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darkola77

Bewertungen

Insgesamt 101 Bewertungen
Bewertung vom 25.07.2025
Fonthes, Christina

Wohin du auch gehst


ausgezeichnet

Diese Geschichte verschlingt Dich mit Haut und Haaren. Sie fesselt Dich, nimmt Dich gefangen. Und nach unerwarteten Wendungen, überraschenden Enthüllungen und einem intensiven Leseerlebnis gibt sie Dich wieder frei. Atemlos, durchgerüttelt und sehr zufrieden.
Das vermögen die differenzierten und lebendigen Figuren, die von Kapitel zu Kapitel Entwicklung, Wachstum und Veränderung erleben. Das verdanken wir einem Schreibstil, der reich an Worten, detailreich im Erzählen und zugleich so fließend und wunderbar leicht zu lesen ist. Und es sind die Themen und Orte, die betrachtet und zusammengeführt werden. Afrika, Europa. Kinshasa, Brüssel, Paris und London. Tradition und Moderne. Religion, Sexualität und Selbstbestimmung.
Hört sich viel an? Christina Fonthes macht hieraus ein großes Ganzes. Figuren und Sujets werfen sich die Bälle nur so zu, steigern miteinander die Spannung, dramatischen Entwicklungen, lassen uns mitfiebern: mit Mira, die in einem jungen Musiker ihre große Liebe findet. Deren Leben wie in einem farbenreichen, glücklichen Traum verläuft. Bis dieser in Trümmern und Scherben liegt. Und uns wächst Bijoux ans Herz, die in jungen Jahren ihre Familie, ihre Heimat Kinshasa verlassen und von jetzt auf gleich bei ihrer Tante Mira in London leben muss. Und dort mit Verboten, Werten und Normen konfrontiert wird, die Freiheit, Glück und Liebe unmöglich erscheinen lassen.
Dieser Debütroman ist mit mir nach Irland gereist, und ich hätte mit keinen besseren Reisebegleiter vorstellen können. Von meinem Mann selbstverständlich abgesehen. Denn die Lektüre hat mich einfach glücklich gemacht. Und sie hat mich bereichert, mir neue Sichtweisen, Einsichten und Wissen ermöglicht. Und im schönen Nordwesten Europas – auf der grünen Insel – den Eurozentrismus in Frage gestellt. Und mir Lesestunden ermöglicht, welche die schönste Zeit des Jahres gleich noch viel schöner gemacht haben.

Bewertung vom 17.07.2025
Engelmann, Julia

Himmel ohne Ende


ausgezeichnet

Eine Geschichte, die fasziniert und ans Herz geht. Gedanken, Gefühle und Zweifel, die in der Zeit zurücktragen. Und Worte voll Poesie – so schön und klug. Treffend und ausdrucksstark komponiert.
„Himmel ohne Ende“ ist so sehr Julia Engelmann. In jedem Bild. In jedem Dialog. Zeile für Zeile. Und zugleich ist es größer und ein Mehr als ihre bisherigen Texte, da zu einer komplexen Handlung geführt und mit Figuren, die nah an einem selbst sind. Und der eigenen Jugend. Und damit der Zeit, in der sich alles wandelt, in Frage steht und Antworten so weit entfernt sind. In der Zukunft liegen.
Endlich fünfzehn! Für Charlie ist dies kein Grund zur Freude. Denn die Welt ist kompliziert. Und ihre eigene klein. Einsam. Und traurig. Von ihrer besten Freundin verraten und im Stich gelassen, ist sie nun die Außenseiterin. In ihrer Klasse. Und ihrer Familie, scheint ihre Mutter nach Jahren der Trauer und des Alleinseins doch eine neue Liebe und Mittelpunkt gefunden zu haben.
Als Pommes in ihre Schule und damit in ihr Leben tritt, scheint sich alles zu ändern. Und die Welt wieder Farbe zu bekommen, zu leuchten und nah am eigenen Leben zu sein. Denn Pommes ist anders. Und bald Charlies bester Freund. Und ihr Eingangstor zu den Menschen, zu all der Freude und dem Glück, das bisher ihr verschlossen war. Und ihr den Weg aus der Einsamkeit zeigt.
Doch bei all dem Strahlen hat auch Pommes seine Geschichte, seine Trauer und sein Leid, seinen Rucksack zu tragen. Und seine Abgründe sind tief und einsam. Und es ist Charlie, die ihn aus diesen herauszieht. Und nun diejenige ist, die ebenfalls geben kann – Stärke, Halt und Verlässlichkeit.
Und so bringen sich zwei an das rettende Ufer, um dort Schritte gehen und neue Pfade erkunden zu können. In dieser emotionalen Tiefe und Authentizität sie zu begleiten, ist ein besondere Leistung dieses Romandebüts. Und so auch die Trauer und Wehmut, sie mit der letzten Zeile wieder verlassen zu müssen. Und doch werden Charlie und Pommes bleiben und einen festen Platz finden – tief in den Köpfen und Herzen ihrer Leser*innen.

