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Lu
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 225 Bewertungen
Bewertung vom 01.09.2025
Myers, Benjamin

Strandgut


sehr gut

Benjamin Myers erzählt in Strandgut die Geschichte von Earlon »Bucky« Bronco, einem siebzigjährigen Witwer aus Chicago, der sich durchs Leben schleppt, bis ihn eine unerwartete Einladung nach England führt – zu einem Soul-Festival, das ihn mit seiner fast vergessenen Vergangenheit als Musiker konfrontiert. Dort begegnet er nicht nur Fans seiner alten Songs, sondern auch Dinah, einer Frau, die selbst in ihrem Alltag feststeckt und sich nach mehr sehnt.
Mich haben die Themen des Romans sehr berührt: der Umgang mit Schicksalsschlägen, Trauer und Sucht, aber auch die Kraft von Musik, Neuanfängen und menschlicher Nähe. Sowohl Bucky als auch Dinah sind keine glatten Figuren, sondern glaubwürdig komplex und verletzlich gezeichnet. Myers schafft es, ihre Begegnung so zu schildern, dass man als Leserin mit beiden mitfühlt und ihnen die Daumen für den Schritt zu einem Neuanfang drückt.
Trotzdem: Im Mittelteil hatte die Geschichte für mich leichte Längen, besonders dort, wo Buckys Suchtproblematik sehr ausführlich behandelt wird. Außerdem sollte man eine gewisse Toleranz für Kitsch mitbringen, denn der Roman trägt in einigen Sätzen bewusst dick auf. Leider bin ich auch ein paar Mal über die Übersetzung gestolpert, weshalb der Roman sich im Original wahrscheinlich flüssiger lesen lässt.
Am Ende bleibt jedoch das Gefühl, einen echten Wohlfühlroman gelesen zu haben – eine Geschichte, die Mut macht, dass Neuanfänge in jedem Alter und in jeder Situation möglich sind.

Bewertung vom 24.08.2025
Hughes, Siân

Perlen


sehr gut

In Perlen erzählt Siân Hughes eine leise, melancholische Geschichte über Verlust, Erinnerungen und die Schatten, die ein Trauma über Generationen werfen kann. Die Protagonistin verliert früh ihre Mutter unter ungeklärten Umständen, was ihr restliches Leben prägt. Als sie selbst Mutter wird, beginnt sie, sich mit diesem Schmerz auseinanderzusetzen und der eigenen Familiengeschichte nachzuspüren.
Der Roman ist ruhig erzählt, beinahe zart, und genau darin liegt seine Stärke – wobei ich das erst im Laufe des Romans erkannt habe. Gerade zu Beginn habe ich mich schwergetan, weil doch eher langsam erzählt wird und die Themen direkt sehr schwer sind: Verlust, psychische Erkrankungen, Magersucht, Selbstverletzung – all das wird ohne Dramatik, aber eindringlich behandelt.
Mich hat das Buch auf Abstand gehalten: Die Atmosphäre ist von Grund auf melancholisch, und als Leserin fühlte ich mich oft eher wie eine stille Beobachterin, die von außen auf das Leben der Protagonistin schaut. Dieses Gefühl der Distanz ist Teil der Wirkung, auch wenn es mir stellenweise den Zugang erschwert hat. Besonders schön fand ich schließlich das Ende. Perlen ist kein lautes Buch, sondern eines, das viele Reflektionen der Erzählerin enthält und diese auch bei den Leser:innen hervorrufen möchte. Dafür muss man sicher in der richtigen Stimmung sein, um es zu lesen.

