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Magda
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Köln

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Insgesamt 304 Bewertungen
Bewertung vom 02.12.2024
Meyer, Kai

Das Haus der Bücher und Schatten


ausgezeichnet

Das Haus der Bücher und Schatten von Kai Meyer ist der dritte Band einer Reihe auf mehreren Zeitebenen, ein Handlungsstrang spielt sich stets im Graphischen Viertel in Leipzig ab. Auch dieser Band, der mich ins historische Leipzig und ins verschneite Baltikum entführt hatte, konnte mich begeistern.
1933: Kriminalkommissar Cornelius Frey ermittelt am Mord an seinem Kollegen Zirner. Dieser wurde zeitgleich mit einem jungen Mädchen namens Emilie Abel ermordet. Da Cornelius Emilie kurz zuvor vom Selbstmord abgehalten hatte, geht ihm ihr Schicksal sehr nahe. Er bekommt heraus, dass sie gemeinsam mit ihrer Freundin Leontine bei okkultistischen Versammlungen als Geisterbeschwörerin aufgetreten ist. Ihre Aufträge bekam sie meist von Iwan Petrow, einem Exilrussen, der seit Jahren das paranormale Geschäft in Leipzig fest in der Hand hat. Petrow ist schon in „Die Bibliothek im Nebel“ in Erscheinung getreten.
1913: Die Lektorin Paula Engel unternimmt eine fünftägige Zugreise von Leipzig nach Livland im Baltikum, wo sie das Manuskript des erfolgreichen Schriftstellers Aschenbrand in Empfang nehmen soll. Sie wird von ihrem Verlobten und Kollegen Jonathan begleitet. Aschenbrand residiert im Haus Hundsheide, dem Anwesen der Chorianders, einer baltendeutschen Familie. Das Haus liegt mitten im Nirgendwo und ist von Wald und Feldern umgeben. Die Chorianders verbringen den Winter in Riga, für Aschenbrands leibliches Wohl sorgt Haushälterin Rasa.
Paula fühlt sich in Hundsheide sehr unwohl, sie überlegt, ob Aschenbrand wirklich der von ihr und besonders Jonathan verehrte Schriftsteller ist. Es gibt kein Foto von ihm, sie kennt ihn nur aus den Briefen, die sie jahrelang mit ihm ausgetauscht hatte. Jonathan und die Haushälterin verhalten sich merkwürdig, nachts hat Paula Albträume und Erscheinungen einer geisterhaften Gestalt im schwarzen Kleid.
Ich habe mich in Hundsheide richtig gegruselt, Kai Meyer beschreibt die Atmosphäre in dem riesigen, leeren Haus mit seinen vielen Kellern und Gängen und den Geistererscheinungen so meisterhaft, dass mir ein Schauer über den Rücken lief. Der Handlungsstrang in Hundsheide ist der mystische Teil, während Cornelius‘ Ermittlungen im Graphischen Viertel den Krimi- und Actionteil bilden. Der Kommissar gerät häufig in Auseinandersetzungen mit Petrows Handlangern und/oder SA-Leuten und kommt nur um Haaresbreite mit dem Leben davon. Als er sich über den Okkultismus und die Freimauerei informieren will, tut er das beim Buchhändler und Buchbinder seines Vertrauens, Jakob Steinfeld, den Lesende der Reihe bereits aus Band 1 „Die Bücher, der Junge und die Nacht“ kennen.
Das Ende hat mich sehr überrascht, auf die Aufklärung der Morde und die Verbindung Zirner/Emelie und Haus Hundsheide wäre ich niemals gekommen. Der Roman enthält alles, was zu einem spannenden Buch gehört: Spannung, Action, historische Elemente und – was ihn von anderen Büchern unterscheidet - Mystik mit Gruselfaktor. Von mir bekommt er eine uneingeschränkte Leseempfehlung sowohl für Leser*Innen von historischen Romanen als auch von Krimis und Thrillern.

