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Insgesamt 185 Bewertungen
Bewertung vom 28.10.2020
Kolakowski, Nick

Love & Bullets


sehr gut

Temporeicher Thriller

„Love & Bullets“ ist eine wunderbar skurrile Gangsterballade, die teils von einem Killer erzählt wird (dabei mag er den Titel nicht, auch lässt er sich nicht gern als „hitman“ bezeichnen.) Die Kapitel sind kurz, es geht Schlag auf Schlag, die Erzählung zeichnet sich durch einigermaßen cineastische Elemente aus, was sicher gewollt ist, man kann gar nicht anders, als an das Medium Film zu denken, auch wenn der Killer kräftige Seitenhiebe gegen die Ästhetik der Tarantino – Filme verteilt.
Kurz zum Inhalt:
Der Lebemann Bill und seine Freundin Fiona sind auf der Flucht, das Gangsterpärchen hat sich mit den falschen Leuten angelegt. Ein Gangstersyndikat will sein Geld zurück, und so führt die Reise das Paar nicht nur in die amerikanische Provinz, sondern auch in die Karibik. Fiona hat definitiv die Hosen an, die klassische Rollenverteilung spielt keine große Rolle. Ist das in dem Genre nun unkonventionell oder konventionell?
Bonnie und Clyde auf der Flucht, der Dandy, der eigentlich ein Verbrecher ist, das hat man schon gelesen, vornehm geht die Welt zugrunde, das kennt man alles schon.
Der Roman „Love &Bullets“ ist ein literarisches Roadmovie, daher enthält die Geschichte Elemente einer road novel, dies muss man als Leser/in mögen. Man wird natürlich beim Lesen ein gewisses Déjà-Vu haben, wenn man schon viele Romane aus dem Genre gelesen hat. Mich stört so etwas jedoch nicht.
Ich fühlte mich gut unterhalten, auch wenn „Love & Bullets“ stellenweise recht brutal ist, der Roman ist sicher nicht für Zartbesaitete geeignet. Ich denke, dass der spannende
Thriller im englischen Original noch besser wirkt, auch wenn ich an der deutschen Übersetzung nicht wirklich etwas auszusetzen habe.
Über den eigentlichen Handlungsverlauf will ich an dieser Stelle nicht viel verraten, um nicht zu spoilern, aber ich kann sagen, dass der Humor nicht zu kurz kommt, manche Passagen sind so überzeichnet, dass man sie nur für selbstironische Kommentare halten kann, ich bin mir jedoch nicht sicher, ob das Ganze letztendlich eine Persiflage sein soll oder nicht.
Nick Kolakowski erfindet mit „Love & Bullets“ das Rad nicht neu, aber er präsentiert ein rasantes Actionfeuerwerk, das Spass macht, wenn man sich darauf einlässt.

