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superlindner

Bewertungen

Insgesamt 7 Bewertungen
Bewertung vom 23.02.2024
Die Nacht des Blutadlers
Voltenauer, Marc

Die Nacht des Blutadlers


sehr gut

Zart besaitet darf man bei Marc Voltenauers neuem Roman „Die Nacht des Blutadlers“ keineswegs sein. Nur sehr wenige Autoren verstehen es so gut menschliche Abgründe mit einer packenden und vor allem glaubwürdigen Storyline zu verweben, wie Voltenauer es tut.

Der Inhalt des Buches mutet beim Lesen des Klappentextes recht simpel, ja bisweilen stumpf an. Durchgeknallte Sekten, die Leute auf brutalste Weise umbringen? Ein Kommissar, der zufällig vor Ort ist? Hatten wir alles schon 1000 mal und dann eher schlecht als recht. Jedoch wird bei diesem Buch schon nach den ersten paar Seiten klar, dass es sich bei dem Wikingerclan keinesfalls um psychopathische Bestien handelt und dass Kommissar Andreas Auer nicht grundlos in diesen Fall verwickelt wird. Das Buch lässt tief in die bedrückensten Seiten der menschlichen Seele blicken und fesselt den Leser unter anderem auch mit der optimal beschriebenen Atmosphäre und Geschichte Gotlands.

Ein grausamer, sowie sinnvoll aufgebauter Kriminalfall. Die stets nachvollziehbaren Entscheidungen der Ermittler und die als Nebengeschichte aufgebaute Familiengeschichte Andreas Auers runden den Verlauf des Romans ab. Jedoch fehlt es gerade den Charakteren des schwedischen Ermittlerteams, sowie einzelnen Clanmitgliedern an dringend benötigter Tiefe. Ich hätte dafür gerne etwas an den Beschreibungen der jeweiligen Schauplätze sowie der Nebengeschichte eingebüßt.

Im Allgemeinen lässt sich jedoch sagen, dass Marc Voltenauer hier einen überaus gelungenen, kurzweiligen und im positiven Sinne schwer verdaubaren Kriminalroman serviert. Das Buch kratzt an den 5/5 Sternen, ich muss aber aufgrund der etwas oberflächlichen Charaktere ein wenig abziehen.

Bewertung vom 19.02.2024
Babel
Kuang, R. F.

Babel


ausgezeichnet

Der erste dicke Schmöker dieses Jahr. Im Vorbeigehen am Bestseller Regal der örtlichen Bibliothek ausgeliehen und da der letzte Roman eher dünn war, was Seitenanzahl und Storytelling anging nahm ich mir „Babel“ von Rebecca F. Kuang vor. Man kann festhalten, dass ich nicht enttäuscht wurde, der Roman wandert bei mir in die Rubrik Meisterwerk.

Die Geschichte ist vor allem in den 1830er Jahren angesiedelt, als der mysteriöse und eher unsympathische Professor Lovell den Waisenjungen Robin Swift aus Kanton (dem heutigen Hong-Kong) bei sich aufnimmt, um ihn in der Kunst des Übersetzens zu unterrichten. In Oxfords Herzzentrum, dem Turm Babel wird Sprache mit Magie und Silber verknüpft. Als Robin dort zu studieren anfängt gerät er an den geheimnisvollen Hermes-Bund, der ihn erkennen lässt, dass er gegen sein Heimatland arbeitet. Robin muss sich für eine Seite entscheiden: Entweder die Annehmlichkeiten Oxfords und westlicher Bildung genießen oder gegen das Empire rebellieren. Doch kann er gegen die gesamte britische Krone bestehen?

Die Autorin greift hier gleich mehrere historische und soziale Themen auf und lässt die Protagonisten dagegen ankämpfen (Rassismus, industrielle Revolution, Kolonialisierung). Die Figuren sind meiner Meinung nach brilliant dargestellt. Das Magiesystem in Verbindung mit Sprache ist nicht nur raffiniert, sondern auch gut verständlich ausgearbeitet. Die Storyline ist überaus spannend, mitreißend, man möchte das Buch nicht aus den Händen legen. Kurzum: Eine fantastische Reise, die das Prädikat „Bestseller“ verdient hat wie es sonst nur wenige Romane tun.

Bewertung vom 15.02.2024
Wo Milch und Honig fließen
Zhang, C Pam

Wo Milch und Honig fließen


gut

Ich weiß nicht woran es liegt, aber ich bin mit der Geschichte an sich nicht warm geworden. Die Idee an sich grandios, zeichnet die Thematik doch ein Bild, welches uns in näherer Zukunft begegnen könnte: Ein Smog hat nahezu alle Nutzpflanzen und Tiere ausgelöscht. In ihrer Sehnsucht nach richtigem Essen begibt sich die Ich-Erzählerin auf eine Bergkolonie in den italienischen Alpen um dort als Köchin zu arbeiten. Das Land wo Milch und Honig fließen stellt sich als dekadente, von einem Millionär und seiner Tochter finanzierte Zuflucht für wohlhabende Bürger heraus.

