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Kat
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Chemnitz

Bewertungen

Insgesamt 7 Bewertungen
Bewertung vom 25.09.2025
Gilbert, Elizabeth

All the Way to the River


weniger gut

Elizabeth Gilbert hat mir 2020 mit „Das Wesen der Dinge und der Liebe“ (das Buch ist bereits 2013 erschienen) ein wahrliches Lesegeschenk gemacht, deshalb habe ich mich voller Vorfreude auf ihr neues Buch gestürzt aber die Autobiografie über zwei verstörte Frauen, die sich gegenseitig manipulieren war leider gar nicht meins, ich habe das Buch circa in der Mitte abgebrochen.

Es steht mir genau genommen nicht zu, das Buch überhaupt zu bewerten, denn EG legt einen schonungslosen Bericht einer Suchtkranken dar und drückt ihre tiefempfundenen Gefühle aus. Wer bin ich, das zu beurteilen? Dennoch versuche ich kurz auszudrücken, was mir an dem Buch nicht gefallen hat:
Das Buch beginnt mit einer endlos langen Einleitung darüber, wie der Geist ihrer verstorbenen Geliebten Rayya sie besucht. Ich hoffte, dass ich danach etwas über diese Person erfahren werde aber außer, dass sie syrischer Abstammung ist, Haare schneidet, ziemlich lustig sein kann und die große Liebe von EG war, weiß ich immer noch nicht viel. Die Energie des Buches konzentriert sich auf zwei Menschen, die sich beide leider ziemlich schlecht benehmen. Die Autorin gesteht zwar ihre eigenen Fehler aber das hatten wir ja in „Eat Pray Love“ auch schon einmal, das damit endete, dass sie ihr Leben gerettet und ihr Glück bis ans Ende aller Tage gefunden hatte. Und nun… geht es schon wieder los. Ich bedauere den Verlust ihrer Liebe sehr aber leider hat er mich nicht im Inneren berührt, da es soviel Selbstsabbotage und Selbstgefälligkeit gibt. Möglicherweise war es für EG einfach zu früh für dieses Buch.

Bewertung vom 22.09.2025
Gröschner, Annett

Schwebende Lasten


sehr gut

Hannah ist wirklich eine bewundernswerte Frau. Sie wächst in der Weimarer Republik auf, allein mit Mutter und 2 Halbschwestern, der polnische Vater hat die Familie verlassen und wird nicht mehr erwähnt. Sie hilft im Blumenladen der einen Halbschwester, kümmert sich zeitweise aber auch um den Haushalt der anderen. Der erste Mann, den sie kennenlernt, schwängert sie auch gleich und muss geheiratet werden, obwohl er alles andere als eine gute Wahl ist. Auf die erste folgen viele weitere Schwangerschaften, nicht alle Kinder überleben und das ist wahrscheinlich auch gut so. Da Karl es nicht kann, bringt Hannah die ganze Familie irgendwie durch, überlebt den 2. Weltkrieg, Ausbombung, Armut, Verluste, Diktaturen. Sie arbeitet als Putzfrau, in der Fabrik, später als Kranführerin aber ihre Leidenschaft gehört den Blumen und Pflanzen. Folgerichtig beginnt jedes Kapitel mit der Vorstellung einer Pflanze oder einem Insekt vorangestellt, was eine wunderschöne Idee der Autorin ist. Hannah ist keine besonders sympathische Figur: sie ist eine einfache Frau aus der Arbeiterklasse, trifft falsche Entscheidungen, schlägt ihre Kinder. Und doch bewundere ich sie, weil sie mit ihrer Stärke überzeugt.

Das Buch hat es wirklich in sich, es erzählt vom geliebten Blumenladen im Knattergebirge (einem Viertel in Magdeburgs Altstadt, das vor dem 2. Weltkrieg als das am dichtesten besiedelten Wohnviertel Deutschlands galt), der den Krieg nicht überlebt, dem Abstieg in bittere Armut, die mit dem Wachsen ihrer Familie gleichzeitig verlief, furchtbare Kriegserlebnisse, der Aufbau des Landes, ihrem beruflichen Neuanfang und dem Leben in der DDR bis hin zum Anschluss der DDR an die BRD. Blumen und Pflanzen ziehen sich weiter durch ihr Leben und sei es nur in einem winzigen Streifen Beet vorm Fenster, den sie bewirtschaften darf.

