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Renas Wortwelt

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Insgesamt 240 Bewertungen
Bewertung vom 19.11.2025
Maly, Beate

Aurelia und die Jagd nach dem Glück / Ein Fall für Aurelia von Kolowitz Bd.3


ausgezeichnet

Nahezu nahtlos schließt dieser Roman an den vorigen Band an, den ich ebenfalls gerade las und rezensierte. Wieder mischt sich die junge Aurelia, die einer wohlhabenden Familie entstammt, in die Ermittlungen des Polizeiagenten Janek ein. Die sich diesmal um die Ermordung eines reichen Lottokönigs drehen.
Der Ermordete war mit dem Verkauf von Lottospielen und eigenem Gewinnen aus ebensolchen zu unermesslichem Reichtum gelangt. Aber sonderlich beliebt waren er und seine Gattin nicht, im Gegenteil, die beiden sehr egoistischen und überheblichen Menschen wurden von vielen abgelehnt und hatten vor allem unter denjenigen, die sie um ihren Lottogewinn betrogen hatten, ausschließlich Feinde. Was bedeutet, dass es reichlich Verdächtige gibt, die den Mord begangen haben könnten.
Janek, inzwischen Oberinspektor, muss ermitteln und natürlich führt ihn seine Untersuchung auch wieder in die Nähe von Aurelia. Die diesmal allerdings auch dabei hilft, Janek ein bisschen zu belügen, denn ausgerechnet ein Freund ihres Freundes Nepomuk gilt als Hauptverdächtiger, hat allerdings ein Alibi, welches jedoch nicht erwähnt werden darf. Alles ziemlich kompliziert.
Was mit dem großen und gefährlichen Geheimnis Nepomuks zu tun hat, der früher einmal der beste Freund Janeks war. Was das für ein Geheimnis ist, ahnt man nur zu früh, zumal es (unnötig) oft erwähnt und angedeutet wird.
Bei den Ermittlungen, in die sich Aurelia wie gehabt einmischt, werden wieder diverse Abgründe aufgedeckt, lernt Aurelia neue Freundinnen kennen, darf sie sogar mit Janek ausgehen und gerät in große Gefahr. Dass sie nebenbei sich wieder damit beschäftigt, wie ungerecht Frauen zu ihrer Zeit behandelt und unterdrückt werden, womit sie sich nicht abfinden will, macht diese Figur ungemein sympathisch.
In diesem Band steigert sich die Spannung noch einmal, sind die Nebenhandlungsstränge fast noch besser aufgebaut. Auch vermeidet die Autorin diesmal die mir im vorigen Band etwas zu dick aufgetragenen Schilderungen von Janeks Gefühlen und sein Selbstmitleid. Diesmal schwingt ein bisschen mehr Humor mit, ein bisschen mehr Leichtigkeit. Was aber weder der Spannung noch der Tiefe der Geschichten einen Abbruch tut.
Die Aufklärung des Mordes am Ende gestaltet sich in der Tat überraschend und zeigt wieder einmal, wie gut es Beate Maly gelingt, einen Kriminalroman zu strukturieren und aufzubauen. Dazu die sympathischen und recht natürlich agierenden Hauptfiguren und ein flotter Erzählstil machen die Romane zu einem großen Lese-Spaß. So kann ich es kaum erwarten, Aurelia, Janek und Nepomuk wieder zu treffen.
Beate Maly - Aurelia und die Jagd nach dem Glück
DuMont, Oktober 2025
Gebundene Ausgabe, 350 Seiten, 22,00 €