Bewertung vom 28.11.2024
Denk, Regina

Die Schwarzgeherin


ausgezeichnet

Die Schwarzgeherin ist ein ergreifender, atmosphärischer und tiefgründiger historischer Roman, der mir noch lange im Gedächtnis verbleiben wird.
Den Begriff Schwarzgeher kannte ich nicht, er wird für Wilderer verwandt, die sich beim Jagen die Gesichter schwarz anmalen, um in der Dunkelheit nicht aufzufallen. Im vorliegenden Roman ist Die Schwarzgeherin allerdings eine Heilerin.
Die Autorin beschreibt das harte Leben der Theres Lachermeyer in der Zeit von 1850 bis 1883. Theres lebt auf einem großen Bauernhof in Tirol. Dieser liegt direkt am Passeingang, auf der Reiseroute nach Italien. Als sie neun Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter und der letzte ihrer Brüder, sie bleibt allein mit dem Vater zurück und muss von nun an mit ihm zusammen Haus und Hof bewirtschaften. Mit Leonard, dem einzigen Sohn vom benachbarten Hof, verbindet sie von klein auf eine enge Freundschaft. Die Väter der beiden sind befreundet und würden ihre Kinder zu gegebener Zeit gern verheiraten. Doch dazu kommt es nicht – Theres verliebt sich Hals über Kopf in einen Fremden, der wie aus dem Nichts im Dorf auftaucht. Xaver Kargl verdreht nicht nur Theres den Kopf, er stiftet auch Unruhe im Dorf. Dann verschwindet er, und Theres bleibt schwanger zurück.
Sie bringt Tochter Maria zur Welt, und die beiden leben allein mit ein paar Hühnern, einer Katze und einem Maultier hoch über dem Dorf. Maria hadert mit dem Einsiedlerleben, es reicht ihr nicht, andere Menschen nur dann zu treffen, wenn sie ihre Mutter in ihrer Funktion als Heilerin begleitet.
Theres kann sich nur deswegen als Frau allein durchschlagen, weil ihre Hilfe bei Geburten und Krankheiten gebraucht wird. Wenn sie nicht helfen kann und jemand stirbt, wird sie als Hexe beschimpft. Die Dankbarkeit der Dorfbewohner*Innen währt nicht lange, fast das ganze Dorf ist Theres und Maria gegenüber missgünstig und böse.
Die Kapitel erzählen abwechselnd Theres‘ und Marias Geschichte. Theres will sich mit der ihr zugedachten Rolle im Leben nicht abfinden: „Sie spürte eine Wut in sich aufsteigen, die sich gegen weit mehr richtete als nur gegen den Leopold, der bedingt Schuld hatte an der Ordnung der Welt, in die er, wie sie selbst, hineingeboren worden war. An der er, im Gegensatz zu ihr, nichts verändern brauchte, um sich frei darin bewegen zu können. In der Weltordnung, in der er immer ein Herr und sie immer eine Dienerin sein würde.“ (S. 108)
Wunderschön fand ich die mit „Zwischenspiel“ überschriebenen Kapitel, in denen das Leben eines Adlerweibchens im Vergleich zu Theres‘ Leben beschrieben wird, von der Jugend, der Mutterschaft und Partnerschaft bis hin zum Alter.
Sehr bildhaft wurde Marias Geburt beschrieben, Theres hat ihr Kind allein in einer Hütte zur Welt gebracht, mitten im kalten Winter. Dieses Kapitel ist meiner Meinung nach das beste Kapitel im Buch.
Das Ende hat mich mit der ganzen Tragik, von der das Buch durchtränkt ist, versöhnt, ich hatte schon die Befürchtung, dass sich einige entweder selbst oder sich gegenseitig umbringen. Warum Theres sich das Leben so schwergemacht hatte, und nicht nur sich, sondern auch ihren Vater, ihren besten Freund und ihre Tochter mit ihren Entscheidungen ins Unglück gestürzt hatte, konnte ich nicht nachvollziehen. Nichtsdestotrotz hat mir der Roman sehr gut gefallen, und ich freue mich schon auf andere Bücher der Autorin.

