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Benutzername: 
Breonna
Wohnort: 
Kesselsdorf

Bewertungen

Insgesamt 6 Bewertungen
Bewertung vom 25.10.2022
Die Meerjungfrau von Black Conch
Roffey, Monique

Die Meerjungfrau von Black Conch


sehr gut

Die alten Geister sind lebendig

In einer Zeit, in der die alten Götter fast vergessen sind, taucht vor der karibischen Insel Black Conch plötzlich ein Wesen auf, das halb Frau, halb Fisch ist. Zwei US-Amerikaner ziehen es während eines Angelwettbewerbs aus dem Meer. Die beiden, Vater und Sohn, wissen nicht, was sie da gefangen haben. Sie wissen nur: Damit kann man richtig viel Geld machen. Zum Glück gelingt es dem Einheimischen David, die Frau zu retten und bei sich zu verstecken. Keiner der Männer jedoch ahnt anfänglich etwas von dem jahrhundertealten Fluch, der auf ihr liegt.

In der Geschichte um die Meerfrau Aycayia verschmelzen Mythen und Realität, modernes Denken und uralter Zauber. Monique Roffey zeichnet eine Welt, in der Geister und Magie ein machtvoller Teil des Lebens sind. Zwar sind sie für die Menschen längst nicht mehr so präsent wie in alten Zeiten, aber als Aycayias Fluch sich unaufhaltsam entfaltet, wird klar, dass ihre Kraft ungebrochen ist. Erst subtil, dann immer nachdrücklicher brechen sich uralte Mächte Bahn. Am Ende schließt sich der Kreis und doch ist nichts mehr, wie es vorher war.

Ich gebe zu, dass ich bei aller Begeisterung ein wenig gebraucht habe, um in die Geschichte zu finden. Das lag wahrscheinlich vor allem an der Sprache der Einheimischen, eine deutsche Version des örtlichen englischen Dialekts. Die Übersetzerin beschreibt in ihrer Nachbemerkung die Schwierigkeit, diesen Dialekt ins Deutsche zu übertragen. Die Entscheidung, solche Abweichungen von der Standardsprache bei der Übersetzung zu übernehmen, birgt immer das Risiko, den Leser zu irritieren. Mit diesen Anmerkungen im Hinterkopf und nach etwas Gewöhnung muss ich aber sagen, dass aus meiner Sicht der Dialekt mancher Figuren entscheidend dazu beiträgt, dass dieses Buch so etwas Besonderes ist. Für mich war es anders als alles, was ich bisher gelesen habe.
Einzig das Frauenbild, das hier zum Teil gezeichnet wird, würde ich kritisieren. Immer wieder wird beschrieben, wie unglaublich schön Aycayia ist. Quasi nicht von dieser Welt. Männer können nicht anders, als ihr zu verfallen. Und Frauen können nicht anders, als neidisch zu sein. Zitat: „Frauen beneiden nunmal andere Frauen, und Männer tun Frauen weh.“ – Als sei das ein Naturgesetz.

Insgesamt trotzdem ein magisches, spannendes Buch.

Bewertung vom 15.09.2022
Ich verliebe mich so leicht
Le Tellier, Hervé

Ich verliebe mich so leicht


gut

Verliert unterwegs den Schwung

„Ich verliebe mich so leicht“ ist ein kleines Büchlein. Wirklich klein, wenn man bedenkt, dass von den angegebenen 128 Seiten ganze 76 mit Text bedruckt sind, der die Geschichte voranbringt. Die Überschriften der Kapitel nehmen zusätzlich je ein ganzes Blatt ein (Vorder- und Rückseite). Es wirkt alles sehr künstlich gestreckt. Dafür 20€ - nun ja, Papier ist teuer geworden, aber warum geht man dann hier so verschwenderisch damit um?

Die Geschichte an sich hat mich anfangs sehr neugierig gemacht. Ein Mann, der nur als „unser Held“ bezeichnet wird und dessen Namen man nicht erfährt, hat sich ganz offensichtlich in eine Verliebtheit hineingesteigert. Die Frau ist wesentlich jünger als er und außerdem liiert. Dennoch reist er nach Schottland, um sie wiederzusehen.