Bewertung vom 17.11.2025
Maly, Beate

Aurelia und die Melodie des Todes / Ein Fall für Aurelia von Kolowitz Bd.2


sehr gut

Der zweite Band (den ersten habe ich leider verpasst) um die aus gutem Hause stammende Aurelia von Kolowitz, die gerne mal bei polizeilichen Ermittlungen mitmischt, führt uns in das Wien des Jahres 1871. Hier beobachtet der Leierkastenmann Pepi, wie ein bekannter Industrieller aus dem Fenster seiner Wohnung fällt.
Dass nicht nur diese Beobachtung Pepi nicht gut bekommen wird, ahnt man da bereits. Doch was genau dahintersteckt, ob es ein Unfall, Selbstmord oder gar Mord war, wie der Ziegelbaron Auerbach zu Tode kam, diesen Fall muss Polizeiagent Janek Pokorny aufklären. Dabei findet er nicht gerade viel Unterstützung bei seinem Vorgesetzen, der eher am eigenen Wohlergehen interessiert ist.
Dafür fühlt sich die junge Aurelia, die Janek bereits aus dem erwähnten ersten Band kennt, berufen, den vom Tod von Auerbach Betroffenen einige Fragen zu stellen. Passenderweise ist sie eng befreundet mit dessen Schwester, die allerdings nervlich ein Wrack zu sein scheint, so sehr, dass sie Gefahr läuft, bald in ein Irrenhaus eingewiesen zu werden. Wozu eine bei einer Séance ihr gegenüber ausgesprochene Drohung immens beiträgt.
Aurelia, die den Polizeiagenten ungemein sympathisch findet, wohl wissend, dass die unterschiedlichen Schichten, aus denen sie stammen, eine engere Freundschaft oder gar mehr völlig unmöglich machen, findet einiges heraus. Immer wieder hilft ihr dabei auch ein guter Freund, der Anwalt Nepomuk Hofmeister.
Dieser wiederum ist oder vielmehr war früher der allerbeste Freund von Janek bis zu einem Vorfall, den dieser Nepomuk bis heute nicht verziehen hat. Daher ist die Atmosphäre zwischen den beiden Männern immer recht angespannt, zumal Janek, der ebenfalls Gefühle für Aurelia hat, ziemlich eifersüchtig ist auf Nepomuk. Dabei hat dieser ein gefährliches Geheimnis, das eine Beziehung zu Aurelia unmöglich macht.
Diese Nebenschauplätze, die sich rund um den eigentlichen Kriminalfall abspielen, sorgen für zusätzliche Spannung in dem ohnehin sehr gut konstruierten und strukturierten Roman. Aber anders kennt man es ja nicht von Beate Maly, deren Fan ich inzwischen wirklich geworden bin.
Man ahnt zwar recht früh, was sich an diversen Geheimnissen und üblen Machenschaften verbirgt, doch das wird eben so gut erzählt, dass man die Seiten überfliegt. Allerdings sind mir in diesem Band die Gefühle vor allem Janeks ein bisschen zu dick aufgetragen, nehmen zu viel Raum ein. Zumal sie ausgesprochen negativ sind, er versinkt immer wieder in tiefem Selbstmitleid über seine Situation, die er mit der Nepomuks vergleicht. Da wäre vielleicht weniger mehr gewesen.
Dafür gelingen Beate Maly wie gewohnt sehr gute Cliffhanger und natürlich, ihr Steckenpferd, wunderbar perfekte Beschreibungen vom historischen Wien, von der Situation der verschiedenen Klassen, wobei sie immer wieder Wert auf die Schilderung der Lebensverhältnisse armer Menschen legt. Darüber hinaus wird auch den damaligen Zuständen in Irrenanstalten Raum gegeben, was die Authentizität der Romane Malys wieder einmal belegt. Hinzu kommt, was mir besonders viel Spaß macht, Aurelias Aufmüpfigkeit, die sich nicht mit der Unterdrückung der Frauen zu ihrer Zeit abfinden will.
Insgesamt ein wirklich lesens- und empfehlenswerter Roman, der viel mehr ist als bloß ein Krimi.
Beate Maly - Aurelia und die Melodie des Todes
DuMont, Oktober 2025
Gebundene Ausgabe, 318 Seiten, 22,00 €

