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Renas Wortwelt

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Insgesamt 183 Bewertungen
Bewertung vom 21.05.2025
Der Tote in der Crown Row / Sir Gabriel Ward ermittelt Bd.1 (eBook, ePUB)
Smith, Sally

Der Tote in der Crown Row / Sir Gabriel Ward ermittelt Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Wenn eine Kronanwältin einen Kriminalroman schreibt, der unter Kronanwälten und Lordrichtern spielt, dann kann man davon ausgehen, dass Setting, Figuren und Stimmung des Romans authentisch sein können. Das genau ist hier der Fall, auch wenn die Autorin ihren absolut gelungenen Debütroman im London des Jahres 1901 ansiedelt.
Im Temple-Bezirk, dem völlig autarken, nur der eigenen Gerichtsbarkeit unterstehenden Bereich in London, in dem sich die Anwaltsbüros und die Wirkstätten der Lordrichter, der Barristers und Solicitors befinden, wird eines Morgens die Leiche des Lordoberrichters Dunning gefunden, ohne Schuhe und Strümpfe. Erstochen mit einem Tafelmesser, welches nur im Temple verwendet wird. Dieser Temple wiederum wird allabendlich verschlossen und nur Befugte haben Zutritt.
Gegen seinen Willen und nur unter Androhung des Verlust seiner geliebten Wohnung wird der Anwalt Gabriel Ward damit beauftragt, in dieser Mordsache zu ermitteln. Denn die Polizei hat innerhalb des Temple keinerlei Befugnisse. Dennoch bekommt Gabriel Unterstützung von Constable Wright, der quasi die Verbindung zur Außenwelt in Form der Polizei herstellt.
Gabriel, immer fest eingebunden in seine Gewohnheiten und Rituale, hat den Temple seit Jahrzehnten nicht verlassen. Er lebt allein mit seinen Tausenden Büchern, die ihm als Gesellschaft immer genügen und ihm stets neues Wissen vermitteln. Wissen, das ihm nun bei seinen zuerst widerwilligen, dann aber für ihn selbst auch immer fesselnderen Ermittlungen hilft. Diese führt er ebenso akribisch und auf reiner Logik und viel Menschenkenntnis aufbauend wie seine Prozesse.
Einen solchen Prozess hat er parallel zu seinen Recherchen zu erledigen. Darin geht es um ein Kinderbuch, dessen Manuskript ein Verleger einst vor seiner Tür fand. Trotz ungemeiner Anstrengungen war es diesem nicht gelungen, die Verfasserin ausfindig zu machen, auch nicht, nachdem das Buch ein enormer Erfolg wurde. Nun aber hat sich eine Frau gemeldet und behauptet, das Buch geschrieben zu haben. Ob das stimmt und wie man das beweisen oder widerlegen kann, darüber muss Gabriel nun ebenso nachdenken wie über die vielen Spuren und Hinweise im Mordfall.