Bewertung vom 30.07.2020
Jennings, Amanda

Ich will dein Leben


weniger gut

Cornwall, 1986: Als die sechzehnjährige Tamsyn Freundschaft mit Edie Davenport schließt, ist sie selig vor Glück. Das Feriendomizil der Londoner Familie Davenport ist ein Haus auf den Klippen. Dieses Haus ist der Ort, an welchem die traumatisierte Außenseiterin Tamsyn als Kind ungetrübtes Glück erlebte. Das Haus und den Swimmingpool verbindet Tamsyn mit ihrem Vater. Seit dem Tod des Familienoberhaupts hat Tams Familie nicht nur emotional, sondern auch finanziell zu kämpfen. Die 1980er Jahre waren für strukturschwache Gegenden wie Cornwall oder Wales eine Zeit des wirtschaftlichen Abschwungs. Minen wurden geschlossen, die Arbeitslosigkeit schoss in die Höhe, insbesondere Arbeiterfamilien hatten zu kämpfen. Tamsyns Mutter Angie putzt bei den Davenports, Tam jobbt im Dorfladen, ihr Bruder Jago ist arbeitslos, der Großvater, ein ehemaliger Minenarbeiter, ist auf Sauerstoff angewiesen. Die Wohnverhältnisse sind mehr als beengt. Das Luxusleben der Davenports fasziniert Tamsyn. Die Davenports sind leider das wandelnde Klischee – Edie leidet unter der Wohlstandsverwahrlosung, ihre Mutter Eleanor ist ein süchtiges Ex-Model, der Vater ein reicher Schürzenjäger. Diese Konstellation gibt es schon lange, und sehr viel besser ist sie von Edward St. Aubyn beschrieben worden. Der Autorin Jennings gelingt es nicht, Figuren mit Tiefe zu präsentieren, und sie flicht Elemente ein, die bedrohlich wirken sollen: Leitmotivisch tauchen immer wieder Raben auf, aber leider fehlt es dem Roman einfach an Raffinesse, die Symbolik (der Swimmingpool als pars pro toto) wirkt irgendwie plump und platt, richtig geärgert habe ich mich über die „Küchenpsychologie“ und über den letzten Satz des Romans. gelungen fand ich eigentlich nur den sozialkritischen Mittelteil des Buches. Insgesamt ist der Roman aber weder Fisch noch Fleisch: Das pacing ist für einen Thriller zu gemächlich, für einen psychologischen Spannungsroman ist das Ganze zu flach, auch wenn die wechselnden Erzählperspektiven und die Zeitsprünge durchaus interessant sind. Ich hätte mir auch mehr 80-Jahre- Flair gewünscht und musste mich doch mit Schulterpolstern, Telefonzellen und Mixtapes begnügen. Das letzte Drittel des Buches ist zwar rasant erzählt, aber auch überfrachtet mit Drama, da die Autorin noch irgendwie die Kurve kriegen muss. „Die Trauer hat mich kaputtgemacht“, sagt Tamsyn. Die Autorin baut rund um diese traurige Aussage einen langatmigen plot. Im Prinzip handelt der Roman von einem mehrfach traumatisierten Kind, das Böses tut.
Fazit: Der englische Originaltitel „The Cliff House“ passt viel besser zur Geschichte als der deutsche Titel.
Für mich war „Ich will dein Leben“ leider eine Enttäuschung. Der Roman ist kein Spannungskracher und auch kein psychologisches Drama mit Tiefgang; über manche Elemente habe ich mich richtig geärgert. Daher kann ich leider keine Leseempfehlung aussprechen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.04.2020
Thesenfitz, Claudia

Sylt oder Sahne (eBook, ePUB)


gut

Als ein Schaffner die Hamburgerin Nele für schwanger hält, wird klar: Sie muss dringend abnehmen! Ihr Leben besteht seit einer Trennung nur aus Arbeit und Fernsehabenden. Kurzerhand meldet sie sich für eine Fastenkur in der „Seemöwe“ auf Sylt an. Berliner Hipster führen ein in vielerlei Hinsicht strenges Regiment. Ich fand den Kommentar der Autorin zum Zeitgeist einfach köstlich und sehr treffend. Ein gesunder Lebensstil wird zur Ersatzreligion (was nicht heißen soll, dass ein ökobewusstes Leben abgelehnt wird, ganz im Gegenteil).
Claudia Thesenfitz‘ Stil ist simpel, die Witze waren mir stellenweise fast ein wenig zu derb, und ich empfand die Schleichwerbung im Buch als störend.
Großartig waren aber die Beschreibungen zum Thema Kochen und Genießen. Sie waren wunderbar sinnlich und sehr appetitanregend. Nele ist eine sympathische Protagonistin mit Ecken und Kanten, und nach der Lektüre des Buches bekommt man direkt Lust, nach Sylt zu reisen. Insofern ist das Buch der perfekte Lesestoff für den Strandkorb. Es gibt meines Erachtens keine Längen in der Erzählung, und der Roman lässt sich prima „weglesen“. Einige Aussagen im Roman sind aber leider schon veraltet. So wird die Rubensfigur der britischen Sängerin Adele gelobt und das hohe Alter von Kirk Douglas erwähnt.
Adele ist mittlerweile aber gertenschlank und Kirk Douglas bereits verstorben.
Unverkrampft und ohne verbissenes Predigen wird aufgezeigt, dass eine Diät sinnvoll sein kann. Viel wichtiger ist jedoch die Selbstakzeptanz, dann klappt’s auch mit der Liebe. Der zweite Teil des Romans gefiel mir besonders gut, auch wenn der Zufall seine Finger im Spiel hat. Es wird betont, dass Neles Mut und ihr Wille zur Gesundheit ursächlich ist, letztendlich kann sie aber durch eine glückliche Fügung ihr Leben komplett umkrempeln, sowas gibt es eigentlich nur im Märchen. Aber es tut trotzdem gut, so etwas zu lesen. Die Figuren sind ein wenig überzeichnet und trotzdem mitten aus dem Leben gegriffen, dies fand ich sehr amüsant. Es macht Spaß, Nele zu begleiten und am Ende kann man nicht anders, als sich mit ihr und für sie zu freuen!