Bewertung vom 26.11.2024
Konrad, Mara

Hotel in den Wolken


sehr gut

Ein interessanter historischer Roman über eine Frau, die im 19. Jahrhundert in den Schweizer Alpen ein Hotel geleitet hatte. Die Kapitel sind abwechselnd aus der Sicht der Reiseschriftstellerin Jane Brightfield und der Hotelkauffrau Maike in der Gegenwart geschrieben.
Maike macht seit Jahren Skiurlaub in den Schweizer Alpen und erfährt, dass ihre Familie das alte, halb verfallene Posthotel in Sumbriva geerbt hatte. In dem Hotel findet sie ein altes Manuskript, das von Jane Brightfield geschrieben wurde. Jane schreibt über die Sommer, die sie in den Schweizer Alpen und im Posthotel Sumbriva verbracht hatte. Hoteldirektor Florian Fernsby ist ihr von Anfang an sympathisch, sie fühlt sich auf seltsame Weise von ihm angezogen.
Die Handlungsebene in der Vergangenheit fand ich sehr spannend mit den Geschehnissen um Flo und das Posthotel. Wir erfahren viel über die Rolle der Frau im 19. Jahrhundert. Es war undenkbar, dass eine Frau ein Hotel führt oder sich auch nur um die Buchhaltung kümmert. Das Bergsteigen in einem langen Rock war ein schwieriges Unterfangen, das Tragen von Hosen war ausschließlich Männern vorbehalten. Nachdem Jane gemeinsam mit ihrem Mann Henry den Gipfel des dreitausend Meter hohen Gipfels Piz Fo bestiegen hatte, wurde nur Henrys Leistung gewürdigt. „Frauen auf Bergen? Gab es hin und wieder, das schon, doch zu suchen hatten sie dort fürwahr nichts. Man denke nur an diese verrückte d’Angerville, die angeblich in den Dreißigern den Mont Blanc bestiegen hatte. Ob man das glauben konnte, blieb dahingestellt.“ (S. 32)
Es waren die Anfänge des Skifahrens, das erst sehr viele Jahre später zum Volkssport wurde. Das Posthotel war im Winter geschlossen, nur im Sommer verbrachten Touristen aus ganz Europa dort ihre Ferien, sogar eine echte Prinzessin war zweimal mit ihrem Hofstaat dort.
Das Setting in den Alpen und die Beschreibung der Bergtouren ist sehr atmosphärisch, Flos Geschichte hat mich sehr berührt, und das Leben in einem Berghotel im 19. Jahrhundert ist authentisch beschrieben. Sehr gern empfehle ich den Roman weiter, vor allem Leser*Innen von historischen Romanen und denjenigen, die Berge und das Bergsteigen lieben.