Sally Smith erzählt diese Geschichte geruhsam und betulich, ohne das jemals Langeweile aufkommt. Alle Beschreibungen, alle Vorkommnisse und vor allem alle Figuren sind spannend, sehr interessant und mit scharfem Profil und viel Tiefgang dargestellt. Und trotz der behutsamen, langsamen und einfühlsamen Erzählweise entwickelt das Ganze eine enorme Spannung. Auch weil man natürlich ahnt, dass die beiden Handlungsstränge irgendwie miteinander verwoben sein könnten und nun darauf wartet, dass sich das erschließt. Und auch der Humor, leise und eher unterschwellig, kommt nicht zu kurz.
Die Autorin beschränkt sich aber nicht nur auf das Erzählen einer Kriminalgeschichte. Zwischen die Zeilen packt sie sozusagen noch einiges an Gesellschaftskritik. Da geht es zum einen um die enorme Diskrepanz zwischen Arm und Reich, dargestellt an den krassen Unterschieden zwischen den reichen und verwöhnten Anwaltsgattinnen und dem schwer arbeitenden, gerade mal 14jährigen Küchenmädchen. Und es geht um die Unterdrückung von Frauen, denen noch lange nicht die gleichen Rechte eingeräumt werden wie den Männern. So war es zu dieser Zeit Frauen absolut verwehrt, Jura zu studieren und damit Anwältin oder Richterin zu werden. All das thematisiert Sally Smith in ihrem Roman, ohne dogmatisch zu werden, ohne aufdringlich ihre Meinung kundtun zu wollen. Gerade deswegen wirkt es umso eindringlicher.
Auch dass sie nicht jedes Klischee vermeidet, ist nicht negativ, im Gegenteil. Die oben erwähnten Anwaltsgattinnen sind quasi wandelnde Klischees, aber auch das passt vollkommen und zeigt genau diese gesellschaftlichen Unterschiede besonders deutlich.
Alles in allem ein absolut und vollkommen gelungener Erstlingsroman, den man unumwunden empfehlen kann. Und natürlich möchte ich dem so liebenswerten Gabriel Ward und dem sympathischen Constable Wright unbedingt einmal wiederbegegnen.
Sally Smith - Der Tote in der Crown Row
aus dem Englischen von Sibylle Schmidt
Goldmann, April 2025
Gebundene Ausgabe, 399 Seiten, 22,00 €