Bewertung vom 14.11.2025
Schnalke, Christian

Ich bin der beste Freund des Menschen


ausgezeichnet

Wie rezensiert man ein Buch, welches Zeichnungen mit unglaublich witzigen Texten kombiniert, ohne beides zeigen zu können? Dieses kleine Büchlein von Christian Schnalke, dessen Romane ich lieben lernte, muss man einfach gesehen haben, man muss es besitzen und man muss es unbedingt all jenen Menschen zum Geschenk machen, die Bücher lieben.
Denn nicht, wie immer fälschlicherweise behauptet, der Hund, sondern natürlich das Buch ist der beste Freund des Menschen. Und so zeigt Christian Schnalke folgerichtig Bücher, die als unsere Freunde mit am Tisch sitzen und Buchstabensuppe löffeln, das Buch als Gondoliere, das fragt, wer denn schon Casanova wäre, ihn, das Buch, nähmen alle mit ins Bett.
Oder das bedauernswerte Buch, welches in 13 Sprachen übersetzt wurde, das aber trotzdem niemand versteht. Oder jenes Buch, das beim Psychiater auf Couch klagt, es hätte einen unzuverlässigen Erzähler. Oder der schönste Gag meiner Meinung nach, jene Bücher an Bord eines Rettungsbootes, welche, während hinter ihnen der Dampfer im Meer versinkt, in die Runde fragen, ob ein Ratgeber an Bord sei.
Dabei ist es ganz schwer, überhaupt zu sagen, welches der gelungenste Witz, die pointierteste Zeichnung ist. Alle sind ganz wunderbar, mal poetisch, mal irrsinnig komisch, mal herrlich zweideutig, mal nachdenklich und durchaus auch mal den Finger in diverse Wunden legend.
Dieses kleine schmale Buch ist so perfekt gestaltet, mit genau der richtigen Mischung aus Witz und Pointe, aus gelungenen Zeichnungen und treffenden Texten, dass man es immer wieder zur Hand nehmen kann und möchte. Wer dieses Buch nicht mag, wer es nicht an Freunde und Familie verschenkt, der hat wirklich etwas verpasst.
Christian Schnalke - Ich bin der beste Freund des Menschen
DuMont, Oktober 2025
Gebundene Ausgabe, 111 Seiten, 18,00 €

Bewertung vom 12.11.2025
Winkelmann, Andreas

Entführung im Himmelreich / Mord auf Achse Bd.2


sehr gut

Ein ehemaliger Schauspieler, der immer davon träumte, einmal einen Tatort-Kommissar zu spielen, kann natürlich nicht widerstehen, wenn in seiner Nähe Verbrechen oder vermeintliche Verbrechen geschehen. Da muss er doch tätig werden und ermitteln.
Und das muss Björn Kupernikus gar nicht allein, ihm zur Seite steht die ehemalige Lehrerin Annabelle, die er im ersten Band der Reihe kennen- und schätzen lernte. Dass sie ihren früheren Beruf nicht leugnen kann und stets sprachliche Schnitzer korrigiert oder ungefragte Belehrungen von sich gibt, ist nur einer der durchaus gelungenen running gags in diesem Buch.
Die Geschichte beginnt mit dem Verschwinden von Bäcker Mauske, der eigentlich am Morgen den Campingplatz mit Brötchen und Gebäck beliefern sollte. Doch der Mann ist spurlos verschwunden, nur seine Schuhe stehen am Seeufer. So deutet alles auf Selbstmord hin, auch wenn all jene, die den Bäcker kennen, zwar durchaus Anlass für eine Selbsttötung kennen mögen, den Bäcker dafür aber nicht für imstande halten.
Anlass für den Wunsch nach dem Tod könnte so vielleicht die angespannte finanzielle Situation der Bäckerei sein, in der auch Frau und Sohn des Verschwundenen arbeiten. Allerdings gibt es auch einige Verdächtige, die einen Mord für möglich erscheinen lassen. Als da wäre der Metzger Becker, der kürzlich einen heftigen Streit mit Mauske ausfocht. Oder die eigene Ehefrau, kursiert doch das Gerücht, Mauske hätte eine Affäre.
Da findet Kupernikus eine Leiche, doch es ist nicht der Verschwundene. Was hat nun der Tote mit der ganzen Angelegenheit zu tun, was fabriziert der Metzger in dem noch nicht eröffneten Laden, was wollte ein geheimnisvoller Einbrecher auf dem Hausboot einer Astrologin und was steckt in den Keksen, die in einer Gruppe älterer Damen für so ausgesprochen gute Laune sorgen?
Dass sich all das auch noch kurz vor Halloween zuträgt, sorgt für zusätzliche Dramatik. Am Abend des Festes, welches auf dem Campingplatz mit großem Tamtam und viel Deko begangen wird, spitzt sich die Lage zu und Kupernikus kann weitere Erfolge in seiner Ermittlung erlangen.
Das Ganze wird herrlich amüsant, temporeich und mit viel Verständnis für die Eigenarten der Menschen erzählt. Voller Witz, mit etlichen running gags, mit liebevoll, aber durchaus spitzfindig gezeichneten Figuren und einem Sinn für Pointen führt uns Andreas Winkelmann durch die Geschichte. Echte Spannung oder Dramatik sucht man zwar vergebens, obwohl ihm wirklich einige gute Cliffhanger gelingen. Dennoch machen die Geschichten vom Campingplatz Himmelreich viel Spaß und Lust auf eine weitere Fortsetzung.
Andreas Winkelmann - Entführung im Himmelreich
Knaur, Oktober 2025
Taschenbuch, 331 Seiten,16,99 €

