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Büchernische
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Cottbus
Über mich: 
www.buechernische-blog.de

Bewertungen

Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 01.01.2013
Dicke Hose
Morgowski, Mia

Dicke Hose


sehr gut

Alexander Held ist Makler und arbeitet für ein renommiertes Maklerbüro. Dort geht es streng zu, sein Chef hat ein Punktesystem eingeführt und Alex gehört zu den Mitarbeitern, die auf der Abschussliste stehen. Als ob das nicht genug wäre, wird sein Kumpel Florian krank und Alex muss für ihn im Luxusladen Miucci einspringen. Was er dort erlebt, hätte er sich wohl auch nicht träumen lassen, er hat doch so gar keine Ahnung von Chloé, Versace und den neuesten Trendfarben des Frühjahrs.

Ein grellpinkes Cover leuchtete mir entgegen, darauf blickt ein Küken in blauer Jeans keck zwischen zwei Eierschalenresten hervor. Das Coverbild an sich ist eher sinnbildlich zu verstehen, denn um gelbe niedliche Küken geht es in »Dicke Hose« eher weniger; vielmehr musste sich der Protagonist mit so mancher zickigen Pute oder Henne auseinandersetzen. Im Buch selbst befindet sich ein weiteres witziges Gimmick in Form eines kleinen Daumenkinos.

Anders war manch Weibsbild in diesem Roman nicht zu bezeichnen, vor allem auf den ersten Seiten fuhr die Autorin gleich mal dicke Geschütze auf und präsentierte uns den wahrgewordenen Albtraum eines jeden Immobilienmaklers: hochnäsig, konsum- und luxusfixiert, am Geldbeutel eines reichen Mannes hängend, kopfüber in einen Farbtopf geplumpst und äußerst besitzergreifend sowie rücksichtslos. Wie ich solche Frauen verabscheue… brrr. Identifikation: Fehlanzeige! Um Himmels Willen, genauso möchte doch niemand sein… oder? Unterhaltung pur Skuril, das ist das Stichwort. Diese Eigenschaft trägt der Roman wie eine Fahne vor sich her, gepaart mit einer deftigen Prise Humor, der ein ums andere Mal auch in etwas seichtere Regionen abdriftet. Aber das ist ok, hey wir haben hier ein humorvolles Buch vor der Nase, keine ernste Lektüre. Trotz aller Flapsigkeit und lockerem Schreibstil steckt doch ein Fünkchen Ernsthaftigkeit und Wahrheit hinter den Buchstaben des Quietsche-Covers. So manches Lügengebilde wurde aufgebaut und in sich zusammengefaltet wie eine traurige, kaputte Ziehharmonika. »Lügen haben kurze Beine« heißt es so schön.

Wer sich in der Modewelt nicht so recht auskennt, der wird mit diesem Buch evtl. ein paar Probleme haben – zunächst. Wenn man aber einen geflissentlichen Blick ans Ende des Buches wirft, wird man mit
Freude feststellen, dass sich dort ein recht ausführliches modisches Glossar befindet, welches so manche Unwissenheit rund um Prada, Kleidungsstil und Begriffen eines wahren Modeenthusiasten aus dem Weg räumt, natürlich nicht ohne die passende humorvolle Würze. Der Roman spielt zum größten Teil in einer Modeboutique für Luxusartikel und lässt auch die Gelegenheit nicht aus, die typischen Klischees dieser Branche aufzuzählen. Dies bringt die Autorin mit so einer direkten Art von Humor rüber, das man gar nicht anders kann, als sich zu amüsieren.

Kurzum: »Dicke Hose« ist mehr als nur heiße Luft zwischen Glamour & Handtäschchen, in diesem Roman steckt richtig Power. Er macht Freude, er unterhält für einige Stunden und strapaziert auch ein wenig die Lachmuskeln, sofern man mit dem Humor auf einer Welle reitet und nicht alles für bare Münze nimmt. Gute Unterhaltung für zwischendurch, auch für Leser die normalerweise kein Fan des Chicklits sind. Humorvoll, ironisch und ein tolles Lesevergnügen für das Wochenende!