Bewertung vom 21.05.2025
Alpakas, Agate und mein neues Leben
Bow, Erin

Alpakas, Agate und mein neues Leben


ausgezeichnet

Wer möchte schon in einem Ort mit dem Namen Augen-zu-und-durch wohnen? Ganz einfach: Ein Junge, der nicht gefunden werden möchte. Dieser Junge ist Simon, der ein enormes traumatisches Erlebnis verkraften muss und mit diesem Ereignis unter seinem Namen ganz leicht im World Wide Web zu finden ist.
Doch genau dieses Web gibt es nicht in Augen-zu-und-durch, denn dieser Ort ist komplett abgeschirmt gegen jedwede Internetverbindung, Handynetze und so weiter. Weil an diesem Ort nämlich ein Radioteleskop steht und viele Wissenschaftler versuchen, Verbindung zu Außerirdischen herzustellen, wobei all diese „irdischen“ Strahlen und Netze stören würden. Sogar Mikrowellengeräte sind verboten in dieser Stadt.
Dorthin nun zieht der jetzt zwölfjährige Simon mit seinen Eltern. Sein Vater ist Diakon und seine Mutter Bestatterin, sie übernimmt das Geschäft mit dem treffenden Namen „Gemetzel & Söhne“. Vordergründig wird eine viral gegangene Geschichte um einen Vorfall in der Kirche von Simons Vater genannt für den Umzug nach AZUD, doch im Grunde geht es darum, dass Simon geschützt werden soll.
Er hat als einziger seiner Klasse vor zwei Jahren einen Amoklauf an seiner Schule überlebt, alles darüber, vor allem sein Name und sein Bild, ist im Internet zu finden. Ein Grauen für ihn, der Gedanke, dass nun auch in der neuen Schule, die er besuchen muss, jemand entdeckt, wer er ist. Denn er möchte einfach nur der Junge Simon sein.
Aber er ist nicht einzige an dieser Schule, der anders ist. Simon lernt Agate kennen, die unbedingt Fake-Signale von Außerirdischen erzeugen will, um die Wissenschaftler hereinzulegen. Agates Eltern züchten Alpakas und haben noch viele andere Tiere und vor allem noch viele weitere Kinder. Doch Simon mag Agate sehr gern, sie werden enge Freunde, auch wenn er ihrem Plan wegen dieser Signale eher skeptisch gegenüber steht.
Ein weiterer neuer Freund für Simon wird Kevin, dessen Mutter eine der Wissenschaftlerinnen ist und die zuhause sogar eine Mikrowelle besitzen darf. Diese wird noch eine entscheidende Rolle spielen.
Derweil hat Simons Vater mit Eichhörnchen in der Kirche und seine Mutter mit einer verloren gegangenen Leiche zu tun, Simon und Kevin müssen irgendwann als Geburtshelfer bei Ziegen einspringen und natürlich spielen auch die Alpakas noch eine wichtige Rolle.
Das Ganze ist so wunderbar anrührend erzählt, so warmherzig und dabei immer mit herrlich pointiertem Humor, dass man durch die Geschichte fliegt, all diese Kinder ungemein liebgewinnt, mit ihnen lacht, weint, fühlt. Die Autorin hat ganz offensichtlich ein sehr feines Gespür für die Gedanken- und Gefühlswelt von Kindern in diesem Alter, ihr gelingt die Darstellung ihrer Sprache, ihrer Aktionen und ihrer Reaktionen absolut glaubwürdig.
Dazu die anderen Figuren, voran Simons Eltern, die man einfach mögen muss in ihrer alles überragenden Bemühung, ihren Sohn zu schützen, den sie fast verloren hätten, Mutter und Geschwister von Agate oder die Lehrerinnen an der Schule, alle diese Figuren sind so lebensecht, so lebendig und so humorvoll gezeichnet, dass man meint, sie leibhaftig zu kennen.
Besonders das Geschick von Erin Bow, diese Gratwanderung zwischen Humor und Drama, zwischen der Schilderung des Alltäglichen und der Beschreibung des Grauens, das Simon erlebte, dieses Geschick muss man bewundern. Nie driftet es in Rührseligkeit ab, nie wird das Ganze kitschig, nie werden Kinder süßlich oder kindisch geschildert.
Dazu kommen all die Absurditäten, die sie in ihren Roman einbaut, wie beispielsweise den Nachbarn von Agatas Familie, der Emus züchtet, die ausbüxen und mühsam und in herrlichen Szenen wieder eingefangen werden müssen.
Ein Buch, das ich aus vollem Herzen und uneingeschränkt allen empfehle, nicht nur jugendlichen Leser:innen ab 14, wie es der Verlag angibt, sondern auch allen Erwachsenen. Ein Buch, das man so schnell nicht wieder vergisst. Und eigentlich möchte man schon wissen, wie Simons Leben weitergeht…
Erin Bow - Alpakas, Agate und mein neues Leben
aus dem Englischen von Ute Mihr
dtv Reihe Hanser, April 2025
Gebundene Ausgabe, 395 Seiten, 16,00 €

