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Bellis-Perennis
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Wien

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Insgesamt 1110 Bewertungen
Bewertung vom 16.05.2025
Rekel, Gerhard J.

Lina Morgenstern (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Eine Hommage an eine Unbequeme - eine Leseempfehlung

Dem österreichischen Autor und Filmemacher Gerhard J. Rekel von dem ich bereits die Biografie von Georges Nagelmackers, besser bekannt als Monsieur Orient-Express, gelesen habe, ist mit seinem Buch über Lina Morgenstern eine besondere Hommage an eine ungewöhnliche Frau gelungen.

Lina Morgenstern, geborene Bauer, (1830-1909) wächst in einem bürgerlichen jüdischen Haushalt zunächst in Breslau, dann in Berlin auf. Sie ist intelligent und widersetzt sich den Bemühungen ihrer Eltern einen vermögenden jüdischen Mann zu heiraten, genauso wie den damals üblichen Konventionen, die für Frauen nur Kinder, Küche und Kirche (auch wenn es in Linas Fall Synagoge heißen muss) vorsieht. Sie sieht das Elend der Heim- und Fabrikarbeiterinnen sowie deren Kinder. Ausgerechnet während der Feier zu ihrem 18. Geburtstag gründet sie den Pfennigverein zur Unterstützung armer Schulkinder und bittet die zahlreichen Gäste um Spenden.

Mit 24 Jahren heiratet sie gegen den Willen ihrer Eltern Theodor Morgenstern (1827-1910). Als Theodor mit seinem Modegeschäft pleite geht, steht die Familie mit fünf Kindern nahezu mittellos da. Sie schreibt mehrere Kinderbücher, die zu Bestsellern werden. Überhaupt ist ihr eine pädagogische Betreuung der Kinder ein Anliegen. Sie gründet in Berlins Arbeiterbezirken Kindergärten, schreibt ein Handbuch über die Ausbildung von Kindergärtnerinnen und muss sich wieder mit der Obrigkeit herumschlagen, der ihre Aktivitäten ein Dorn im Auge sind. Moralische und finanzielle Unterstützung erhält sie ausgerechnet von Preußens Königin Augusta.

Die Gründung des Pfenningvereins ist nur der Auftakt zu einer lebenslangen Wohltätigkeit, mit der sie immer wieder ins Visier von Behörden und Antisemiten gerät. Denn als nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg (1866) und Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) Volksküchen und Lazarette für verwundete Soldaten gründet, in denen auch die gegnerischen Soldaten behandelt werden, erntet sie statt Lob und Anerkennung nur Hass.

Später gründet sie eine Zeitung von Frauen für Frauen, schrammt immer wieder haarscharf an Zensur, Antisemitismus und Patriarchat vorbei. Als sie den ersten Internationalen Frauenkongress in Deutschland veranstaltet, bekommt sie es mit ihren kommunistischen und sozialistischen Geschlechtsgenossinnen wie Clara Zetkin zu tun, der im Kampf gegen die Bourgoisie jedes Mittel recht ist. Zetkin & Co wollen zuerst das Kapital vernichten und anschließend die Frauen befreien. Dass das in der Praxis nicht funktionieren wird, weiß man erst später.

Eine Ironie des Schicksals ist es, dass ausgerechnet die Nazis ihre Volks- und Suppenküchen in ihr Terrorregime übernehmen.

Fazit:

Dieser penibel recherchierten Biografie einer wahrhaft großen Frau, der die Anerkennung ihres Engagement Zeit ihres Lebens nicht nur versagt geblieben ist, sondern zahlreichen Schmutzkübelkampagnen ausgesetzt war, gebe ich eine Leseempfehlung und 5 Sterne.

Bewertung vom 14.05.2025
Hager, Dagmar

Salzkammerglut (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

In diesem dritten Salzkammergut-Krimi von Dagmar Hager geht es heiß zu. Nicht nur, weil die Feiern rund um den Geburtstag von Kaiser Franz Joseph mitten in den hochsommerlichen August fallen, sondern weil auf der Rettenbach-Alm eine Almhütte in Flammen aufgeht. In den verkohlten Überresten findet man eine männliche Leiche, die sich als Regus Dorninger herausstellt sowie etwas von der Hütter entfernt, seine schwerverletzte Frau Charly. Dorninger hat sich als Immobilienhai jede Menge Feinde gemacht, weshalb Chefinspektor Ben Achleitner vom LKA Oberösterreich eine lange Liste von Verdächtigen hat. Unterstützt wird er dabei von der örtlichen Ärztin Marie Giesinger sowie von seinem Kollegen Peter Neumüller.

