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Eburiden

Bewertungen

Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 13.04.2020
Schweigende See / Kommissar John Benthien Bd.7
Ohlandt, Nina

Schweigende See / Kommissar John Benthien Bd.7


sehr gut

„Aber komm mir bloß nicht mit einem Sylt-Krimi!“, droht Hinnerk Petering, Polizeibeamter, in Nina Ohlandts aktuellem Buch Schweigende See, dem 7. Band der Reihe um den sympathischen Flensburger Hauptkommissar John Benthien. Herr Petering hat wohl noch nie einen Ohlandt-Krimi gelesen, denn sonst wüsste er, dass es innerhalb der Kategorie Sylt-Krimi auch welche gibt, die sich durch besonderen Charme aus der Masse hervorheben. Sylt – ein Idyll und gleichzeitig ein literarisches Zentrum der Kriminalität.

Die Benthien-Reihe ist eine dieser leserfreundlichen Reihen, bei der es keine Rolle spielt, mit welchem Band man einsteigt. Nur wenige Wochen vor der Lektüre dieses Bandes habe ich die Hörbücher zum Kurzkrimi-Spin-Off der Reihe („Die Jahreszeiten-Reihe“) regelrecht verschlungen. Danach war mir klar, dass ich die Hauptreihe auch unbedingt lesen oder hören muss. Der nahe gelegene Erscheinungstermin des 7. Bandes erschien mir als geeignet, in die Hauptreihe einzusteigen.

In diesem Band geht es um eine stark verbrannte Leiche, die am Strand gefunden wird und deren Habseligkeiten Rätsel aufgeben. Weitere wichtige Themen sind Mafia, Vergangenheitsbewältigung und DDR.

Was dieses Buch für mich besonders macht:

- Die Figuren (in erster Linie das Ermittlerteam und John Vater) sind durch und durch authentisch. Auf ihre jeweilige Art und Weise sind sie alle schräge Vögel, was das Buch zu einer abwechslungsreichen Lektüre macht. Die Authentizität der Charaktere macht es möglich, mit ihnen zu fühlen, aufgeregt und gespannt, genervt oder traurig zu sein.

- Die Autorin füllt ihre Worte mit Leben. Ein Name, der laut Buch wie Musik klingt, klingt auch tatsächlich wie Musik, wenn man ihn als Leser selbst ausspricht.

- Einige Abschnitte sind im Stile eines Tagebuches aus den 1960er Jahren aus der Sicht eines jungen Mädchens aus der DDR geschrieben. Zudem gibt es noch andere außergewöhnliche Erzählperspektiven eingeschoben, zum Beispiel der Fund der Leiche durch die Augen einer Möwe – die die Lebenden mehr stören als die Tote.

- Die Autorin wendet hier gerne unterschwelligen Humor an, der dosiert eingesetzt wird und die Geschichte auflockert. Ebenso unterschwellig, ohne belehrend zu wirken, z.B. auch das Thema Umwelt in Form dessen, dass zusammen der Strand von Müll gereinigt wird.

- Klischees werden durch direkte Rede von den eigenen Figuren aufs Korn genommen.

- Es werden spannende falsche Fährten gelegt und es gibt überraschende Wendungen. Im Mitraten habe ich mich hier ziemlich blamiert.

- Die Sprache ist wunderschön bildhaft und einfach zu lesen, ohne dass es plump oder seicht wirkt.

- Stimmungen werden gut vermittelt, man könnte fast meinen, man hätte es als Leser tatsächlich selbst miterlebt.

- Gerade wenn es um grausige Details geht (z.B. zum Zustand der Leiche), werden diese – typisch nordisch – nüchtern und unaufgeregt erzählt, ohne nervige Übertreibungen.

- Das Cover fügt sich gut in die Reihe ein – Die Cover der Benthien-Reihe sind alle recht nüchtern bis etwas trist, nicht zu vollgepackt, einfach passend zur Nordsee.

- Die Kapitel haben eine angenehme Länge, man kann gut mal zwischendurch was lesen, ohne mitten im Kapitel unterbrechen zu müssen.

- Es gibt ein Personenverzeichnis.

Mir hat das Buch sehr großen Spaß gemacht, ich habe mich wirklich gut unterhalten gefühlt. Was mir allerdings nicht gefallen hat, war ca. das letzte Viertel, in dem sich alles aufgelöst hat. Nicht dass die Auflösung schlecht gemacht gewesen wäre, nein, mir kam das alles nur ein bisschen zu dicke, was leider stark im Kontrast zu der beeindruckenden Authentizität im restlichen Buches steht. Die Geschichte wäre auch ohne plakative Details wie Mafiaboss und Vergewaltigung tragisch genug gewesen, daher kann ich leider keine vollen 5 Sterne vergeben.

