Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Kunde_1891
Wohnort: 
Haar

Bewertungen

Bewertung vom 22.02.2022
Im Jahr des Roten Affen
Terbishdagva, Dendev

Im Jahr des Roten Affen


ausgezeichnet

EIN NOMADENJUNGE BLICKT ZURÜCK
Dendev Terbishdagva über den »Wind der Veränderung« in der DDR und in der Mongolei
Von DAGMAR ENKELMANN
29.12.2020
Neues Deutschland Nr.302
Wenig im Fokus der Erinnerungen an das Ende der DDR sind die,
die den Mauerfall als ausländische Studierende oder Fachkräfte direkt miterlebt haben und deren Zukunft plötzlich ungewiss wurde. Wie haben sie die politische Wende erlebt, mit welchen Eindrücken, vielleicht Ängsten, und was ist aus ihnen geworden? Einer, der dazu gehörte, war Dendev Terbishdagva, geboren im »Jahr des Roten Affen«, 1956, in einer kinderreichen mongolischen Nomadenfamilie, einer »warmen, harmonischen Familie«. 1975 kam er in die DDR, zunächst nach Leipzig zum Sprachstudium, anschließend zum Studium der Lebensmitteltechnologie an der Humboldt-Universität Berlin. Zurück in der Mongolei arbeitete er im legendären Fleischkombinat in Ulaanbaatar, das mit Hilfe der DDR großzügig modernisiert wurde.
Auf Bitte des Jugendverbandes der Mongolischen Revolutionären Volkspartei wechselte er 1988 als Dozent und Dolmetscher an die
Jugendhochschule der Freien Deutschen Jugend »Wilhelm Pieck« am Bogensee, in der Nähe von Bernau. Dort erlebte er mit seiner
Familie die politische Wende. In ihren letzten Monaten ermöglichte die DDR-Regierung ausländischen MitbürgerInnen über eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung den weiteren Verbleib im Land. Nach Abwicklung der Schule war TBD, wie ihn seine Freunde nannten, arbeitslos, arbeitete als Kellner und für ein Jahr in der Ausländerbehörde der Stadtverwaltung Bernau. Er sah die Möglichkeiten für freies Unternehmertum, die sich nach dem Beitritt der DDR in den Geltungsbereich des Grundgesetzes auch für ihn boten, und griff zu. Während er sein eigenes Unternehmen
zur Förderung von Export- und Importbeziehungen zwischen der Mongolei und Deutschland gründete, studierte er Management und Unternehmensführung an der ehemaligen Hochschule für Ökonomie, die als Fachhochschule in das bundesdeutsche Hochschulsystem eingegliedert worden war. Sehr schnell hatte er sich auch ein großes Netzwerk aufgebaut. Nicht ohne Grund schreibt er in seinem Buch darüber, dass Mongolen »aufgeweckt und pfiffig« seien und meint damit wohl auch sich selbst.
Mitte der 90er-Jahre kehrt er mit seiner Familie in die Mongolei zurück. Der »Wind der Veränderung« hatte auch seine Heimat
erfasst.