, deren Vertreter Flügel, Federn und einen Schnabel aufweisen.
Dieser Bildband enthält Schwarz-Weiß-Fotografien von den Porträts einzelner Vögel aus rund 60 Vogelarten. Dabei werden Lebensräume und Umgebung ausgeblendet, es gibt nur den direkten Blickkontakt mit dem einzelnen Indiviuum. So wird der Blick auf die jeweilige Physiognomie des einzelnen Vogels gelegt.

Doch nicht nur die Fotografien begeistern, auch die Texte, die Elke Heidenreich und Urs Heinz Aerni auf humorvolle, ernste und immer der Vogelgattung spezifizierte Weise beisteuern, lassen sich unterhaltsam und lehrreich lesen.

Interessant ist auch ein Essay zur Physiognomie der Vögel von Literaturwissenschaftler Dietmar Schmidt. Zu allen Vogelarten gibt es einen Überblick der biologischen Kurzmerkmale, mit Angaben zum Vorkommen, zur Lebensweise und dem Status auf der Roten-Liste der gefährdeten Arten.

Wir befinden uns Auge in Auge mit verschiedenen Vögeln, alles unterschiedliche Gattungen und individuelle Charakterköpfe, die mit ihrem Blick den Betrachter anvisieren. Was geht dabei wohl in ihnen vor? Jeder einzelne Vogel ist vor den Menschen auf der Hut, ist mit seinem Überlebenskampf beschäftigt und der Mensch zerstört den natürlichen Lebensraum.

Was macht das Verhältnis zwischen Mensch und Vogel aus? Wir betrachten sie, lauschen ihrem Lauten und bestenfalls ihrem Gesang und erleben sie in ihrem Lebensraum, den sich der Mensch immer mehr zu eigen macht. Bei diesen Auge-in-Auge-Porträts scheint es so, als ob die Vögel uns betrachten und man bemerkt ihre individuellen Charakterzüge.

Diese ausdrucksstarken Vogelporträts zeigen die Persönlichkeit jeden Vogels und das ist nicht nur für Hobbyornithologen ein großes Vergnügen. Bei Elke Heidenreichs Texten kann man schmunzeln, sie erwähnt neben allerlei Erbaulichem auch kleine Kurzgedichte. Auch Urs Heinz Aerni weiß einige Anekdoten zum Besten zu geben und so bilden die Texte den passenden Rahmen für die Vorstellung der Vogelgesichter.

Ob exotisch oder einheimisch, hier zeigen Spatz, Meise, Mönchsgeier, Andenkondor, Harpyie, Schuhschnabel und Schleiereule aus nächster Nähe ihre Vogelgesichter und mit scheinbar großer Würde. Sie haben fast menschliche Ausdrücke und wirken neugierig, ängstlich, skeptisch, verletzlich, kämpferisch und bemerkenswert sonderbar. Es sind verletzbare Individuen, die von ihren Lebensräumen abhängig sind. Wir müssen uns ihrer annehmen, um die Arten erhalten.

Auge in Auge mit einzelnen Vögeln, so sieht man sich sonst nie. Ein wunderbarer Fotoband zum Staunen, Freuen, Wundern oder Entdecken. Für Vogelfreunde ein ganz besonders schönes Geschenk!

Bewertung vom 06.02.2021
Simon, Teresa

Glückskinder


ausgezeichnet

Fesselnde, facettenreich erzählte Nachkriegsgeschichte
Der Roman "Glückskinder" von Teresa Simon alias Brigitte Riebe erscheint im Heyne Verlag.

1945 direkt nach Kriegsende begegnen sich Toni und die Niederländerin Griet in München. Toni hat ihr Zuhause verloren und wohnt bei Tante Vev, auf dem Schwarzmarkt beschafft sie notwendige Güter, um ihrer Familie das Überleben zu sichern. Griet hat eine schwere Zeit als Zwangsarbeiterin hinter sich, sie wird von den Amerikanern befreit und bekommt bei Tante Vev ein Zimmer zugewiesen. Anfangs können sich beide nicht leiden, doch dann entsteht so etwas wie Freundschaft.