Dennoch ist das Buch eine interessante und humorvolle Lektüre, die gerade während der Corona-Ausgangsbeschränkungen für wunderbare Unterhaltung sorgt.

Bewertung vom 02.02.2020
Das verschwundene Mädchen / Cold Case Bd.1
Frennstedt, Tina

Das verschwundene Mädchen / Cold Case Bd.1


gut

Wer hat die junge Annika umgebracht und warum? Wo ist die Leiche? Wie es bei Colt Cases so üblich ist, ist es schwer, nach so vielen Jahren noch brauchbare Hinweise zu finden. Aber für Tess ist es eine Herzensangelegenheit, denn sie möchte den Angehörigen der Opfer zeigen, dass es jemanden gibt, der sich um sie kümmert bzw. sich für ihr Leid interessiert, sie möchte ihnen ein Ort zum Trauern geben und die Gewissheit, was damals passiert ist. Dieses tugendhafte Ziel von Tess wird in der Umsetzung von der Autorin sehr einfühlsam beschrieben. Man kann sich sehr gut in die Mutter des Opfers Annika hineinversetzen und ihre Trauer mit ihr teilen.

Leider ist es so, dass das Buch zwar höchst spannend und dramatisch startet, dadurch, dass man gleich miterlebt, wie eine Frau dem Mörder zum Opfer fällt, doch leider wird diese Art von Spannung nicht dauerhaft gehalten, da sich die Autorin immer wieder in Beziehungskriseleien verliert, deplatzierter Humor oder überzeichnete Charaktere/ überzogene Handlungen auf den Plan treten. Als Tess‘ Beziehungsdrama seinen Höhepunkt erreicht, wirkt es so, als sei dieser dramatische Moment nur deshalb konstruiert worden, um die stecken gebliebene Geschichte voranzubringen. Es wirkt an dieser Stelle plump und übertrieben. Genauso wirken einige Charaktere für circa zwei Drittel des Buches. Dies bessert sich allerdings im letzten Drittel des Buches, dort handeln die Charaktere dann natürlicher, mit mehr Tiefgang und sind auf einmal sogar teilweise sympathisch.

Handlungen, die ebenfalls übertrieben wirken, sind zum Beispiel die Art, wie der vormals Hauptverdächtige im Annika-Fall agiert, der alleine durch seinen Alkoholmissbrauch um der Realität zu entfliehen, dermaßen in Halluzinationen versinkt und sich alles Mögliche einbildet, dass es nicht mehr realistisch wirkt.

Interessant dagegen ist die Form, in der erzählt wird. Uns begegnen immer mal wieder Rückblenden aus der Sicht des Opfers Annika vor ihrem Tod. Die Ich-Perspektive ist in Krimis bei Todesopfern höchst ungewöhnlich. Ich finde diese Art der Erzähltechnik genial, da sie durch die Emotionen und Erinnerungen des Opfers nochmal eine ganz eigene Dramatik entwickelt und den Lesern bruchstückhaft Hinweise zum Mitraten liefert, die den Ermittlern noch nicht vorliegen. Annikas Perspektive, also die des Opfers aus dem eigentlichen Cold Case-Fall, ist die einzige aus Ich-Perspektive. Alle anderen Szenen sind mittels interner Fokalisierung auf verschiedene Personen beschrieben, die zwar zur selben Geschichte gehören, aber nicht oder kaum aufeinandertreffen – zumindest lebendig.
Protagonisten, auf die intern fokalisiert wird, sind alle auf irgendeine Weise Opfer. Hier im Fokus sind also nicht nur die Ermittlerin und Cold Case-Aufklärerin Tess, sondern beinahe gleichwertig auch die Opfer der beschriebenen Fälle, Annika mit einer Sonderstellung. Das ist eine intelligente, spannende Verknüpfung aus Cold Case- und „Hot-Case“-Krimi, sehr geschickt!

Die Übersetzung dieses Buches hat mir ziemlich gut gefallen, der Schreibstil ist flüssig und die Wortwahl so, dass man keine Probleme hat, es zu verstehen oder irgendwo hängen zu bleiben.

Ungewohnt und ein wenig unpraktisch ist, dass die einzelnen Kapitel weder Überschriften haben noch nummeriert sind, sodass man einfach in ein neues Kapitel stolpert ohne zu wissen, wo man jetzt genau ist. Die Seitenzahl des Buches ist angenehm. In der Taschenbuchausgabe gibt es wohl am Ende des Buches ein Personenverzeichnis, das leider nicht in das eBook integriert worden ist.