Fazit:

Ich fühlte mich gut unterhalten!

Perfekt für Zwischendurch, man sollte jedoch keine hohen Erwartungen haben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.04.2020
Reid, Penny

Love factually / Knitting in the City Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Für Janie kommt es knüppeldick – ihr Freund hat sie betrogen, sie verliert ihre Wohnung, und dann wird sie zu allem Überfluss auch noch gefeuert. Ihr einziger Trost ist, dass ihr der gutaussehende Wachmann Quinn ihr beim Ausräumen ihres Büros hilft. Janie kommt bei ihrer besten Freundin Elizabeth unter und zum Glück gibt es auch noch ihren Strickkreis…

„Love factually“ ist der erste Band einer Reihe. Der Anfang des Romans hat mich begeistert, er war witzig und temporeich. Leider nimmt die Autorin nach circa fünf Kapiteln einen Richtungswechsel vor, und das Ganze wird eine recht klischeehafte Geschichte. Quinn ist nicht nur gutaussehend, sondern auch schrecklich reich! Leider wird er aber nicht näher charakterisiert. Er hat einen tollen Körper, schöne Augen und neigt zum Stoizismus. Alle Figuren bleiben flach und die Charakterisierung ist nicht stimmig – Janie ist ein Mathematikass, hat ihren Uniabschluss „summa cum laude“ gemacht und verhält sich doch irrational und stellenweise auch idiotisch und ahnungslos (die Autorin behauptet, emotionaler Stress sei der Auslöser, aber es ist nicht glaubwürdig, da die Protagonistin sich auch in stresslosen Situationen schlicht dumm verhält) . Ihr „undichter Speicher trivialer Fakten“ wurde schnell ermüdend. Mir ist klar, dass Penny Reid einen liebenswerten Nerd erschaffen wollte, aber die Figur Janie ist nicht glaubwürdig. Einerseits ist sie eine große Frau mit Kurven an den richtigen Stellen, andererseits eine graue Maus. Was denn nun?

Im Verlauf der Geschichte widerspricht sich die Autorin. Außerdem trägt sie viel zu dick auf, die Erzählung ist viel zu überladen. Ich erwarte von einem Liebesroman keinen Mann’schen Tiefgang, aber er sollte schon einer internen Logik folgen.

Janie hat ein Kindheitstrauma und kriminelle Schwestern, Quinn leidet unter dem Tod seines Bruders.

Außerdem gibt es noch einen redundanten Handlungsstrang, in welchem Kriminelle ihr Unwesen treiben, Quinn hat eine dubiose Vergangenheit, und überhaupt – „die Bösen“!( Um es mit Janies Worten zu sagen). Vieles kommt viel zu konstruiert daher, positiv ist aber, dass es keine Längen in der story gibt.

Über manche Formulierungen – oder die Übersetzung – wunderte ich mich: eine rotblonde, zerzauste Lockenmähne ist kein „Afro“. Außerdem „galoppierte“ Janies „Herz“ für meinen Geschmack zu oft. Der Roman konnte leider nicht halten, was die Exposition versprach.