Bewertung vom 23.06.2025
Riemann, Katja

Nebel und Feuer


sehr gut

Wenn alles ohne Licht und Ausweg scheint und die Verzweiflung Überhand nimmt. So geht es Johaenne nach einer langen, unglücklichen Partnerschaft – die sie schließlich auf den Fenstersims ihres Wohnzimmers katapultiert. Von außen wohlgemerkt. Und die Tiefe verlockend erscheinen lässt, die Furcht vor dieser dann doch siegt. Und damit das Leben vor dem Tod.
Was dann folgt, ist zunächst ein zielloses Irren und Ringen um ein Über-Leben und Wiederfinden desselben. Und schließlich ein Kampf um eben dieses. Denn es geschieht etwas. Ein Naturereignis, so unerklärlich wie geheimnisvoll. So furchteinflößend wie faszinierend zugleich. Ein Nebel zieht auf. Legt sich über die Stadt, das Land, die Welt. Lässt Grenzen aufweichen, Regeln und Normen verblassen und Bekanntes aus den Fugen geraten. Und verschluckt. Und zwar Menschen, die in einem Moment noch bei uns sind. Und von denen im anderen jede Spur fehlt.
Doch vermag der Nebel noch mehr. Zumindest für Johaenne und ihre Freundinnen. Er bringt die vier Frauen vor den Toren Berlins zusammen. Und schafft eine Nähe und Vertrautheit, ein Offenbaren und Teilen von Gefühlen, Erlebnissen und Traumata, welche zu tiefer Zuneigung und Verbundenheit führen. Und die Restriktionen, Schmerz und Unterdrückung durch die patriarchalische Gesellschaft und den Mann als Partner, Vater und soziales Wesen zum Ausdruck bringen.
Der Prozess der Sichtbarmachung und Verarbeitung führt schließlich sowohl im Inneren als auch im Außen zu einem Wandel, Loslösung und letztlich Befreiung. Und für Riemann zu einem Roman, der durch seine Vielschichtigkeit der Erzähl- und Deutungsebenen beeindruckt. Und eine Dystopie vor dem Hintergrund der feministischen Denk- und Handlungstheorien entstehen lässt, die fesselt und zugleich nachdenklich macht. Und Bekanntes und Übertragenes in Frage stellt. Und lichterloh verbrennt.