Bewertung vom 16.05.2025
Ms Darling und ihre Nachbarn
Sampson, Freya

Ms Darling und ihre Nachbarn


ausgezeichnet

Wieder hat diese wunderbare Autorin einen herzerwärmenden Roman verfasst, voller liebenswerter Gestalten, die alle ihr Päckchen zu tragen haben und sich schwer tun, Hilfe anzunehmen.
Im Mittelpunkt steht die titelgebende Ms Dorothy Darling – auf dem Ms besteht sie ostentativ. Sie ist inzwischen weit über 70, lebt seit vielen Jahren allein in ihrer Erdgeschosswohnung in einem etwas in die Jahre gekommenen, einst sehr herrschaftlichen Mietshaus. In der Wohnung ihr gegenüber wohnt der etwa gleichaltrige Joseph, der eine neue Untermieterin aufnimmt. Diese, die sich Kat nennt, zieht sofort den Unwillen Dorothys auf sich, einfach nur, weil Kat pinkfarbene Haare und einen zerfransten Rucksack hat.
Dorothy ist grundsätzlich nicht wohlgesinnt gegenüber ihren Nachbarn, kontrolliert alles und jeden. So geht sie täglich eine Runde durchs Haus, prüft die Türen, schaut nach der korrekten Müllentsorgung und kämpft einen ebenfalls täglichen Kampf gegen den jungen Mann in der Wohnung über ihr, der stets und ständig viel zu laute Musik hört.
Weitere Bewohner sind Omar und Ayesha Siddiq, ein verwitweter Vater und seine Teenagertochter, sowie im obersten Stockwerk Gloria, die zum Leidwesen Dorothys zahlreich wechselnde Männerbekanntschaften hat und Tomasz, ein Berg von einem Mann, der meistens schweigt.
Nun erhalten alle Mieter Post vom Vermieter mit einer Kündigung, da das Haus abgerissen werden soll. Nach vielem Hin und Her und etlichen Streitigkeiten einigen sich alle dann doch, gemeinsam gegen den Abriss des Hauses und gegen ihre Kündigungen zu protestieren. Der Vermieter ist ein dubioser Bauunternehmer, der für seine brutalen Methoden stadtbekannt ist. Hilfe erhält die Hausgemeinschaft von dem jungen Journalisten Will, der sich irgendwann nicht mehr nur für die Story, sondern auch sehr für Kat interessiert.
Für zusätzliche Aufregung sorgt ein Überfalls auf Joseph, der in seiner eigenen Wohnung niedergeschlagen wird, wofür Dorothy sofort einen der anderen Hausbewohner verdächtigt. Doch all diese Ereignisse sorgen auch dafür, dass man sich schließlich – wie nicht anders zu erwarten – näher kommt. So erfährt Dorothy irgendwann, was Kat für eine Vergangenheit mit sich herumschleppt und auch Dorothy öffnet sich am Ende und man versteht, warum sie ist wie sie ist.
Das Ganze wird, wie immer bei dieser Autorin, sehr einfühlsam erzählt, dabei immer mit einer ordentlichen Prise Humor, der jedoch nie ins Alberne oder Seichte abgleitet. Die Dialoge sind lebendig, lebensnah und oft spritzig, vor allem, wenn Dorothy mal wieder eine ihrer Breitseiten abfeuert. Die Figuren sind profiliert, fast alle sehr liebenswert, wenn auch nicht ganz klischeefrei, wie beispielsweise der gemeine Baulöwe, der schlicht ein wandelndes Klischee ist. Was aber überhaupt nicht stört.
Dass alle Bewohner des Hauses ihre Päckchen zu tragen haben, ist logisch. Allerdings bleiben fast alle eher blass im Vergleich mit Kat und Dorothy, aus deren Perspektiven wechselweise die ganze Geschichte erzählt wird. Die Hintergründe und Probleme von Tomasz, Gloria und dem Störenfried in der Wohnung über Dorothys werden nur angerissen und vor allem Will, der Journalist mit dem Faible für Kat bleibt eher diffus, über ihn erfährt man zu wenig.
Davon abgesehen ist die Lektüre dieser warmherzigen Geschichte eine reine Freude und weckt schon jetzt Vorfreude auf das hoffentlich bald erscheinende nächste Buch von Freya Sampson.
Freya Sampson - Ms Darling und ihre Nachbarn
aus dem Englischen von Claudia Voit
DuMont, April 2025
Klappenbroschur, 366 Seiten, 18,00 €