Der Fall wird ziemlich komplex, als wenig später Charly abermals attackiert wird und zwei mögliche Täter tot aufgefunden werden.

Die Rolle, die Charly Dorninger in diesem Kriminalfall spielt, wird von Kapitel zu Kapitel undurchsichtiger. Hat sie ihren Mann ermordet und die Überfälle auf sich selbst fingiert?

Meine Meinung:

Dieser dritte Krimi rund um Ben Achleitner und Marie Giesinger ist ziemlich komplex, was mir sehr gut gefällt. Die Handlung besticht durch zahlreiche unerwartete Wendungen und den unaufgeregten Erzählstil. Ein bisserl ermüdend ist einerseits das kalt-warme Gefühlschaos, in dem sich Marie und Ben befinden sowie die Frauen rund um die Ärztin, die häufig mit ihren Halbwahrheiten die Aufklärung behindern. Ich finde es interessant, dass hier zwei beruflich wirklich toughe Personen es nicht schaffen, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten. Dabei hätten beide Zugang zu professionelle Hilfe.

Geschickt sind Land und Leute rund um Bad Ischl in den Krimi eingewoben. Als Leser darf man über Bemühungen des Tourismusbüros, den Geburtstag des Kaisers mit mehr oder weniger gut gelungenen Doppelgängern zu begehen, ein wenig schmunzeln. Die Konditorei Zauner und ihre süßen Köstlichkeiten dürfen auch nicht fehlen.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem Krimi, der mich sehr gut unterhalten hat, 5 Sterne.

Bewertung vom 14.05.2025
Johnsrud, Ingar

Echokammer / Ein Fall für Benjamin & Tong Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Dieser erste Teil einer Thriller-Trilogie spielt wenige Wochen vor der norwegischen Parlamentswahl. Es scheint Einflussnahmen auf den Urnengang zu geben. Von welcher Seite ist nicht ganz klar, weshalb die beiden Mitarbeiter der Anti-Terror-Einheit Staatsschutz, Martin Tong und Lieselott Benjamin, ermitteln. Sie bewegen sich in einem komplexen Geflecht aus Rechtsextremismus, Machtmissbrauch, Wahlmanipulation und Terrorismus.

Als dann ein zunächst unbekannter Autofahrer bei einen Zusammenstoß mit einem Elch, getötet wird, ergibt sich ein vager Verdacht eines Zusammenhanges mit einem jungen Paar, das plötzlich spurlos verschwunden ist und auf dessen Bauernhof Zutaten für einen Anschlag mit dem Nervengift Rizin gefunden wird.

In einem weiteren Handlungsstrang können wir der Spitzenkandidatin der Arbeiterpartei, der jedes - auch kriminelle - Mittel recht ist, ihre Partei wieder an die Macht zu bringen, über die Schulter sehen. Jens Meidell gerät in dieses Geflecht von Machtmissbrauch und Intrigen. Er muss sich fragen, wie weit kann oder muss er selbst gehen, um seine eigenen dunklen Geheimnisse zu bewahren.

Meine Meinung:

Dieser Thriller beschäftigt sich mit brandaktuellen Themen, die, wenn man sich mit der politischen SItuation in Norwegen nicht auskennt, ziemlich verwirrend wirken. Rechtsextremismus, Machtmissbrauch, Wahlmanipulation und Terrorismus, alles Themen, die an Aktualität kaum zu überbieten sind. Die Handlung selbst, die rund 35 Tage vor dem Urnengang einsetzt, ist einerseits fesselnd, hemmt aber andererseits ob der Fülle der Details aus der norwegischen Innenpolitik, den Lesefluss.

Die einzelnen Kapitel werden mit dem Countdown zur Parlamentswahl eingeleitet. Ein gutes Stilmittel, die Spannung hinauf zu lizitieren. Außerdem erfährt man, wo in Norwegen sich die Protagonisten gerade aufhalten. Diese Angeben helfen, bei dem oftmaligen Perspektivenwechsel die Orientierung nicht zu verlieren.