So emotional wie die Themen im Buch auch sind, so reduziert, distanziert und fast berichthaft ist der Schreibstil. Durch das hohe Erzähltempo erdrückt einen keines der zeitweise sehr furchtbaren Details, denn bevor man sich zu sehr in eines reindenken kann, folgt schon das nächste. Hannah nimmt das Leben einfach wie es kommt. Das erinnert mich sehr an meine Großmutter, die ca dieselbe Lebenspanne hatte und deren Erzählungen mir vieles im Buch bekannt vorkommen lassen hat. Auch meine Großmutter war eine Frau, die gefallen, aufgestanden und einfach weitergemacht hat. Davon zu lesen, hat mich zutiefst berührt. Ich frage mich immer wieder, woher diese Frauen die Kraft genommen haben. Die Antwort darauf liefert Annett Gröschner nur zwischen den Zeilen. Am Ende verbleibe ich mit riesigem Respekt vor den Stärken von Frauen, die riesige Lasten stemmen können, sich um ihre Familien kümmern, die Unfähigkeit der Männer ertragen und die Frauenfeindlichkeit.

Bewertung vom 22.09.2025
Veronesi, Sandro

Der Kolibri - Premio Strega 2020


gut

Das Cover von Sandro Veronesis Roman „Der Kolibri“ ist wunderschön in grün gehalten, mit einem fliegenden Kolibri darauf welcher ein sehr schönes Sinnbild für den Hauptprotagonisten Marco ist.
Das Buch wurde als eine „neue Art der Familiensaga“ beworben. Marco Carrera erfährt vom Arzt seiner Frau, dass sie von einem Anderen schwanger ist und ihn verlassen will. Während Italien – das Land, in dem der Roman spielt – in den 1960iger Jahren zum Sehnsuchtsland der Deutschen, vielleicht sogar der ganzen Welt wird, geht eine Familie zu Bruch.
Ich hatte nach der Ankündigung einer Familiengeschichte eine Geschichte über das Leben des Ehepaares erwartet, vielleicht mit Hintergründen, wie es zu dem Seitensprung kommen konnte. Dies ist jedoch nicht der Fall, vielmehr geht es um das Leben Marcos, mit seinen zahlreichen Tiefpunkten, die Handlungsorte und -zeiten wechseln dabei ständig, die Erzählstränge springen in die Vergangenheit und wieder zurück. Gleichzeitig machen es die ewiglangen Schachtelsätze nicht gerade einfacher, sich durch das unglückliche Leben zu wühlen.
Ich fand das Buch anstrengend, mehrfach habe ich es zur Seite gelegt und dann doch wieder zu Hand genommen. Für mich war das Buch überkonstruiert, dennoch kann ich irgendwie verstehen, warum die italienische Jury den Roman mit dem wichtigsten Literaturpreis Italiens 2020 auszeichnete.

Bewertung vom 04.08.2025
Knecht, Doris

Ja, nein, vielleicht


ausgezeichnet

Ich muss gestehen, ich bin ein kleiner Doris Knecht Fan und da das Buch so schmal ist, habe ich mich ganz vorsichtig genähert und langsam gelesen, damit ich mehr davon habe. Ich habe die Worte eingesogen, mir ganz viele Sätze markiert und werde das Buch ganz sicher wieder lesen! Inhaltlich knüpft es für mich an „Eine unvollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“ an.
Die Protagonistin, eine Autorin Mitte 50, hat sich in ihrem Leben eingerichtet, sie ist zufrieden; allein aber nicht einsam; nicht mehr ganz jung, aber nicht alt; gesund (na gut, bis auf den Zahn); finanziell abgesichert; die Kinder sind aus dem Haus… alles ist gut, sie ist so komplett bei sich, dass ich schon ein kleines bisschen neidisch bin (neidisch, nicht missgünstig!). Da ploppt Friedrich in ihr Leben, ein Mann, der früher schon mal wichtig war, der also kein Unbekannter ist, und schon beginnt das Gedankenkarussell, das sie doch eigentlich geglaubt hatte, verlassen zu haben. Will sie sich wirklich wieder nach einem Mann richten, auf seine Anrufe warten, seinem Gequatsche über Naturwein lauschen, den sie gar nicht mag, ihren Körper bewerten lassen, die Welt durch seine Augen sehen? Will sie wirklich ihre Komfortzone verlassen? Was könnte sie in einer neuen Partnerschaft finden?
Oh Gott, ich habe den Text geliebt! Er ist so eine Wohltat! Ich liebte die Gedanken übers Älterwerden, über Freundschaften und habe herzlich gelacht über unsere Art (also die von vielen Frauen – wie mir zum Beispiel), immer mehrere Schritte zu weit zu sein, wenn man an eine beginnende Beziehung denkt. Das ist so authentisch und nahbar! Humorvoll und selbstironisch blickt sie auf das Nicht-mehr-gesehen-werden als ältere Frau, auf die Freuden des Alleinseins aber auch die Ängste vor Einsamkeit. Für mich hat sie wieder genau den richtigen Nerv getroffen und mich mit ihrer Geschichte vollends überzeugt!