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.10.2012
Der Architekt
Winner, Jonas

Der Architekt


sehr gut

Jonas Winners neuer Thriller »Der Architekt«, erschienen im Droemer Knaur Verlag im Oktober diesen Jahres, spielt in unserer Hauptstadt Berlin. Dort sitzt Julian Götz, seines Zeichens international anerkannter Architekt, Ehemann & Vater zweier Töchter vorm Moabiter Kriminalgericht auf der Anklagebank, im Verdacht seine Familie umgebracht zu haben. Fasziniert von diesem Prozess, beschließt der Drehbuchautor Ben Lindenberger aus seinem gewohnten Alltagstrott auszubrechen und setzt sich mit dem 49jährigen Architekten in Verbindung, um ihm vorzuschlagen ein Buch über ihn und den Fall zu schreiben. Erst nach einer Weile wird im klar, wie sehr ihn die Geschichte immer tiefer in einen Strudel aus Intrigen, Geheimnissen und dunkle Begierden zieht.

In »Der Architekt« spinnt der Autor ein Psychospiel rund um und mit Architektur, das Thema zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung, aufgeteilt in mehrere Handlungsstränge. Viele architektonische Details werden umfangreich beschrieben. Teilweise nimmt dies ein wenig überhand und ich habe stellenweise das Gefühl, dass die Handlung nicht so recht in Fahrt kommen will. Spannung erzeugt der Autor definitiv!
Zweiter Handlungsschwerpunkt ist Mia, eine junge Frau, die von ihrer Freundin auf eine dubiose Party in eine noch dubiosere Umgebung mitgenommen wird, findet sich plötzlich in einem Raum wieder, eingesperrt, abgeschnitten von der Außenwelt, inmitten der Dunkelheit und der Geräuschkulisse hämmernder Bässe, inmitten von sich windenden Leibern, die sich gegenseitig in Extase treiben. Wie dieser Teil des Plots mit der restlichen Handlung zusammenhängt, erfährt man als Leser erst sehr spät im Buch. Das wiederum gefiel mir sehr gut, denn ich wusste Mias Rolle bis weit über 75% des Buches nicht wirklich einzuordnen. Die Hinweise darauf verdichten sich erst im letzten Viertel des Buches und es fällt einem wie Schuppen von den Augen. Pluspunkt für Herrn Winner, denn er weiß die Spannung auch bis zum Schluss aufrecht zu erhalten.
Was mich allerdings ein wenig störte: Das Buch war mehr "Psycho" als "Thriller". Zuviele Dialoge, die den Großteil der Handlung ausmachen. Die Art und Weise, wie der Autor die Dialoge im Buch wiedergibt, gefällt mir, aber ich stellte mehr und mehr fest, dass es auf Dauer ermüdend war, mehr Gesprochenes als wirkliche Handlung zu lesen. Die Aktion blieb meines Erachtens ein wenig auf der Strecke, denn auch wenn es ein Psychothriller ist, hätte ich mir ein wenig mehr Power hinter den Zeilen gewünscht. Die Idee hinter den knapp 400 Seiten ist klasse, wirklich! Sie überraschte mich, wiederum ein Pluspunkt für das Buch. Aber da wäre mehr drin gewesen!
Dennoch las sich das Buch gut, der Schreibstil ist flüssig und konsequent, teilweise verwirrend, ich möchte sagen: grotesk, subtil! Wenn man wirklich bis zum letzten Satz durchhält - das Ende war gelungen - stellt man fest, welch dunkle Abgründe die menschliche Seele offenbaren kann, wie krank, geistig krank und besessen man werden kann - wenn man es denn zulässt!
Man sollte dieses Buch aufmerksam lesen, denn ich hatte das Gefühl, gerade die Kleinigkeiten machten hier sehr viel aus. Fasziniert war ich von den Details zur Architektur, die Beschreibung der Gebäude, die Wirkung der Farben und die Tatsache, dass Räume einen emotionalen Effekt auf den Bewohner oder Besucher haben können. Überzeugend zeichnete der Autor auch das Charakterbild des Architekten: exzentrisch, jähzornig, zielstrebig und absolut von sich und seiner Arbeit, seinen Ideen überzeugt. Dabei blieben aber die emotionalen Aspekte der Protagonisten ein wenig auf der Strecke, während der Drehbuchautor noch sehr überzeugend an den Leser transportiert wurde, wenn auch ein wenig befremdlich, waren andere Personen recht blass, ja farblos.