„Es handelt sich also um das, was man gemeinhin eine Verrücktheit nennt.“ (S. 9)

Das klang vielversprechend. Erwartet hatte ich eine unterhaltsame, vielleicht auch etwas melancholische Erzählung über komplizierte Gefühle, Selbstbetrug und enttäuschte Erwartungen. Darüber, wie leicht man sich selbst etwas vormacht, wenn man viel Zeit zum Nachdenken hat, und wie schnell so ein Luftschloss in sich zusammenfallen kann.

Bemerkenswert fand ich auf jeden Fall den Schreibstil. Der Erzähler blickt mit ironischem Tonfall von außen auf das Geschehen und kommentiert sogar gelegentlich seine eigenen Aussagen. Das ist mal etwas anderes und ich hatte durchaus Spaß beim Lesen.

Die distanzierte Erzählweise führt allerdings dazu, dass man eher aus der Ferne beobachtet, wie die Protagonisten, die Heldin und der Held, miteinander umgehen. Die beiden wirken ziemlich ratlos. Die Chemie stimmt nicht wirklich. Das war irgendwie zu erwarten, aber mir fehlte dabei ein runder Abschluss. „Die Moral von der Geschicht“ sozusagen. Letztendlich war ich als Leserin selbst ratlos und habe mich beim Zuklappen des Buches gefragt, was ich nun eigentlich daraus mitnehme. Vielleicht genau das: Große Erwartungen erweisen sich manchmal als überzogen, wenn man mit der Realität konfrontiert wird.

Bewertung vom 19.10.2021
Das Geheimnis des Bücherschranks
Skybäck, Frida

Das Geheimnis des Bücherschranks


gut

„Eine wunderbare Geschichte zum Wohlfühlen“, so wird die schwedische Boulevardzeitung Expressen auf der Rückseite des Buches zitiert. Dabei geht es hier durchaus um ernste Themen, spielt ein Teil der Handlung doch 1943, als Dänemark von den Deutschen besetzt war und jüdische Bürger nach Schweden flohen, um der Deportation zu entgehen. Deswegen täuscht aus meiner Sicht auch das Cover ein wenig, denn das sieht für mich eher nach harmlosem Wohlfühlroman aus.
Der titelgebende Bücherschrank spielt leider so gut wie keine Rolle. Sein Geheimnis ist schnell gelüftet. Cover- und Titelwahl fand ich in diesem Fall wirklich nicht ideal.

Die Geschichte spielt in Schweden in zwei Zeitebenen, 1943 und 2007, und überspannt drei Generationen. Im Vordergrund stehen das Leben der Großmutter Anna in den vierziger Jahren und das ihrer Enkelin Rebecka in der heutigen Zeit. Dazwischen gibt es noch die Tochter der Großmutter/Mutter von Rebecka, die aber nur wenige Auftritte hat und für mich sehr blass blieb. Sie fungiert wohl eher als Bindeglied, um zu zeigen, wie ein Familiengeheimnis über mehrere Generationen hinweg Auswirkungen haben kann.

Am spannendsten fand ich die Handlung rund um die Geschehnisse 1943. Die ergreifenden Schicksale der flüchtenden Juden und die Zerrissenheit von Anna, die den Zwängen ihrer Familie nicht entgehen kann, haben mich sehr berührt. Dagegen erschien mir Rebeckas Geschichte flach und klischeehaft. Ich habe keinen rechten Zugang zu dieser Figur gefunden und auch die vorhersehbare Liebesgeschichte konnte mich nicht fesseln.

Am Ende bleiben mir von diesem Buch vor allem Annas Schicksal und ihr Mut, ihre Zerrissenheit und ihre lebenslang herumgetragene Last in Erinnerung. Dafür vergebe ich drei Sterne.