Bewertung vom 09.06.2025
Harvey, Samantha

Umlaufbahnen


sehr gut

Die Schönheit der Erde zeigt sich in ihren Pflanzen, Tieren und Menschen, den Formationen aus Wolken, Gestein und Wasser oder eben in vielen Kilometern Abstand. Als Blick auf einen Planeten, der verbindet, in Staunen versetzt und trotz seiner Beständigkeit sich in einem steten Wandel befindet.
Samantha Harvey hat genau dies mit „Umlaufbahnen“ geschaffen, eine Liebeserklärung an die Erde, die in ihrer Einzigartigkeit unsere Heimat und zugleich bedroht durch ihre Bewohner*innen ist. Und die aufgrund ihrer Form und Eigenschaften selbst ein Ort frei von Trennungen ist, Landmassen und Meere, die ineinander übergehen und die Grenzen und Mauern als das erscheinen lassen, was sie sind. Von Menschen gemacht. Willkürlich. Ausschließend.
Der Blick der sechs Astronauten aus der Raumstation entlang ihrer Umlaufbahn und über Breiten- und Längengrade hinweg ist frei dieser Barrieren, uneingeschränkt und die Erde in ihrer Gesamtheit als unseren gemeinsamen Lebensraum erfassend. Und betrachtend und bestaunend über Stunden, Tage und Wochen hinweg. Meditativ. Die eigenen Gedanken, Erinnerungen und Assoziationen mit dem verbindend, was sich als stetes Schauspiel durch die Weite und den luftleeren Raum hinweg vor den Sichtfenstern zeigt. Und die Existenz der gesamten Menschheit in das Verhältnis zur Unendlichkeit setzend.
Und ebenso wie sich der Heimatplanet für die sechs Menschen in seiner Umlaufbahn zeigt, entfaltet sich auch Harveys Roman für seine Leser*innen. Die Schönheit der Worte, Bilder und Beschreibungen zieht in einen Bann, der die Welt um einen herum vergessen lässt. Und die Botschaften schreiben sich dabei so subtil und doch mit einer Stärke ein, welche ihrer angemessen ist: Wir leben alle in einer Welt. Und diese Welt gilt es zu erhalten.

Bewertung vom 29.05.2025
Suter, Martin

Wut und Liebe


ausgezeichnet

Ein junger Künstler, talentiert aber erfolglos. Seine schöne Geliebte, ehrgeizig und nach Höherem strebend. In dieser Ausgangslage entrollt sich die neue Geschichte von Martin Suter, eine Konstellation, die schon aufgrund der Zeichnung ihrer Figuren Reibung, Entwicklung und Konflikte verspricht. Und dieses Versprechen einlöst.
Denn Noah ist verzweifelt. Camilla liebt zwar ihn aber nicht das gemeinsame Leben. Sein finanzieller Misserfolg überschattet ihr Glück. Als Camilla ihn schließlich verlässt, ist Noah am Boden zerstört und in seiner Orientierungs- und Haltlosigkeit zu allem bereit, um seine große Liebe zurückzugewinnen. Die Begegnung mit Betty, einer schwerkranken und durchaus vermögenden Witwe, bietet Chance und Wendepunkt in seinem Leben. Doch lassen sich moralische Grundsätze und Werte auch in Zeiten der eigenen Not und Verzweiflung willentlich abstreifen? Und welchen Preis ist Noah bereit zu zahlen?
Was dann folgt, ist ein Suchen und Ringen und eine Irrfahrt der Gefühle. Und letztendlich auch ein Spiel verschiedenster Interessen, in welchem Noah und Camilla zu Schachfiguren und Instrumenten von Rache und Vergeltung werden. Die Wendungen und Enthüllungen sind dementsprechend zahlreich und überraschend. Und der Plot konstruiert mit Scharfsinn und mit viel Humor für die menschlichen Leidenschaften und Abgründe.
„Wut und Liebe“ habe ich für mich gegen „Bewunderung und Anerkennung“ für einen Autor eingetauscht, der mit Intelligenz und Leidenschaft erzählt, Figuren zum Leben erweckt und Geschichten mit Tiefe und von hohem Unterhaltungswert entwickelt. Nichts ist, wie es scheint – für Noah und Camilla. Neu und verlässlich – so erfüllt dagegen Suter unsere Erwartungen.