Bewertung vom 08.04.2020
Healey, Jane

Die stummen Wächter von Lockwood Manor


sehr gut

„[…] Unter ihren dunklen Augen lagen müde Ringe, die das leichte Puder, das sie verwendete, kaum verdeckte, ihre Wangen waren mit Sommersprossen übersät, ihr Kinn war eckig und ihr roter Lippenstift makellos aufgetragen. Sie gehörte zu jenen schönen Frauen, die jeder Makel noch schöner macht – eine kleine Narbe an ihrem Kinn, das linke Ohr bog sich um eine Winzigkeit weiter nach außen als das rechte –, und aus irgendeinem Grund überraschte es mich, ausgerechnet jemanden wie sie in dieser gesetzten Umgebung anzutreffen, aber da man ja nie wusste, wem man an welchem Tag zum ersten Mal begegnet, verstand ich nicht recht, weshalb sie mich derart aus dem Konzept brachte...“



Im Jahr 1939 muss die dreißigjährige Kuratorin Hetty Cartwright eine Sammlung des Londoner Natural History Museum retten. Der Zweite Weltkrieg wirft seinen Schatten voraus. Die Exponate werden in ein verfallenes Herrenhaus gebracht, nach Lockwood Manor. (Es muss nicht immer die „Kinderlandverschickung“ sein, wenn Geschichten aus den 1940er Jahren erzählt werden!). Dort führt ein Witwer ein eisernes Regiment. Mit Lord Lockwood ist nicht zu spaßen; besonders seine sensible Tochter Lucy leidet unter seiner Tyrannei. Auf Lockwood Manor ticken die Uhren anders als in der modernen britischen Metropole, wie Hetty verblüfft feststellen muss.

Als die ausgestopften Tiere scheinbar nachts umherwandern und sogar zerstört werden, steht fest – es gibt Geheimnisse, die es zu ergründen gilt…

Jane Healeys Debutroman steht in der Tradition des englischen Schauerromans, außerdem präsentiert Healey eine Geschichte mit feministischem Unterton. Hetty und Lucy könnten unterschiedlicher nicht sein – die eine ist eine resolute Person, die sich in einer Männerdomäne durchsetzen muss, die andere eine überaus ängstliche junge Frau; die Gegensätzlichkeit der Figuren fand ich spannend. Überhaupt muss man sagen, dass die Figuren für das Geschehen wichtiger sind als der plot, einen Roman, in welchem die Handlung dominiert, sollte man also nicht erwarten. Die Grundidee von „Die stummen Wächter von Lockwood Manor“ gefiel mir sehr gut, der Anfang war spannend und das Ende einigermaßen überraschend. Obwohl es Längen und Wiederholungen in der Erzählung gab, habe ich die Lektüre nicht bereut, da ich in eine längst vergangene Zeit „abtauchen“ konnte.



Fazit:

Ich – Erzählerinnen führen durch das Geschehen, der bildhafte Stil der Autorin gefiel mir sehr gut. „Die stummen Wächter von Lockwood Manor“ hat mich trotz kleiner Schwächen gut unterhalten!