Bewertung vom 01.09.2021
Das geheime Leben des Albert Entwistle
Cain, Matt

Das geheime Leben des Albert Entwistle


sehr gut

Diese Geschichte ist auf jeden Fall was fürs Herz. Wer gern Bücher mit ganz viel Zuckerguss mag, die aber auch ernste Themen behandeln und ein klein wenig Tiefgang mitbringen, für den könnte „Das geheime Leben des Albert Entwistle“ etwas sein.

Gleich vorweg: Im Klappentext wird für meinen Geschmack zu viel gespoilert. Die Andeutungen in den ersten Kapiteln über die Last, die Albert mit sich herumschleppt, verlieren ihren Reiz angesichts der Tatsache, dass man als Leser im Grunde schon weiß, worauf es hinausläuft. Immerhin kommen im weiteren Verlauf noch ein paar berührende und erschütternde Details ans Licht, für die sich das Dranbleiben lohnt.

Das Buch spielt in zwei Zeitebenen. Man lernt Albert kennen, wie er heute ist: verschlossen und einsam. Und dann gibt es Rückblenden in Alberts Jugend, zum Sommer mit seiner großen Liebe, in eine Zeit, in der er lebensfroh und glücklich war.
Außerdem wird neben Alberts Geschichte auch die von Nicole erzählt, einer jungen, alleinerziehenden Mutter. Die Wege dieser zwei auf den ersten Blick so unterschiedlichen Menschen kreuzen sich und schon bald verbindet sie eine enge Freundschaft, denn beide müssen für die Liebe über sich hinauswachsen.

Zu Beginn plätschert die Geschichte eher vor sich hin, aber zum Ende hin nimmt sie Fahrt auf. Obwohl man den Ausgang erahnen kann, habe ich richtig mitgefiebert. An manchen Stellen wurde es mir allerdings gar zu zuckrig. Alle sind wahnsinnig tolerant und selbst die unsympathischsten Figuren haben natürlich einen weichen Kern unter ihrer harten Schale. Gleichzeitig blieben viele Charaktere für mich eher blass und flach, Nicole eingeschlossen. Nur Albert habe ich schnell ins Herz geschlossen.

Was mich auch etwas genervt hat, war das nachlässige Korrektorat. Ich bin an mehreren Stellen über fehlende oder eingeschobene Wörter gestolpert, die vermuten ließen, dass der Satz mehrfach umgestellt und am Ende nicht nochmal überprüfte wurde.

Im Großen und Ganzen hat das Buch mir aber gut gefallen. Eine berührende Geschichte mit einer sehr sympathischen Hauptfigur.

Bewertung vom 17.04.2021
Der Schneeleopard
Tesson, Sylvain

Der Schneeleopard


gut

Mehr Philosophie als Reisebericht.

Ich bin etwas hin und hergerissen, was dieses Buch angeht. Wahrscheinlich weil meine Erwartungen nur zum Teil erfüllt wurden. Ich wollte etwas über die Welt des Himalaya, das harte Leben der Menschen und Tiere und über die Arbeit als Tierfotograf erfahren; vielleicht ein paar der dabei entstandenen Fotos zu sehen bekommen. Aufgrund der Beschreibung als „meditative Reise“ hatte ich durchaus mit ein paar philosophischen Abschnitten gerechnet, aber im Vordergrund stand für mich der Reisebericht, das eintauchen in diese fremde, karge, klirrend kalte Welt.

Sehr gut gelungen ist Tesson meiner Meinung nach die Beschreibung der Landschaft. Die Stille und Weite, die schroffen Berge und wie die Kälte alles Leben verlangsamt, all das konnte ich beim Lesen förmlich spüren. Auch die Passagen über die gesichteten Tiere und über die wenigen Menschen, denen die kleine Gruppe auf ihrer Reise begegnet ist, fand ich sehr schön und interessant. Ich war beeindruckt von der unendlichen Geduld, die es erfordern muss, stunden- und tagelang auf der Lauer zu liegen.

Leider driftet der Autor dazwischen immer wieder in lange philosophische Ausführungen ab, die in Summe wohl fast das halbe Buch einnehmen. Es geht ins Religiöse, Metaphysische und Persönliche (seine Beziehung zu einer Frau, die er trotz Trennung noch immer anbetet). Zum Teil fiel es mir schwer, seinen Gedankengängen zu folgen. Der Witz und leichte Sarkasmus, den er am Anfang noch an den Tag legt („Atmen durfte ich – das einzige Zugeständnis.“, S.11), geht unterwegs verloren.

