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meggie3

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Insgesamt 138 Bewertungen
Bewertung vom 29.06.2025
Eng, Tan Twan

Das Haus der Türen


ausgezeichnet

Sehr lesenswert

Der Roman beschreibt das Leben zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft Anfang des 20. Jahrhunderts in Penang, Malaysia. Es gibt zwei Protagonist:innen aus deren Sicht der Roman erzählt wird. Auf der einen Seite ist das Lesley Hamlyn, Ehefrau des Rechtsanwalts Robert Hamlyn, die in ihrer Ehe und dem für sie eigentlich recht bequemen Leben mit Houseboys und Köchen unglücklich ist. Auf der anderen Seite wird ein Teil des Romans aus der Sicht des bekannten Schriftstellers William Somerset Maugham („Willie“) erzählt, der bei Lesley und Robert mit seinem Sekretär und Geliebten Gerald im Jahr 1921 einige Wochen zu Besuch ist. In diesen Wochen erzählt ihm Lesley aus ihrem Leben: 1910 unterstützte sie Sun Yat-Sen, einen chinesischen Revolutionär, der zu diesem Zeitpunkt zwecks der Finanzierung seiner Revolutionspläne zum Sturz der Quing-Regierung in Penang war. Gleichzeitig traf sie sich mit einem Mitstreiter Sun Yat-Sens und entfloh so ihrer sie nicht zufriedenstellenden Ehe. Parallel zu diesen Ereignissen stand ihre Freundin Ethel Proudlock wegen Mordes vor Gericht.

Mich hat der Roman sehr gefesselt, obwohl ich gar nicht genau sagen kann, was mich exakt in den Bann gezogen hat. Ich finde die Mischung aus Fiktion und realen Ereignissen und Personen sehr gelungen (William Somerset Maugham, Sun Yat-Sen und auch der Prozess gegen Ethel Proudlock). Der Roman behandelt zum einen gesellschaftliche Themen wie die Kolonialisierung und die Geschichte Penangs, die Rolle der Frau und den Umgang mit Homosexualität zu der Zeit oder die historischen Ereignisse in China, zum anderen aber auch die persönlichen Gedanken, Gefühle und Lebensumstände der beiden Protagonist:innen Lesley und Willie. Die Charakterzeichnungen haben mich überzeugt. Obwohl sich die Ereignisse in dem Roman nicht überschlagen, sondern eher im Rückblick erzählt werden, kommen viele Themen und Aspekte zusammen. Sicherlich hätte es an einigen Stellen noch mehr in die Tiefe gehen können. Trotzdem wurden die Ungerechtigkeit und Auswirkungen der Kolonialisierung deutlich, obwohl sie nicht explizit im Zentrum des Romans stehen.

Mich lässt der Roman nachdenklich zurück, ich habe einiges gelernt und den Roman als sehr lesenswert empfunden. Außerdem fand ich die Sprache sehr schön, fast schon poetisch, genauso wie die Beschreibungen der Häuser und der Natur – so werden sicherlich weitere Romane des Autors Tan Twan Eng auf meiner Leseliste landen.

Bewertung vom 29.06.2025
Hope, Anna

Wo wir uns treffen


sehr gut

Detailreiche Charakter- und Landschaftsbeschreibungen

Als Philip Brooke, Familienoberhaupt der Familie Brooke, stirbt, versammelt sich seine Familie auf dem Anwesen in Sussex. Frannie, die älteste Tochter und Mutter der 7-jährigen Rowan, hat gemeinsam mit ihrem Vater in den vergangenen Jahren aus dem Anwesen ein renaturiertes, nachhaltiges Projekt gemacht. Sie erbt das Anwesen und möchte das Projekt weiterführen und ausbauen. Ihre beiden jüngeren Geschwister Milo und Isa haben mit dem Projekt wenig zu tun, wobei Milo für den zugehörigen Wald eigene Pläne hat. Einen tut die Geschwister, dass sie alle in ihrer Kindheit und Jugend erlittene Verletzungen verarbeiten müssen. Auch ihre Mutter hatte es schwer und hadert mit ihrem Leben mit Philip Brooke. Zur Beerdigung hat Isa außerdem Clara eingeladen, eine junge Doktorandin aus den USA, die Philips Tochter aus seiner Zeit in den USA sein könnte.