Bewertung vom 22.05.2025
Sampson, Freya

Ms Darling und ihre Nachbarn


ausgezeichnet

Darum geht’s:
In Wohnung Nr. 2 des Shelley Hauses, einer wunderschönen historischen viktorianischer Villa, wohnt die 77jährige streitsüchtige Dorothy Darling. Sie ist die älteste Bewohnerin des Hauses, ist immer mit einer Tasse Tee und ihrem Notizbuch bewaffnet, in das sie die Vergehen der Mitbewohner einträgt (und übrigens, MS Darling für Dich!) Neben ihr, in Wohnung Nr. 1 wohnt Joseph Chambers (mit dem Ms Darling seit Jahrzehnten kein Wort mehr gesprochen hat) gemeinsam mit seinem Hund Reginald und seiner (illegalen) Untermieterin Kat Bennet. Sie und Mr. Darling haben einen schlechten Start, denn beide hegen direkt Abneigung gegeneinander. Kat hat ihre eigene Gründe ins Dort zurückzukehren, schmerzhafte Erinnerungen, die sie bis ins Erwachsenenalter verfolgt haben. Im Gebäude wohnen außerdem in Nr. 3 der kürzlich verwitwete Omar Siddiq und seine Teenager-Tochter Ayesha; in Wohnung Nr. 4 haust der asoziale Mieter, dessen ständiger Krawall ein fortwährender Grund für Ärger im Haus ist; in Wohnung Nr. 5 wohnt Tomas Wojcik gemeinsam mit seinem ungezogenen Pitbull Pricess, der regelmäßig Reggie aus Wohnung Nr. 1 terrorisiert und in Wohnung Nr. 6 lebt Gloria Brown und ihr neuester nichtsnutziger Freund, deren stürmisches Liebesleben zu mehr als einem Spektakel vor den Augen der Nachbarn führt.
Diese ungewöhnliche Ansammlung von Nachbarn vereint ein Schreiben ihres Vermieters, dem skrupellosen Bauunternehmer Ferguson Alexander, der ihre Mitverträge kündigt und den Abriss des Hauses ankündigt. Die Erzählung folgt all diesen ungewöhnlichen Charakteren, die gezwungen sind, ihre Differenzen beizulegen und sich zusammenzuschließen, wenn sie ihr Haus retten wollen.

Meine Meinung:
Freya Sampson hat eine entzückende gemütliche Geschichte über ungewöhnliche Menschen geschrieben, die zusammenwachsen und zusammenhalten, wenn es darauf ankommt, sie hat Charaktere geschaffen, die sich am Ende des Buches für mich wie Freunde anfühlten! Dorothy und ihr Notizbuch haben mir viel Spaß gemacht und Kat und Joseph waren auch fantastisch! Die Handlung selbst ist gut beschrieben und sehr unterhaltsam. Dorothys und Kat schwierige Beziehung ist liebenswert und ich habe sie regelrecht angefeuert, während sie gemeinsam versuchen, das Haus zu retten und dabei lernen, sich selbst und anderen zu vergeben. Der Roman behandelt Themen wie Heimat und Gemeinschaft, Familie, Altern, Einsamkeit, Kindheitstrauma, Vernachlässigung und Vergebung. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Dorothy und Kat erzählt. Sie sind die beiden Hauptprotagonistinnen, aber ich schwätze es sehr, wie die Autorin die Hintergrundgeschichten und die Nebenhandlungen um die Nebenfiguren in die Haupterzählung einwebt. Sowohl Kats als auch Dorothys Geschichten sind herzzerreißend und beide werden mit viel Einfühlvermögen und emotionaler Tiefe erzählt. Trotz der schweren Themen war das für mich eine herzerwärmende Geschichte, die mich wirklich berührt hat!

