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darkola77

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Insgesamt 108 Bewertungen
Bewertung vom 04.11.2025
Boyle, T. C.

No Way Home (deutschsprachige Ausgabe)


ausgezeichnet

Boyle hat ein neues Lieblingsbuch geschrieben! Und einen Pageturner. Und eine Geschichte, die mich so sehr amüsiert, ergriffen und für sich eingenommen hat, dass ich die ersten beiden Tage meines Urlaubs ausschließlich mit „No Way Home“ in der Hand verbracht habe. Und jetzt den Blues habe, weil ich aus der Welt rund um Terry, Bethany und Jesse wieder auftauchen muss.
Und diese Welt ist eine der Liebe und des Schmerzes, der Irrungen und Wirrungen und der verzweifelten Suche nach Ankommen und einem Zuhause. Für die Leser*innen beginnt das Eintauche in diese tragisch, denn Terrys Mutter verstirbt ganz unerwartet, und er macht sich auf den Weg nach Boulder City , um ihr Erbe zu regeln. Und Haus, Hund und die zahlreich gehorteten Erinnerungen zu übernehmen. Doch auf der Reise in die Wüstenstadt begegnet ihm Bethany, und was mit einem zufälligen Zusammentreffen beginnt, entwickelt sich zu einer schicksalhaften Wendung ihrer beider Leben. Und da auch Bethany nicht frei von Vergangenheit und frisch getrennt von ihrer Jugendliebe Jesse ist, sind Schwierigkeiten vorprogrommiert. Und wer Boyle kennt, weiß, dass es nicht nur bei Liebeskummer und Tränen bleibt. Denn Dramen warten bereits um die nächste Ecke – teils an Skurrilität kaum zu übertreffen und im Superlativ gesteigert. Und schon wird das Leben aller Drei vom Schicksalsrad der Fortuna kräftig durchgerüttelt.
Ausgeworfen wird aus diesem eine Geschichte, die einen mit in Höhen und Tiefen reißt. Mich mitfiebern und hoffen und die Hände vors Gesicht schlagen lässt. Und auch die Augen über die Protagonisten und ihre Unfähigkeit, sich aus der zuspitzenden Situation zu befreien, zunehmend verdrehen lässt. Doch der Blick von außen ist meist klarer, und mit dem Gefühls- und Liebenschaos von Bethany, Terry und Jesse möchten wir wohl alle nicht tauschen. Mit „No Way Home“ als großartiger Begleitung für Urlaub und Lesestunden ebenfalls nicht.

Bewertung vom 26.10.2025
Johnston, Bret Anthony

We Burn Daylight


sehr gut

Wenn „das Lamm“ seine Schäfchen ruft, musst Du folgen! So geht es auch Jaye und ihrer Mutter, die ihr Leben in Kalifornien aufgeben, um zu Perry, The Lamb, nach Texas zu reisen. Denn Perry ist ein Demagoge, Prophet und Sektenführer, und seine Anhängerschaft folgt ihm blind – auch für ein Leben in Armut, Abhängigkeit und einfachsten Verhältnissen. Die Aussicht und Lohn für diese Entbehrungen: Erlösung. Und Perry kennt den Weg.
Doch Jaye ist anders. Perrys Zauber scheint bei ihr nicht zu wirken. Sie erliegt seiner Faszination nicht, ist immun gegen seine Anziehungskraft. Auch körperlich. So wird sie zur Einzelgängerin bis sie ganz unerwartet Roy kennenlernt. Den Sohn des Sheriffs und schon bald ihr einziger Vertrauter. Und ihre große Liebe. Doch was bereits unter schwierigen Bedingungen gestartet ist, entwickelt sich zunehmend dramatisch. Denn Perry hat Waffen, viele Waffen. Und ist unberechenbar in seinem Handeln. Und die Behörden wollen nicht länger zusehen.
Vor dem Hintergrund realer Ereignisse entfaltet sich die Geschichte einer Liebe, die eine Unmöglichkeit darstellt. Zugleich ist es die Geschichte eines Lebens in einer Parallelwelt, bestimmt von eigenen Werten, Normen und dem Kult um die Person des Anführers, der die Gemeinschaft ausrichtet und kontrolliert. Und es die Geschichte von Macht- und sexuellem Missbrauch, von einer untergeordneten Rolle der Frau und ihrer Verfügbarkeit und der Ablehnung von Wissenschaft zugunsten von Religion und Glaubenssätzen.
Doch vor allem ist es eine Geschichte, die fasziniert und in den Bann zieht. Ein Pageturner. Zu sehr fesseln die Ereignisse, machen neugierig und erschrecken zugleich als dass ein Wegschauen möglich wäre. Als dass es möglich wäre, nicht in den Schilderungen Perrys zu versinken oder mit Roy und Jaye um ihre junge Liebe zu bangen. Und damit steht nach den 500 Seiten für mich fest: Wenn „das Lamm“ ruft, müssen auch die Leser*innen folgen.