Mir haben die Beschreibungen der Landschaft und der Natur außerordentlich gut gefallen und auch die detaillierten Schilderungen der etwas düsteren Atmosphäre in dem herrschaftlichen, aber auch etwas heruntergekommenen, Gutshaus sind sehr gelungen. Ich finde auch, dass die Charaktere zwar nicht unbedingt Sympathiepreise gewinnen, aber authentisch und detailliert beschrieben sind. Ich fand sehr gut, dass neben den Geschwistern auch die Perspektive langjährig Beschäftigter auf dem Anwesen abgebildet wird. Trotz all der positiven Aspekte hat mich der Roman nicht 100-prozentig überzeugt. Ich hatte immer wieder das Gefühl, dass der Roman sich etwas zieht. Auch hätte ich mir gewünscht, dass Clara etwas mehr Raum bekommen und es eine noch tiefergehende Auseinandersetzung mit ihren Rechercheergebnissen gegeben hätte.

Insgesamt lässt sich der Roman gut lesen und mir hat die Schreibweise gut gefallen. Wer sich auf detaillierte Charakter- und Landschaftsbeschreibungen einlassen mag, kann durch „Wo wir uns treffen“ gut unterhalten werden.

Bewertung vom 23.06.2025
Cors, Benjamin

Aschesommer / Gruppe 4 ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Sehr spannender Thriller mit interessanten Ermittler*innen

Nachdem ich den ersten Krimi „Krähentage“ um die Gruppe 4 nahezu verschlungen habe, hatte ich große Erwartungen an „Aschesommer“. Diese wurden nicht enttäuscht!

Bei sengender Sommerhitze werden in einem aufwendig hergerichteten Kühlraum unter der Erde zwei Tote entdeckt. An der Wand steht geschrieben: „Das erste Sterben hat begonnen“. Offensichtlich hat es die Gruppe 4 um die Ermittler*innen Jakob und Mila erneut mit einer Mordserie zu tun. Unter schwierigen Bedingungen beginnen die Ermittlungen, die die Beiden gemeinsam mit ihrem Team in tiefe Abgründe führen.

Ich liebe Krimis, in denen ich als Leserin Ermittler*innen bei ihren Ermittlungsschritten folgen kann. Auch deshalb mag ich diese Krimi- bzw. Thrillerreihe. Gleichzeitig wird durch die Kapitel, die beispielsweise aus der Perspektive eines Opfers oder potenzieller Täter geschrieben sind, eine größere Emotionalität bei mir ausgelöst. Diese Mischung aus Perspektiven sorgt für eine stetig steigende Spannung, sodass ich den Thriller irgendwann gar nicht mehr aus der Hand legen mochte.
Auch zwischenzeitliche Spannungen im Team und die Päckchen, die die Ermittler*innen zu tragen haben, tragen zur Sogwirkung des Krimis bei. Auch hier gefällt mir die Ausgewogenheit zwischen Ermittlungsarbeit und Einblicken in die Leben der Ermittler*innen.

Insgesamt kann ich den Thriller und zweiten Band um die Gruppe 4 auf jeden Fall allen weiterempfehlen, die spannende Thriller und Krimis mögen. Einen dritten Teil lese ich bestimmt!

Bewertung vom 23.06.2025
Dreyer, Tine

Morden in der Menopause mit dem richtigen Mindset


ausgezeichnet

Macht viel Spaß und adressiert gleichzeitig wichtige gesellschaftliche Themen

Liv arbeitet inzwischen wieder in Vollzeit als Küchenplanerin, während ihr Ehemann Jörn zuhause bleibt und mehr oder weniger den Haushalt schmeißt. Ihr Job, die drei pubertierenden Kinder und die Schwiegereltern halten die 48-jährige Liv eigentlich schon genug auf Trab – sie hat allerdings auch noch mit den Auswirkungen ihrer Menopausenbeschwerden zu kämpfen, genauso wie mit der Tatsache, dass sie, ohne es zu wollen, zur Mörderin geworden ist.

Natürlich bleibt es nicht bei den bisherigen Vorfällen, im Gegenteil, die Situation um Liv spitzt sich zu.

Für mich war das Lesen des Buches ein großes Vergnügen. Der Roman trifft an vielen Stellen genau meinen Humor und ich habe des Öfteren lachen müssen bzw. dürfen. Gleichzeitig thematisiert die Autorin fast nebenbei und damit mit großer Leichtigkeit wichtige gesellschaftliche Themen, wie zum Beispiel die Frage nach Teilzeitbeschäftigungen bei Frauen, Vorurteilsbildung oder Gender Health Gap. Selbstverständlich erfährt man auch einiges über die Menopause, für mich war wieder einiges Neues dabei. Diese Mischung macht den Roman für mich so überzeugend.

Ansonsten habe ich natürlich gerne die Geschichte von Liv verfolgt, die sich unbeabsichtigt immer tiefer ins Schlamassel manövriert, gleichzeitig aber ihre Mitmenschen nochmal ganz neu kennen und schätzen lernt. Die Charaktere sind wirklich liebevoll beschrieben.