Griet van Mook war als Zwangsarbeiterin in einem KZ-Außenlager und litt sehr an Hunger und den Drangsalen ihrer Bewacher. Ihr eiserner Überlebenswillen half ihr durch diese schwere Zeit. Immer wieder spricht sie sich mit ihrem Motto Mut zu: "Ich. Bin. Griet. Van. Mook. Ich. Werde. Leben. "

Toni und Griet sind ungefähr gleich alt. Die Wohnung von Tonis Tante wurde vom Bombenhagel verschont, insofern hat Toni Glück, denn sie hat eine Bleibe. Auch Griet empfindet ihre Befreiung durch die Amis und ein eigenes Zimmer als großes Glück, wobei die Zwangszuweisung nicht unbedingt gern gesehen ist. Doch die Bewohnerinnen arrangieren sich und merken bald, jede hat ihre persönlichen Narben auf der Seele. Auch wenn die Nazi-Zeit und der Krieg vorbei sind, gibt es Lebensmittel- und Wohnungsknappheit, die den Menschen zu schaffen machen. Umso schöner sind die kleinen Freuden, wie die durch den Schwarzmarkt ertauschten Waren, eine Nähmaschine oder die Wohttaten der Amerikaner. Es sind Hoffnungsschimmer in dieser schweren Zeit.

Teresa Simon hat ein Händchen für die Charakterisierung ihrer Figuren. Es entstehen lebendige Personen, die sie mit Hoffnungen, Emotionen und Erlebnissen füllt, die anrührend wirken und mich komplett gefesselt haben. Fast hatte ich das Gefühl, selbst dabei zu sein. Ihr einnehmender Erzählstil ist von Anfang bis Ende fesselnd und die Handlung ist sehr abwechslungreich gestaltet. Interessant zu beobachten sind auch die gezeigten Schauplätze wie der Schwarzmarkt in der Möhlstraße und die neu erwachende Musik- und Kulturszene, die die junge Generation mit neuem Lebensmut füllen konnte.

Ganz besonders habe ich die ausführlichen Beschreibungen der Kleidung und die Ernährung der "guten Kost aus mageren Zeiten" verfolgt. Im Anhang gibt es einige abgedruckte Rezepte zu Kartoffelgerichten, Süßspeisen und Geflügelgerichten, die zeigen, wie die Not erfinderisch machte.

Sehr deutlich zeigt dieser Roman auf, wie grausam diese Zeit die Menschen mit Entbehrung und Sorgen peinigte. Trotzdem ließen sich Toni und Griet nicht unterkriegen und haben ihr Schicksal selbst in die Hand genommen und ihr Leben mit Mut und Tatkraft in eine hoffnungsvolle Zukunft gelenkt.


"Glückskinder" fesselt mit einer emotionalen Geschichte über den täglichen Überlebenskampf der Menschen in der Nachkriegszeit. Es ist ein zutiefst ergreifendes Buch, das bis zur letzten Seite fesselt.

Bewertung vom 04.02.2021
Miyashita, Natsu

Der Klang der Wälder


weniger gut

Als Tomura den begabten Klavierstimmers Itadori-san bei seiner Arbeit erlebt, ist er völlig begeistert. Die Töne entwickeln sich bei ihm zu Bildern und die Töne versetzten ihn in die rauschenden Wälder seiner Kindheit. Von da an steht sein Wunsch fest, ebenfalls Klavierstimmer zu werden. Er erlernt den Beruf, hadert aber ständig mit seinen Fähigkeiten und möchte den perfekten Klang erzeugen. Als er die Zwillinge Yuni und Kazune trifft, ist er von Kazunes Klavierspiel hingerissen und möchte für sie den perfekten Klang am Klavier erzeugen.

"Der Weg ist voller Fallstricke. Und so lang, dass kein Ende abzusehen ist. Am Anfang steht die Absicht. Und ebenso am Ende. Dazwischen gilt es, sich zu bemühen, sich anzustrengen, zu beharren." Zitat Seite 190

Dieser Roman lässt uns in das Leben des Japaners Tomura blicken. Wir erleben einen jungen Mann, der sein Berufsziel Klavierstimmer als Passion ausübt. Und er ist fast fanatisch bemüht, den perfekten Klang aus den Instrumenten herauszuholen, damit setzt er sich auch ständig unter Druck und bekommt Selbstzweifel. Perfektionismus ist in der japanischen Gesellschaft ein erstrebsames Ziel.