Enttäuscht hat Tesson mich auch mit seinem Blick auf die Wissenschaft. Er kritisiert sie als überheblich und poesielos. Offenbar haben er und Munier schlechte Erfahrungen gemacht. (Die wissenschaftlichen Namen der Tiere verwendet er hingegen sehr gern.) Ich bin selbst Wissenschaftlerin und finde, dass man Kunst und Wissenschaft mit ihren ganz verschiedenen Herangehensweisen und Zielen einfach nicht vergleichen kann.

An einer Stelle schreibt er: „Im Dào hieß es: «Die Bewegung siegt über die Kälte. » So lautete auch der Erste Hauptsatz der Thermodynamik.“ (S. 78)
Vielleicht habe ich den Witz nicht verstanden oder in der Schule nicht aufgepasst, aber den Ersten Hauptsatz hatte ich anders in Erinnerung.

Trotz der schönen Naturbeschreibungen summieren sich für mich einfach solche kleinen Ärgernisse. Fotos gibt es in diesem Buch leider auch kaum zu sehen. Schade. Daher vergebe ich nur drei Sterne.

Bewertung vom 25.02.2021
Der Klang der Wälder
Miyashita, Natsu

Der Klang der Wälder


sehr gut

Eine Geschichte wie ein ruhiger Fluss

Wer langsam und zart erzählte, poetische Geschichten liebt, dem könnte dieses Buch gefallen. Wer hingegen auf der Suche nach mitreißender Spannung ist, wird nach der Lektüre wahrscheinlich enttäuscht sein.

Natsu Miyashita schickt ihren Protagonisten auf eine Reise in die Welt der Klänge und auf eine Reise zu sich selbst. Als Tomura im Alter von 17 Jahren einem begabten Klavierstimmer bei der Arbeit zusieht, entbrennt in ihm der Wunsch, ebenfalls diesen Beruf zu erlernen. Von diesem Tag an widmet er sich ganz und gar diesem Ziel. Er arbeitet unermüdlich, erlebt Fortschritte und Rückschläge und muss erfahren, dass Beharrlichkeit sowie die Bereitschaft, ein Leben lang dazuzulernen, ihn der Erfüllung seines Traumes näherbringen.

Die Geschichte fühlte sich für mich an wie ein ruhiger Fluss, der sich durch eine schöne, friedliche Landschaft schlängelt. Es gibt keine Momente des Erschreckens oder atemloser Erwartung. Stattdessen wird man als Leser einfach immer weiter getragen, ganz sanft und stetig. Die Autorin schreibt dabei schnörkellos, aber nicht trocken.

Viel Raum nehmen die Gespräche zwischen Tomura und seinen Kollegen ein, in denen Weisheit und auch ein feiner Humor mitschwingen. Ab und zu gibt es Passagen zur Musiktheorie, die mich persönlich (ich bin selbst Musikerin) nicht im Lesefluss unterbrochen haben. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass jemand, dem die Fachbegriffe fremd sind, an diesen Stellen ins Stocken geraten könnte.

Und vielleicht steckt am Ende auch ein wenig zu viel japanisches Klischee in dem Buch. Zum Beispiel, dass Tomura aus einem Bergdorf stammt und – laut seinen Kollegen – aus genau diesem Grund besonders bescheiden und fleißig ist. Als könnte es gar nicht anders sein.

Mit den Figuren bin ich leider nur zum Teil warm geworden. Besonders die Zwillinge blieben für mich eher blass; die Unterschiede zwischen ihnen empfand ich als zu wenig herausgearbeitet.

Dennoch habe ich das Buch genossen, weil es eine entspannte Lektüre war, die mir das Thema Klang von einer ganz neuen Seite gezeigt hat. Zukünftig werde ich Klaviermusik sicherlich anders wahrnehmen als früher.