Bewertung vom 20.05.2025
Serrano, Beatriz

Geht so


sehr gut

Bitterböse und zum Schreien komisch. Und dabei erschreckend treffsicher. Denn „Geht so“ legt den Finger in die Wunde des Büroalltags, der Angestellten größerer Unternehmen und der Management- und Leitungsebene. Und überzeichnet dabei so spitz und mit viel Humor und Augenzwinkern, dass Lachen befreiend wirkt. Und kaum schmerzt in diesem Moment.
Marisa ist Kreativdirektorin einer Werbeagentur in Madrid und desillusioniert von Beruf und Leben. Ihren immer gleichen Alltag steht sie ausschließlich mit Drogen und Alkohol und der Aussicht auf einen möglichst frühen Feierabend durch. Und dank ihrer perfektionierten Strategie, den Anschein von Geschäftigkeit und Professionalität zu erwecken, entflieht sie über Stunden der Realität mit YouTube-Videos und tauscht an ihrem Schreibtisch die bedrückende Realität gegen kurzweilige Ablenkung und eine Scheinwelt aus Glamour und Abgründen.
Einzig die Affaire mit ihrem Nachbarn Pablo bringt etwas Abwechslung in ihre Tristesse sowie das Wiedersehen mit ihrer ehemals besten Freundin Elena – inzwischen operierte Hollywoodschönheit, die von dem Geld ihrer Liebhaber ein Leben in Luxus und Sorglosigkeit führt.
Marisas fragiles Gleichgewicht gerät endgültig ins Wanken als das lang geplante Teamevent ansteht – fernab vor den Toren Madrids und randvoll mit Begegnungen und Erwartungen. Ausgerüstet mit verschiedenen Pillen und Pulvern ist Marisa bereit, dem Grauen betäubt entgegenzutreten und so den 48 Stunden des Schreckens ins Gesicht zu sehen. Doch viel hilft nicht immer viel, und der Abend bringt schicksalhafte Wendungen und Entscheidungen.
Beatriz Serrano hält uns braven Büroangestellten den Spiegel vor. Doch zum Glück ist es ein Zerrspiegel, dessen Bild nicht schreckt sondern vielmehr wunderbar amüsiert. Und erleichternd und verbündend wirkt in dem Gedanken, Marisa so gar nicht ähnlich zu sein. Und wenn nur ein bisschen.

Bewertung vom 16.05.2025
Adichie, Chimamanda Ngozi

Dream Count


ausgezeichnet

Was ist es, was Gemeinsamkeit im Leben schafft? Was trennt, verbindet und begleitet über Jahre und Jahrzehnte hinweg? Und was Kontinente nur einen Herzschlag entfernt erscheinen lässt? Der uns nah sein lässt. Wie mit seinem Lieblingsmenschen gleich von nebenan und Hand in Hand.
„Dream Count“ ist aufregend und so sehr faszinierend. Denn der Roman gibt uns Einblicke, ein Einfühlen und Verstehen in ein Beziehungsgeflecht von vier Frauen. Von vier sehr eigenen Persönlichkeiten. Vier Leben, die ineinander verwoben sind. Und dabei ist das Band, was sie verbindet, mal dick und beständig. Und dann wieder flüchtig und porös. Und reißt doch nie ab.
Vor allem übersteht es ein Streben, Ziehen und Zerren in ganz unterschiedliche Richtungen, immer den eigenen Hoffnungen und Träumen, den eigenen Sehnsüchten und dem Suchen hinterher. Und dass auf Kontinenten und in Ländern Männer das Ziel des eigenen Verlangens zu sein scheinen, mag nicht erstaunlich sein. Doch ist es ebenso die berufliche Erfüllung, die lockt. Oder die wissenschaftliche Bildung und Forschung im akademischen Kreise. Wir können uns gesehen fühlen, liebe Frauen!
Und doch ist es ein Schicksal, das besonders das Herz rührt. Das heraussticht und zugleich im Zentrum des gemeinsamen Geflechts steht. Und letztendlich im Lockdown der Pandemie alle zusammen in die Videokonferenzen , in ein gemeinsames Sprechen, Hoffen und Bangen bringt. Und schließlich den Glauben an Gerechtigkeit für einen Moment verlieren und ein Scheitern im Angesicht männlicher Machtpositionen eingestehen lässt. Im Nachwort allerdings zu erfahren, dass es sich bei aller Fiktion hierbei um ein reales Schicksal, tatsächlich erfahrenes Leid handelt, gibt der Geschichte eine zusätzliche Dimension. Eine Bedeutung, die sich in den Köpfen festsetzt.
Voller Aufregung und grenzenloser Vorfreude das neue Werk einer der ganz großen Autorinnen in den Händen zu halten, kann einen Roman unter Druck und Zugzwang setzen. So nicht „Dream Count“, der all meine Erwartungen lässig erfüllt. Und Nähe und Gemeinsamkeit über hunderte von Buchseiten entstehen lässt.