Es ist schade, dass dieses Buch stellenweise so überzogen und konstruiert wirkt, denn andernfalls wäre es eine sehr spannende und einfühlsame Lektüre gewesen, die als Buchreihe eine abwechslungsreiche Unterhaltung böte. Die guten Stellen des vorliegenden Buches verdienen meiner Ansicht nach gute 4,5 Sterne, die weniger guten leider nur ein bis zwei Sterne. Ich bin mir daher nicht sicher, ob eine Gesamtwertung von 3 Sternen wirklich aussagekr

Bewertung vom 26.12.2019
Nebeljagd
Hofelich, Julia

Nebeljagd


ausgezeichnet

Ein Pageturner, der den Atem stocken und den Puls rasen lässt!

Endlich ist er da, der 2. Band der Linn Geller-Reihe!
Den 1. Band hatte ich zwar erst im September gelesen – ach was, verschlungen! -, doch die Lektüre des 2. Bandes konnte ich kaum erwarten.

Wie bei Band 1 wurde hier das Cover der Story angepasst: In Band 1 ging es um das Meer, also war die Schrift blau und das Bild zeigte Wasser. Hier in Band 2 geht es um das Land, besser gesagt um ein Maar (einen ehemaligen Vulkan, dessen Erde sehr fruchtbar und damit grün ist), daher ist die Schrift grün und man sieht eine einsame Hütte. Mir gefällt der Kontrast des schwarz-weiß Fotos mit greller Schriftfarbe.

Das Thema Meer hatte mich bei Band 1 sehr gereizt, das Thema Dorf jetzt im 2. Band eher weniger. Ja, ich hatte gar Angst, dass es sich nach dem hochspannenden achterbahnartigen Krimi hier nun um einen verschlafenen Krimi handeln könnte. Doch da ich ein großer Fan von Julia Hofelichs Schreibstil, ihres Spannungsaufbaus und ihrer Kunst, ungeahnte, aber plausible Wendungen einzubauen, bin, war für mich klar, dass ich dieses Buch lesen muss! Und Julia Hofelich hat mich dafür belohnt:

Im 1. Band war ihr Schreibstil schon sehr flüssig, an einigen wenigen Stellen vom Satzbau aber etwas ungewohnt/überraschend, was zwar kaum störte, mir aber auffiel. Dies geschieht in Band 2 überhaupt nicht mehr, von vorn bis hinten erzählt Julia Hofelich wunderbar angenehm, sodass es eine wahre Freude ist, ihr Buch zu lesen.

Wie schon in Band 1 wird immer wieder Spannung aufgebaut, teils so sehr, dass mir beim Lesen beinahe wortwörtlich der Atem stockte. Selten habe ich solch dermaßen spannende Bücher gelesen!

Die Charaktere wirken authentisch und lebendig, man lernt Linn, Götz und Faber ein wenig näher kennen. Harris scheint ein großes Geheimnis zu haben. Linn schlägt sich tapfer solo, eine richtig starke Frauenfigur und meines Erachtens eine große Bereicherung für die Krimiliteratur!

Inhaltlich wirkt der Fall noch grausamer und erschreckender als in Band 1; schwache Nerven sollte man bei der Lektüre nicht haben. Am besten auch nicht direkt vor dem Einschlafen lesen – weniger wegen Albträumen als wegen des während des Lesens merklich ansteigenden Pulses. :-)

Fans des 1. Bandes kommen auch hier wieder voll auf ihre Kosten, die überraschenden Wendungen bleiben nicht aus! Das Ende ist meisterlich herausgearbeitet und aufgelöst und hinterlässt ein wenig Gänsehaut sowie ein leiht verdattertes Gefühl. Für jemanden wie mich, der reine Happy Ends absolut langweilig findet, ist das absolut hervorragend. Des Weiteren fließen wieder (fiktive) Lokale Legenden mit in die Geschichte ein, die zum Grusel-Gefühl beitragen.

Ein wunderbarer Zufall war es, das Buch genau in der Zeit lesen zu können, in der es spielt (kurz vor Weihnachten bis Februar). So fiel es mir noch leichter, mich hineinzuversetzen, wenn die Charaktere froren, über den Weihnachtsmarkt tingelten oder von Weihnachtsdeko wenig angetan waren.