Bewertung vom 25.10.2019
Buchholz, Simone

Hotel Cartagena / Chas Riley Bd.9


ausgezeichnet

"Hotel Cartagena“ ist der neunte Band aus der Krimireihe rund um die Staatsanwältin Chas Riley. Kolumbien vs. Norddeutschland, es gibt zwei Handlungsstränge, und doch findet der Showdown wieder im guten alten Hamburg statt. Buchholz‘ Romane sind sowieso eine Liebeserklärung an die Hansestadt.
Henning Garbarek ist ein Junge aus ärmlichen Verhältnissen, der in den achtziger Jahren sein Glück in Kolumbien sucht. Narcos, Breaking Bad, Miami Vice, Stirb langsam, La Casa de Papel (ich frage mich, ob die jüngeren Leser die Anspielungen auf popkulturelle Phänomene der Eighties im Roman überhaupt verstehen?). Es kommt, wie es kommen muss, der Hamburger mischt im aufkommenden Drogengeschäft mit und stellt für die Kolumbianer die „Brücke“ nach Europa her. Doch dies geht nicht lange gut.
Jahre später sinnt Garbarek auf Rache, und es trifft ausgerechnet Riley und Co, als ihr Ersatzvater und Mentor „Faller“ seinen 65. Geburtstag in einem Nobelhotel feiert.
Buchholz‘ Krimireihe ist „richtige“ Literatur für mich, denn ich „reibe“ mich am Inhalt, ich ärgere und ich freue mich über das Geschriebene. Die kurzen, knappen Kapitel finde ich spitze, ebenso die Sprache, die lakonisch und fast schnodderig ist. Manchmal muss ich auch an angloamerikanische Literaten (Frauen eingeschlossen) denken, denn wie Buchholz schreibt in Deutschland niemand. Stream of Consciousness, innere Monologe – das kann die Autorin gut, das Gedankenkarussell von Chastity Riley hat mich wieder mit dem Krimi versöhnt (ich glaube aber nicht, dass Reihenneulinge verstehen werden, dass Carla vergewaltigt wurde).
Den Anfang von „Hotel Cartagena“ fand ich recht zäh, und Buchholz muss aufpassen, dass ihre Figuren nicht zu Karikaturen und Comicfiguren werden, weil sie alle so saucool sind, wie es im wahren Leben wenige Leute sind. Viele männliche Figuren sind der Staatsanwältin mit Bindungsphobie regelrecht verfallen, weniger wäre da mehr, es hat fast schon etwas von Bella Swan in „Twilight“. Auch habe ich mich zunächst über etwas geärgert, das zunächst wie Salonkommunismus wirkt: Da werden Frauen geliebt, die „die Faust recken“, die gut situierte Riley ärgert sich über den „Kapitalismus“.
Im Verlauf des Romans wird aber eine profunde Sozialkritik mit Hand und Fuß entwickelt. Damit kann ich leben, und ich finde es wichtig, dass Literatur nicht nur schöngeistig ist. Nach einer etwas zähen Exposition nimmt die Erzählung dann richtig Fahrt auf, es kommt zum großen Showdown, die Bilder und Metaphern sind großartig, „zwei (…)Erzengel“ bewachen während einer Geiselnahme die halluzinierende (Blutvergiftung!) Chastity, die sich auch in dieser Ausnahmesituation nicht unbedingt keusch verhält. Damit komme ich zu einem weiteren Kritikpunkt. Natürlich sind Polizisten geschult in Sachen Extremfälle, aber dass quasi niemand während der Geiselnahme in Panik geriet, auch Rocco & Carla & Klatsche nicht, fand ich unglaubwürdig. Das Ende des Romans war aber wieder großes Kino: Riley auf den Spuren ihrer Vorfahren in Schottland.

Fazit:
Diversität ist in der Krimireihe rund um die Halbamerikanerin Riley kein bloßes Schlagwort. Multikulturalismus ist etwas Selbstverständliches, so selbstverständlich, dass er nicht an die große Glocke gehängt wird und daher nie forciert wirkt. Stil und Sprache – große Kunst. Es ist nicht einfach, in wenigen Worten Dinge auf den Punkt zu bringen. Obwohl ich mich zu Beginn der Lektüre zum Weiterlesen zwingen musste, konnte ich den Krimi bald nicht mehr beiseitelegen. Trotz aller Kritikpunkte vergebe ich für „Hotel Cartagena“ daher die volle Punktzahl, und ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Fall!

Bewertung vom 20.10.2018
Byrne, Kerrigan

Mein schwarzes Herz / Victorian Rebels Bd.1


gut

„Victorian Rebels – Mein schwarzes Herz“ ist der Auftakt zu einer Reihe von historischen Liebesromanen.

Das Genre mag ich eigentlich ganz gern, Ähnliches kennt man von Sylvia Day oder Diana Gabaldon.
An diesem Roman hat mich vor allem die Einbettung ins historische England bzw. Schottland fasziniert.

Worum geht’s ?