Bewertung vom 23.04.2025
Hope, Anna

Wo wir uns treffen


sehr gut

Im Mittelpunkt des Geschehens steht das Herrenhaus von Sussex, das sich auf einem 400 Hektar großen Grundstück befindet. Dort kämpfen Philip Brooke und seine Tochter Francesca (genannt Frannie) seit 10 Jahren für die Natur. Nun ist Philip gestorben und wir begleiten die Familie durch 5 Tage rund um sein Begräbnis.
„Wo wir uns treffen“ von Anna Hope hätte ein „normaler“ Roman über Bedauern, Sehnsüchte und Feindseligkeiten zwischen Geschwistern sein können, die sich zur Beerdigung ihres Vaters versammeln - aber dies ist ein Roman, der tiefer und dunkler in eine Familie eindringt, die unter dem Schatten des patriarchalischen und egoistischen Philip Brooke - Erbe eines mehrere Generationen zurückreichenden Familienbesitzes und bekennender Partylöwe - sowie ihrer privilegierten Herkunft gelebt und gelitten hat.
Nachdem er seine Frau (die immer noch allein auf dem Anwesen lebt) und seine Kinder verlassen hat und nach Amerika gegangen ist, gerät das Anwesen in Unordnung, bis Frannie, das älteste der Kinder, nach Hause zurückkehrt und sich daran macht, das Land in einen Ort der Wiederbegrünung zu verwandeln. Philip kehrt schließlich nach Hause zurück, um seine letzten Jahre auf dem Anwesen zu verbringen - ein Zustand der Buße für vergangene Taten - und arbeitet an der Seite von Frannie.
Frannies Bruder Milo hat die Vision, ein Vermögen zu machen, indem er einen Teil des Landes als Rückzugsort für einen Millionär nutzt, während die junge Schwester Isa ihre eigenen Gründe hat, auf das Landgut zurückzukehren, da sie in ihrer Ehe Probleme hat.
Der Roman wird aus der Perspektive und mit der Stimme jeder der Hauptfiguren erzählt, die alle durch die Handlungen von Philip geschädigt wurden. Die Spannungen, die Gier und das Streben zwischen den Figuren sind spürbar. Die Charaktere sind alle gut ausgearbeitet, wenn auch nicht unbedingt sympathisch. Einige haben Probleme, wie Milo, der viele Dämonen hat, Isla dagegen ist hin- und hergerissen und unsicher, während Frannie zielstrebig und rücksichtslos ist, wenn es darum geht, eine Vision zu verfolgen. Die herausragende Figur ist für mich Frannies neugierige Tochter Rowan, die nicht unbedingt wie ein typisches Kind in ihrem Alter denkt, aber in Wirklichkeit eine zentrale Rolle spielt, um das Ganze zusammenzuhalten.
Anna Hope hat einen großartigen Roman geschrieben, der sich mit weitreichenden gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt - allen voran mit dem Erbe, das wir hinterlassen (Umwelt/Natur, Klimawandel), aber auch mit den unausgesprochenen Faktoren der Vergangenheit und der Notwendigkeit, dass die Wohltäter vergangener Reichtümer die Wurzeln ihres Anspruchs und ihres Glücks anerkennen.
Insgesamt ist dies ein fesselnder und anspruchsvoller Roman, der mich überzeugt hat. Ich habe Anna Hope bisher noch nicht gelesen, werde mir nun aber als nächstes „Was wir sind“ vornehmen.

Bewertung vom 23.04.2025
Hall, Clare Leslie

Wie Risse in der Erde


ausgezeichnet

1955 lernt die 17jährige Beth den schönen und klugen Gabriel kennen, Sohn einer wohlhabenden Familie in ihrem kleinen englischen Bauerndorf, und sie beginnen eine Sommerromanze.
13 Jahre später lebt Beth mit ihrem Mann Frank und seinem jüngeren Bruder Jimmy auf einer Schaffarm in dem Dorf, in dem sie aufgewachsen sind. Eines Tages erfährt sie, dass Gabriel mit seinem kleinen Sohn Leo in die Heimat seiner Vorfahren zurückgekehrt ist, nachdem er sich von seiner amerikanischen Frau scheiden ließ.
Nach einem tragischen Unfall wird Beth in das Leben der beiden hineingezogen, als sie Leo einen Welpen schenkt und verspricht, ihm bei der Erziehung zu helfen.
Die doppelte Zeitlinie verfolgt den Beginn der Romanze zwischen Beth und Gabriel im Jahr 1955 und das Wiederaufleben ihrer Beziehung im Jahr 1968. Von Beginn des Romans an wissen wir, dass jemand tot ist und dass jemand wegen Mordes vor Gericht steht. Im Laufe des Buches werden die einzelnen Teile des Geschehens nach und nach aufgeklärt.
Dreiecksbeziehungen sind immer kompliziert, aber diese ist eine für die Ewigkeit! Jede Handlung hat ihre Konsequenzen. Trotz seiner Einfachheit schafft dieses Buch so viel mehr zu sein, als nur eine weitere klischeehafte Liebesgeschichte. Die Mischung aus Krimi, Mystery und Gerichtsdrama macht das Buch zu einer fesselnden Lektüre. Ich habe jede Zeile dieser wunderschönen Geschichte geliebt. Der Ton. Die Handlung. Die Art, wie die Geschichte erzählt wurde. 5 Sterne! Die Autorin schafft es so unglaublich gut, viele Dinge geheimzuhalten. Das Buch ist vollgepackt mit Wendungen und unglaublichen Enthüllungen. Die Charaktere von Beth, ihrem Mann Frank und Gabriel werden mir noch lange im Gedächtnis bleiben.