Tomuras Gefühlsleben schlägt einzig für die Klänge des Klaviers. Seine Zuneigung zu Kazune entwickelt sich erst allmählich durch ihr wunderbares Klavierspiel.

"Die wild ausschlagende Nadel meines inneren Kompasses hatte sich endlich ausgerichtet und stand still. ...zeigte sie und unmissverständlich in eine einzige Richtung: Kazune Zukunft." Zitat S. 191

Von echten Gefühlen ist hier aber nie die Rede. Die Mentalität der Japaner ist in Liebesfragen eher unromantisch und fast schon pragmatisch, das sollte man wissen, wenn man sich dieser Lektüre widmet. Damit hat mir aber auch schon etwas entscheidendes gefehlt, die ellenlangen Beschreibungen von Tonänderungen finde ich auf Dauer langweilig. Auch wenn ich kein Klavier spiele, liebe ich die Musik dieses Instruments. Doch es ist für mich keine Lesefreude, wie hier Tonfolgen und Klangveränderungen ausführlich beschrieben werden.

"...beim c-moll.Akkord (C-es-G), wo das ursprüngliche E um einen Halbtonschritt in >es< vermindert ist, ..." Zitat S. 195

Sprachlich kann man dem Buch bis auf die erwähnten musikalischen Ergüsse gut folgen. Es ist ein spezieller Tonfall, sehr japanisch und mit den Schilderungen der Geräusche oder der Stimmung der Wälder auch sehr blumig und interessant. Das mag ich sehr, doch die ganze Story konnte mich nicht erreichen. Wenn man der disziplinierten Art Tomuras folgt, erlebt man auch Erinnerungen an seine dörfliche Kindheit, doch die verebben auch schnell wieder und ich wurde mit ihm einfach nicht warm. Genauso haben mich die anderen Figuren nicht erreichen können, sie haben alle ihre Geheimnisse, doch sympathische Züge fehlten mir bei allen Personen.

Wer einen Traum verfolgt, sollte genügend Enthusiasmus und Begeisterung mitbringen, damit auch die schwierigen Phasen überwunden werden können.

Die Thematik der Klavierstimmerei hat mich leider nicht genug packen können, um der Geschichte gespannt zu folgen. Ganz im Gegenteil, es war auf Dauer ermüdend und ich hätte mir auch ein anderes Ende gewünscht.

Die Informationen über Natur in Japan und die Liebe zur Musik haben nicht ausgereicht, um dieses Buch begeistert zu lesen.

Bewertung vom 31.01.2021
Lelord, François

Die kleine Souvenirverkäuferin


gut

Hanoi in den 90er Jahren: Der Franzose Julien arbeitet als Arzt in dem vom Bürgerkrieg gebeutelten Land. Da bricht eine Epidemie aus und Julien reist trotz aller Verbote in die Krisenregion. Min Thi (Herbstlicht), eine Souvenirverkäuferin, die Julien täglich getroffen hat, wird von den Behörden verhaftet, weil sie Kontakt zu ihm, einem Ausländer hatte. Dabei braucht ihre Familie ihren Verdienst zum Überleben.

Lelord entführt uns in seiner Geschichte in das Vietnam der 90er Jahre, als das Land noch kommunistisch regiert wurde. Er erzählt eine Liebesgeschichte, die sich vor einer drohenden Epidemie zwischen dem Arzt Julien und der jungen Vietnamesin Min Thi entwickelt. Eine Liebe, die nicht sein darf und damit für viele Überlegungen Julians im Buch sorgt. Julien ist ein einfühlsamer und umsichtiger Arzt, aber trotzdem kein Charakter, der mir richtig sympathisch wurde. Seine Liebe zu Herbstlicht ist gegen alle geltenden Konventionen und das ist auch Julien klar. Kann man sich verlieben, wenn einen Welten trennen? Es zeigen sich im Verlauf der Geschichte die Probleme, die daraus entstehen.