Mein Fazit: Wer sich für Architektur interessiert, gleichermaßen subtile Psycho-Stories liebt, Dialoge liebt und in die Abgründe der menschlichen Seele eintauchen will, der wird mit diesem Buch gut beraten sein!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.09.2012
Geheime Tochter
Gowda, Shilpi Somaya

Geheime Tochter


ausgezeichnet

Ich habe selten so ein Buch gelesen, was mich vergleichbar emotional gepackt wie Shilpi Somaya Gowdas Weltbestseller »Geheime Tochter«. Das Debüt der Autorin, dessen Originalausgabe bereits im März 2010 bei William Morrow erschienen ist und in den USA & Kanada große Erfolge zu feiern hatte, steht nun seit dem 1. August auch in unseren Buchhandlungen in Deutschland. Renommierten Tageszeitungen auf der ganzen Welt überschlagen sich geradezu vor Lob und ich muss ehrlich zugeben, nachdem ich das Buch nun fertig gelesen habe, komme ich zu dem Schluss, dass es dieses Lob voll verdient hat!

Indien 1984. Ein kleines Mädchen mit haselnussbraunen Augen namens Usha - Morgendämmerung - erblickt in einem kleinen Dorf das Licht der Welt. Doch diese Welt ist von Armut, Entbehrung & dem nackten Kampf ums Überleben geprägt. Mädchen sind nicht erwünscht, sie können nichts für die Erhaltung der familiären Existenz beitragen. Schweren Herzens entschließt sich ihre Mutter Kavita, ihr Kind in ein Waisenhaus zu geben, um es vor dem sicheren Tod zu bewahren. Zeitgleich, am anderen Ende des Erdballs, in San Francisco, mitten im Land des Überflusses, das nicht gegensätzlicher sein kann, erleidet eine junge Ärztin eine Fehlgeburt. Verzweiflung breitet sich in Somer Thakkar aus, sie wünscht sich doch so sehnlichst ein Kind. Als das Ehepaar feststellt, dass Somer keine eigenen Kinder bekommen kann, entschließen sie sich, ein Kind aus Indien zu adoptieren und ihm damit die Chance auf ein neues Leben zu geben. Doch ist Liebe allein genug, um die Grenzen zwischen den beiden Kulturen zu überwinden?

Der äußerst gefühlvolle, aufwühlende Roman ist in zwei zeitlich parallel laufende Handlungsstränge aufgeteilt, die zwei völlig verschiedene Welten, zwei Schicksale im Verlauf von 20 Jahren gegenüber setzen, einzig vereint durch die Mutterliebe zu Usha. Mädchen sind in Indien eine Belastung, die Tötung der Säuglinge ist für viele Familien die einzige Chance zu überleben. Grausame Realität, die Frau Gowda mit einem unglaublich intensiven Erzählstil näher bringt. Man leidet mit, die Emotionen kochen, das Herz pocht bei dem Gedanken, wie schrecklich das Leben in den Slums Dharavis sein muss.

Ich bin restlos begeistert von diesem Buch. Einzig Ashas Verhalten nervte mich, da sie sich ihrer Mutter gegenüber sehr unangemessen verhält. Das pubertäre Verhalten der jungen Dame stellt Frau Gowda aber sehr überzeugend dar.

Die Autorin hat ihre persönlichen Erfahrungen in ihr Buch mitgenommen, da ihre Eltern aus Mumbai stammen. Während ihrer Studienzeit hat die aus Toronto stammende Autorin auch in einem Kinderheim in Indien gearbeitet, was sich ebenfalls in ihrem Schreiben widerspiegelt. Das war nicht nur einfaches Recherchieren, das man eben erledigen muss wenn man ein lebendiges Buch schreiben möchte, das spürte ich deutlich während des Lesens. Ihre Eindrücke machen ihren Roman so lebendig, farbig, feinfühlig.

Ein unglaublich packendes, feinfühliges Feuerwerk der Emotion, ein Buch voller Herzenswärme und Liebe, das man gelesen haben muss! Ein Buch, das zum Nachdenken & Rekapitulieren seines eigenen Lebens anregt…

Bewertung vom 26.08.2012
Der Himmel über der Heide
Cramer, Sofie

Der Himmel über der Heide


sehr gut

Zwischen Heidekraut, Familiengeschichte und Kulinarium - eine Lektüre für zwischendurch!