Es gibt zahlreiche Anspielungen auf die Politik außerhalb Norwegens. Das Buch ist 2023 in Norwegen erschienen, weshalb es die aktuellen politischen Verhältnisse wie Trump keine Rolle spielen. Das ist ein wenig irritierend, da der verhaltensauffällige Präsident der USA die Medien wie kein anderer dominiert. Man muss sich beim Lesen, den Erscheinungstermin des Buches immer vor Augen halten. Da ist es natürlich blöd, dass die deutsche Übersetzung erst im März 2025 erschienen ist. Eine Anmerkung dazu in einem Vorwort wäre hier hilfreich gewesen.

Fazit:

Ein komplexer Thriller, dem ich gerne 3,5 Sterne, die ich auf 4 aufrunde, vergebe.

Bewertung vom 13.05.2025
Meining, Alexander

Der alte Mann vom Main (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieser historische Krimi entführt uns in den März 1945. Die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs für die Stadt Würzburg brechen an. Der ehemalige, pensionierte Staatsanwalt Walter Gänslein trifft in den Trümmern seiner Heimatstadt nicht nur auf die etwas gleich alte Henriette Kerstan und die beiden verlieben sich Hals über Kopf ineinander, sondern begegnet auch fanatischen Hitlerjungen, die nach wie vor an den Endsieg glauben.

Wenig später, wird es unter Androhung der Kriegsgerichts zum Volkssturm abkommandiert. Sein Ziel ist es, die sinnlosen Kämpfe um die Stadt möglichst unbeschadet zu überleben. Wenig später ergibt er sich den Amerikanern. Beim Verhör durch einen ehemaligen Würzburger Juden, der als Soldat bei der US-Army dient, gesteht er den größten Fehler seines Lebens, der nichts mit dem NS-Regime zu tun hat, und trifft kurz darauf auf eine Person, mit der er niemals im Leben gerechnet hätte.

Meine Meinung:

Wie Autor Alexander Meining im Nachwort erzählt, basiert dieser historische Krimi auf wahren Begebenheiten. Gekonnt verknüpft er reale Ereignisse mit fiktiven Elementen. Der Autor beschreibt die Kämpfe zwischen den wenigen NS-Soldaten, die umso verbissener gegen die US-Truppen kämpfen, je aussichtsloser die Situation ist, sehr genau. Da sind Vater und Sohn, einer fanatischer als der andere, wobei der Vater längst weiß, dass das Tausendjährige Reich nach zwölf Jahren in Trümmern liegt. Während der Sohn, indoktriniert und verblendet, den Führerbefehl, kämpfen bis zum letzten Mann wörtlich nimmt, versucht der Vater Würzburg zu verlassen.

Die Geschichte von Walter Gänslein ist hoch emotional und durchaus glaubhaft dargestellt. Dass Walter und Henriette kein Happy End vergönnt ist, ist zwar schade, macht aber die Ereignisse glaubhaft .

Der Schreibstil ist eindringlich und vermittelt ein realistisches Bild der Tage im März 1945. Für seinen Roman hat Alexander Meining in zahlreichen Archiven penibel recherchiert-

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Krimi 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 12.05.2025
Körner, Torsten

'Wir waren Heldinnen'


ausgezeichnet

ch habe letztes Jahr zum Thema Frauenfußball in Deutschland den historischen Roman „Der Traum vom Tor“ von Juliana Weinberg gelesen. Das Buch handelt von der fiktiven Luise, die unbedingt wie ihre Brüder Fußball spielen will, koste es was es wolle.

Nun ist mit „Wir waren Heldinnen“ ein Sachbuch erschienen, das die Anfänge des deutschen Frauenfußballs, der ja bis 1970 verboten war, fundiert recherchiert, erzählt. Es sind die Mädchen und Frauen, die im Bann des „Wunders von Bern von 1954“ ihre Leidenschaft für das runde Leder (das häufig weder rund noch aus Leder war) entdeckt haben.