Bewertung vom 08.10.2025
Mustard, Jenny

Beste Zeiten


sehr gut

Große Liebe, große Stadt, große Gefühle – für Sickan ist alles neu und alles aufregend. Denn nach einer Kindheit und Jugend in der südschwedischen Provinz lässt sie die Einsamkeit ihres Elternhauses und die Übergriffe ihrer Klassenkameraden endlich hinter sich. Und entdeckt Stockholm. Die Universität. Das Leben als Studentin. Und dass wir uns an fremde Orte immer ein Stück selbst mitnehmen.
Denn das, was Sickan ein Leben lang begleitet hat, ist tief in ihr eingeschrieben. Die Furcht vor anderen Menschen. Ihr Misstrauen gegenüber Unbekanntem. Ihr Alleinsein. Doch zumindest Letzteres ändert sich schlagartig als Hanna in ihr Leben tritt. Und dieses auf den Kopf stellt. Hanna, die laut, ungezügelt und furchtlos erscheint. Sich nicht kümmert, was andere über sie denken, und mit den Konventionen bewusst bricht. Und nach und nach brechen auch die Schutzmauern um Sickans Herz, und es ist bereit für das, was sie sich so sehnlich wünscht: eine Freundin. Einen Menschen, mit dem sie ihre Sorgen, Ängste und auch Freuden teilen kann. Und so ist es nicht nur Hanna, die ihre Einsamkeit beendet, sondern auch Abbe erhält Zugang zu dem, was Sickan so sorgsam vor der Welt verborgen hat: ihre Gefühle. Ihre Traumata. Und letztendlich ihre Liebe.
Doch Sickan ist nicht die einzige, die vom Leben gezeichnet ist. Und sie steht erst ganz am Anfang, sich, ihre Wünsche und Träume zu entdecken und ihren Sehnsüchten nachzugeben. Und damit wird ihre Zeit in Stockholm auch zu einer Reise zu sich selbst und setzt Entwicklungen und Wachstum in Gang, was in der dörflichen Enge kleingehalten wurde und zu verkümmern drohte. So wie Sickan selbst. Doch die neuen Freiheiten bergen Risiken, auch für das eigene Herz.
Und mein Herz habe ich an Jenny Mustard verloren! Denn mit Sickan so emotional auf Tuchfühlung zu gehen und sich dabei auf die Suche nach dem eigenen Ich zu begeben, ist intensiv. Und leicht und schwer zugleich. Und ja, es ist literarisch in Sprache und Bildern. Und mit einer Geschichte, die lang im Kopf und vor allem im Herzen bleibt.

