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Tänja

Bewertungen

Insgesamt 47 Bewertungen
Bewertung vom 16.07.2025
Rubik, Kat Eryn

Furye


sehr gut

"Furye" ist ein Buch, das sich gnadenlos mit dem harten und guten Leben der Protagonistin beschäftigt. Der Roman beginnt mit einem tödlichen Autounfall, von dem die Protagonistin aus dem Fernsehen erfährt und dessen Insassen sie persönlich kennt. Bereits diese ersten Seiten konnten mich fesseln, weil der Schreibstil so besonders ist. Wie ein Gedicht wirkten die ersten Seiten auf mich.

Daraufhin reisen die Lesenden mit der Protagonistin in ihren Herkunftsort und gedanklich in ihre Vergangenheit. Dort ist sie in prekären Verhältnissen aufgewachsen. Doch dieser harte Start und der tragische Autounfall sind nicht alles, was dieser Roman an Schicksalsschlägen zu bieten hat. Mehr wirken die beiden Ausschnitte des Lebens der Protagonistin - ihre Jugend und das Jetzt - wie eine Aneinanderreihung von furchtbaren Ereignissen. Immer, wenn ich beim Lesen dachte, es kann nicht schlimmer kommen, kam es noch schlimmer. Dabei widerfahren der Protagonistin die Dinge nicht einfach nur, sondern sie bugsiert sich zusätzlich noch in komplexe Situationen hinein.

Dieses Buch zu lesen hat mich an die Grenzen des Erträglichen gebracht. Nach nahezu jedem Kapitel musste ich den Roman beiseitelegen und mich oft darüber aufregen, wie toxisch dieses Leben ist. Trotzdem habe ich die Geschichte quasi verschlungen und nach kurzen Pausen immer wieder weitergelesen. Es entstand ein Sog, der mich nicht losließ. Obwohl das Ende klar ist, verspürte ich den Drang zu erfahren, wie es weitergeht. Es lohnt sich zu sehen, wie die Protagonistin sich durch dieses Leben kämpft und den Glauben an eine Wendung nicht verliert.

Das Buch beginnt und endet mit dem Kapitel 0, einer Ellipse, in der die Geschichte liegt und stattfindet. Ein geniales Stilmittel, das mich den Anfang am Ende nochmal hat lesen lassen. Dabei wurde mir klar, dass bereits das erste Kapitel 0 verrät, was auf uns zukommt. Ich kann daher nur empfehlen, sich zunächst die Leseprobe anzusehen. Wenn euch diese anspricht, wird euch auch die faszinierende Tragik des Romans gefallen.

Bewertung vom 16.07.2025
Zwickau, Dora

Gesellschaftsspiel


sehr gut

Der Debütroman von Dora Zwickau konnte mich von Anfang an fesseln. Das liegt zum einen sicher daran, dass der Schreibstil von Zwickau klar und leicht lesbar ist. Zum anderen aber auch am interessanten Aufbau des Romans. Er ist in Teilen aus den Perspektiven der beiden Schwestern und ihrer Tante geschrieben. Dazwischen sind immer wieder Podcast-Gespräche, Chats und eine Sammlung von Posts angeführt. Die dadurch entstehende Dynamik entwickelt einen Sog, dem ich mich bis zur letzten Seite nicht mehr entziehen konnte. Dabei ist der Titel nicht nur passend, weil die Stadt Weimar das Angebot bekommt, eine eigene neue Gesellschaft zu gründen, sondern auch, weil der ganze Roman wie ein Kammerspiel wirkt.

Obwohl noch während der Geschichte die beiden Schwestern ihre Mutter und die Tante ihre Schwester verlieren, fokussiert sich alles auf das Gesellschaftsangebot des Internetmoguls "Double Z". Ich finde das eine großartige Analyse unserer Zeit. Beim Lesen fragte ich mich, kann es wirklich sein, dass das virtuelle Leben unser reales Leben verdrängt?

Überzeugt hat mich auch die hohe Aktualität der Geschichte. Dora Zwickau ist sowas von genau in der Zeit, ich hatte das Gefühl, sie hat das Buch letzte Woche geschrieben. Nahezu habe ich erwartet, dass die Diskussion um die Regenbogenfahne auf dem Bundestag noch auftaucht.

Das offene Ende ist für mich genau richtig. Es spiegelt für mich nochmal, wie in unserer digitalen Welt die Ereignisse kurz hypen und wieder verschwinden. Ich hoffe, dieses Buch wird nicht zu schnell wieder verschwinden, sondern gesehen und gelesen.