Bewertung vom 10.11.2025
Bühnemann, Annika

Liebesromane schreiben für Dummies


sehr gut

Die Autorin dieses Ratgebers ist selbst Verfasserin von erfolgreichen Liebesromanen und darüber hinaus recht bekannt als Beraterin und Coach für Schreibende. Hier nun legt sie, in der für die Dummies-Reihe typischen Gestaltung, ein Buch vor, das die üblichen Tipps und Ratschläge für das Schreiben von Romanen generell auf das Verfassen von Liebesromanen überträgt.
So widmen sich viele der Kapitel, zumal zu Beginn, den bekannten und in jedem Schreibratgeber enthaltenen Themen wie „Woher kommt die Inspiration?“, „Eine Idee ausbauen“, Setting, Thema, Erzählperspektive, Szenenaufbau und Figurenausarbeitung. Dazu kommen Tipps zum Zeitmanagement, Recherche, Hilfen bei Schreibblockaden, Überarbeiten und vielem ähnlichem.
Grob unterteilt ist das Buch dabei in fünf Teile, deren Überschriften lauten „Gehen Sie sich aus dem Weg“, „Planen Sie Ihren Roman“; „Schreiben Sie Ihren Roman“, „Schreiben heißt umschreiben“ sowie abschließend der fünfte Teil mit dem Titel „Top Ten Teil“, der 10 Tipps gegen Prokrastination gibt.
Somit beinhaltet das Buch auf den ersten Blick wenig neues, wenig, was man noch nicht längst woanders lesen konnte oder gelesen hat. Wenn man aber tiefer einsteigt, so betrachtet Annika Bühnemann dann doch die verschiedenen Aspekte aus dem Blickwinkel einer Liebesromanautorin.
Da geht es dann z.B. darum, dass bitte nicht alle Heldinnen und Helden Sirenen und Adonisse sein sollten, wie divers die Figuren sein sollten. Es geht um die Frage, wer in einem Liebesroman Antagonist sein kann, wie man Klischees vermeidet (was natürlich für alle Genres wichtig ist!). Und schließlich zeigt die Autorin, wie man anhand der von ihr so benannten „Girlandenmethode“ einen Liebesroman aufbaut. Was sich als schlicht eine Abwandlung bekannter Plotmethoden herausstellt, die sich aber als durchaus probat erweist für das Genre der Liebesromane. Statt von 3, 5 oder 7 Akten zu sprechen, plant Annika Bühnemann Meilensteine und davon insgesamt 19 oder sogar 20.
Dazu kommt dann ein Kapitel über Gefühle, ja kein ganz unwichtiger Aspekt bei einem Liebesroman. Natürlich beschäftigt sie sich da auch mit dem altbekannten Satz „Show, don’t tell“, aber eben auch mit den Fragen bezüglich Spannung, den Gefühlen der Figuren versus derjenigen der Leser:innen und vielem mehr.
Insgesamt ist das Buch ein sehr angenehmer Ratgeber, vor allem dank des sehr flüssigen, leichtfüßigen und immer sacht humorvollen Stils der Autorin. So liest man gerne durch die Kapitel, wobei, wie immer bei den Dummies-Büchern, keinesfalls nötig ist, von vorne nach hinten zu lesen. Springen zwischen den Kapiteln, das Überspringen mancher, ist durchaus erlaubt.
Das Buch bietet also für erfahrene Autorinnen und Autoren viel Wiederholung, für Neulinge viel gute Tipps.
Annika Bühnemann - Liebesromane schreiben für Dummies
Wiley, September 2025
Taschenbuch, 311 Seiten, 19,99 €

