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Benutzername: 
Alexis
Wohnort: 
Bonn

Bewertungen

Bewertung vom 23.12.2015
Hauptsache schuldig!
Brenner, Tim

Hauptsache schuldig!


ausgezeichnet

Eine Kommissarin, wie es sie wohl noch nicht gab im deutschen Kriminalroman. Zu groß, nicht sehr schön, wenig grazil, etwas ordinär, sehr direkt im Umgang mit Mitmenschen, seit langem ohne Mann. Es läuft nicht alles so in ihrem Leben, wie es laufen soll – privat nicht wie auch beruflich. Aber sie mag sich, und mit Selbstbewusstsein, Durchsetzungsstärke, Intuition sowie kollegialer Unterstützung löst sie in und um München den Fall einer verschwundenen Frau.

Bei genauerem Hinsehen ist die Protagonistin Gabriele Leimkamm eine emanzipierte Frau, die weiß, was sie will. Je besser man die Kommissarin als Leser kennen lernt, um so mehr mag man sie. Man erkennt nach und nach ihre liebenswerten Seiten und spürt, dass sie auch dem Autor ans Herz gewachsen ist. Die Meinung von Frau Schwarzer zu dieser unabhängigen Frau, die ihre Sichtweisen und Interessen bei der Lösung des Falls nie aus den Augen verliert, würde mich interessieren.

In diesem Multi-Perspektiven-Roman sind neben der Kommissarin die anderen Figuren ebenso klar gezeichnet mit eigenem Charakter. So der treue Kollege der Kommissarin, der sich durch deren teils harte Zurückweisungen nicht vergraulen lässt. Oder der intellektuelle Top-Management-Coach, der seine sehr eigenen Ziele verfolgt und hierfür die Kommissarin intelligent beeinflusst. Dabei finden die Charaktere ihren Ausdruck auch in der mit den Perspektiven wechselnden Sprache, die der Autor geschickt verwendet.

Nachdem man sich auf den ersten Seiten an den für einen Krimi etwas ungewohnt direkt-derben Stil schnell gewöhnt hat, fesseln einen der klare Erzähl- und Schreibstil sowie die schnelle Handlungsabfolge alsbald. Der Fall ist interessant konstruiert und als Leser werde ich geschickt auf falsche Fährten geführt. Ab Seite 100 habe ich das Buch (fast) nicht mehr aus der Hand gelegt und hatte einen kurzweilig-vergnüglichen Nachmittag. Neben der Handlung, die kontinuierlich Spannung aufbaut und manch überraschende Wendung bringt, gefallen auch viele kleine, besondere Szenen. So gibt es Erlebnisse an Flughafenschaltern und Hotelrezeptionen mit eigener Komik. Und der Leser hofft insgeheim, dass die Polizei im wahren Leben mit den Möglichkeiten moderner Informationstechnik vertrauter ist als die Frau Leimkamm.

„Hauptsache schuldig“ ist durch seine direkte Sprache, die besondere Hauptfigur und den einfallsreichen Plot ein etwas anderer als der gewohnte „Standard-Krimi“. Für mich war es eine erfrischende Lektüre, die ich Freunden und Bekannten mit Humor und Liebe für das Besondere als etwas andere Form der Erzählung ans Herz lege.