In diesem Roman lernt man die Lebens- und Denkweise der Menschen in Hanoi näher kennen und erfährt auch einiges über die Geschichte und die Geflogenheiten Vietnams. Die Charaktere werden nicht so intensiv gezeichnet, dass ich sie zu kennen meine. Vielleicht konnte ich deshalb nicht mit ihnen fühlen. Sie blieben mir merkwürdig fremd und auch die Geschichte konnte mich nicht richtig packen. Es gibt einige politische Verstrickungen, die den Ausbruch des Virus verheimlichen wollen. Hier den Durchblick zu behalten zwischen den vielen Personen wie Polizisten, Botschaftern und anderen Behördenmitarbeitern, war mir nicht möglich. Die Vertuschung einer Epidemie ist gerade jetzt eine Idee, bei der mir nicht wohl ist. Dabei wirkt der Roman durch den wunderbaren Schreibstil so einfühlsam und ist angenehm zu lesen. Ich bin gerne eingetaucht und muss sagen, es fehlte mir etwas mehr Eindeutigkeit, mehr sichtbare Gefühle und das besondere I-Tüpfelchen, was nach der Lektüre im Gedächtnis haften bleibt.

Das ist eine zwar wunderschön und leise erzählte Geschichte, die mit vielen Aspekten der fremden Kultur und Denkweise unterhält, aber doch nicht so interessant ist, dass sie im Gedächtnis haften bleibt.

Bewertung vom 30.01.2021
Klee , Julia

Von riesengroß bis klitzeklein


sehr gut

Ein wunderbares Bilderbuch mit Zoom-Effekt über Größenverhältnisse und Umweltschutz
Eine Geschichte mit überraschenden Effekten und dem Blick auf die Welt aus neuer Perspektive. Wenn man Dinge durch die Kamera betrachtet, kann man etwas ganz nah heran oder weiter weg zoomen. Diese Perspektive ermöglicht den Blick vom kleinen Wiesenblümchen bis ins Weltall.

"Die Kleinsten sind manchmal die Größten." Zitat Seite 46

Auf der Welt gibt es viele kleine Dinge, die für ein großes Ganzes wichtig sind. Schon das kleinste Blümchen und die kleinen Insekten sind für die Erde lebenswichtig. Das zeigt dieses Buch sehr eindeutig mit einem originellen Zoom-Effekt.

Es gibt eine Menge zu entdecken, angefangen von der Wiesenblume werden die einzelnen Motive vom Blickwinkel verändert und verwandeln sich damit zu kleinen Teilen eines größeren Bildes. Der Zoom verändert die Perspektive, die ersten Bilder werden immer kleiner und verlieren sich nachher im Großen. So wie wir alle kleine Teile des Ganzen sind, Teile der Erde.

Die einzelnen Bilder werden zu einer stimmigen Geschichte verknüpft, es beginnt bei der kleinen Blume und lässt am Ende den Blick wieder auf die Blumenwiese schweifen. Wunderschön durchdacht und ausgeführt, aber vielleicht hätte der Text etwas mehr Erklärung beeinhalten können. Ab 5 Jahren kann man das Kindern durchaus zumuten. Inhaltlich passender wäre der Titel "Von klein bis groß" gewesen, denn so verläuft der Blickwinkel im Buch.

Es ist ein echter Bilderbuch-Genuss zum Anschauen durch die wunderbaren farbintensiven Bilder. Der wenige Text greift die Themen Natur und Umweltschutz auf und verdeutlicht dem Betrachter, wie wichtig kleine Dinge für das große Ganze sind. Durch die ausdrucksstarken Bilder werden Kinder neugierig gemacht und auch für die Umwelt sensibilisiert. Dieses Buch ist geeignet für Kindergartenkinder, denn von klein auf sollte man wissen wie wichtig die Natur und eine gesunde Umwelt für uns alle ist. Hier bekommen sie lehrreiche Hinweise zur Umweltverschmutzung, aber auch zu Fridays for Future, die sie in anschaulicher Weise gedanklich verarbeiten können. Die Illustrationen sind bezaubernd und die veränderte Perspektive sorgt erst für die entscheidende Wirkung.

Einfach ein wunderbares Bilderbuch über die wichtigen Kleinen und den Umweltschutz, auch für die Großen.