Bewertung vom 21.09.2025
Wahl, Caroline

Die Assistentin


ausgezeichnet

Als ich den Roman begonnen habe und nach und nach tiefer in die Geschichte eingetaucht bin, begann auch die öffentliche Diskussion um diesen – in Teilen hoch emotional geführt. Hart und wertend. Polemisch. Und ich war mehr als überrascht, dass der Text all dies auslösen kann. Und woher die Schärfe in der Debatte kommt, die auch Caroline Wahls beiden bisherigen Romane nicht ausspart.
Nachdem ich nun „ Die Assistentin“ beendet habe, meine ich, mir die vielen Emotionen ein Stück weit erklären zu können. Denn die Geschichte triggert. Und die Geschichte macht wütend. Und sie ist nicht angenehmen. Will nicht gefallen. Ist unbequem in ihrer Entwicklung und lässt einen mit Unverständnis, Empörung und Adrenalin im Blut zuschauen, wie Charlotte nach und nach ihre Würde und Selbstbewusstsein einbüßt. Wie sie destabilisiert und Opfer von Machtverhältnisses und Strukturen der Ausbeutung und Abhängigkeit wird.
Und ja: Es ist kaum auszuhalten. Für mich. Und sicherlich bin ich damit nicht allein. Wie die Reaktionen zeigen. Die Demütigungen, Herabsetzungen und die körperliche Belästigung einer jungen Frau treffen in Mark und Bein. Nicht nur eines*r jeden Einzelnen, sondern auch der gesellschaftlichen Strukturen, welche diese ermöglichen und zugleich legalisieren.
Doch Achtung – und zwar in zweifacher Hinsicht! Text und Autor*in sind zu trennen. Und damit auch die Emotionen, die Wut und Ablehnung, die dieser – und zwar der Text! – erzeugt.
Und dann: Sind es tatsächlich patriarchale Strukturen, die wir hier in ihrer zügellosen Ausprägung erleben? Denn auch Frauen können ein Herr Maise sein – und eine Charlotte männlich oder weiblich. Oder sprechen wir hier von patriarchalen Strukturen, welche in Folge der Machtpositionen von Frauen übernommen und fortgeführt werden? Die Antwort auf diese Fragen erscheint mir äußerst relevant: Denn Charlottes Leiden darf nicht sein!
Und was ebenso selbstverständlich sein sollte: Die Autorin ist in der Kritik von ihrem hochbrisanten Sujet zu trennen. Und ihre Geschichte bohrt und sticht – tief im Herzen der Leser*innen. Und eine Gesellschaft, in der legalisierte Ausbeutung und Herabsetzung häufig im Verborgenen geschehen.

Bewertung vom 07.09.2025
Poznanski, Ursula

Erebos Bd.3


ausgezeichnet

Erebos ist zurück! Und es ist noch dunkler, böser und steckt voller neuer Geheimnisse und Rätsel. Und wer sie löst, wird reich belohnt. Doch wehe, Ihr versagt! Oder werdet zu Verräter*innen. Die Strafe folgt auf den Fuß und wird grausam sein. Und das nicht nur in der Welt des Spiels.
Nick hat sich mit Emily ein gemeinsames Leben in London aufgebaut. Die Schrecken von Erebos liegen hinter ihnen. So glauben sie. Zu knapp, blutig und beinahe tödlich hat das letzte Erscheinen des Spiels geendet. Doch Erebos hat seinen eigenen Willen. Und entscheidet selbst, wann es sich meldet. Und spielt nach eigenen Regeln.
Und eben diese Regeln gepaart mit Drohungen machen es Nick unmöglich, sich nicht wieder auf die Welt der Mythen, Sagen und Prophezeiungen einzulassen. Denn ein Menschenleben scheint auf dem Spiel zu stehen. Und auch Nick fühlt sich zunehmend bedroht, erpresst und unter Druck gesetzt. Und so stürzt er sich als Dunkelelf Sarius in Arenakämpfe, deutet die verschlüsselten Zeichen und Symbole und scharrt Gefährt*innen um sich zur Vorbereitung auf das große Finale.
Und wer die Geschichten von Ursula Poznanski kennt, der weiß, dass sich der Plot immer, wirklich immer ganz anders entwickelt als zuerst geahnt, vermutet und gehofft. Und das ist einfach großartig! Und auch diesmal bei Erebos der Fall! Denn plötzlich ergeben alle Andeutungen, Rätsel und Geheimnisse Sinn und lassen sich Stück für Stück zu einem großen Bild zusammensetzen. Und was dieses Bild zeigt, ist gänzlich unerwartet. Und lässt nicht nur Sarius das Blut in den Adern gefrieren.
Erebos 3 ist ein Muss! Für Fans von Poznanski sowieso und für alle, die spannende Unterhaltung, Fantasy und raffiniert konstruierte Geschichten lieben. Und sich so ganz in einem Text verlieren und von dem verschlingen lassen wollen. Und erst am nächsten Morgen mit kleinen Augen aber voller Begeisterung wieder aus diesem erwachen.

