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TochterAlice
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Köln

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Insgesamt 1453 Bewertungen
Bewertung vom 16.08.2025
Maschik, Anna

Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten


ausgezeichnet

Eine Familiengeschichte sollte in erster Linie ausführlich sein und möglichst viele Wendungen und (Ab)Wege berücksichtigen. Warum eigentlich? Es geht doch darum, den Charakter, den Geist der Familie zu erfassen und das tut jeder Chronist sowieso auf seine individuelle, ureigene, subjektive Art und Weise. Vor allem, wenn aus dem entstehenden Werk ein belletristisches werden soll.

Anna Maschik geht in ihrem ersten Roman - als solcher wird das Werk zumindest auf Schutzumschlag und Deckblatt bezeichnet - einen völlig neuen, aus meiner Sicht innovativen Weg, indem sie verschiedene Stile kombiniert: Auflistung, Zusammenfassung, Zitat(artiges).

Man könnte meinen, dass dieses Meisterwerk - denn das ist es für mich - auch inhaltlich knapp gefasst ist, doch das Gegenteil ist der Fall. Die wenigen Worte und kurzen Passagen sind inhaltlich so dicht, so aussagekräftig, symbollastig und bedeutsam, dass Entwicklungen, Schwingungen, Umschwünge etc. absolut klar und deutlich zu erfassen und nachzuvollziehen sind. Einfach großartig!

Bewertung vom 16.08.2025
Maaß, Laura

Was du siehst


sehr gut

Hanna und Ruth, die künftigen Mütter von Andi und Jule, begegnen sich während ihrer Schwangerschaften und werden zu Freundinnen. Ihre Kinder sind beste Freunde von Geburt an und später ein Liebespaar in dem kleinen Dorf an der Elbe. Wenn auch nicht durchgehend, dazu ist Jules Leben zu kompliziert. Zunächst sucht sie nach der Bedeutung des (bzw. ihres) Lebens, dann nach einem wichtigen Familienmitglied.

Andi, Jule und ihre engste Umgebung sthen im Zentrum des Romans, alles andere, auch die DDR und deren Auflösung, passiert quasi drumherum. Was nicht bedeutet, dass die junge Autorin dies ignoriert, nein, sie deutet es geschickt an. Auch wenn man es teilweise nur bei sehr aufmerksamer Lektüre "auffangen" kann, aber diese hat das Buch verdient. Definitiv.

Laura Maaß entwickelt in ihrem Erstling bereits einen ausgesprochen individuellen Stil, zu dem ihr Sinn für Humor und Ironie sehr gut passt.

Wer Romane liebt, in denen es einen Anfang und ein Ende gibt, ist hier an genau der richtigen Adresse: die Handlung beginnt mit bzw. vor der Geburt der beiden Protagonisten Jule und Andi und endet mit... nun, lassen Sie es auf sich zukommen, es lohnt sich!

Bewertung vom 09.08.2025
Völler, Eva

Der Sommer am Ende der Welt


gut

Borkum im Sommer: Ja, das ist ein Touristenmagnet und auch Hanna und ihre Tochter begeben sich dorthin - wenn auch nicht nur zur Erholung. Nein - Hannas Mutter, inzwischen Ende sechzig, hat dort 1963 einen traumatischen Sommer erlebt - als Fünfjährige! Sie war eines der zahlreichen Verschickungskinder, die man damals aus gesundheitlichen Gründen in eine gesunde Umgebung - beispielsweise an die Nordsee schickte. Ein Erholungskur sollte es werden und war doch in zahlreichen Fällen häufig das Gegenteil.

Journalistin Hanna plant einen enthüllenden Artikel darüber und hat mit ihrer Tochter in der damaligen Kurklinik - inzwischen ein Luxushotel - gebucht. Doch ihr stellen sich so manche Widerstände in den Weg. Allerdings findet sie auch die Liebe - an dieser Stelle hat das Buch mich verloren, zumal es weitere Romanzen gab, wodurch das eigentliche, so wichtige und für mich sehr interessante Thema ziemlich in den Hintergrund trat.

Bewertung vom 04.08.2025
Kloeble, Christopher

Durch das Raue zu den Sternen


ausgezeichnet

Moll will singen: Und zwar nicht nur in Moll, sondern in allen Tonlagen. Da es in ihrem kleinen Ort keinen passenden Chor für sie gibt, tut sie alles, um in den Knabenchor hineinzukommen, was eigentlich unmöglich ist. Doch Moll wäre nicht Arkadia Fink - das ist nämlich ihr richtiger Name - wenn sie nicht bekommen würde, was sie will.

Ein überaus unterhaltsamer, warmherziger und tiefsinniger Roman, wie ich es von Christopher Kloeble nicht anders kenne. Hier schafft er es, tief in die Seele eines jungen Mädchens einzudringen und diese für sich sprechen und denken zu lassen - wie junge Mädchen dies eben tun. In diesem Falle ein zutiefst unglückliches junges Mädchen, auch wenn sie es sich nicht eingesteht. Sie hofft trotz anderer Hinweise (eigentlich ist es deutlich mehr als das), dass ihre lustige, liebevolle und so musikalische Mutter pünktlich zum Beginn ihrer Sangeskarriere zurück kommen wird. Und Moll kann zwar nicht zaubern, aber singen - also machen Sie sich auf etwas gefasst!