Bewertung vom 05.11.2025
Nestmeyer, Ralf

111 Tage, die die Welt bewegten


ausgezeichnet

2000 Jahre auf 230 Seiten zusammenzufassen ist natürlich ein unmögliches Unterfangen. Dass es hier immerhin gelingt, 111 wichtige Ereignisse aus einer so langen Zeit herauszupicken, und diese anschaulich zu erzählen, ist lobenswert.
Wobei nicht verschwiegen werden soll, dass wir schon am Tag 24 im 20. Jahrhundert sind, wo sich so viele Tage ereigneten, die naturgemäß aus unserer heutigen Sicht die Welt bewegten.
Die ersten 24 solcher Tage, die Ralf Nestmeyer für erwähnenswert hält, schildern solche Ereignisse wie Caesars Ermordung oder den Untergang von Pompeji, den Tod von Jeanne d’Arc oder selbstverständlich den Thesenanschlag Martin Luthers. Aber er nennt zum Beispiel auch den 1. November 1755, als Lissabon von einem Erdbeben zerstört wurde, Humboldts Besteigung des Chimborazo am 23. Juni 1802 oder Darwins Entdeckung der Arten bei seinem Besuch auf den Galapagos-Inseln am 15. September 1835. Dazwischen werden auch die Boston Tea Party oder die Schlacht bei Waterloo aufgezählt.
Aber es sind nicht nur solche Begebenheiten, sondern auch die Eröffnung des Suezkanals oder die Errichtung des Eiffelturms, die Nestmeyer für bewegend genug hält, um sie in sein Buch aufzunehmen.
Dann aber sind wir eben bereits im 20. Jahrhundert, wo solche Tage quasi Schlag auf Schlag zu folgen scheinen. Immer widmet der Autor, wie in dieser Buchreihe üblich, dem jeweiligen Tag eine Seite Text plus ein großformatiges Foto, wo zusätzlich noch stets ein weiterführender Literaturtipp genannt wird. Sicher sehr hilfreich, lassen sich doch die Bedeutung und Nachwirkung mancher dieser Tage keinesfalls auf einer schlichten Seite darlegen.
Einige dieser bewegenden Tage sind Amundsens Erreichen des Südpols, das Attentat von Sarajewo, das zum ersten Weltkrieg führte, die Entdeckung des Grabs von Tutanchamun, der Börsencrash von 1929, Hitlers Überfall auf Polen am 1.September 1939, die Entdeckung der DNA, die Mondlandung, der Fall der Mauer. Es folgen noch viele weitere Tage bis hin zum letzten im Buch erwähnten, dem Todestag von Alexej Nawalny am 16. Februar 2024.
Bei manchen der genannten Ereignisse mag man sich fragen, wieso sie es ins Buch schafften und vielleicht vermisst man den einen oder anderen Tag, der hätte erwähnt werden sollen. Denn natürlich kann so eine Auswahl nur sehr selektiv und sicher auch subjektiv sein. Doch meiner Meinung nach ist das Buch durchaus gelungen, insbesondere wenn es Leser:innen veranlasst, das eine oder andere Thema zu vertiefen. Und so schließlich vielleicht etwas aus der Geschichte zu lernen.
Ralf Nestmeyer - 111 Tage, die die Welt bewegten
emons, September 2025
Taschenbuch, 231 Seiten, 18,95 €

Bewertung vom 03.11.2025
Hargrave, Kiran Millwood;Shepherd-Robinson, Laura;Turton, Stuart