Kati hat Jahre nach dem Tod ihrer Zwillingsschwester noch immer mit Albträumen zu kämpfen, als sie in ihrer Wahlheimat Hamburg die Nachricht erhält, dass ihr geliebter Vater schwer krank in einem Soltauer Krankenhaus liegt. Sie lässt Hamburg und ihre angeschlagene Beziehung zu Simon hinter sich, eilt sofort ans Krankenbett und muss feststellen, dass es, wenn überhaupt, vermutlich lange dauern wird, bis sich ihr Vater wieder um den Heidehof & seine Familie kümmern kann. Großmutter Elli und Stiefmutter Dorothee indessen versuchen, so gut es geht, die Geschäfte des 300 Jahre alten Gutes, das inmitten der blühenden Landschaft der Lüneburger Heide liegt, auf dem Laufenden zu halten. Als ob es nicht schon genug Probleme geben würde, wird Kati nun wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt und muss sich mit ihr auseinandersetzen.

Wenn ich mir das Cover von Sofie Cramers Gegenwartsroman "Der Himmel über der Heide ansehe", so stelle ich nach dem Lesen kaum Bezug zur Geschichte fest. Es ist ein farbenfrohes Bild eines geöffneten Fensters, der Blick geht hinaus in eine herbstliche Heidelandschaft, doch über den Inhalt des Buches verrät dieses Bild nicht viel.

Kati, die Protagonistin der Handlung, eine 30jährige Graphikerin, angestellt in einer Hamburger Agentur, scheint mit sich und ihrem Leben nicht so recht zufrieden zu sein. Sie wirkt teilweise mehr wie ein zickiger Teenager denn ein erwachsener Mensch, der aufgrund seiner Vergangenheit gereift ist. Stellenweise war ich ein wenig genervt ob ihres Verhaltens, zumal im darauffolgenden Kapitel die plötzliche Einsicht Einzug hielt. Viele Verhaltensweisen zeichnen zwar überzeugend eine traumatisierte Persönlichkeit nach, stellenweise allerdings konnte mich die Autorin davon nicht mehr überzeugen.

Sofie Cramer stellt den Schauplatz des Buches in solch schillernd bunten Farben und in einem solch ausschweifenden Ausmaß dar, dass man sich teilweise an einen Landschaftsführer erinnert fühlt. Zugegeben, die Beschreibungen entfachen ein wahres Feuerwerk von Bildern einer idyllischen, duftenden Heidelandschaft im Kopf und gefielen mir sehr gut, doch sie verdrängen leider vor allem in den ersten 10 Kapiteln die Handlung auf den zweiten Platz. Die Story kommt viel zu langsam in Fahrt, viel zu oft wird sich mit langatmigen Beschreibungen aufgehalten, so dass erst ungefähr in der Mitte des 416 Seiten umfassenden Romans die Spannungskurve langsam ansteigt.

Der Erzählstil Sofie Cramers liest sich sehr gut, flüssig, lockere Schreibweise, einfacher Satzbau, blumig. Sie schaffte es, Emotionen in mir zu wecken, verhalf dazu, dass ich mich in die Gefühle der Hauptperson gut hineinversetzen konnte. Der eine oder andere Ausruf während des Lesens beschränkte sich allerdings mehr auf verärgerte Reaktionen, da Katis Charakter reifes Verhalten & Tiefe vermissen ließ. Auch die weiteren wichtigen Charaktere des Buches hätten etwas mehr Intensität ausstrahlen können, gefielen mir aber im Großen und Ganzen ganz gut. Gerade der warmherzige Charakter Großmutter Ellis als Teil der älteren Generation, als Teil der Vergangenheit der Familie Weidemann hätte mehr Potential gehabt.

Mein Fazit: Die Story berührte mich, die Charaktere konnten dies teilweise nicht erreichen, dennoch hat mir das Buch ganz gut gefallen. Einen Pluspunkt gibt es - trotz der Übergewichtung - für die wirklich wunderbare Beschreibung von Umgebung und Landschaft. Alles in allem empfehle ich dieses Buch als Lektüre für entspannende Abende für all diejenigen, die sich für Familiengeschichten im Allgemeinen und die Lüneburger Heide im Besonderen interessieren!