- Im Waisenhaus versprechen sich Dougan und Farah, einander immer zu lieben. Sie „heiraten“. Die Schilderung dieser Heirat ist voller Pathos.

Als Erwachsene treffen sich die beiden wieder, aber ihre Leben hätten nicht unterschiedlicher verlaufen können –Farah ist inzwischen als Sekretärin bei Scotland Yard in London angestellt, während aus dem Jungen ein grimmiger Mann geworden ist, ein wahrer Schurke. Er entführt Sarah sogar nach Schottland und behauptet, es sei nur zu ihrem Besten …


Eigentlich bietet die Erzählung alles, was ein unterhaltsamer Liebesroman haben muss: ein tolles setting, große Gefühle, Lust und Leidenschaft, geheimnisvolle Figuren und Gefahr!
Die Figuren hätten für meinen Geschmack aber etwas „runder“ sein dürfen, und für mich war auch die Geschichte nicht unvorhersehbar. Der Stil der Autorin war für mich teilweise auch etwas zu melodramatisch; außerdem hätte die Erzählung stellenweise eine Straffung gut vertragen können .
Beim Lesen musste ich manchmal an Emily Brontes „Wuthering Heights“ denken, wobei „Victorian Rebels – mein schwarzes Herz“ nicht ganz so geschliffen erzählt wird.


Fazit:

Bei „Victorian Rebels – mein schwarzes
Herz“ handelt es sich um einen Debutroman, was die kleinen stilistischen Schwächen erklären könnte.
Die Ausarbeitung der tollen Grundidee hätte für meinen Geschmack etwas eleganter sein dürfen. Gut gefallen hat mir aber das setting und die Tatsache, dass es sich um einen historischen Roman (1874) handelt.

Meine Erwartungen wurden leider nicht ganz erfüllt, daher vergebe ich für „Victorian Rebels – mein schwarzes Herz“ von Kerrigan Byrne drei von insgesamt fünf möglichen Sternen. Ich bin gespannt auf die Folgebände.

Bewertung vom 17.10.2018
Byrne, Kerrigan

Ein Herz voll dunkler Schatten / Victorian Rebels Bd.2


gut

Der Auftaktband der Reihe „Victorian Rebels“ konnte mich leider nicht ganz überzeugen. Daher wollte ich diesen Folgeband unbedingt lesen. Den zweiten Teil der Reihe fand ich insgesamt spannender, und der Protagonist Christoper Argent konnte gleich zu Beginn mein Interesse wecken.
Worum geht’s ?
Genretechnisch handelt es sich hier um einen Roman, der der Historical Romance Sparte zugeordnet werden kann, was man auch an der Nackenbeißer – Ästhetik der englischen Originalbände sehr schön sehen kann. Im Prinzip gefiel mir die Einbettung ins historische London gut, aber die Autorin machte Dinge, die mich während der Lektüre schnell wieder ins 21. Jahrhundert katapultierten, leider. So hat etwa die Schauspielerin Millie eine „Stylistin“, dieser Terminus ist für die beschriebene Zeit sicher zu modern.
Millie le Cour ist eine polnischstämmige Schauspielerin, die vom Auftragskiller Argent ermordet werden soll. Als er die schöne Mimin erblickt, kann er sie jedoch nicht töten, da er sich auf den ersten Blick in die junge Mutter verguckt. Das ungleiche Paar verliebt sich ineinander, und Christopher tut alles, um den Sohn seiner Angebeteten zu beschützen. Doch die Morde in London hören nicht auf, wer trachtet Millie und ihrem Sohn Jakub nach dem Leben ?