Gruselige Stunden


ausgezeichnet

Es sind „nur“ sechs Gruselige Geschichten in diesem Buch vereint, aber die haben es in sich. Ich wüsste nicht zu sagen, welche besser als die anderen oder gar die beste ist, alle sechs sind wirklich gelungen, wunderbar geschrieben, hochspannend und vor allem eben ziemlich gruselig.
Da ist die Geschichte „Wirt“ von Kran Millwood Hargrave um ein kleines Mädchen, das als Wirt für ein verstorbenes Kind herhalten muss, zu dem in einer Séance Kontakt aufgenommen soll. Dass das nicht gut ausgehen kann, ist abzusehen.
In „Inferno“ von Laura Shepherd-Robinson fallen die üblen Taten eines arroganten Mannes schließlich auf ihn zurück, für alle Frauen, an denen er sich auf die eine oder andere Weise verging, wird Rache genommen.
„Der Herr des Hauses“ von Stuart Turton erzählt von einem Vater, der für sein gleichgültiges und grobes Verhalten seinem Sohn gegenüber mit erschreckenden Erlebnissen und gruseligen Blicken in die Zukunft gestraft wird.
Imogen Hermes Gowar schildert in „Doppelter Faden“, was eine ich-bezogene, überhebliche und eingebildete Frau erlebt, die ein Dienstmädchen gemein behandelt und in den Tod getrieben hat.
„Die Salzwunder“ von Natasha Pulley spielen auf einer abgelegenen Insel, auf welcher Mensch und Tier zu Salzsäulen erstarren aufgrund merkwürdiger Vorkommnisse.
Elizabeth Macneal schließlich schreibt in „Verbannt“ über wahre Ereignisse, in welchen es um eine Frau geht, die von ihrem Mann verbannt, abgeschoben, zu Stillschweigen gebracht wurde, nun aber doch ihre eigene Geschichte erzählen möchte.
All diese Geschichten sind so perfekt inszeniert, so geschickt strukturiert, voller gelungener Spannungsmomente, voller überraschender Wendungen und mit stets unvorhersehbaren Enden, dass man durch die Seiten fliegt. Dass sie alle in früherer Zeit spielen, in dunklen Jahreszeiten angesiedelt sind und damit natürlich derart vollkommen in die jetzige Zeit und Stimmung im Jahr passen, muss nicht extra erwähnt werden.
Eine ganz herrlich gruselige Sammlung von Geschichten, vielleicht die bisher beste in der ohnehin sehr guten Gruselreihe des DuMont-Verlags. Was möglicherweise daran liegt, dass diesmal eben nur sechs Geschichten hier vereint sind, was es erlaubt, sie ruhiger aufzubauen und ausführlicher zu erzählen.
Eine uneingeschränkte Leseempfehlung für dieses Buch. Und Vorfreude auf den nächsten Band, der hoffentlich im kommenden Jahr erscheinen wird.
Kiran Millwood Hargrave u. a.- Gruselige Stunden
Originaltitel: The Winter Spirits
aus dem Englischen von Sibylle Schmidt
DuMont, September 2025
Gebundene Ausgabe, 237 Seiten, 24,00 €

Bewertung vom 29.10.2025
Pistor, Elke

Kipferl, Killer, Kerzenschein


gut

Da ist sie wieder in ganzer Pracht, Annemie Engel, die mit scharfem Spürsinn gesegnete Konditorin. Als in ihrem Café Engelsstübchen eine junge Frau nach dem Verzehr einer von Annemies Torten stirbt, gerät sie und damit ihre Backkunst schnell in Verruf. War die Torte vielleicht vergiftet?
Das Internet explodiert und Annemie wird verunglimpft. Zuerst versteht sie, die diesen modernen Unsinn mit den Sozialen Medien komplett ablehnt, gar nicht, was das für den Laden und ihren Stand auf dem Weihnachtsmarkt bedeutet. Doch als die Kunden wegbleiben, entscheidet sie, zu handeln.
So macht sich die Hobbydetektivin auf die Socken, um herauszufinden, woran die junge Mutter wirklich starb. Unterstützung findet die resolute ältere Dame bei ihrem Verlobten Werner, seines Zeichens Buchhändler, ihrer Freundin Gerburg, Inhaberin eines gutgehenden Wollegeschäfts, sowie deren neuem Freund Thilo, einem Elektriker. Die vier nicht mehr ganz taufrischen Spürnasen begeben sich auf Ermittlertour, suchen nach Motiv und Täter bzw. Täterin.
Dabei bringt Annemie ungewollt nicht nur sich selbst, sondern auch ihre kleine Enkelin Nölli in Gefahr. Doch natürlich findet die durchsetzungsstarke Konditorin am Ende die Lösung und kann den Fall aufklären, auch wenn sie sich damit nicht immer ganz astreiner, sprich legaler Methoden bedient.
Während der Ereignisse wird viel gebacken, viel Süßes verspeist, es werden viele Gespräche geführt. So beispielsweise, wenn Annemie und Werner sich als Spendensammler ausgeben und dabei Nachbarn der Toten ausfragen wollen. Oder wenn Annemie die Freundinnen der Toten, allesamt junge Mütter, auf dem Spielplatz beobachtet und dabei aushorchen möchte.
Hier an dieser Stelle wie auch an anderer gelingt es Elke Pistor nicht ganz, die übelsten Klischees zu umschiffen, wobei man da durchaus Absicht vermuten kann, denn genau das sorgt für einen gewissen Witz. Ansonsten ist der Roman diesmal leider eher recht humorlos, ganz anders als man es sonst von dieser fleißigen und von mir immer sehr geschätzten Autorin eigentlich gewöhnt ist. Der running gag mit Annemies stetem überstark betonten Hinweis auf ihren Konditiorinnenstatus läuft sich irgendwann tot.
Auch Spannung kommt nicht so recht auf, das Mordopfer bleibt blass und so weckt es kein wirkliches Interesse an der Aufklärung. Das Mordmotiv wirkt auf mich nicht wirklich schlüssig, alle Figuren abseits von Annemie selbst bleiben farb- und profillos. Die einzige Szene, in der Annemie in wirkliche Gefahr gerät, hat zwar durchaus ein gewisses Spannungspotenzial, da es sich aber um einen leichten Weihnachtskrimi handelt, weiß man einfach, dass das Ganze gut ausgehen muss (was keinerlei Vorwurf darstellen soll).
Allerdings wurde ich diesmal vor allem so gar nicht warm mit der Protagonistin. Annemie Engel hat etliche Sympathiepunkte bei mir eingebüßt, die sie im vorigen Band bei mir sammelte. Durch ihre zu stark betonten Schrullen, ihre Sturheit, ihren Altersstarsinn und die übertriebene Ablehnung moderner Errungenschaften wie Internet, Sozialen Medien usw. (was am Ende dann ganz plötzlich für sie überhaupt kein Problem mehr darstellt).
Hingegen mag ich ihre Resolutheit, ihr sich nicht einschüchtern lassen und ihren moralischen Kompass. Auch wenn sie mir letzteren zu viel heraushängen lässt, zu oft den Zeigefinger hebt. Das alles dämpft das Vergnügen an diesem Krimi. Ein bisschen wirkt das Ganze auf mich wie eine zu früh aus dem Ofen genommene Torte.
Elke Pistor - Kipferl, Killer, Kerzenschein
emons, September 2025
Taschenbuch, 254 Seiten, 15,00 €