Bewertung vom 23.08.2025
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


ausgezeichnet

Groß, gewaltig und mit lauten Schritten und Trompeten – so sind sie, die Elefanten, die an Spree und Siegessäule durch die Hauptstadt stapfen. Und so ist auch „Das Geschenk“, ein Roman, der sich mit Originalität, einer starken, präzisen Sprache und klaren Botschaften einen Platz in Kopf und Herz seiner Leser*innen sichert.
Das politische Berlin steht Kopf! Denn da, wo Vögel, Enten und Kaninchen sich mit Tourist*innen und Einheimischen gleichermaßen Wege und Plätze teilen, sind sie aufgetaucht. Unerwartet. Unübersehbar. Und zunehmend in ihrer Zahl. Dickhäuter trampeln durch die Stadt, fressen sich durch Parks und Gärten, erobern Straßen, Autobahnen. Und bringen das öffentliche Leben zum Erliegen.
Und die Regierung ins Schwitzen. Denn lösen muss Bundeskanzler Winkler mit dem Parlament eine Situation, die schier unlösbar scheint. Und die Menschen in der Stadt zunehmend in Aufruhr versetzt. Und ebenso der rechten Partei einen Aufschwung verschafft, der Demokratie und Sicherheit gefährdet. Populistisch verschärfend wird genutzt: Die Elefanten sind Strategie und Rache für ein kürzlich erlassenes Gesetz gegen die Einfuhr von Jagdtrophäen nach Deutschland. Ein direkte Vergeltung des Präsidenten von Botswana. Globalisierung pur. Nur das Rückfahrtticket fehlt den Dickhäutern.
Wir leben alle in einer Welt. Dieser Satz könnte an der inzwischen von tropischen Pflanzen überwucherten Kuppel des Reichstags stehen. Und er zieht sich wie ein Leitgedanke durch die raffiniert komponierte Geschichte. Doch noch weitere Themen und Botschaften finden in dieser Raum: sei es der Aspekt der Nachhaltigkeit und eines klimafreundlichen Lebens, die vermeintliche Überlegenheit des Westens gegenüber den Ländern des Globalen Südens oder die Politik- und Parteienkrise als Folge eines Vertrauensverlustes der Menschen. Und all diese Unsicherheiten und Fragestellungen hat Gaea Schoeters in einen amüsanten und zugleich tiefgründigen Roman überführt – dies nun ohne Zweifel und ganz sicher!

Bewertung vom 16.08.2025
Kim, Monika

Das Beste sind die Augen


ausgezeichnet

Atemberaubend, richtig abgefahren, unglaublich gut und scary! Diese Geschichte hat mich eiskalt erwischt. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Gänsehaut auf meinen Armen, ein kalter Schauer, der über den Rücken läuft und ganz viel Adrenalin. Und richtig viel Spaß! Denn „Das Beste sind die Augen“ ist der Knaller! Ein Gamechanger. Und ein absolutes Highlight der feministischen Literatur. Und für Freund*innen der abgedrehten Horrorgeschichten.
Doch von Anfang an. Als der Vater überraschend die Familie verlässt, bricht für Ji-won, ihre Schwester Ji-hyon und ihre Mutter eine Welt zusammen. Letztere, ein Häufchen Elend, quält sich durch die Tage. Tränenreich und ohne eine Perspektive. Um den treulosen Ehemann zurückzuwünschen, werden selbst koreanische Mythen und der Aberglaube bedient. „Fischaugen bringen Glück.“ Und werden von ihr wortreich vor den Schwestern verspeist.
Und die Augen zeigen Wirkung. Zwar kommt nicht der eigene Ehemann von der Geliebten zurück, dafür tritt George in ihr Leben. Und macht dieses für ihre Töchter zu einem Ort der Schrecken und Demütigung. Denn Respekt kennt George nicht. Weder vor Sitten, Traditionen noch Kultur. So auch nicht vor Privatsphäre oder persönlichen Grenzen. Doch dafür hat George blaue Augen. Faszinierend blaue Augen. Die für Ji-won zur Obsession werden. Und Dinge und Entwicklungen in Gang setzen, die durch Mark und Bein gehen.
Und hier beginnt der creepy Horror und Ji-wons Kampf um ihre Familie. Und gegen patriarchale Unterdrückung und für eine freies, selbstbestimmtes Leben. Ein Leben ohne Angst vor männlichen Übergriffen, Herabsetzung oder Sexualisierung. Und was dann folgt, ist nichts für schwache Mägen. Doch für Leser*innen mit Freude am Außergewöhnlichen, an bewussten Grenzüberschreitungen, schwarzem Humor und einer klaren Botschaft. Und für alle, die nicht 08/15 lesen wollen.