Bewertung vom 22.11.2024
Stern, Anne

Nacht über der Havel / Fräulein Gold Bd.7


ausgezeichnet

Der siebte Band der Reihe um die Berliner Hebamme Hulda Gold, und das dritte Buch der Reihe, das ich gelesen habe. Es ist nicht unbedingt notwendig, bei Band 1 einzusteigen, ich habe mich sofort in Huldas Welt zurechtgefunden, obwohl ich diese erst in Band 5 kennengelernt habe.
1930, Berlin-Schöneberg: Hulda arbeitet in einer Mütterberatungsstelle am Nollendorfplatz. Seit einem Jahr ist sie mit Max glücklich. Ihre vierjährige Tochter Meta geht in die Pestalozzi-Fröbel-Kindertagesstätte. Metas Vater ist kurz vor ihrer Geburt gestorben, seine Eltern unterstützen Hulda bei Metas Betreuung. Auch Huldas Vater Benjamin Gold springt gern ein, wenn Not am Mann ist.
Im Prolog lernen wir die achtzehnjährige Jutta bei einem Treffen ihrer Jugendgruppe Die Wandervögel kennen. Die jungen Leute feiern am Ufer der Havel, es wird gesungen, getrunken und geflirtet. Zu später Stunde taucht ein Pärchen mit dem Auftrag auf, Jugendliche für die Hitlerjugend anzuwerben. Als Joachim und sein Bruder aneinandergeraten, zieht der Mann seine Pistole. Am nächsten Morgen wird Joachim tot aufgefunden.
Kommissarin Irma Siegel, die die Ermittlungen aufnimmt, findet heraus, dass Joachim an Jutta interessiert war, und das Pärchen sich am Abend zuvor von der Gruppe entfernt hat. Bei der Befragung in der Roten Burg am Alexanderplatz verweigert Jutta die Aussage.
Einige Tage zuvor hat Hulda über ihren Freund Max Jutta und ihre Familie kennengelernt. Sie bietet Juttas Schwester Hella, die kurz vor der Entbindung steht, ihre Hilfe an. Hulda merkt, dass Jutta etwas belastet und versucht, Zugang zu dem jungen Mädchen zu finden.
Anne Stern hat es wieder einmal geschafft, eine authentische Stimmung zu schaffen und mich nach Schöneberg der 1930er Jahre zu versetzen. Deutschland steckt in einer Wirtschaftskrise, das Land ist geprägt von Armut, Arbeits- und Hoffnungslosigkeit. Es stehen Reichstagswahlen an, die Nationalsozialisten versprechen ihren Wählern das Blaue vom Himmel und finden immer mehr Anhänger, brutal gehen sie gegen Juden und Kommunisten vor.
Interessant fand ich, dass Max bereits im Jahr 1930 eine Flugreise unternommen hat. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen, wie aufwändig es damals war, Kontakt aufzunehmen – Hulda hatte kein Telefon und war nur über das Telefon der Nachbarn erreichbar.
Im Jahr 1930 ist Huldas kleine Welt noch heil, doch es ziehen bereits dunkle Wolken am Horizont auf – Hulda und Max sind jüdischer Abstammung, Huldas guter Freund, der Kioskbesitzer Bert ist mit einem Mann zusammen. Ich bin schon sehr auf Band 8 gespannt, der im Dezember 2025 erscheinen wird, eine Leseprobe ist angehängt, 1932: Meta wird eingeschult.

Bewertung vom 21.11.2024
Sommerfeld, Helene

Zeit des Vertrauens / Die Töchter der Ärztin Bd.3


ausgezeichnet

Es handelt sich um den Abschlussband der Trilogie „Die Töchter der Ärztin“.
1931: Henny lebt mit ihrem Mann Victor Vandenberg und den beiden Kindern in Los Angeles. Victor ist Filmproduzent, Henny arbeitet als Onkologin. Nachdem das Kindermädchen gekündigt hatte, um Schauspielerin zu werden, findet Henny durch Zufall ein neues Kindermädchen aus der mexikanischen Gemeinde.
Victors Herzanfall verhindert seinen Aufstieg in Hollywood. Da er nicht mehr die erforderlichen Höchstleistungen erbringen kann, wird er kurzerhand entlassen. Als die Familie nach Berlin zu Tonis und Guntrams Hochzeit reist, ergeben sich in Deutschland neue Möglichkeiten für Victor und Henny. Doch angesichts der politischen Situation und der bevorstehenden Machtergreifung Hitlers müssen sie abwägen, ob sie nicht doch nach Amerika zurückkehren sollten, zumal ihre dreizehnjährige Tochter Vicky großes Heimweh nach Kalifornien hat.
Toni arbeitet als Gynäkologin in einer Gemeinschaftspraxis in Berlin. Viele ihrer Patientinnen haben unerfüllten Kinderwunsch, mittels Insemination kann sie ihnen helfen. Sie steht kurz vor der Hochzeit mit dem Kinderarzt Guntram. Auch sie ist durch die politische Situation beunruhigt und macht sich Gedanken über das Schicksal ihrer zukünftigen Kinder in einem nationalsozialistischen Staat.
Tonis und Hennys Cousine Frieda hat eins ihrer Zwillinge an ihren Bruder Franz abgetreten, der überzeugter Nationalsozialist ist. Sie möchte die kleine Felicitas zurückhaben, doch Franz und seine Mutter Rosel wollen, dass das Kind auf Schloss Freystetten bleibt. Friedas Mann Jonathan ist Jude und möchte nach New York auswandern, wo auch schon Friedas exzentrische Tante Flora lebt.
Graf Friedemann von Freystetten ist wie sein Sohn überzeugter Nationalsozialist. Er lädt Hitler und Goebbels nach Brandenburg ein und bietet ihnen das Schloss als Veranstaltungsstätte für nationalsozialistische Versammlungen an.
Ich habe den Roman sehr gern gelesen, er ließ mich ins Jahr 1931 nach Berlin, Brandenburg, Los Angeles und New York reisen. Es werden sehr viele Themen behandelt: Das Schicksal der Mexikaner in Los Angeles, das Filmgeschäft in Hollywood, künstliche Befruchtung, unterschiedliche politische Gesinnungen und vorneweg die Liebe in allen Variationen - zu Familienangehörigen und Partnern bzw. Partnerinnen.
Im Rückumschlag kann man den Stammbaum der Familien Thomasius und Freystetten nachschlagen, was ich bei zwei Großfamilien und fünf Generationen sehr hilfreich finde.
Ich bedauere es sehr, dass die Reihe nicht fortgesetzt wird, sehr gern hätte ich das Schicksal von Toni, Henny, Frieda, Flora und der anderen weiterverfolgt. Doch „Das Ehepaar, das sich Helene Sommerfeld nennt, hat der Tod Ende Juni 2024 getrennt.“ (Nachwort: Wie alles begann)