Ich empfehle den Roman sehr gerne weiter, würde aber dazu raten, Band eins vor dem zweiten zu lesen. Es gibt immer wieder Verweise auf die Geschehnisse aus dem ersten Teil, da der zweite direkt auf Band eins aufbaut. Mögliche weitere Bücher um Liv würde ich sehr gerne lesen!

Bewertung vom 19.05.2025
Moore, Liz

Der Gott des Waldes


ausgezeichnet

Überzeugender, spannender Roman gepaart mit Gesellschaftskritik

Jedes Jahr findet auf dem Land der Van Laars ein Sommercamp für Kinder wohlhabender Familien statt. In dem Naturreservat kommen Kinder, Jugendliche, aber auch Betreuer:innen und weitere Angestellte zusammen. Parallel dazu laden die Van Laars im Anwesen „Self-Reliance“ zu einem mehrtägigen Fest mit einflussreichen Gästen und schillernden Künstlerpersönlichkeiten.

Doch dann verschwindet die Tochter der Van Laars aus dem Sommercamp, die 13-jährige Barbara. Eine großangelegte Suche wird in die Wege geleitet. Allerdings ist Barbara nicht das erste verschwundene Kind der Van Laars: 14 Jahre zuvor, 1961, verschwand Barbaras Bruder Bear - ebenfalls im Sommer.

Der Roman wird multiperspektivisch aus der Sicht verschiedener Protagonist:innen erzählt. Immer wieder wechselt die Zeitebene, mal wird aus der Zeit von Bears Verschwinden erzählt, mal aus den Monaten vor Barbaras Verschwinden und der Zeit direkt nach Barbaras Verschwinden. Dies macht den Roman sehr spannend und lässt es zu, sich als Leser:in Gedanken zu machen. Durch die verschiedenen Sichtweisen, z.B. von der Mutter von Bear und Barbara, einer Betreuerin aus dem Camp oder der jungen Ermittlerin Judy, entsteht ein vielschichtiges Bild des Lebens rund um die Van Laars.

Besonders hervorzuheben sind für mich die detailliert beschriebenen weiblichen Charaktere. Die Kämpfe, um sich zu behaupten, die jede von ihnen auf ganz unterschiedliche Weise führen muss, sind wirklich stark beschrieben. Ebenfalls beeindruckend arbeitet die Autorin die soziale Ungleichheit zwischen den Van Laars sowie ihren Gästen und den Angestellten und anderen Bewohner:innen der Adirondacks heraus.
Außerdem geht es in „Der Gott des Waldes“ selbstverständlich auch um die Frage, was mit Bear und Barbara Van Laar geschehen ist.

Für mich ist der Roman absolut empfehlenswert und ich habe ihn sehr gerne gelesen. Inhaltlich wie sprachlich finde ich ihn sehr überzeugend.

Bewertung vom 12.05.2025
Crouch, Sarah

Middletide - Was die Gezeiten verbergen


sehr gut

Unterhaltsamer Genremix

Nachdem Elijah Leith mit 18 Jahren seinen Heimatort Point Orchard und seine Jugendliebe Nakita zurückgelassen hat, kehrt er Jahre später nach einem relativ enttäuschenden literarischen Debüt zurück in seine alte Heimat. Er beginnt das etwas heruntergekommene Haus, in dem er aufgewachsen ist und das nach dem Tod seines Vaters leer stand, wieder herzurichten. Als dann nicht weit von seinem Haus eine Tote gefunden wird, gerät Elijah unter Verdacht, für ihren Tod verantwortlich zu sein.

Der Roman lässt sich sehr gut lesen und hat mich gut unterhalten. Zwischenzeitlich hatte ich etwas Sorge, ob er mir vielleicht etwas zu kitschig werden könnte, aber das ist zum Glück nicht passiert. Im Gegenteil, die Spannung hat im Laufe des Buches zugenommen. Die Geschichte lässt sich nur langsam zusammensetzen, da die Kapitel zu unterschiedlichen Zeiten spielen und somit auch zwischen den Zeiten springen. Außerdem wird die Geschichte nicht nur aus Elijahs Sicht erzählt, als Leser*in begleitet man auch die Ermittlungen. Meine Kritik an dem Roman betrifft zwei Punkte: Erstens habe ich mich zu Beginn etwas schwergetan, in den Roman reinzukommen und habe ihn als etwas langatmig empfunden. Und zweitens hätte ich mir etwas mehr Tiefe bei den Charakterzeichnungen gewünscht. Wirklich gut gelungenen sind aber die atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen sowie die Beschreibungen von Elijah als Selbstversorger auf seinem Stück Land.