„König Fußball regiert die Welt, und der König war stets ein Mann. Jahrzehntelang galt: Frauen gehören an den Herd, nicht auf den Sportplatz. Bei kaum einer Sportart verteidigte die Männerwelt ihr Revier so unerbittlich wie beim Fußball. Bis 1970 war Frauenfußball offiziell in der Bundesrepublik verboten. Doch mutige Pionierinnen ließen sich nicht beirren und spielten trotzdem. Sie setzten sich gegen engstirnige Autoritäten durch, sie eroberten Fußballplätze, selbst wenn man sie davonjagte, mit Steinen bewarf, beschimpfte.“

Doch gibt es nicht Königinnen, die herrschten? Was ist mit Queen Elisabeth, Königin Margarethe, Königin Juliane und deren Tochter Königin Beatrix? Also, von den genannten ist nun nicht bekannt, dass sie Fußball gespielt hätten. Doch die von Königinnen regierten Niederlande sind Jahre lang führend im Frauenfußball und mehrfach die Gegnerinnen der deutschen Frauennationalmannschaft (noch bevor es sie ab 1982 offiziell gibt).

Das Buch ist aber gleichzeitig die Geschichte einer männlich dominierten Sportart, die Frauen das Fußball spielen nicht gönnten und sie lächerlich machten, wenn sie es trotzdem wagten. Die mächtigen (heute sagt frau) alten weißen Männer) haben den Fußballbegeisterten Frauen jeden nur erdenklichen Stein in den Weg gelegt. Sei es, dass man bestehenden Vereinen bei Strafe verboten hat, ihre Infrastruktur wie Platz und Kabinen, den Frauen zur Verfügung zu stellen. Nur ganz wenige haben sie über dieses Verbot hinweg gesetzt, so wie Fortuna Dortmund. Oder sei es, dass man sie lächerlich gemacht, sie Emanzen und/oder Lesbierinnen genannt hat. Manche tun es heute noch.
Deshalb ist Angela Merkels Bemerkung in ihrer Neujahrsansprache 2006 anlässlich der anstehenden Fußball-Weltmeisterschaft der Männer ein echtes Highlight:

„Die Frauenfußball-Nationalmannschaft ist schon ja schon Fußballweltmeister, und ich sehe keinen Grund, warum Männer nicht das Gleiche leisten können wie Frauen.“
Man muss den Satz allerdings laut vorlesen, um die feine Ironie herauszuhören. Apropos, Weltmeister 2006 wurde Italien.
Autor Torsten Körner hat Archive gewälzt und mit den noch lebenden Pionierinnen Interview geführt, die auch ihre Privatarchive für ihn und sein Buch geöffnet haben. Er fördert amüsantes und schier unglaubliches zutage. Er gräbt die Geschichte von Brigitte „Gitta“ Lettl (Jahrgang 1942) aus, die - welch Ironie - im selben Haus iwie die Brüder Franz und Walter Beckenbauer wohnt. Sie spielt mit ihnen auf der Straße Fußball. Während die Brüder bald zu einem Verein wechseln, gibt es für Gitta keinen.

Oder Helga Faul (1936-2015), die nachdem es keinen Verein gibt, der Frauen aufnimmt, am 3. April 1957 gemeinsam mit einigen Mitstreiterinnen kurzerhand den 1. Damen-Fußballverein Nürnberg gründet.

So finden sich zahlreiche Mädchen, die ihrer Leidenschaft nachzugehen. Doch was auf der Straße unter Kopfschütteln der Passanten gerade noch toleriert wird, ist in der Schule ein No-Go. Mädchen sollen sich im graziösen Geräte Turnen üben, maximal Handball spielen, aber Fußball? Die Gründe, warum es Frauen verboten sein soll, Fußball zu spielen, sind so zahlreich wie abstrus. Es widerspräche der natürlichen Ordnung Mädchen und Frauen schwitzend in kurzen Hosen dem Ball nachjagen zu sehen. Fußball beeinträchtige die Fruchtbarkeit? Müssten da nicht eher die Männer um ihre private parts in Sorge sein? Ein Ball aus 10, 20 Meter Entfernung in die untere Leibesmitte zu bekommen, hat schon öfters einen Fußballer gefällt.