Bewertung vom 25.07.2025
Fonthes, Christina

Wohin du auch gehst


ausgezeichnet

Diese Geschichte verschlingt Dich mit Haut und Haaren. Sie fesselt Dich, nimmt Dich gefangen. Und nach unerwarteten Wendungen, überraschenden Enthüllungen und einem intensiven Leseerlebnis gibt sie Dich wieder frei. Atemlos, durchgerüttelt und sehr zufrieden.
Das vermögen die differenzierten und lebendigen Figuren, die von Kapitel zu Kapitel Entwicklung, Wachstum und Veränderung erleben. Das verdanken wir einem Schreibstil, der reich an Worten, detailreich im Erzählen und zugleich so fließend und wunderbar leicht zu lesen ist. Und es sind die Themen und Orte, die betrachtet und zusammengeführt werden. Afrika, Europa. Kinshasa, Brüssel, Paris und London. Tradition und Moderne. Religion, Sexualität und Selbstbestimmung.
Hört sich viel an? Christina Fonthes macht hieraus ein großes Ganzes. Figuren und Sujets werfen sich die Bälle nur so zu, steigern miteinander die Spannung, dramatischen Entwicklungen, lassen uns mitfiebern: mit Mira, die in einem jungen Musiker ihre große Liebe findet. Deren Leben wie in einem farbenreichen, glücklichen Traum verläuft. Bis dieser in Trümmern und Scherben liegt. Und uns wächst Bijoux ans Herz, die in jungen Jahren ihre Familie, ihre Heimat Kinshasa verlassen und von jetzt auf gleich bei ihrer Tante Mira in London leben muss. Und dort mit Verboten, Werten und Normen konfrontiert wird, die Freiheit, Glück und Liebe unmöglich erscheinen lassen.
Dieser Debütroman ist mit mir nach Irland gereist, und ich hätte mit keinen besseren Reisebegleiter vorstellen können. Von meinem Mann selbstverständlich abgesehen. Denn die Lektüre hat mich einfach glücklich gemacht. Und sie hat mich bereichert, mir neue Sichtweisen, Einsichten und Wissen ermöglicht. Und im schönen Nordwesten Europas – auf der grünen Insel – den Eurozentrismus in Frage gestellt. Und mir Lesestunden ermöglicht, welche die schönste Zeit des Jahres gleich noch viel schöner gemacht haben.