Bewertung vom 24.08.2025
Reid, Taylor Jenkins

Atmosphere


sehr gut

Taylor Jenkins Reid kann einfach erzählen – das merkt man auch in „Atmosphere“. Joan Goodwin ist eine Frau, die von den Sternen träumt. Der Roman begleitet sie in Rückblicken auf dem Weg ins Space-Shuttle-Programm der NASA in den 1980er Jahren und erzählt insbesondere von den Schwierigkeiten, eine der ersten Frauen in diesem Programm zu sein. Zusätzlich verliebt sich Joan in eine Person des Programms – was ihre Karriere beenden könnte, wenn es bekannt würde. Im Handlungsstrang, der in der Gegenwart des Romans spielt, sitzt Joan schließlich im mission control center und begleitet als Kommunikatorin eine Raumfahrtmission, als plötzlich alles zu eskalieren scheint.
Auch in diesem Roman kommt das typische Jenkins-Reid-Gefühl auf: nahbare Figuren, große Träume, eine Prise Melancholie und ein Setting in einem anderen Jahrzehnt, in dessen Lebensgefühl man richtig eintauchen kann. Allerdings hat mich „Atmosphere“ nicht ganz so sehr gefesselt wie andere Romane der Autorin, etwa „Carrie Soto is back“. Die Rückblenden waren stellenweise zu gemächlich erzählt, und einige Szenen im Shuttle wirkten für mich eher unglaubwürdig, weil die Astronaut:innen sich zu ihrer eigenen Sicherheit wahrscheinlich in Wirklichkeit streng an die Vorgaben halten. Trotzdem: Joans innere Zerrissenheit zwischen Karriere und Pflicht, Leidenschaft und Liebe ist spannend erzählt und ich habe den Roman gerne gelesen. Wer Jenkins Reid mag, wird auch hier wieder mit Emotionen, schnellen Dialogen und einem interessanten Einblick in eine andere Zeit belohnt – nur eben etwas weniger temporeich.

Bewertung vom 24.08.2025
Du Maurier, Daphne

Die Frauen von Cornwall


sehr gut

Daphne du Mauriers literarisches Debüt „Die Frauen von Cornwall“ (engl. The Loving Spirit) liegt nun erstmals vollständig auf Deutsch vor – und es ist spannend, einen so frühen Roman einer später weltberühmten Autorin neu zu entdecken.
Janet sehnt sich nach dem Meer. Täglich steht sie auf den Klippen des cornischen Dorfs Plyn und schaut in die Ferne. Da ihr als Frau eine Karriere als Seefahrerin nicht offensteht, heiratet sie den Werftbesitzer Thomas Coombe und führt zunächst ein geordnetes, angepasstes Leben. Ihr Herz schlägt jedoch weiterhin für das Meer, für Abenteuer, für ein Leben jenseits der Konventionen – ein unstillbares Verlangen, das sie an ihren Sohn Joseph weitergibt. Doch mit seiner Wildheit, den Sehnsüchten nach Ferne und Freiheit und der Rivalität zu seinem Bruder Philip gerät das fragile Gleichgewicht der Familie ins Wanken.
Die Saga wird über mehrere Generationen hinweg erzählt und hat zweifellos ihre Längen, aber für mich haben sich mit jeder Seite mehr von du Mauriers unverkennbarem Gespür für Dramatik, starke Frauenfiguren und die eindrucksvolle Landschaft Cornwalls entfaltet. Besonders der lokale Bezug hat mir gut gefallen – und da Joseph als Seemann um die Welt reist, kommt sogar Hamburg in einer Episode vor!
Etwas befremdlich fand ich die Beschreibung der engen Bindung zwischen Janet und Joseph, die manchmal eher an eine Liebesbeziehung als an Mutter und Sohn erinnert. Während z.B. patriarchale Muster in den Beziehungen im Roman immer auch kritisch beleuchtet werden, habe ich hier eine Distanzierung von dem seltsamen Verhältnis vermisst. Doch über diese Irritationen hinweg hat sich die Lektüre für mich trotz kleiner Durststrecken am Ende definitiv gelohnt.

Bewertung vom 24.08.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


ausgezeichnet

Antonia wacht eines Tages in einem Leben auf, das nicht ihres ist – und doch eine Version davon. Statt kinderlos mit ihrem Freund Jakob in der Großstadt zu leben, ist sie plötzlich verheiratet mit Adam, ihrer ersten großen Liebe, und Mutter eines Babys in ihrer alten Heimat. Zwei Entwürfe für ein Leben, die unterschiedlicher kaum sein könnten – und beide voller Fragen: Was macht ein erfülltes Leben aus? Wie findet man sich im eigenen Leben selbstbestimmt zurecht?
Anne Sauer gelingt es in ihrem Debüt, diese Parallelwelten gleichwertig nebeneinanderzustellen. Besonders gefallen hat mir, mit welcher Leichtigkeit sie von Themen wie Kinderwunsch, Partnerschaft und Lebensentscheidungen erzählt. Dabei ist der Ton nie schwer, sondern warm, ehrlich und mit Humor durchzogen.
Mich hat der Roman sehr berührt – und das nicht nur, weil er so existentielle Fragen stellt, sondern weil er mich mitten in einem Lesetief wieder zur Begeisterung fürs Lesen zurückgeholt hat. Für mich ist „Im Leben nebenan“ mein Buch des Jahres 2025. Ein kluges, empathisches und zugleich leichtfüßiges Debüt, dem ich ganz viele Leser*innen wünsche – ausdrücklich auch Leser!