Dass mich die Präpotenz und die Ignoranz der Verantwortlichen (Fußballer, Vereinsfunktionäre, Sportminister, FIFA etc.) ziemlich wütend gemacht hat, brauche ich wohl nicht extra erwähnen.

Torsten Körner erinnert uns mit diesem Plädoyer für den Frauenfußball, dass es für Mädchen und Frauen nach wie vor nicht selbstverständlich ist, den runden Leder nachzulaufen, von Gagen wie bei den Männern ganz zu schweigen. Und ja, diese Mädchen und Frauen waren Heldinnen!

Fazit:

Gerne gebe ich dieser Hommage an die Pionierinnen des deutschen Frauenfußballs 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 11.05.2025
Harris, C. S.

Die Verbrechen von Morton House


ausgezeichnet

In seinem 12. Fall muss Sebastian St. Cyr erkennen, dass einige Mitglieder der aristokratischen Oberschicht noch viel verdorbener und skrupelloser sind, als bisher angenommen. Diese Erkenntnis, die seinen Vater und seinen Schwiegervater einschließen ist zwar nicht wirklich neu, doch die Ausmaße sind erschreckend.

Dieser historische Krimi, der im September 1813 in London spielt, beginnt mit dem brutalen Mord an Benji Thatcher, einem Straßenjungen. Benji ist sadistisch missbraucht und zu Tode gefoltert worden. Recht schnell entdeckt St. Cyr, dass erstens Benji nur eines von vielen Opfern ist und zweitens das Buch des französischen Dichters Marquis de Sade “120 Tage von Sodom“ eine große Rolle spielt, von dem angeblich nur fünf Stück den Weg über den Kanal gefunden haben.

Bei seinen Ermittlungen geraten einige Personen in St. Cyrs Fokus, mit denen man sich besser nicht anlegen sollte ...
Doch wie man weiß, lässt sich Sebastian St. Cyr auch von der Verwandtschaft mit dem Königshaus nicht beeindrucken, wenn es darum geht, Verbrecher unschädlich zu machen.

Meine Meinung:

Die Abgründe, in die Autorin C. S. Harris ihre Leserschaft blicken lässt, sind sehr tief. St. Cyr, inzwischen Ehemann und Vater, ist von dieser Mordserie besonders betroffen, zumal ein Verdächtiger in seine Familie einheiraten will. Doch ob der wirklich der Täter ist, erfahren wir noch nicht. Das hebt sich die Autorin vermutlich für den nächsten Band auf.

Das Setting dieser Reihe im Dunstkreis der Napoleonischen Kriege, die langsam aber sicher auf das Ende und die Entmachtung Napoleons zusteuern, fesselt für mich sehr. Es sind nur noch wenige Wochen bis zur Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 und die Spione auf beiden Seiten des Kanals haben Hochbetrieb. Eine Drehscheibe für nachrichtendienstliche Aktionen, die auch Verbrecher jeder Art beschäftigt, ist St. Cyrs Vater.

Wie schon in den elf vorherigen Bänden gelingt es der Autorin trefflich die eklatanten Standesunterschiede dieser Zeit darzustellen. Menschen außerhalb ihrer eigenen Klasse gelten der Oberschicht weniger als ein Pferd oder ein treuer Jagdhund. Sie werden benützt und anschließend sprichwörtlich weggeworfen.

Die Reihe darf daher auch als gesellschaftskritisch angesehen werden, denn zahlreiche Probleme und Missstände sind hausgemacht. Wenn man (aus Not) straffällig gewordene Frauen ohne ihre Kinder nach Australien deportiert, darf man sich nicht wundern, dass die Anzahl der unversorgt gebliebenen Kinder in die Höhe schießt. Diese Kinder sind leichte Beute jener Mitglieder der Oberschicht, die aus Langeweile und Sadismus (!) Menschen quälen und töten.

C.S. Harris’ Schreibstil ist flüssig und packend, und sie versteht es, ihre Leser bis zur letzten Seite in ihren Bann zu ziehen. Selbst die kleinsten Nebendarsteller sind sehr gut ausgearbeitet. Die historischen Details sind penibel recherchiert und gekonnt in die Handlung eingewoben.

Ein Fehler, der vermutlich der Übersetzung anzulasten ist, ist mir aufgefallen: Auf S. 106/ebook werden die Jakobiten mit den Jakobinern verwechselt.