Bewertung vom 10.07.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


sehr gut

Vom Debütroman von Anne Sauer war ich schon auf den ersten beiden Seiten gefesselt. Der Roman startet mit einer akuten frühen Fehlgeburt. Diese Szene ist mir direkt so nahe gegangen, dass ich das Buch unbedingt lesen wollte.

Im weiteren Verlauf des Romans wird zu Teilen die Geschichte erzählt, wie es zur Fehlgeburt kam. Parallel erwacht die Protagonistin Antonia in einem anderen Leben in dem sie ihren Jugendfreund geheiratet hat mit einem Baby auf dem Bauch.

Der Wechsel zwischen den beiden Erzählsträngen ist gut zu verfolgen. Der Switch ist einfach und simpel markiert indem die Kapitelzahlen bei einem links und beim anderen rechts stehen.

Mich hat sehr fasziniert, dass Antonia im Babyleben immer wieder versucht, den Leuten mitzuteilen, dass sie sich im falschen Leben befindet und alle dieser Aussage nur mit Verständnis begegnen und nicht verstehen, welche verrückte Wahrheit dahinter steckt.

Außerdem gelingt es Sauer empathisch darzustellen, wie übersehen, überfordert und einsam sich frisch gebackene Mütter oft fehlen. Auch die Themen, unerfüllter wie auch aufgedrängter Kinderwunsch finden im Roman platzt. Der Schreibstil ist so wahnsinnig gut, dass mich oft einzelne Sätze zu Tränen rührten.

Ich war insgesamt ziemlich begeistert vom Buch. Einziger Wehmutstropfen ist, dass sich ein Leben am Ende des Buchs positiver anfühlt, als das andere. Dadurch entsteht ein wenig der Eindruck, als gäbe es doch eine bessere und eine schlechtere Entscheidung in der Kinderwunschfrage.

Bewertung vom 04.07.2025
Green, John Patrick

InvestiGators (Band 3) - Die Rache der Brösel


sehr gut

Bei diesem Buch handelt es sich um den dritten Teil einer Comicbuch Reihe. Der erste Band, stieß hier auf extrem große Begeisterung. Der zweite Teil fiel etwas ab, mein Sohn fand die Geschichte "bisschen komisch". Umso neugieriger war er auf den dritten Teil.

Zunächst einmal würde mein Sohn nicht empfehlen, den dritten Teil zuerst zu lesen. Es fehlen einem dann wichtige Informationen.

Mein Sohn fand dieses dritte Buch wieder sehr lustig und den Spannungsaufbau gelungen. Besonders spannend fand er die Stelle, wo der Gegner quasi besiegt wird, aber nicht klar ist, ob er im nächsten Band entkommen könnte. Es regt die Fantasie der Lesenden auf jeden Fall an.

Immer wieder spielen in der Geschichte Wortspiele eine Rolle. Das bringt nicht nur das Kind, sondern auch regelmäßig Erwachsene, die vorlesen, zum Lachen.

Insgesamt ist dieses Buch wieder genauso gut, wie der erste Teil und absolut zu empfehlen.

Bewertung vom 27.05.2025
Oertel, Friederike

Urlaub vom Patriarchat


ausgezeichnet

Von Friederike Oertels Buch "Urlaub vom Patriarchat" habe ich mich von Anfang an abgeholt gefühlt. Sie bricht auf, um eines der angeblichen letzten existierenden Matriarchate zu besuchen. Schon die Gründe für ihren Aufbruch konnte ich aus tiefstem Herzen nachvollziehen. Es ist eine Mischung aus dem Genervt sein, von der ständigen Diskriminierung, die jede von uns persönlich erfährt unter dem Wissen, dass es sich um Strukturen handelt, und einer depressiven Verstimmung.

Das Buch, das aus dieser Reise entstanden ist, ist eine Mischung aus Reisebericht und Sachbuch. Auch unterwegs erforscht Oertel das, was ihr persönlich begegnet, im strukturellen Zusammenhang. Ich habe dabei viel darüber gelernt, was als Matriarchat verstanden wird. Außerdem hat sie hochinteressante Fakten und Gedanken zu Geschlechterrollen, binärem Denken, Traditionen, Körperlichkeit und vielen mehr. Obwohl ich meiner Meinung nach viel feministische Literatur lese, waren mir einige Fakten neu und ich fand sie wahnsinnig interessant und auch emotional hat vieles stark an mir gerüttelt.