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.11.2024
Lüpkes, Sandra

Die Schule am Meer


ausgezeichnet

Ein toller historischer Roman, den ich gern gelesen habe und den ich sehr gern weiterempfehle.

Bewertung vom 21.11.2024

Flexilight Xtra Black - 2 LED Leselampe Buchleuchte


weniger gut

Nutze ich nicht, sehr umständlich.

Bewertung vom 21.11.2024
Graw, Theresia

So weit die Störche ziehen / Die Gutsherrin-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Ein wunderbarer Auftakt der Gutsherrin-Trilogie, den ich sehr gern gelesen habe.

Bewertung vom 17.11.2024
Gesthuysen, Anne

Vielleicht hat das Leben Besseres vor


ausgezeichnet

Ich habe bisher alle Bücher von Anne Gesthuysen sehr gern gelesen, und auch ihr neuester Roman konnte mich überzeugen. Es war ein Wiedersehen mit der Pastorin Anna von Betteray, ihrer Schwester Maria und Mutter Mechthild, Großtante Ottilie, dem Postboten Martinchen und Volker Janssen vom LKA.
Anna hat sich als Pastorin in Alpen, einem kleinen Dorf am Niederrhein, gut etabliert. Ihr vierzehnjähriger Neffe Sascha lebt seit einigen Monaten bei ihr, da seine Mutter Maria nach dem Scheitern ihrer Ehe mit dem Grafen Gottfried von Moitzfeld nicht mehr in der Lage ist, sich um ihn zu kümmern.
In einem zweiten Handlungsstrang wird die Geschichte von Heike Müller und ihrer Familie erzählt. In Rückblenden erfahren wir von dem Unfall, den Heikes Tochter Raffaela im Alter von einem Jahr nur knapp überlebt hatte. Als das Mädchen nach Monaten aus dem Koma erwacht war, hatte ihr Gehirn irreparable Schäden erlitten. Seitdem lebt Heike mit Schuldgefühlen, die ihr ganzes Leben überschatten. Ihr Mann Kai hat sich von der Familie abgewandt, er führt ein neues Leben mit einer neuen Familie. Heikes und Kais Sohn Johannes studiert Medizin, er geht sehr liebevoll mit seiner behinderten kleinen Schwester um.
Als Raffaela bewusstlos im Feld aufgefunden wird, ist die Aufregung im Dorf groß. Volker Janssen ermittelt, ob Fremdverschulden vorliegt, der junge drogenabhängige Mikey, der Raffaela gefunden hatte, wird zum Hauptverdächtigen.
Ich habe das Buch sehr gern gelesen, besonders Heikes und Raffaelas Geschichte hat mich sehr berührt. Im Nachwort schreibt die Autorin: „Es ist diese eine verdammt Sekunde, die ein Leben auf den Kopf stellen kann, die Träume und Pläne zerstört, scheinbar Selbstverständliches absurd erscheinen lässt.“ Wie froh bin ich, dass die kleinen Unfälle meiner Kinder glimpflich ausgegangen sind, manch ein Missgeschick hätte genauso schlimm ausgehen können wie bei Raffaela.
Sehr gern habe ich die Liebesgeschichte der beiden Goldendoodles Freddy und Gloria mitverfolgt, ein Lesegenuss für jeden Hundeliebhaber. Weniger interessant fand ich die Vorbereitung der 90-jährigen Jubiläumsfeier des Dorfes, bei der der Chor zusammen mit DJ Ötzi ein Potpourri aus neun Jahrzehnten zum Besten geben sollte, und die Frage aufkam, welche der Lieder heute noch politisch korrekt sind und gesungen werden können.
Ich habe beim Lesen geweint und gelacht und mit Heike gelitten. Von mir eine Leseempfehlung, sowohl für Leser*Innen von Kriminal- als auch von Familienromanen.