Insgesamt hätte ich mir vielleicht etwas mehr Tiefe gewünscht, habe mich aber gut unterhalten gefühlt und wollte auch bis zum Schluss gerne wissen, wie die Geschichte aufgelöst wird.

Bewertung vom 20.04.2025
Würger, Takis

Für Polina


ausgezeichnet

Ein schöner Roman

Hannes Prager wächst behütet in einer etwas in die Jahre gekommenen Villa in einer Moorgegend auf. Dort lebt er mit seiner liebevollen Mutter und dem dort schon lange wohnenden und arbeitenden Heinrich Hildebrand. Auch Polina, seit Babytagen Hannes' beste Freundin, und ihre Mutter sind oft zu Besuch. Obwohl Polina und Hannes sehr unterschiedlich sind, verstehen sich die Beiden gut und verbringen ihre ersten Lebensjahre unbeschwert. Während sich Hannes in der Schule eher schwertut, entdeckt er durch Zufall das Klavierspielen für sich. Schnell stellt sich heraus, dass er ein sehr besonderes Talent hat. Die Musik nimmt einen großen Raum in seiner Jugend ein genauso wie die zunehmenden Gefühle für Polina. Mit 15 Jahren verliert Hannes plötzlich durch einen Unfall seine Mutter. Dieser Verlust verändert für ihn alles. Er muss zu seinem Vater nach Hamburg ziehen, ist räumlich von Polina getrennt und hört mit dem Klavierspielen auf. Statt eines Musikstudiums verläuft Hannes' Leben ganz anders – und getrennt von Polina.

Die ersten etwa hundert Seiten haben mir unheimlich gut gefallen. Takis Würger gelingt es, unterschiedlichste Emotionen zu transportieren und die so unterschiedlichen Charaktere sehr liebevoll zu beschreiben, sodass sie mir als Leserin schnell ans Herz gewachsen sind. Mit der Zeit hat bei mir der Sog etwas nachgelassen, ohne dass ich den Roman weniger gern gelesen hätte. Der Schreibstil lässt großartige Bilder entstehen, sodass ich das Lesen genossen habe. Ich hatte das Gefühl, Hannes ganz nah zu sein.

Natürlich handelt es sich bei dem Roman um eine Liebesgeschichte – mit Höhen und vielen Tiefen. Ehrlicherweise sind es aber mindestens zwei Liebesgeschichten, die in diesem Roman verpackt sind: zum einen natürlich die zwischen Hannes und Polina, zum anderen aber auch die zwischen Hannes und der Musik und dem Klavierspielen. Auch wenn ich Liebesromane eher nicht zu meinen bevorzugten Genres zählen würde, hat mich dieser Roman sehr berührt. Er lässt Raum für viele Leidenschaften und macht deutlich, wie tief beispielsweise die Liebe und Leidenschaft zur Musik oder auch zur Literatur sein kann.

„Für Polina“ ist ein stark geschriebener, schöner, berührender Roman, der sich mit der Liebe zwischen Personen, aber auch zur Musik, auseinandersetzt. Besonders hervorzuheben sind die authentisch entwickelten Charaktere, die mir sehr ans Herz gewachsen sind und mich berührt haben.

Bewertung vom 24.12.2024
Nesbø, Jo

Der König


ausgezeichnet

Dynamik zwischen Brüdern

Roy und Carl Opgard leben in dem kleinen norwegischen Ort Os. Sie sind Brüder, der etwas jüngere Carl besitzt das örtliche Spa, während Roy eine Tankstelle besitzt. Die Brüder verbindet Geheimnisse, mit denen sie sich gegenseitig in der Hand haben. Gleichzeitig haben beide (gemeinsame sowie konträre) Ambitionen, ihren Besitz und Einfluss im Ort auszubauen. Die Geschichte wird aus Sicht des älteren Roy erzählt.

Es ist schon eine Weile her, dass ich den ersten Teil „Ihr Königreich“ um die Brüder Roy und Carl gelesen habe. Trotzdem hatte ich dank der geschickt in die Geschichte eingewebten Rückblicke keine Schwierigkeiten, die Zusammenhänge zu verstehen. Dennoch würde ich empfehlen, „Ihr Königreich“ zuvor zu lesen.