Die Jakobiten sind Anhänger von König Jakob II aus dem (katholischen) Hause Stuart, die zwischen 1689 und 1760 gegen die protestantischen Herrschaftsansprüche in zahlreichen Aufständen, vor allem in Schottland und Irland kämpften. Der bekannteste ist jener Jakobitenaufstand von 1745, der durch das Massaker von Culloden 1746, das hier erwähnt wird, traurige Berühmtheit erlangt hat.

Die Jakobiner sind Mitglieder des gleichnamigen, politischen Klubs in Frankreich, der ursprünglich am 30. April 1789 als Bretonischer Klub, gegründet worden ist, nachdem es politische Parteien, wie wir sei heute kennen nicht gegeben hat. Der Bretonische Klub stellte seine Arbeit im August 1789 wieder ein und wurde im Dezember 1789 als Gesellschaft der Freunde der Verfassung in der Bibliothek des ehemaligen Jakobinerklosters neu gegründet, daher der Name Jakobiner. Nach der Hinrichtung von Robespierre und seinen Anhängern wird der Jakobinerklub am 12. November 1794 aufgelöst.

Fazit:

Eine historische Krimi-Reihe, die niemals langweilig ist und die Abgründe der damaligen Gesellschaft schonungslos offenbart. Gerne gebe ich wieder 5 Sterne und warte auf Band Nr. 13.

Bewertung vom 11.05.2025
Gerste, Ronald D.

Wie Technik Geschichte macht


ausgezeichnet

Ich kenne Ronald D. Gerste bereits aus den „Die Queen“ und und „Die Heilung der Welt“ sowie den beiden Büchern aus der Reihe „Wie XXX Geschichte macht“ (Krankheiten und Wetter). Diesem bewährten Konzept der Reihe ist er auch in diesem dritten Buch treu geblieben. So gibt es hier neben dem Prolog zwölf Kapitel, in denen sich der Autor mit bahnbrechenden Erfindungen und ihren Schöpferinnen und Schöpfern beschäftigt. Im Epilog hängt Ronald D. Gerste den Gedanken nach, das nicht alles, was erfunden wird, ausschließlich friedlichen Zwecken gewidmet ist.

Prolog - Rauchende Schlote
Energie I - Und es ward Licht
Mobilität I - Unter Dampf
Kommunikation I - In Echtzeit
Mobilität II - Der Traum vom Fliegen
Kommunikation II - Die Macht des Fernsehens
Wellen I - Finest Hour
Wellen II - „Red Hot“
Energie II - Spaltende Kerne
Weltall
Leben - Herzschläge
Algorithmen - Frühe Webereiter der Digitalisierung
Epilog - Segen und Fluch

Die wohl größte und nützlichste Erfindung ist wohl jene des Buchdrucks mittels beweglichen Lettern, die untrennbar mit dem Namen Johannes Gutenberg verbunden ist, obwohl er nicht der einzige war, der sich mit der Materie beschäftigt hat.

Die Kapitel müssen nicht in chronologischer Reihenfolge gelesen werden. Jedes Kapitel ist durch die Titelüberschrift, in dem Thema und Namen der Forscher und Erfinder genannt werden, leicht identifizierbar. Man kann deshalb eine Auswahl treffen, ob dieses Kapitel gelesen werden soll oder nicht.

Wie immer, wenn es um Technik und Wissenschaft geht, sind Frauen unterrepräsentiert. Es werde hier Namen wie Lise Meitner, Hedy Lamarr und Ada Lovelance genannt. Wer etwas über die zahlreichen anderen Wissenschaftlerinnen, die maßgeblich an Erfindungen geforscht haben, lesen will, muss zu den Einzelbiografien greifen, von denen es nun einige gibt.

Ronald D. Gerstes Schreibstil ist flott und flüssig zu lesen. Durch seine durchaus humorvolle Sicht eignet sich das Buch als Einstig in die Welt der Technik und Wissenschaft auch für jene Leser, die wenig technikaffin sind und über keine vertiefenden physikalischen Kenntnisse verfügen.