Bewertung vom 23.04.2025
Kaspari, Carla

Das Ende ist beruhigend


sehr gut

Das Ende ist nah – und das ist dramatisch. Und so rein gar nicht „beruhigend“. Denn die Auswirkungen sind erheblich: Große Teile der Erde sind unbewohnbar, und auch die verbliebenen Landstriche sind von Dürre, Hitze und starken Winden geprägt. Und zu Un-Orten geworden, an denen nur noch lebt, wer dies eben muss. Und sich mit Shields, Luftfiltern und UV-Schutz gegenüber der feindlichen Außenwelt abschirmen kann.
Ganz anders ist es jedoch für die Residenz in Spes I, einem künstlich geschaffenen und bewirtschafteten Ort in Norditalien. Mit erstaunlicher Ruhe und Gelassenheit ertragen die handverlesenen Bewohner*innen die Auswirkungen der weltweiten Klimakatastrophe und widmen sich unter den geschützten Bedingungen des Dorfes ganz ihren Talenten und Begabungen.
Auch Esther hat nun nicht nur die Zeit, sondern ist vor allem auch in der Stimmung und Gemütsverfassung, in Spes I ganz der Malerei nachzugehen. Ihre Bilder faszinieren die Menschen über alle Grenzen hinweg und üben einen Sog auf die Betrachter*innen aus, welchem sich diese nicht widersetzen können. Denn die großformatigen Sonnen vermitteln das, was der Menschheit schon lange abhandengekommen ist: Hoffnung.
Mit dem plötzlichen Weggang von Théa, Esthers Mitbewohnerin und engen Freundin, und dem Zuzug eines jungen Künstlerpaares aus Berlin entstehen jedoch Risse in dem vermeintlichen Paradies. Und deren Auswirkungen bekommt Esther direkt zu spüren. Als sie aufgrund einer großen und für ihr weiteres Schaffen bedeutenden Ausstellung Spes I verlassen muss, scheint die Katastrophe auch in ihrem Leben anzukommen. Wenn auch ganz anders als gedacht.
Mit „Das Ende ist beruhigend“ ist es Carla Kaspari gelungen, den Klimawandel und seine Auswirkungen auf den Geist und das Wesen des Einzelnen mit der Spannung und dem Nervenkitzel von Climate Thrillern zu verbinden. Das Ergebnis ist eine Geschichte, die ebenso fasziniert wie zum Nachdenken anregt. Und dabei Fragen und Verantwortlichkeiten offen lässt.