Bewertung vom 27.10.2025
Huwyler, Marcel

Frau Morgenstern und die Offenbarung


ausgezeichnet

Eigentlich könnte sich Violetta Morgenstern, ihres Zeichens ehemalige Lehrerin und aktive Auftragsmörderin, längst zur Ruhe setzen. Immerhin teilt sie sich aber inzwischen ihre Stelle bei der Killeragentur mit Freund und Kollegen Miguel Schlunegger, damit sie sich die Kinderbetreuung ebenfalls teilen können. Denn Miguel hat seit der letzten Folge dieser absolut genialen und herrlich absurden Krimireihe seine Zwillingstöchter Ida und Frida bei sich und alle leben zusammen in Violettas Haus. Eine Patchworkfamilie par excellence, könnte man sagen.
Wäre da eben nicht der Beruf von Miguel und Morgenstern und wäre da nicht der Ägyptologe, der einen sensationellen Fund gemacht hat. Eine Mumie mitsamt einer Offenbarung, deren Text alles verändern würde, der die Schweiz, die ganze Nation ins Chaos stürzen würde, ja die ganze Welt. Was also mit der Offenbarung tun, wie deren Inhalt geheim halten, wo doch alle Grabungsmitarbeiter um diesen Text wissen?
Professor Gottlieb hatte sich an diverse Institutionen gewandt, doch nicht alle sind ihm wohlgesonnen. So kommt es, dass Violetta und Miguel den Auftrag bekommen, das gesamte Grabungsteam zu töten. Aber dann kommt ihnen jemand zuvor!
Das hat es noch nie gegeben und so graben die Beiden nun selbst tief, um die Hintergründe aufzudecken. Parallel bekommt Violetta noch eine Art Auftrag, sozusagen als Privatperson. Dabei geht es um eine ehemalige Schülerin von ihr, die zur großen Besorgnis ihrer Mutter ihr bisheriges Leben aufgegeben hat und verschwunden ist. Violetta soll sie finden und ihr ins Gewissen reden.
Derweil hat wiederum Miguel ebenfalls private Sorgen, steht doch das Jugendamt vor der Tür und ficht seine Vaterschaft der Zwillinge an. Zum Glück für Morgenstern bei ihrer Suche und Miguel bei seinem Problemen haben beide einen guten Draht zum IT-Nerd ihrer „Firma“, der ihnen wie schon so oft hilfreich zur Seite steht.
Es dauert eine ganze Weile, bis der Handlungsfaden um den Ägyptologen schließlich zu Miguel und Morgenstern führt, stattdessen sind beide ziemlich lange eher mit sich selbst beschäftigt. Auch laufen viele Handlungsfäden und somit etliche Erzählperspektiven lange nebeneinander her, so dass ich mich über viele Seiten schwertat, so richtig in das ganze Geschehen hineinzukommen. Es schien, als wäre ein winziges bisschen der Dampf raus aus Huwyler – der längst einer meiner absoluten Lieblingsautoren ist. Doch dann laufen natürlich all die verschiedenen Fäden irgendwann zusammen, die Spannung steigt, Kugeln fliegen durch die Luft, Geheimnisse klären sich auf und dann kommt der große Knall.
Dann nämlich kommt die absolute Pointe, die für alle Nebensächlichkeiten, Abschweifungen und Dröseligkeiten der bisherigen Seiten dutzendfach entschädigt. Diese Pointe, der Inhalt der Offenbarung, ist so absolut gelungen, so ein genialer, irrwitziger und typisch Schweizerischer Witz, dass ich lange nicht aufhören konnte zu lachen. Allein für diese wenigen Seiten am Ende lohnt es sich, den gesamten Roman zu lesen.
Wobei es sich natürlich immer und grundsätzlich lohnt, die Bücher von Marcel Huwyler zu lesen. Sein Schreibstil, sein Wortwitz, seine sprachlichen Kapriolen machen die Lektüre seiner Bücher zu einem einmaligen Vergnügen. Und auch wenn Violetta Morgenstern längst das Pensionsalter erreicht hat, wünsche ich mir noch viele Arbeitsjahre für sie, vulgo weitere Romane mit ihr als Protagonistin.
Danke an Marcel Huwyler für diese Frauenfigur und alle Romane mit ihr.