Resümee:

Ein informatives und sehr gut verständliches Sachbuch, das auch Lesern, die sich bislang wenig mit der Geschichte der Technik beschäftigt haben, Freude bereiten kann. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 09.05.2025
Maly, Beate

Zeit der Hoffnung / Die Trümmerschule Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieser historische Roman, der 1946 im zerstörten Wien spielt, ist der erste Teil eine Dilogie, die aufzeigt, dass es den vertriebenen Jüdinnen und Juden nicht leicht gemacht worden ist, in ihre Heimatstadt zurückzukehren. Es sind nicht nur die materiellen Schäden sondern vor allem die Nazi-Ideologie, der nach wie vor sehr viele Menschen anhängen, die Stella Herzig, einer Lehrerin, die den Krieg in England verbracht hat, das Leben schwer machen.

Beate Maly beschreibt die bangen und doch hoffnungsfrohen Stunden und Tage von Stellas Rückkehr. Die Freude über die Anstellung im Lindengymnasium wird recht schnell durch die Ablehnung einiger ihrer Kolleginnen und Kollegen getrübt, die aus ihrer Ablehnung einer Jüdin keinen Hehl machen. Es sind auch genau diese Lehrkräfte, die den Schülern, die aus ärmlichen Verhältnissen stammend, aus Platzgründen statt in die Hauptschule im Gymnasium unterrichtet werden, das (Schüler)Leben zur Hölle machen. Grundlos werden die Schüler mit dem Rohrstaberl gezüchtigt, wird ihnen Lernwille und Fleiß abgesprochen und ihnen ständig mit dem Hinauswurf gedroht. Genau diesen Schülerinnen und Schülern widmet Stella ihre besondere Aufmerksamkeit.

Unterstützt wird sie vom Direktor der Schule, der einen oder anderen Lehrkraft sowie ihrer besten Freundin Felicitas, die als Sekretärin in der Schule arbeitet. Doch Feli, wie sie genannt wird, hat ihren eigenen Kummer.

Als ein besonders begabtes Mädchen die Schule verlassen soll, um eine Lehrstelle als Schneiderin anzutreten, um zum Familienunterhalt beizutragen, überwindet sich Stella und macht einen Hausbesuch. Eine persönliche Herausforderung, denn die Familie lebt in der ehemalige Wohnung von Stellas Eltern, aus der die Familie vertrieben worden ist .....

Meine Meinung:

Beate Maly ist es eindrucksvoll gelungen, die Stimmung im Wien der Nachkriegszeit einzufangen. Das braune Gedankengut ist so schnell nicht aus den Köpfen der Menschen herauszubekommen. Das zeigt sich auch noch in meiner Gymnasialzeit in den 1970er-Jahren. Auch noch fünfundzwanzig (und mehr) Jahre nach Kriegsende unterrichten Lehrkräfte, die entweder als Soldaten an der Front waren oder aus NS-Familien stammen.

Autorin Beate Maly beschreibt Stellas Bemühungen auf die Kinder zuzugehen, neue fortschrittliche Unterrichtsmethoden zu verwenden. Es sind vor allem die vielen kleinen bösartigen Vorkommnisse in der Schule, die Stella manchmal daran zweifeln lassen, ob ihre Entscheidung, in ihr geliebtes Wien zurückzukehren, richtig ist. Denn das Wien, wie sie es gekannt hat, gibt es nicht mehr, was aber nicht nur an den zerstörten Gebäuden liegt.

Geschickt verknüpft Beate Maly Fakten und Fiktion, den dieser zweiteilige historische Roman basiert auf den Lebenserinnerungen der österreichischen Pädagogin Stella Klein-Löw (1904-1986). Wie wir es von Beate Maly gewöhnt sind, sind die Charaktere, die guten wie die bösen, vielschichtg und authentisch angelehnt.

Als Wienerin, die im zweiten Bezirk, der Leopoldstadt, die vor dem Zweiten Weltkrieg der Inbegriff eines florierenden jüdischen Lebens gewesen ist, aufgewachsen ist, kann ich mich hier sehr gut einfühlen.

Das Buch endet mit einem fiesen Cliffhanger und so bleibt mir nur, auf die Fortsetzung zu warten.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem historischen Roman, der auf der Lebensgeschichte einer realen Persönlichkeit beruht, 5 Sterne.