Bewertung vom 14.05.2025
Die Engel von Alperton
Hallett, Janice

Die Engel von Alperton


sehr gut

Erneut stellt diese geniale Autorin einen Roman vor, der lediglich in Form von Sprachnachrichten, Mails, Notizen und Transskripten von Aufnahmen eine spannende, wenn auch sehr verzwickte Geschichte erzählt.
Deren Inhalt man kaum geschickt zusammenfassen kann, so komplex ist das Ganze. Im Grunde geht es um einen Mord und mehrere Selbstmorde, geschehen vor 18 Jahren in Zusammenhang mit einer Gruppe, einer Art Sekte, die sich die Engel von Alperton nannten.
Für den Mord an einem jungen indischstämmigen Mann sitzt Gabriel Angelis in Haft als verurteilter Mörder, obwohl er stets beteuert, die Tat nicht begangen zu haben. Gabriel war Teil oder vielmehr eine Art Anführer oder Guru dieser Engel. Zu ihnen gehörten auch noch Holly und Jonah, beide damals gerade 17 Jahre alt und Eltern eines Säuglings.
Heute nun bekommt Amanda Bailey, eine Autorin und Journalistin, den Auftrag, über diesen Jahre zurückliegenden Fall zu schreiben. Anlass ist die Tatsache, dass das Baby von damals nun seinen 18. Geburtstag feiert und niemand weiß, wo es lebt, wie es heißt, ja nicht einmal, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.
Also ist Amandas vorrangiges Ziel, dieses Kind ausfindig zu machen. Dazu nimmt sie mit unendlich vielen Menschen Kontakt auf, mit den Ermittlern von damals, mit Kollegen und anderen Schriftsteller:innen, mit Sozialarbeiterinnen und auch mit Gabriel versucht sie in Kontakt zu treten. Gegen ihren Willen muss sie mit Oliver Menzies zusammenarbeiten, der ein ähnliches Projekt begonnen hatte, obwohl sie mit ihm schlimme Erinnerungen verbindet. Eine Unterstützung hat sie in Ellie Cooper, die sie ebenfalls von früher kennt und die all ihre Sprachaufzeichnungen der Verhöre und Gespräche transkribiert und immer wieder ihre Kommentare dazu einfügt.
Alles wird so aus Sicht von Amanda gezeigt, ohne dass man bei der Lektüre von ihr selbst ein rechtes Bild bekommt, sie, die eigentliche Hauptfigur, bleibt diffus, auch als man im späteren Verlauf erfährt, was zwischen ihr und Oliver vorgefallen war, trägt das nicht zu mehr Verständnis dieser Figur bei.
Überhaupt treten unglaublich viele Figuren auf, was sehr verwirrt. Manche haben nur einen Auftritt, andere treten einmal in Erscheinung und danach erst sehr viel später ein weiteres Mal, wo man schon längst vergessen hatte, wer das war. Zwar gibt es vorne eine Art Liste der Personen, die Amanda bei ihren Recherchen kontaktiert, das hilft aber nicht sehr viel weiter.
Auch ist alles sehr in die Länge gezogen, es gibt viele Dinge, die die Handlung nicht wirklich weiterführen, zumindest auf den ersten Blick, wie z.B. Auszüge aus Romanen oder Theaterstücken, die den Fall der Engel von Alperton fiktional bearbeiteten. Da zieht es sich oft, so dass dieser Roman leider nicht die Spannung, die Tiefe und die Qualität erreicht von dem ersten Roman, den ich von Janice Hallett las „Die Aufführung“, der wirklich ungemein fesselte, sowohl durch Spannung wie auch emotionalen Tiefgang. Gerade letzteres vermisste ich hier ein wenig, alle waren eher kühl, keine Figur konnte mich emotional erreichen, konnte Empathie wecken. Dazu kommt das Gefühl, dass der Roman schlicht ein wenig zu lang ist, ein wenig Kürzen hätte vielleicht ganz gut getan.
Dafür ist schließlich die Auflösung vollkommen überraschend einerseits, das Ende so nicht vorhersehbar, andererseits kann man das eine oder andere irgendwann erahnen. Und doch bleiben am Ende noch einige Fragen offen, einige lose Fäden hängen.
So ist das Ganze zwar ein wirklich gut geschriebener, ungemein geschickt gestalteter und sehr dramatischer Roman, der durchaus zu empfehlen ist. Aber etwas fehlte dann doch.
Janice Hallett - Die Engel von Alperton
aus dem Englischen von Stefanie Kremer
Atrium Verlag, April 2025
Gebundene Ausgabe, 543 Seiten, 24,00 €