Die Autorin hat wirklich gute Ideen, es gibt neben der Liebesgeschichte auch noch eine Krimihandlung und das Theater – setting ist ein zusätzliches Bonbon. Leider musste ich, obwohl ich durchweg bereit war, der Autorin noch eine Chance zu geben, feststellen, dass sie einfach sehr schnell an ihre erzählerischen Grenzen stößt. Die Figuren sind nicht gut genug ausgearbeitet, aus ihrem Stoff hätte Byrne viel mehr machen können. Tortured hero, wunderschöne, resolute Aktrice. Vor allem Christopher hätte mit mehr Tiefe richtig spannend sein können, leider verhält er sich unlogisch, wobei mir schon klar ist, dass die Autorin versucht hat, eine Entwicklung der Figur zu zeigen, aber es gelingt ihr aufgrund ihrer mangelnden Fähigkeiten nicht, eine glaubwürdige Transformation zu zeigen. Sie trägt einfach immer zu dick auf, immer, wenn ich den Hauch von Rührung verspürte, artete alles in Kitsch aus. Byrne findet leider nicht das richtige Maß, es fallen Sätze voller Pathos und die Schriftstellerin tut sich schwer damit, auf den Punkt zu kommen. Argent ist der Angestellte von Dorian Blackwell, einem Gangsterboss von dem es heißt: „Blackwell verehrte allein die Hand seiner Frau mit mehr Inbrunst als ein Fanatiker seinen Gott.“
Paradoxerweise ist die story aber sehr spannend, ich wollte immer wissen, wie die Geschichte endet, und den kleinen plot twist am Ende fand ich nicht einmal schlecht, und ich musste auch einmal schmunzeln. Es gibt nicht viele Liebesszenen in der Erzählung, dafür aber Details, die mir ausgelutscht oder unnötig erschienen, etwa einen distinguierten Butler und einen nekrophilen (!) hitman, der mit Argent konkurriert.


Fazit:

Schade ! Aus dem großartigen Stoff hätte Kerrigan Byrne viel mehr machen können. Leider stößt sie erzähltechnisch schnell an ihre Grenzen.

Bewertung vom 12.09.2017
Moriarty, Liane

Tausend kleine Lügen


ausgezeichnet

„Tausend kleine Lügen“ von Liane Moriarty hat mich super unterhalten. Ein hintergründiger Roman, mit einem tollen plot und fein gezeichneten Figuren. Die Handlung ist temporeich und es mangelt nicht an Wendungen. Handwerklich also top gemacht. Stil und Sprache konnten mich also überzeugen.

Doch wovon handelt die Geschichte?

- Jane ist ein Neuzugang im pittoresken Küstenstädtchen Pirriwee, Australien. Im Schlepptau: Ihr Sohn Ziggy. Eigentlich tut Jane alles, um endlich die Schatten der Vergangenheit hinter sich zu lassen.

- Pirriwee scheint eine gute Wahl gewesen zu sein, denn Jane gelingt es, sich zu integrieren, und sie findet in Madeline und Celeste neue Freundinnen. Doch das Idyll trügt: Bei einem Schulfest kommt ein Mann zu Tode, und nicht alle glauben, dass es wirklich ein Unfall war.

- Nichts ist, wie es scheint. Ränkespiele,
Unwahrheiten und dunkle Geheimnisse legen sich wie Schatten auf das Leben der Freundinnen. Janes Sohn Ziggy wird bezichtigt, andere Schüler zu triezen, und damit nimmt das Drama seinen Lauf…

Moriarty präsentiert mit „Tausend kleine Lügen“ einen Roman, der das Absurde im Alltäglichen porträtiert. Die Autorin arbeitet mit Übertreibungen und Überspitzungen, blickt hinter die gutbürgerliche Fassade ihrer Figuren. Abgründe tun sich auf, das Leben in der Küstenstadt hat auch seine Schattenseiten. Das Ganze regte mich zum Nachdenken an, aber es war zum Glück nie deprimierend. Vielleicht ist der Roman auch ein Kommentar zum Zeitgeist. Auf den ersten Blick wirken die Protagonistinnen wie Typen, aber es verbirgt sich mehr hinter der Fassade. Madeline nimmt kein Blatt vor den Mund, sie tritt für ihre Überzeugungen ein. Celeste ist wunderschön, sie hat sich einen scheinbar tollen Mann geangelt. Viele in der Stadt beneiden sie heimlich. Die alleinerziehende Jane ist zurückhaltend und ruhig.
Die drei Frauen sind ganz unterschiedlich.