Bewertung vom 17.11.2024
Wolff, Iris

Lichtungen


sehr gut

Lichtungen ist die Geschichte der Freundschaft zwischen Lev und Kato. Es ist der erste Roman, den ich gelesen habe, der rückwärts geschrieben wurde. Ich muss zugeben, dass ich es schwierig fand, den Inhalt zu verstehen, ohne die Hintergründe zu kennen, über die man üblicherweise zu Beginn eines Buches informiert wird. In jedem Kapitel kamen neue Personen hinzu, von denen ich erst einmal nur die Namen kannte. Um die Geschichte zu verstehen, habe ich das Buch zweimal gelesen, wobei es beim zweiten Mal ausreichte, manche Passagen zu überfliegen.
Lev und Kato sind zusammen unterwegs, Kato ist Künstlerin und verdient ihren Unterhalt als Straßenmalerin. Ihre Wege haben sich fünf Jahre zuvor getrennt, als Kato mit ihrem neuen Freund Tom zu einer Europareise aufgebrochen ist. Wie versprochen schickt sie Lev aus jeder Stadt, in der sie war, eine Postkarte. Dann bekommt er eine mit nur drei Worten „Wann kommst du?“.
Der Roman ist aus Levs Perspektive geschrieben. Er hat eine siebenbürgisch-sächsische Mutter, einen rumänischen Vater und einen österreichischen Großvater: „Wenn die Verhältnisse so kompliziert sind wie in ihrer Familie, plädiere er dafür, dass man sich die Sache aussuchen könne. Zugehörigkeit ist vielleicht nichts anderes als eine Entscheidung. Er sei als Österreicher in dieses Jahrhundert gestartet und, obwohl er sich geographisch nicht vom Fleck bewegt hatte, Rumäne geworden, dann Ungar und habe schließlich, auch wenn sein Pass ihn jetzt wieder als Rumänen auswies, entschieden, er bleibe Österreicher. Bis 1919 gehörte Siebenbürgen zu Österreich-Ungarn, dann zu Rumänien, zwanzig Jahre später wieder Ungarn, vier Jahre später wieder Rumänien.“ (S. 165/166)
Jedes Kapitel wird mit einem Sprichwort oder einer Redensart in einer der Sprachen oder Dialekte eingeleitet, die in Rumänien gesprochen werden: Rumänisch, Ungarisch, Ru¬thenisch, Siebenbürgisch, Polnisch. Die Übersetzungen der Zitate stehen nach dem Dank am Ende des Buches, so dass das Nachschlagen den Lesefluss unterbricht.
Drei Charaktere mochte ich besonders gern: Die Großeltern Bunica und Ferry und Levs Freund Imre. Sehr berührend fand ich Levs Freundschaft zum Kater Khalil und Katos Liebe zu allen Tieren.
Der Schreibstil ist poetisch und wunderschön: „Etwas blieb, und etwas ging verloren, manches schon im Augenblick des Geschehens, und wie sehr man sich auch bemühte, es tauchte nie wieder auf. Erinnerungen waren über die Zeit verstreut wie Lichtungen.“ (S. 57) Ein Roman, auf den man sich voll und ganz einlassen sollte, und den ich gern weiterempfehle.