Bewertung vom 26.05.2025
Apraku, Josephine;Antmann, Debora;Bordo Benavides, Olenka

Diskriminierung geht uns alle an


gut

„Diskriminierung geht uns alle an“ ist ein kluges, zugängliches und wunderbar vielseitiges Sachbuch, das wichtige Themen auf eine einfühlsame und gleichzeitig klare Weise vermittelt. 19 verschiedene Autorinnen und Illustratorinnen teilen persönliche Texte und Bilder, die zeigen, wie sich Diskriminierung anfühlen kann, wie sie entsteht, wie wir sie erkennen und was wir tun können – von Ableismus über Antisemitismus bis hin zu Rassismus und Sexismus.

Besonders gefallen hat mir die Vielfalt der Perspektiven und die anschauliche, leicht verständliche Sprache, die sich an Kinder ab 12 Jahren richtet, aber auch für Erwachsene gut zu lesen ist. Ich glaube außerdem, dass auch jüngere Kinder bei gemeinsamer Lektüre schon etwas mit dem Sachbuch anfangen können. Ohne erhobenen Zeigefinger, dafür mit viel Empathie und Empowerment, werden Leser:innen ermutigt, genauer hinzuschauen und Verantwortung zu übernehmen. Trotz meiner eigenen Vorkenntnisse konnte auch ich noch dazulernen. Wertvoll ist auch, dass sich das Buch immer wieder direkt an betroffene Kinder wendet, sie informiert und ihnen Mut macht.

Ein wichtiges, abwechslungsreich gestaltetes Buch, das in keiner Schulbibliothek, keinem Klassenzimmer und keinem Haushalt fehlen sollte!

Bewertung vom 26.05.2025
Deitch, Hannah

Killer Potential


gut

Ein spannendes Szenario, das sofort neugierig macht: Die junge Nachhilfelehrerin Evie Gordon gerät mitten in einen Doppelmord in einer reichen Familie – und findet sich kurz darauf auf der Flucht mit einer stummen Frau wieder. Was wie ein klassischer Thriller rasant beginnt, entfaltet sich bald zu einem Gedankenkarusell, bei dem Evie zwischen Tatverdacht, öffentlicher Meinung und dem Kampf um die Wahrheit gefangen ist.

Ich mochte den Einstieg: schnelles Tempo, ein packender Moment jagt den nächsten, die Ausgangslage ist filmreif. Doch leider verliert die Geschichte danach spürbar an Schwung. Über weite Strecken ziehen sich die Ereignisse zäh, weil es kaum Dialoge gibt und sich die Handlung in Evies innerem Monolog verliert. Das bremst die Dynamik, die der Anfang so vielversprechend aufgebaut hatte. Die geheimnisvolle stumme Frau an Evies Seite blieb lange zu rätselhaft, um bei mir wirklich Interesse zu wecken.

Die zwischendurch interessante Dynamik zwischen den beiden Protagonistinnen hat mich zwar ein bisschen entschädigt, konnte für mich aber die langatmige Mitte des Romans und die sich wiederholenden Szenen nicht vollends ausgleichen. Die Themen Klassenunterschiede, Obsessionen und moralische Grauzonen sind interessant gesetzt, bleiben aber oberflächlich. Wer sich auf eine langsame, psychologisch aufgeladene Erzählweise einlassen kann, wird hier vielleicht dennoch fündig.

Bewertung vom 11.05.2025
Chambers, Essie

Swift River


sehr gut

Swift River erzählt die Geschichte der 16-jährigen Diamond, die nach dem Verschwinden ihres Vaters in einem strukturell rassistischen, emotional kargen Umfeld aufwächst. Geborgenheit findet sie vor allem im Essen, in Büchern und zunehmend in kleinen, vorsichtigen Beziehungen zu anderen – seien es ihre neue Freundin Shelly, neuer Kontakt zu ihrer Cousine Lena oder ihre Fahrstunden, die ihr zum ersten Mal echte Selbstständigkeit ermöglichen. Ihre Mutter dagegen schafft es nicht, Diamond wirklich zu unterstützen.

Die Coming-of-Age-Geschichte von Diamond ist feinfühlig und schmerzhaft ehrlich. Besonders berührend fand ich ihre Entwicklung: Sie beginnt, sich von den Projektionen und Erwartungen ihres Umfelds zu lösen, findet neue weibliche und Schwarze Vorbilder, und erkennt langsam, dass sie mehr verdient als das, was ihr Umfeld ihr bisher gegeben hat.