Bewertung vom 03.08.2025
Kelly, Julia R.

Das Geschenk des Meeres


ausgezeichnet

Eine Geschichte auf zwei (Zeit)Ebenen: im Jahr 1900 und einige Jahre später: Es ist wie bei den Königskindern: sie lieben sich und kommen einfach nicht zusammen. Doch anders als bei den Königskindern stehen sie sich selbst im Wegl Namentlich ist es Dorothy, die Josephs wiederholte Versuche, auf sie zuzukommen, abwehrt. Doch eigentlich ist sie selbst nicht daran schuld - neu aus Edinburgh in das kleine Dorf am Meer zu kommen. um dort als Lehrerin zu arbeiten, ist schnell klar, dass sie und Joseph füreinander bestimmt sind - aber die junge Agnes hat ihn für sich auserkoren und versucht, dies nach Kräften durchzudrücken. Vor allem, indem sie und die ihrigen Dorothy deutlich machen, dass sie die Finger von Joseph zu lassen hat!

Dorothy heiratet einen anderen, bekommt ein Kind und verliert dieses auf tragische Weise. Eine Geschichte von (wenig) Nähe und (überbordender) Ferne mit eindringlich gezeichneten Charakteren - sowohl die Haupt- als auch die Nebendarsteller sind - teils mit wenigen Worten - so klar und deutlich dargestellt, dass ich sie und auch das Setting bildhaft vor mir sehe.

Ein wundervoller, ruhiger, dabei kraftvoller und auch tragischer Roman, in dem am Ende die Hoffnung dominiert. Meine uneingeschränkte Empfehlung!

Bewertung vom 01.08.2025
Kuhn, Yuko

Onigiri


sehr gut

Das teilen Aki, aus deren Sicht dieser Roman erzählt wird und ihre Mutter Keiko, die einst aus Japan nach Deutschland kam, um zu singen, sich in einen Deutschen ver- und dann wieder entliebte, aber mit ihren beiden Kindern dennoch in Deutschland blieb.

Inzwischen ist sie dement - aber ihre kulturelle wie auch nationale Verlorenheit besteht weiterhin. Auch in ihrem Heimatland? Aki, inzwischen selbst verheiratet und Mutter mehrerer Kinder fliegt kurzerhand mit der Mutter nach Kobe, deren Heimatstadt, nachdem sie verspätet erfährt, dass ihre Großmutter verstorben ist.

Die Leser:innen erleben nicht nur die Reise der beiden, sondern tauchen während der Lektüre tief in die Biographien beider Protagonistinnen - und auch einiger mehr - ein.

Eine faszinierende, ungewöhnliche Lektüre, während der ich mir wieder und wieder die Frage stellte, ob bzw. inwiefern Akis Geschichte mit der der Autorin übereinstimmt. Wie auch immer, ich könnte es mir sehr gut vorstellen und mich hat diese Darstellung immer wieder sehr bewegt. Zugehörigkeit und Ausgeschlossensein in einem Land, in das man nicht, oder nur teilweise (in Akis Fall zur Hälfte) geboren ist, das sind große zeithistorische Themen, die auch mich selbst betreffen. Autorin Yuko Kuhn vermag das Dilemma derer, die "dazwischen" leben, eindringlich darzustellen - nur an einigen Stellen springt sie ein wenig zu sehr hin und her, die jeweiligen Sequenzen wirken dadurch etwas zerfahren bzw. verwirrend. Doch habe ich immer wieder in die Handlung zurückfinden und mich an den teils traurigen, teils sehr unterhaltsamen oder gar lustigen Schilderungen bereichern können.

Bewertung vom 27.07.2025
Shattuck, Ben

Die Geschichte des Klangs


gut

Ja, ja - die Liebe - ist es vor allem Lionels und Davids Liebe zur Musik oder doch die zueinander? Die ich im übrigen möglicherweise überlesen hätte, wäre ich nicht über das in diesem Kontext überaus unpassende Wort "vögeln" gestoßen.

Während des Ersten Weltkriegs in friedlichen Gefilden: Lionel, ein junger Musiker, vor allem Sänger, lernt David in einem Pub kennen und wird Monate später von diesem eingeladen, ihn auf einer beschwerlichen Reise unter Mitnahme eines alten Aufnahmegerätes - hier soll Lionel beim Tragen helfen - auf der Suche nach alten Folksongs im ländlichen Nordamerika zu begleiten.

Die Schilderung dieser Reise (abgesehen vom Vögeln) hat mir sehr zugesagt, was für ein wunderbares Projekt, dieses Sammeln und Aufzeichnen der Lieder, quasi eine Art Oral History in Liedern. Die ansonsten eher platonisch formulierte Zuneigung der beiden jungen Männer zueinander ist stimmungsvoll und einfühlsam geschildert. Der zweite Teil, der etwa 70 Jahre später, in den 1980er Jahren angesiedelt ist, kann damit aus meiner Sicht leider nicht mithalten und so verläuft diese Novelle für mich ein wenig im Sande....