Bewertung vom 17.07.2025
Engelmann, Julia

Himmel ohne Ende


ausgezeichnet

Eine Geschichte, die fasziniert und ans Herz geht. Gedanken, Gefühle und Zweifel, die in der Zeit zurücktragen. Und Worte voll Poesie – so schön und klug. Treffend und ausdrucksstark komponiert.
„Himmel ohne Ende“ ist so sehr Julia Engelmann. In jedem Bild. In jedem Dialog. Zeile für Zeile. Und zugleich ist es größer und ein Mehr als ihre bisherigen Texte, da zu einer komplexen Handlung geführt und mit Figuren, die nah an einem selbst sind. Und der eigenen Jugend. Und damit der Zeit, in der sich alles wandelt, in Frage steht und Antworten so weit entfernt sind. In der Zukunft liegen.
Endlich fünfzehn! Für Charlie ist dies kein Grund zur Freude. Denn die Welt ist kompliziert. Und ihre eigene klein. Einsam. Und traurig. Von ihrer besten Freundin verraten und im Stich gelassen, ist sie nun die Außenseiterin. In ihrer Klasse. Und ihrer Familie, scheint ihre Mutter nach Jahren der Trauer und des Alleinseins doch eine neue Liebe und Mittelpunkt gefunden zu haben.
Als Pommes in ihre Schule und damit in ihr Leben tritt, scheint sich alles zu ändern. Und die Welt wieder Farbe zu bekommen, zu leuchten und nah am eigenen Leben zu sein. Denn Pommes ist anders. Und bald Charlies bester Freund. Und ihr Eingangstor zu den Menschen, zu all der Freude und dem Glück, das bisher ihr verschlossen war. Und ihr den Weg aus der Einsamkeit zeigt.
Doch bei all dem Strahlen hat auch Pommes seine Geschichte, seine Trauer und sein Leid, seinen Rucksack zu tragen. Und seine Abgründe sind tief und einsam. Und es ist Charlie, die ihn aus diesen herauszieht. Und nun diejenige ist, die ebenfalls geben kann – Stärke, Halt und Verlässlichkeit.
Und so bringen sich zwei an das rettende Ufer, um dort Schritte gehen und neue Pfade erkunden zu können. In dieser emotionalen Tiefe und Authentizität sie zu begleiten, ist ein besondere Leistung dieses Romandebüts. Und so auch die Trauer und Wehmut, sie mit der letzten Zeile wieder verlassen zu müssen. Und doch werden Charlie und Pommes bleiben und einen festen Platz finden – tief in den Köpfen und Herzen ihrer Leser*innen.

Bewertung vom 23.06.2025
Riemann, Katja

Nebel und Feuer


sehr gut

Wenn alles ohne Licht und Ausweg scheint und die Verzweiflung Überhand nimmt. So geht es Johaenne nach einer langen, unglücklichen Partnerschaft – die sie schließlich auf den Fenstersims ihres Wohnzimmers katapultiert. Von außen wohlgemerkt. Und die Tiefe verlockend erscheinen lässt, die Furcht vor dieser dann doch siegt. Und damit das Leben vor dem Tod.
Was dann folgt, ist zunächst ein zielloses Irren und Ringen um ein Über-Leben und Wiederfinden desselben. Und schließlich ein Kampf um eben dieses. Denn es geschieht etwas. Ein Naturereignis, so unerklärlich wie geheimnisvoll. So furchteinflößend wie faszinierend zugleich. Ein Nebel zieht auf. Legt sich über die Stadt, das Land, die Welt. Lässt Grenzen aufweichen, Regeln und Normen verblassen und Bekanntes aus den Fugen geraten. Und verschluckt. Und zwar Menschen, die in einem Moment noch bei uns sind. Und von denen im anderen jede Spur fehlt.
Doch vermag der Nebel noch mehr. Zumindest für Johaenne und ihre Freundinnen. Er bringt die vier Frauen vor den Toren Berlins zusammen. Und schafft eine Nähe und Vertrautheit, ein Offenbaren und Teilen von Gefühlen, Erlebnissen und Traumata, welche zu tiefer Zuneigung und Verbundenheit führen. Und die Restriktionen, Schmerz und Unterdrückung durch die patriarchalische Gesellschaft und den Mann als Partner, Vater und soziales Wesen zum Ausdruck bringen.
Der Prozess der Sichtbarmachung und Verarbeitung führt schließlich sowohl im Inneren als auch im Außen zu einem Wandel, Loslösung und letztlich Befreiung. Und für Riemann zu einem Roman, der durch seine Vielschichtigkeit der Erzähl- und Deutungsebenen beeindruckt. Und eine Dystopie vor dem Hintergrund der feministischen Denk- und Handlungstheorien entstehen lässt, die fesselt und zugleich nachdenklich macht. Und Bekanntes und Übertragenes in Frage stellt. Und lichterloh verbrennt.