Für Krimi-Fans lohnt sich diese Lektüre auf jeden Fall. Den 1. Band muss man hierfür noch nicht einmal unbedingt gelesen haben, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dieser Band hier große Lust darauf macht, den Vorgängerband ebenfalls zu lesen. Bezogen auf die Schreibfertigkeit und die „Schocker“ gefiel mir der 2. Band besser als der 1., jedoch hat mich die Thematik und die Art des Mordens im 1. Band mehr angesprochen als hier im 2. Allerdings möchte ich noch erwähnen, dass in Band 2 gleich 2 Fälle behandelt werden, von denen einer ein sogenannter Cold Case ist. Dieser Cold Case ist schon nochmal deutlich interessanter und zum Glück auch mehr im Vordergrund als der ursprüngliche Fall, mit dem das Buch beginnt.

„Nebeljagd“ von Julia Hofelich gehört auf jeden Fall zusammen mit „Totwasser“ zu meinen Lieblingsbüchern 2019. Ich freue mich schon sehr auf weitere Bücher von der sympathischen, klugen Autorin!

Bewertung vom 24.11.2019
Totenstille
Dean, Will

Totenstille


gut

Das Taschenbuch beinhaltet 426 Seiten und hat ein aufwendiges Cover, das besonders haptisch veranlagten Leser*innen Freude bereiten wird (die Pfützen, die sich ringsherum ziehen, sind aus einem anderen Material, ganz glatt und glänzend). Für 11,00 Euro bekommt man hier ein ordentliches Buch. Schriftgröße und Schriftart sind gut lesbar, die Kapitel nicht zu lang. Das Ebook kostet sogar nur 3,99 Euro. Ich habe sowohl die Print- als auch die Ebook-Version gelesen. Es gab nirgends ein schlechtes Druckbild oder Tippfehler. Allerdings bedient sich der Autor einer etwas seltsamen Sprache. Das zeigt sich zum einen im nicht ganz flüssigen Schreibstil, als auch in einer eigenartigen Wortwahl und in ungewöhnlichen (leider nicht immer passend gewählten) Vergleichen.

Will Dean hat einen Sinn für Humor, den er an gewählten Stellen subtil einfließen lässt. Zudem beschreibt er gerne bildlich, was einen auf der einen Seite schnell tiefer in die Story eintauchen lässt, auf der anderen Seite aber auch zu viele überflüssige Details bietet.

Er schafft es, die skurrilen Dorfbewohner durch ihre jeweils eigene Art zu sprechen noch skurriler wirken zu lassen. Die Atmosphäre, die er schafft, passt gut zu den Örtlichkeiten, die beschrieben werden.

Es ist schwer, aus Sicht der 1. Person zu schreiben, ohne dass es sich nervig liest. In diesem Buch gelingt es dem Autor allerdings größtenteils, die Perspektive gut rüberzubringen.

Es gibt durchaus mehrere Stellen, die sehr spannend beschrieben wurden. Allerdings halten diese immer nur kurz an und haben selten etwas mit der eigentlichen Geschichte zu tun. Will Dean scheint sich gerne in seinen bildhaften, atmosphärischen Beschreibungen zu verlieren. Seine Ausdrucksweise bzw. die der Übersetzerin (leider kann ich die deutsche Ausgabe nicht mit der Originalausgabe vergleichen) war mir an der ein oder anderen Stelle doch zu eigenartig. Ab und zu wurde auch etwas genannt, dass erst Seiten später erklärt wurde. So wirkte der Aufbau der Geschichte leider nicht gut strukturiert. Die Auflösung des Falles zeichnet sich bereits im zweiten Drittel ab, jedoch ging ich davon aus, dass es so einfach doch nicht sein kann. Das Motiv des Täters fand ich zu billig und zu wenig durchdacht. Des Weiteren bleiben viele Fragen offen (v.a. bezüglich Dinge, die extra genannt wurden, aber am Ende doch irrelevant waren … vermutlich wurden sie rein aus atmosphärischen Gründen genannt).

Ein wenig enttäuscht haben mich auch die „Versprechungen“ auf dem Cover: Nach der Lektüre erscheint mir der Untertitel „Denn das wahre Böse ist lautlos“ nicht besonders passend zur Geschichte. Außerdem geschieht das, was man sich aufgrund des Klappentextes von der Geschichte erwartet, erst ganz am Ende. Trotz ihrer Angst scheint Tuva die meiste Zeit mit dem Wald relativ gut zurecht zu kommen. Ihre Gehörlosigkeit ist aufgrund der intakten Hörgeräte auch kaum ein Problem. „… ein Gegner […], der ihre dunkelsten Ängste übertrifft“ ist leider auch ziemlich übertrieben.

Mein Fazit: Der Schreibstil ist lesbar, die seltsame Ausdrucksweise mal eine interessante Abwechslung und die Geschichte hat ein paar wirklich spannende Stellen. Mit dieser Lektüre macht man nicht viel verkehrt, man sollte allerdings auch nicht zu viel erwarten.