Bewertung vom 19.04.2025
Bradley, Kaliane

Das Ministerium der Zeit


ausgezeichnet

Aus dem ewigen Eis direkt nach London, aus dem viktorianischen England ins Hier und Jetzt – hört sich unglaublich an? Vor allem klingt es nach ganz viel Spaß und einer richtig originellen Geschichte! Nach Stoff, der fasziniert und mitreißt und nach Fantasie und Fantasy vom Feinsten. Und das trifft so und noch viel mehr zu! Und hat mich „Das Ministerium der Zeit“ lieben und verschlingen lassen.
Für die junge Ministeriumsangestellte und Dolmetscherin ändert sich das Leben radikal als sie den Job als „Brücke“ annimmt. Sie ist damit persönliche Assistentin und Begleiterin eines Zeitreisenden. Der gerade noch auf der „Erebus“ in der Arktis festssaß und nun durch ein geheimnisvolles Portal zu uns gelangt ist. Und damit ist er nicht allein. Auch weitere Expats wurden vom Ministerium auserkoren, ihr Leben unter Bedingungen fortzusetzen, die nicht nur radikal anders sondern für sie auch radikal unverständlich und furchteinflößend sind. Ein Kulturschock, der für beide Seiten erheblich ist.
Doch damit nicht genug. Das Universum lässt sich selten in die Karten schauen oder durch selbsterschaffene Portale austricksen. Das Reisen durch die Zeit hat also Nebenwirkungen. Und Folgen. Und da wir spätestens seit Star Trek wissen, dass Zeit keine Einbahnstraße ist, kommt auch die Zukunft ins Spiel. Erst nur ganz in Andeutungen, schemenhaft, dann futuristisch im Auftreten und erschreckend in den Konsequenzen.
Und noch etwas anderes entsteht über die Jahrhunderte hinweg. Zart und überraschend. Erst kaum zu glauben, dann doch geschehen. Und macht die Geschichte neben all der Spannung, Action und einem großen Showdown zu einer, die ans Herzen geht. Ganz tief. Und damit gleich doppelt schön.
Damit ist der Roman für mich so viel: ein Feuerwerk an Fantasie und Kreativität, das fasziniert, fesselt und bitte nicht enden soll. Eine Zeitreisegeschichte, neu, anders und so besonders. Und vor allem ein neues Lieblingsbuch. Das ganz nebenbei auch optisch überraschend – schaut auf den Buchdeckel! – und ein absolutes Highlight ist.

Bewertung vom 05.04.2025
Schätte, Lena

Das Schwarz an den Händen meines Vaters


ausgezeichnet

Intensiv in der Geschichte, klar und ausdrucksstark in der Sprache und von einer Deutlichkeit und Prägnanz in Aussage und Thematik, die mit Tiefgang und doch ganz ungezwungen den Weg zu den Leser*innen findet – „Das Schwarz an den Händen meines Vaters“ hat mich beeindruckt. Sehr.
Doch der Reihe nach. Motte, die junge Ich-Erzählerin, ist mit der Erfahrung und dem Erleben aufgewachsen, dass Alkohol mehr ist als der Genuss und die gute Stimmung – auf der Feier zum Geburtstag, zu besonderen, ausgewählten Anlässen. Alkohol kann zerstören. Den Vater, dessen Wesen und Geist zunehmend verschwinden, seinen Körper, nachhaltig und tödlich. Und auch die Familie, die unter der Sucht leidet. Diese weitergibt. Über Generationen. An die Kinder selbst, in ihrer Partnerwahl.
Doch Alkoholismus ist eine Krankheit. Kein Vergehen. Kein Verbrechen. Und somit ist Schuld auch kein Motiv, welches Lena Schätte wählt oder Klischee, welches sie bedient. Denn trotz der dramatischen, desaströsen Auswirkungen des unkontrollierten Trinkens, immerfort, des Vaters, ist ihre Beschreibung der Figur frei von Verurteilung, geprägt von der Liebe der Kinder ihrem Vater gegenüber, dem Ringen der Mutter um das eigene Überleben und das ihrer Partnerschaft und Ehe.
Es ist vielmehr die Traurigkeit, die sich durch die Erzählung zieht, eine Traurigkeit darüber, dass die Dinge so sind, wie sie eben sind. Dass Kindheit und Jugend geprägt und möglicherweise zerstört wurden. Dass Traumatisierungen Alltag sind und das eigene Leben auffressen und begrenzen. Und dass sich nichts mehr ungeschehen machen lässt.
Und ebenso eindringlich wie die Geschichte selbst, kommt auch die Sprache daher. Sie ist schnörkellos und direkt, klar und schonungslos. Die Sätze sind kurz, pointiert, die Worte treffend. Oftmals das Herz. Und genau da bleibt die Erzählung für mich auch, lang über die letzte Seite hinaus. Schmerzt und hat zugleich so viel Schönes. Und ist so groß wie einzigartig.