Ähnlich wie bei „Ihr Königreich“ habe ich etwas Anlaufzeit gebraucht, um komplett in die Geschichte einzutauchen. Nach den ersten hundert Seiten hat mich der Roman aber gefesselt. Die Situation spitzt sich sukzessive zu und die Spannung steigt. Jo Nesbø beschreibt die Beziehung der beiden Brüder Roy und Carl auf eine ganz besondere, intensive Weise. Außerdem wird die Dynamik eines Dorfes und die vielen Beziehungsgeflechte beschrieben. Die Atmosphäre ist eher düster, ich habe die Stimmung aber als auf positive Weise ausgesprochen intensiv empfunden.

Bei dem Roman handelt es sich um keinen klassischen Krimi mit Ermittler*innen, die einen Fall lösen. Stattdessen wird eine komplizierte Beziehung zweier Brüder beschrieben sowie der Kampf um Besitz, Macht und Deutungshoheit. Die Geschichte ist intensiv, spannend und lesenswert.

Bewertung vom 24.12.2024
Brüggemann, Anna

Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen


ausgezeichnet

Schmerzhafte Dynamiken

In “Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen“ begleitet man als Leser*in eine Mutter und ihre beiden Töchter über ca. zwei Jahrzehnte. Der Roman beginnt mit der Abiturfeier der älteren Tochter, beschreibt die Beziehung zwischen der Mutter Regina und den beiden Töchtern Antonia und Wanda, aber auch zwischen den beiden sehr unterschiedlichen Töchtern.

Dieser Roman gehört zu den Büchern in diesem Jahr, die mich am meisten beeindruckt haben. Vor allem zu Beginn hat mich sehr irritiert, wie Regina v.a. über ihre ältere Tochter Antonia denkt und diese abwertet. Gleichzeitig hat mich im Verlauf des Romans die Tatsache entsetzt, dass Regina keine Ahnung hat, wie ihr Verhalten ihre Töchter unter Druck setzt - obwohl sie selbst das Gefühl hat, als Psychologin genau zu verstehen, wie ihr Verhalten auf andere wirkt. Allerdings halte ich diese Konstellation mit einer Mutter, die mit ihrem Lebenslauf hadert und für ihre Töchter etwas anderes möchte, aber auch immer „mehr“ erwartet, für sehr realistisch.

Ich habe die Protagonistinnen als sehr glaubwürdig beschrieben empfunden, wenn auch nicht unbedingt als immer sympathisch. Trotzdem waren ihre zum Teil eher dysfunktionalen Verhaltensweisen zumeist erklärbar und dadurch nachvollziehbar. Das hat die beschriebenen Dynamiken aber nicht weniger eindrucksvoll und schmerzhaft zugleich gemacht.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen, auch wenn es manchmal schwerfiel, weiterzulesen. Zu stark waren die Verletzungen, die einander und sich selbst zugefügt wurden. Und trotzdem ein für mich sehr empfehlenswerter Roman.

Bewertung vom 24.12.2024
Engman, Pascal;Selåker, Johannes

Wintersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Sehr spannend

Kurz hintereinander werden im Stockholmer Winter Mitte der 90-er Jahre zwei Männer ermordet, die beide in irgendeiner Weise mit dem Rotlichtmilieu zu tun haben. Bei dem ersten Mord ist eine Prostituierte anwesend, die fliehen kann, anschließend aber nicht aufzufinden ist.

Wie schon im ersten Teil der Reihe ermitteln die Polizisten Tomas und Zingo offiziell, während die Journalistin Vera ihre eigenen Nachforschungen anstellt. Ebenfalls wie im ersten Band bekommen die privaten Probleme der Protagonist*innen Tomas und Vera sehr viel Raum.

Nachdem ich schon „Sommersonnenwende“ sehr gerne gelesen habe, hat mich auch „Wintersonnenwende“ überzeugt. Man bekommt einen guten Eindruck vom Leben in den 90er-Jahren in Schweden und auch von den Bedingungen im Rotlichtmilieu. Wer den ersten Teil noch nicht gelesen hat und dies noch tun möchte, sollte dies machen, bevor er oder sie den zweiten Band liest, da einiges ggf. vorweggenommen wird. Generell lässt sich dieser Band aber auch für sich lesen.

Mir ist der Wiedereinstieg sehr leichtgefallen, ich war direkt gefesselt. Der Schreibstil lässt sich super lesen und der Spannungsbogen war konstant hoch. Ich finde die Protagonist*innen spannend, auch bzw. gerade weil sie Ecken und Kanten haben. Einen dritten Teil würde ich auf jeden Fall lesen.

Bei „Wintersonnenwende“ handelt es sich um einen äußerst spannenden, gut geschriebenen Kriminalroman, der den interessanten Protagonist*innen viel Raum gibt. Krimifans kommen sicherlich auf ihre Kosten!