Zusätzlich gibt es eine historische Rahmenhandlung, die erklärt, warum Diamond die einzige Schwarze in der Stadt ist. Die Erzählung um Clara, die als Schwarze Frau Anfang des 20. Jahrhunderts trotz massiver Diskriminierung in Swift River blieb, hat mich ebenfalls beschäftigt, auch wenn ich mir manchmal etwas mehr Kontext gewünscht hätte. Dass sich die Schwarze Bevölkerung der Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts kollektiv gezwungen sah, Swift River zu verlassen, ist ein zentrales, aber wenig dokumentiertes Thema. Der Roman deutet hier auf reale rassistische Vertreibungen hin, ohne sich dabei zu sehr in historischen Details zu verlieren – was einerseits Raum für Interpretation lässt, andererseits ein wenig Orientierung erschwert.

Was Swift River besonders macht, ist die zarte Hoffnung, die sich durch die oft schmerzhafte Handlung zieht: Trotz Verlust, Isolation und einem Mangel an Fürsorge gelingt es Diamond, sich selbst eine Zukunft zu erschließen – langsam, tastend, aber stetig. Eine bittersüße Geschichte über Identität, Herkunft und die Suche nach einem Ort, an dem man wirklich gesehen wird.

Bewertung vom 28.04.2025
Schützer, Karolina

Unter den Sternen von Paris


gut

„Unter den Sternen von Paris“ bietet auf den ersten Blick alles, was man sich von einem romantischen Wohlfühlroman wünschen würde: Die frisch geschiedene Sophia steht an einem Wendepunkt in ihrem Leben. Sie muss entscheiden, wie sie sich ihr zukünftiges Leben vorstellen soll - ob als rasende Reporterin in der ganzen Welt oder als Besitzerin einer kleinen Bar in Paris. Dazu kommen das hübsche Cover des Romans, die Magie von Paris, eine charmante Bar im Quartier Latin und eine Prise Familiengeheimnisse. Die Idee, Sophias Neuanfang mit der Entdeckung der Vergangenheit ihrer Großmutter zu verbinden, von der sie die Bar geerbt hat, hat definitiv Potenzial und die Kulisse hätte viele schöne Momente hergeben können.

Leider bleibt die Umsetzung hinter den Erwartungen zurück: Die Dialoge wirkten oft hölzern und die Figuren konnten mich emotional kaum erreichen. Zwischen Sophia und ihrem love interest entstand kein echtes Knistern und keine glaubwürdige Dynamik. Auch die große Enthüllung am Ende des Romans zur Vergangenheit der Großmutter fühlte sich für mich wenig zeitgemäß und konstruiert an – ein dramatischer Effekt, der eher künstlich wirkte als tatsächlich zu berühren. Überrascht ist hier wohl nur, wer wirklich konservative Ansichten hat.

Trotz allem ließ doch der Roman schnell und leicht lesen, die Beschreibung der Renovierung, die wohl in keinem Wohlfühlroman fehlen darf, mochte ich. Insgesamt eine nette Lektüre für zwischendurch, vor allem für Fans von Paris-Romanen – für mich persönlich fehlte es aber an Authentizität und Tiefe.

Bewertung vom 27.04.2025
Unterweger, Lena

Tradition trifft vegan


sehr gut

„Tradition trifft vegan“ zeigt auf sympathische Weise, dass Südtiroler Klassiker wie Knödel, Apfelstrudel oder Gulaschsuppe auch ohne tierische Produkte richtig lecker sein können. Die junge Autorin setzt dabei auf klare Anleitungen, die alle mit Fotos der Gerichte illustriert sind und legt großen Wert auf saisonale und regionale Zutaten, sodass es für mich keine Zutaten gab, die ich nicht leicht bekommen könnte. Die Gerichte sind abwechslungsreich und liebevoll zusammengestellt – perfekt für alle, die die Südtiroler Küche neu entdecken möchten.

Trotzdem hätte ich mir an einigen Stellen etwas mehr Tiefgang gewünscht: Hinweise, wie sich Rezepte gesünder, schneller oder variantenreicher gestalten lassen, fehlen leider. Gerade Kochanfänger könnten hier zusätzliche Tipps wahrscheinlich gut gebrauchen, weil viele Gerichte doch sehr aufwendig und dann sehr mächtig sind. Zudem habe ich ein Rezept für Spinatknödel vermisst, die für mich einfach zur Südtiroler Küche dazugehören.

Insgesamt ein schönes, solides Kochbuch mit tollen Rezepten, aber es bleibt etwas Luft nach oben, was Kreativität und Flexibilität angeht.