Besonders gefallen hat mir auch, dass sie benennt, wie viel - gerade wir als Millenials - in unserer Jugend falsch gelernt haben und wie häufig uns das ambivalente Gefühle gegenüber patriarchalen Strukturen beschert. So kann ich mich zum Beispiel mit dem Wissen anschließen, dass es sich bei der Ehe um ein patriarchales Instrument handelt. Gleichzeitig löst eine Hochzeit bei mir, genau wie bei Oertel, immer noch Freunde und romantische Gefühle aus. Sich diese Ambivalenzen bewusst zu machen, finde ich für den heutigen Feminismus extrem wichtig.

Auch wenn im Buch schnell klar wird, dass ein Matriarchat in exakter Entsprechung zum Patriarchat nicht zu finden ist, handelt es sich dennoch um ein Buch, dass Mut macht. Es erlaubt, sich selbst zu akzeptieren und stärkt meinen Glauben daran, dass es jederzeit möglich ist, Veränderungen anzustoßen und die Welt ein kleines bisschen gerechter zu machen.

Bewertung vom 15.04.2025
Lorenz, Sarah

Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken


sehr gut

Dieser Roman verbindet eine autofiktionale Geschichte mit Gedichten von Mascha Kaléko.

Zunächst muss ich sagen, dass ich der Autorin sehr dankbar bin, dass sie mich auf die Dichterin aufmerksam gemacht hat. Ihre Gedichte sind wunderbar. Und bei meiner Recherche habe ich herausgefunden, dass sie die einzige bekannte weibliche Dichterin der "neuen Sachlichkeit" ist. Mindestens zwei Gründe also, Kaléko kennen zu müssen.

Die Geschichte ist schonungslos. Mich hat sie bereits im ersten Viertel zum Weinen gebracht. Lorenz beschreibt die Kindheit der Protagonistin im Heim so authentisch, dass sie mich im tiefsten Herzen berührt hat. Wenn das autobiographisch ist, möchte ich Lorenz sehr lange und sehr fest in den Arm nehmen. So etwas sollte keinem Kind geschehen.

Auch nach der Zeit im Heim nimmt die Geschichte keine positive Wendung. Ich hatte zum Ende des Mittelteils einen kleinen Durchhänger, weil ich das Gefühl bekam, es beginnt sich im Kreis zu drehen. Das war aber nur ein kurzer Moment, bis das Buch zum Ende hin wieder an Drive gewinnt. Die ganze Zeit über blieb ich im Sog der Geschichte.

Der Roman hat insgesamt einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen und hallt nach.

Bewertung vom 19.03.2025
Lugbauer, Eva

Schwimmen im Glas


sehr gut

In diesem Buch geht es um ein Mädchen im zehnten und elften Lebensjahr.

Ich möchte zunächst sagen, dass mir das Format dieses Romans sehr gut gefällt. Die Größe ist einfach perfekt und der Einband sehr hochwertig.

Der Schreibstil von Lugbauer ist eindringlich. Es gelingt ihr in wenigen Worten zu beschreiben, welche Erwartungen schon an Mädchen im Grundschulalter gestellt werden. Die Metapher des Fisches im Glas für diesen einengenden Rahmen hat mich sehr angesprochen. Die Protagonistin hat immer wieder das Gefühl, etwas nicht zu wollen und fügt sich dem doch. Gefühle, die wohl jedes Mädchen und weiblich definierte Personen immer wieder durchleben.
Das Augenmerk fällt auch darauf, wie beschränkend das Patriarchat für Männer ist und wie manche darunter leiden. Ebenso fand ich einige gelungene Metaphern für die fehlende Solidarität unter Frauen.

Insgesamt eine klare Zeichnung von und Auseinandersetzung mit unserer patriarchalen Gesellschaft.

Bewertung vom 12.03.2025
Behm, Martina

Hier draußen


ausgezeichnet

Ganz ganz selten gibt es Romane, die sprechen mich im tiefsten Herzen an. Um genauso ein Buch handelt es sich hier.

Dabei beschreibt Martina Behm nur ein Jahr in einem kleinen Dorf nahe Hamburg, nachdem eine weiße Hirschkuh getötet wurde. Womit, so wissen die Alteingesessenen im Dorf, dem Tötenden nur noch ein Jahr zu leben bleibt.

Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven und in verschiedenen Jahrzehnten erzählt. Es geht um die, die schon immer im Dorf lebten und um die Zugezogenen. Gleichzeitig geht es aber auch um Beziehungen, Liebe und Freundschaften. Es dreht sich um Erwartungen an Ehepartner*innen, Frauen, Männer und Kinder. Es geht darum, in Situationen festzustecken, von einander zu lernen und sich zu lösen. Man merkt, wie die Bewohner*innen zusammengewachsen sind und sich beäugen, aber auch aufeinander achten und füreinander da sind. Häufig passiert das ganz typisch norddeutsch ohne viele Worte.

Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass Behm das Wesen von gleich mehreren Generationen vollkommen erfasst hat. Ich fühlte mich bei den Gleichaltrigen abgeholt und konnte tiefes Verständnis für die Älteren entwickeln.

Behm hat eine Menge der unterschiedlichsten Charaktere entwickelt und jeder davon ist so authentisch gezeichnet, dass jede Handlung vollkommen nachvollziehbar wird. Sie schreibt so wertschätzend über ihre Protagonist*innen, dass es unmöglich ist, sie nicht ins Herz zu schließen. Die Figuren sind so lebendig, dass ich beim Lesen das Gefühl bekam, dass es dieses Dorf wirklich geben muss.

Es entsteht, trotz dem, was die Protagonist*innen an Schicksal einzustecken haben, eine Wohlfühlatmosphäre. Ich habe den Roman zugeschlagen und könnte ihn direkt noch einmal lesen. Das ist wirklich eine große Geschichte. ♥️

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.02.2025
Gmuer, Sara

Achtzehnter Stock


sehr gut

Auf dieses Buch bin ich durch das Cover aufmerksam geworden. Die Malerei des Himmels finden ich unheimlich ansprechend.

Die Autorin Sara Gmuer ist auch Rapperin und das merkt man dem Schreibstil an. Die Sätze sind kurz, die Aussage klar und das Gefühl intensiv. Trotzdem es bei mir aktuell minus drei Grad draußen sind, konnte ich die Hitze zwischen den Plattenbauten, über die Gmuer schreibt, direkt fühlen. Die Sprache ist leicht und doch klangvoll und bildhaft.

Die Protagonistin Wanda ist ein Charakter, mit dem ich wenig gemein habe. Ich hatte aber direkt eine Verbindung zu ihr und ihren Emotionen. Mich hat es extrem mitgerissen, als ihre Tochter lebensgefährlich erkrankt. Darauf fehlt mir auch der Hinweis im Klappentext. Es passiert schon auf den ersten dreißig Seiten, daher finde ich, es hätte nicht gespoilert, wäre für mich aber eine Triggerwarnung gewesen. Dieser Teil der Geschichte hat mich mit seiner Authentizität und Intensität einfach von den Füßen gerissen.

In Abgrenzung zu dieser harten Realität bleiben die Ereignisse im Showbusiness immer etwas verschwommen, wodurch die Andersartigkeit dieser beiden Welten noch besser zur Geltung kommt.

Etwas irritiert hat mich, das die Pandemie hin und wieder eine Nebenrolle spielt. Ich kann aber nicht sagen, ob das im Roman schlecht eingesetzt wurde oder ob es für mich schon wieder so weit weg ist, dass es nur irritierend wirkt.

Als ich am Ende war, dachte ich, die ganze Geschichte erinnert an ein Märchen. Wie die Märchen der Brüder Grimm, ist auch dieser Roman düster und doch schön. Vielleicht ein modernes Märchen und auf jeden Fall ein faszinierender Roman, der sich zu lesen lohnt.

Bewertung vom 12.02.2025
Pásztor, Susann

Von hier aus weiter


sehr gut

Diesen Roman mochte ich schon nach dem ersten Seiten. Obwohl Marlene gerade erst ihren Mann verloren hat und immer wieder zu lesen ist, dass sie sich nur mit Valium über Wasser hält, ist der Roman eigentlich gar nicht traurig. Das liegt aber nicht daran, dass es sich hier um eine romantisierte Geschichte a la "zusammen ist man weniger allein" handelt. Zwar tun sich im Lauf der Geschichte auch hier drei Fremde zusammen. Die anderen beiden begleiten Marlene aber nur ein Stück auf ihrem Weg.

Der Grund für die andere Emotion, die der Roman vermittelt, enthüllt sich etwa in der Mitte des Buches. Diese Enthüllung hat mich wirklich erschüttert. Die Spannungskurve nimmt hier eine keine Achterbahnrunde auf.

Dann dürfen die Lesenden Marlene noch ein Stück zurück in ihr Leben und auf einen Roadtrip begleiten. Es ist auf diesem und im ganzen Roman so, dass immer wieder Ereignisse vorkommen, die konstruiert wirken. Das ist für mich ein kleines Manko am Roman.

Ich mag es, dass am Ende ungesagt bleibt, warum das alles und es doch für Marlene und die Lesenden völlig klar ist. Das war mal eine ganz andere Charakterentwicklung, die mir sehr gut gefallen hat.