Der Schreibstil von C Pam Zhang ist wunderschön, fast schon poetisch. Die Geschichte wird wortgewaltig erzählt. Damit tritt aber auch schon das erste Manko hervor: Durch den doch sehr blumigen und schnörkeligen Stil fehlt es fast allen Charakteren außer der Protagonistin an Tiefe. Auch die Storyline leidet sehr an einem fehlenden Spannungsbogen (zumindest war für mich keiner ersichtlich), so dass sich die knapp 270 Seiten doch sehr zogen. Auch das Ende war für mich eher weniger zufriedenstellend. Schade, dass eine so gute Idee doch etwas verhauen wurde.

So oder so muss man wissen auf was man sich einlässt. Ich denke das Buch wird seine Fans finden, für mich war es doch zähe Kost. Der Fakt, dass der Schreibstil wie erwähnt wunderschön ist und die Autorin ein brisantes Thema anspricht rettet meine Bewertung noch auf 3 Sterne.

Bewertung vom 13.02.2024
Haie in Zeiten von Erlösern
Washburn, Kawai Strong

Haie in Zeiten von Erlösern


ausgezeichnet

Wenn man an Hawaii denkt, dann denkt man an traumhafte Natur, Blumenketten und lange Sandstrände. Kawai Strong Washburn räumt mit diesen Klischees auf und versetzt seine Leser in die Lage einer armen, 5-köpfigen Familie. Die Eltern halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, während die Kinder auf das Festland ziehen um zu studieren. Jeder hat seine ganz eigenen Sorgen, vor allem Nainoa, der als etwas magisches gilt seitdem er eine Haiattacke unbeschadet überlebt hat. Nach und nach kommen die Kinder zurück nach Hawaii, immer im Konflikt untereinander und mit den Eltern, vor allem aber mit sich selbst. Die Charaktere sind allesamt so wahnsinnig tiefgründig dargestellt. Die Kapitel werden von den verschiedenen Hauptpersonen erzählt, was einen in die Geschichte und in die jeweiligen Personen abtauchen lässt. Ein Roman zwischen Realität und Fiktion, zwischen hawaiianischen Mythen und der knallharten Wahrheit vieler Familien im vermeintlichen Paradies. Eine unglaubliche Geschichte, die man gelesen haben muss.

Bewertung vom 12.02.2024
Wie man die Zeit anhält
Haig, Matt

Wie man die Zeit anhält


sehr gut

Booktok. Das ist das erste, was mir im Kopf herumschwirrt, wenn der Name "Matt Haig" fällt. Jetzt wollte ich sehen ob an dem Hype etwas dran war und lieh mir vorsichtshalber "Wie man die Zeit anhält" erstmal in der lokalen Bibliothek aus. Ich bin mit gemischten Erwartungen an die Geschichte herangegangen und wurde komplett überrascht. Haigs Schreibstil ist frisch, authentisch und das Buch ist daher auch nach einem stressigen Tag wunderbar zu lesen. Die Idee, einen 500 Jahre alten Protagonisten in die Rolle eines Geschichtslehrers zu stecken ist grandios und das Ende wurde wider erwarten wahnsinnig spannend. Für mich kommt nur die propagierte Liebesgeschichte stellenweise etwas zu kurz und die Sprünge durch die verschiedenen Epochen sind teilweise schwer nachvollziehbar. Trotz all dem erzählt dieser Roman eine Geschichte, die berührt. Ich werde sicherlich noch weitere Bücher von Matt Haig lesen, der Gang zu Bibliothek ist dafür aber nicht mehr nötig :-)

Bewertung vom 12.02.2024
Nachleben
Gurnah, Abdulrazak

Nachleben


sehr gut

Zunächst einmal muss ich anbringen, dass ich mich schwer getan habe in die Geschichte reinzukommen. Das liegt sicherlich am Schreibstil des Autors, sowie der Verwendung von unzähligen Wörtern in Suaheli (Gurnahs Muttersprache), die nicht weiter erläutert werden. Hat man den Klappentext im Kopf, so schreiten die ersten 100 Seiten rasant in der Geschichte voran. Erst danach widmet sich der Roman der eigentlichen Hauptperson Hamza. Ich muss sagen, dass Abdulrazak Gurnah die Grausamkeit der Askari Truppen und der deutschen Besatzungsmacht mit einer fantastischen Wucht wiedergibt. Nach Hamzas Rückkehr in seine Heimatstadt wandelt sich die Kriegsgeschichte in eine Liebesstory mit einem Ende, welches zum Nachdenken und innehalten einlädt. Es war mein erstes Buch des Literatur-Nobelpreisträgers, aber sicher nicht mein letztes. Wer sich für Kolonialgeschichte interessiert (oder vielleicht sogar in der Uni oder der Schule damit zu tun hat), dem kann ich diesen Roman uneingeschränkt ans Herz legen.

Bewertung vom 12.02.2024
Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
Murakami, Haruki

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki


ausgezeichnet

Haruki Murakami ist in jeder Hinsicht ein unkonventioneller Autor, entweder man liebt ihn oder man kann mit seinen Geschichten wenig anfangen. Der Autor malt in diesem Roman mit Gefühlen, die tief im inneren eines jeden Menschen sitzen, Protagonist Tsukuru Tazaki ist dabei seine Leinwand. Er ist ein zurückgezogen lebender Bahnhofsingenieur, der sich für seine große Liebe auf eine Reise zu seinem alten "ich" begibt und dabei auch unbequeme und bisweilen tieftraurige Wahrheiten vertragen muss. Ich hatte beim Lesen tatsächlich einen Klos im Hals. Ein Meisterwerk!