Bewertung vom 08.05.2025
Ottenschläger, Madlen

OTTO fährt los - Ein Sommer in den Bergen


ausgezeichnet

In seinem dritten Reise-Abenteuer fährt der kleine Campingbus Otto in die Berge. Er reist mit seiner neuen Urlaubsfamilie quer über und durch die Alpen, besucht mit ihnen gemeinsam Städte in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Truppe entdeckt Schlösser und andere Sehenswürdigkeiten sowie Almen mit Kühen. Als dann ein Kälbchen ausgebüxt ist, ist Otto zur Stelle und hilft mit, das Tier zu finden.

Wie schon in den beiden Vorgängern ist auch diese Reise für ca. Vierjährige gedacht. Die Texte sind kindgerecht und die Illustrationen von Stephanie Reich zauberhaft. Die Geschichte ist spannend und lässt die lieben Kleinen zahlreiche gezeichnete Details entdecken.

Zum Vorlesen für für Kids ab vier Jahren, Leseanfänger können die Texte gut selbst lesen.

Fazit:

Ein must-have für jede Reise mit Kindern. Gerne gebe ich hier wieder 5 Sterne.

Bewertung vom 06.05.2025
Kempis, Stefan von

Weißer Rauch und falsche Mönche


ausgezeichnet

Dieses Buch über die lange Geschichte der Päpste und deren Wahl könnte aktueller nicht sein. Es ist am 7. April 2025, also nur 14 Tage vor dem Tod von Papst Franziskus am 21. April 2025 erschienen. Deshalb sind die beiden letzten Kapitel besonders interessant.

Der Autor Stefan von Kempis ist studierter Theologe, Historiker, lebt mit seiner Familie in Rom und hat als Redaktionsleiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan ein profundes Wissen über seine „Dienstherren“.
Eine Biografie über den neuen, zukünftigen Papst (wer auch immer das sein mag) ist in Vorbereitung.

Doch zurück zu diesem Buch. In 21 Kapiteln bringt uns Stefan vom Kempis die Geschichte des Papsttums, das nicht immer im Einklang mit der Lehre Jesu im Einklang steht näher. Wir lesen von den Anfängen, die ein wenig im Dunkeln der Geschichte liegen und daher unterschiedlich interpretiert werden, über Kirchenfürsten des Mittelalters, die ihre weltliche Macht auch tatsächlich ausüben und Millionen von Menschen im Rahmen der Kreuzzüge in den Tod hetzen, von Renaissance- und Barockpäpsten, die eher Wein, Weib und Gesang frönen, zahlreiche Nachkommen zeugen und Familienmitglieder in einflussreiche Positionen hieven als ihrer seelsorgerischen Pflicht nachkommen. Wir lesen von Streit innerhalb der Kurie, dem einen oder anderen willkommenen Todesfall, von Schismen, Mäzenatentum (ohne das Rom und andere Städte wohl anders aussehen würden), vom 3-Päpste-Jahr 1978 sowie von Benedikt XVI., der, bislang völlig unüblich, emeritiert und seinem Nachfolger Franziskus, der dem Pomp und Prunk im Vatikan abschwört und sich damit nicht nur Freunde macht.

All das präsentiert der Autor in einer leicht lesbaren Form. Die 21 Kapitel sind flüssig geschrieben. Es ist möglich, das eine oder andere Kapitel auszulassen, denn die Grabenkämpfe innerhalb des Vatikans wiederholen sich im Laufe der Jahrhunderte mehrmals. Interessant habe ich gefunden, dass man Martin Luther kaum Bedeutung geschenkt hat und als er mit seinen Lehren und dem Protest gegen die katholischen Kirche überzeugt hat, ziemlich überrascht gewesen ist.

Das Kapitel 20 ist besonders aufschlussreich, denn hier wird das Konklave erklärt, das immer wieder Anlass zu Spekulationen, Büchern und Filmen, mit mehr oder weniger wahren Inhalten gibt.

Man darf gespannt sein, wie lange es diesmal dauern wird, bis weißer Rauch aufsteigt und mit den Worten „Habemus Papam“ Urbi et Orbi der Name des neuen Papst verkündet wird.

Fazit:

Gerne gebe ich diesem interessanten Buch zu der geheimnisumwitterten Papstwahl 5 Sterne.