Bewertung vom 25.07.2025
Hopper, Sophie

Miss Taylor, das Wasser und die Liebe


gut

Eine Frau auf neuen Wegen - zunächst unfreiwillig, da ihre Identität wider ihren Willen aufgedeckt wurde: Milla Taylor heißt eigentlich ganz anders (mit Nachnamen) und ist die Tochter eines wirtschaftlichen Schwergewichts, der Schuld an der Entstehung der Wirtschaftskrise von 1930 und all deren Folgen trug.

Sie führt(e) ein überaus unauffälliges Leben, bis ein ehrgeiziger Journalist einfach so mir nichts, dir nichts im Jahr 1950 ihre Identität aufdeckt - und zwar an ihrem Arbeitsplatz, den sie im Anschluss alsbald aufgibt. Bald entdeckt sie das Tauchen für sich und beteiligt sich an einer archäologischen Expedition eines rein weiblichen Teams nach Yucatan, Mexiko, wo sie beim Tauchen den entscheidenden Fund machte, den die Leiterin der Gruppe allerdings für sich beanspruchte.

Der Zufall verschlägt Milla nach Frankreich, sie taucht weiter - und verarbeitet eine unglücklcihe Liebe.

Das Buch ist aus meiner Sicht ein zweischneidiges Schwert - Thema und auch im Großen und Ganzen der Handlungsverlauf haben mir so gut gefallen, dass ich das Buch (über 400) Seiten an einem Tag durchlas. Das hatte aber auch mit Sprache und Form zu tun, über die ich mich stellenweise ärgerte - die Sprache war so gar nicht an die 1950er Jahre angepasst. Zudem ärgere ich mich als Historikerin auch sehr über atmosphärischen Verfehlungen in Romanen - dieser könnte auch in der Gegenwart angesiedelt sein. Doch möglicherweise ist dies weiteren Rezipienten nicht so wichtig.

Bewertung vom 24.07.2025
Stieler, Jana

Brackwasser - Stille Wasser sind tief. Und manche sogar tödlich ...


sehr gut

Svea ist dorthin zurückgekehrt, wo sie nie wieder sein wollte. Der Grund: das Haus ihres geliebten Onkels Sören, das er, der offensichtlich durch die eigene Hand verstarb, ihr vererbt hat. Einerseits freut es sie, ihm dadurch nahe zu sein, auch wenn er selbst nicht mehr da ist - sein Hund muss versorgt werden und in dem Haus erinnert alles an ihn.

Ansonsten jedoch hat sie nur traurige bzw. gar böse Erinnerungen an den kleinen Ort: ihre beste Freundin Julia verschwand damals auf Nimmerwiedersehen und deren Freund, den sie bis heute des Mordes an ihr verdächtigt, ist seit Jahr und Tag mit ihrer eigenen Schwester verheiratet, mit der sie früher sehr eng war. Doch seit diese unter dem Einfluss dieses seltsamen Menschen steht, haben sie keinen Kontakt mehr.

Es sind also vor allem zumindest unangenehme, teils sogar sehr schwierige Umstände, die Svea bei ihrer Rückkehr vorfindet, doch dann taucht ein Knochen auf, der laut Untersuchungsergebnis zu ihrer Freundin Julia gehört. Ab dann sieht sich Svea als Ermittlerin im Auftrag ihrer toten Freundin - unbedingt muss sie herausfinden, was passiert ist. Doch bald wird klar, dass sie selbst in großer Gefahr schwebt...

Bewertung vom 20.07.2025
Mitzenmacher, Christian

Knallkrebse


weniger gut

Knallt leider nicht so richtig!
Beziehungsweise im Klartext: die Handlung vermag mich nicht so recht zu erreichen. Als Leserin dieses Romans um einen jungen Mann und angehenden Wissenschaftler, der sich um einen jungen Flüchtling aus Afghanistan kümmert, bleibe ich außen vor.

Auf dem Rücken des Umschlags ist festgehalten, dass hier die Komplexität menschlicher Beziehungen ausgeleuchtet wird. Nicht aus meiner Sicht - ich bleibe hier völlig außen vor, habe nicht den Hauch einer Chance bei dem Beziehungsgeflecht des Ich-Erzählers durchzusteigen. Es sind eher Blitzlichter, Momentaufnahmen, die aus meiner Sicht das Miteinander nicht nachhaltig abbilden, es ist eher eine launenhafte Revue der Begegnungen von Tom mit seinem Schützling Farid, wobei drumherum noch seine Freundin Laura, sein Bruder Lukas und dann noch Yev, den ich so gar nicht einzuordnen vermag. Später kommt dann Sofie in Frankreich dazu, bei der Tom zeitweise unterkommt. Doch in diesen eigentlich doch vorhandenen Beziehungen findet sich keine Dichte und noch weniger Dynamik.

Von mir daher leider nur 2,5 Sterne!