Marcel Huwyler - Frau Morgenstern und die Offenbarung
grafit, September 2025
Taschenbuch, 282 Seiten, 16,00 €

Bewertung vom 24.10.2025
Kölpin, Regine;Schwiecker, Florian;Pauly, Gisa

Frost, Forensik, Früchtebrot


gut

Pünktlich und mit der typischen Alliteration im Titel erscheinen wieder 24 Weihnachtskrimis, deren Handlungsorte sich quer über den deutschsprachigen Raum verteilen. Und deren Autorinnen und Autoren mal sehr erfolgreich und gebührend bekannt sind, mal Debütantinnen, die gerade die ersten Sprossen der Erfolgsleiter erklimmen.
So ist auch die Qualität der Geschichten recht unterschiedlich, auch wenn das Thema natürlich immer rund um Weihnachten angesiedelt ist.
Da gibt es die Geschichte von Regina Kölpin über den traditionellen Weihnachtsbrauch auf Wangerooge und wie der gerettet werden muss. Da erzählt Daniel Holbe vom smarten Home, das sich zu Richter und Henker aufschwingt. Justine Pust verlegt ihre Geschichte um weibliche Rache nach Rostock. Carla Eisfelds Geschichte „Glanzstücke“ spielt in Frankfurt, wo eine geschickte Taschendiebin ihren Meister findet. Und das Duo Cornelia Kuhnert und Christiane Franke schreibt über einen vielleicht versehentlichen Tod auf der Jagd.
Dazu gibt es noch Texte von Autoren und Autorinnen, die, so scheint es, ihren Krimi-Reihen entnommen sind. Und die Geschichte von Tibor Rode war für mich leider unlesbar, denn einen Text, der einen einzigen Absatz über viele Seiten bringt, dessen gesamte Geschichte auf etwas mehr als 10 Seiten insgesamt nur viermal einen Absatz macht, empfinde ich als sehr unangenehm.
Insgesamt also eine bunte Mischung aus ganz unterschiedlich gestrickten und in ganz unterschiedlicher Qualität präsentierten Weihnachtskrimis, von unterhaltsam über recht spannend, von seicht bis gelungen.
Sarah Sigle (Hg.) - Frost, Forensik, Früchtebrot
Knaur, September 2025
Taschenbuch, 416 Seiten, 12,99 €