Schlachtfeld Kleinstadt: Moriarty hat ihren Roman klug geplottet und sie konnte mich mit ihrer story fesseln.
Schwarzhumorig, böse und vor allem überraschend: Das ist „Tausend kleine Lügen“.
Kein Wunder, dass der amerikanische Sender HBO bereits eine Serienfassung produziert hat, mit Nicole Kidman, Reese Witherspoon und Shailene Woodley in den Hauptrollen.

Die literarische Vorlage ist einfach zu gut!

Bewertung vom 28.03.2017
Würger, Takis

Der Club


ausgezeichnet

Das Hörbuch zum Roman „Der Club“ hat mich richtig begeistert.
Für die gelungene Hörbuchfassung vom „Club“ vergebe ich volle 5 Sterne, für die eigentliche Geschichte jedoch nur 4 – 4, 5 Sterne.

Takis Würger ist mit seinem Debut auf Nummer Sicher gegangen. Vielleser werden bekannte Topoi entdecken. Coming of Age mit einem Schuß Krimi plus britischem Upper-Class-Universitätssetting. Mit dem Erzähl-Element „Elite-Universität“ kann man eigentlich nicht viel falsch machen. Die Autorin Donna Tartt landete mit ihrer „Geheimen Geschichte“, in welcher der nicht besonders wohlhabende Student Richard in einen elitären Altphilologenzirkel (man könnte auch von einem Club sprechen) an einer Ivy League Uni eingeführt wird, um dann Zeuge eines Verbrechens zu werden, schon vor Jahren einen Bestseller. Das unschuldige Waisenkind, welches zu Höherem berufen ist, kennt man schon seit Charles Dickens und John Irving, Würger kann sich also auf bewährte Konzepte aus der Literaturgeschichte stützen.
Wirklich originell ist , dass er seine Geschichte mit dem Boxsport „unterfüttert“ und der story eine eigene Facette hinzufügt.
„Der Club“ ist im Wesentlichen ein Bildungsroman. Hans ist ein Wunschkind seiner Eltern. Nachdem es der Mutter gelang, dem Tod von der Schippe zu springen, stirbt sie auf tragische Weise, ebenso wie Hans‘ Vater. Das Kind, welches von seinem Umfeld schikaniert und von seinen Eltern behütet worden war, kommt trotz des Vorhandenseins einer Tante ins Internat. Das Boxen hilft dem Jungen, sich zu behaupten. Doch Hans bleibt ein stiller, feinsinniger, ungeliebter Außenseiter.
Nach seinem Abitur beschafft ihm seine Tante Alex, die in Cambridge Dozentin für Kunstgeschichte ist, einen Studienplatz ebenda. Hans soll für sie ein Verbrechen in einemClub aufklären, natürlich inkognito. In Cambridge findet Hans endlich Anschluß und eine feste Beziehung. Das Boxen ist seine Eintrittskarte in eine neue Welt und es eröffnet ihm den Zugang zu einem besonders elitären Zirkel. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt…

Die Geschiche hat einige Stärken, aber auch Schwächen. Der Stil ist sehr flüssig. Leider gibt es im Text so manche Binsenweisheit wie „Ich lernte, dass der Mensch ein Raubtier ist.“ Stellenweise wird auch etwas dick aufgetragen, am Ende. Den Abschluß der Geschichte fand ich nicht ganz zufriedenstellend.
Manche Figuren bleiben leider blass und oberflächlich.
Hans ist mir als Protagonist zu perfekt. Am besten ausgearbeitet und am Interessantesten ist ausgerechnet eine Figur namens Josh.
Hans‘schöne Freundin ist sein soulmate.
Der Kriminalfall an sich ist recht vorhersehbar, aber Würger gelingt es ausgezeichnet, zu zeigen, wie perfide das Verbrechen ist und wie es die Leben der Opfer zerstört. Diesen Teil der Geschichte erzählt er besonders einfühlsam.
Fazit: Würger erfindet das Rad nicht neu. Trotzdem ist die Hörfassung super.