Bewertung vom 12.05.2025
Sommer ohne Plan
Swanberg, Johanna

Sommer ohne Plan


gut

Eine junge Frau, die alles hat – Erfolg, Freunde, Halt und Zukunft – wirft das alles weg aus Enttäuschung über eine vergangene Liebe. Sie beginnt zu trinken, statt wie bisher als Managerin eines erfolgreichen Restaurants arbeitet sie als Regaleinräumerin in einem Billigladen, statt in ihrer bisherigen schicken Wohnung wohnt sie in einem schäbigen Kellerzimmer.
Dann wird sie dort rausgeworfen und erwirbt von ihrem letzten Ersparten ein verfallendes Haus auf dem Land. Dort wird sie von den Dorfbewohnern dank eines Irrtums für eine Yogalehrerin, eine Art Guru zur Selbsthilfe gehalten. Cassi, statt das aufzuklären, lässt sich weiter treiben und spielt den anderen genau das vor, für das man sie hält. Sie gibt vor, etwas zu sein, was sie nicht ist. Dabei trinkt sie immer weiter und lässt sich eigentlich auch nur immer weiter treiben. Ergreift keine Initiative, außer dass sie beschließt, das erworbene Haus wieder ein bisschen auf Vordermann zu bringen.
Dabei hilft ihr der alte Pavel, der mit den früheren Bewohnern von Cassis Haus eng befreundet war. Nach und nach öffnet er sich ihr und erzählt ihr von damals und wie viel ihm sein Freund bedeutet hatte.
Nett gezeichnet sind die verschiedenen Dorfbewohner, die alle ihre Schrullen und Eigenarten haben. Erst sehr zögerlich, dann immer williger kommen sie zu Cassis Veranstaltungen, ihren Yogasitzungen und Beratungen, deren Inhalte sich Cassi aus dem Internet zusammensucht.
Ansonsten tröpfelt die Geschichte ziemlich vor sich hin, ohne wirklichen Sinn, ohne Tempo, ohne erkennbares Ziel. Dazu kommt die sehr spröde, für mich wenige liebenswerte Hauptfigur, die nicht nur eigentlich eine Betrügerin ist und allen Dorfbewohnern etwas vorgaukelt. Sondern auch ansonsten nicht sympathisch ist, mich nicht überzeugt.
Der Grund für ihren laut Klappentext Burnout (wohl eher eine Depression) schien mir arg überkonstruiert, überzogen, wie auch ihre Reaktion. Warum das Ganze erst nach und nach herauskommt und so ein Wirbel drum gemacht wurde von ihr, wurde mir nicht klar, war für mich nicht schlüssig, nicht nachvollziehbar.
Dazu kommt, dass ich den Roman lange nicht so warmherzig und vor allem nicht so lustig fand, wie der Klappentext verheißt. Ich musste an keiner Stelle lachen, fand Cassis Verhalten eher abstoßend als unterhaltsam, nur die kleinen Pointen in den Dialogen der Dorfbewohner brachten etwas Komik in die Handlung.
Einzig Pavel, der traurige alte Mann, ist sowohl liebenswert wie interessant als Figur und wegen seiner berührenden Geschichte. Die nicht so richtig zu dem ganzen Roman passen will, sich von der übrigen Handlung stark abhebt.
Dieser Roman hatte es wieder einmal sehr schwer, mich zu überzeugen, weil ich die Protagonistin nicht mochte, sie mir fast unsympathisch war. Ich fand weder Zugang zu ihr oder ihrem Verhalten, ihren Reaktionen, ihren Gedanken. Noch fand ich Zugang zur Geschichte, die mir sehr mühsam konstruiert vorkam. So fällt leider mein Urteil über den Roman entsprechend aus, auch wenn mir der Schreibstil der schwedischen Autorin, deren Debütroman das ist, durchaus gefiel. Er ist leichtfüßig, ihr gelingen gute Beschreibungen sowohl vom Setting wie auch von den Figuren.
Johanna Swanberg - Sommer ohne Plan
aus dem Schwedischen von Nina Hoyer
Hoffmann und Campe, April 2025
Gebundene Ausgabe, 413 Seiten, 25,00 €

Bewertung vom 09.05.2025
Eichhörnchenglück
Lukas, Dana

Eichhörnchenglück


sehr gut

Ich-Erzählerin Annike kommt nach Hause in ihr Elternhaus, weil ihr Onkel Theo sie darum gebeten hat. Denn ihre Mutter Edith liegt nur noch im Bett, weigert sich, ihr Zimmer zu verlassen, lässt sich stattdessen von ihrem Bruder Theo bedienen und umsorgen.
Annike hat schon seit jeher kein gutes Verhältnis zu ihrer Mutter und nun, einige Monate nach dem Tod ihres Vaters ist es auch nicht besser. Beide finden keinen Zugang zueinander, jedes Wort wird verdreht, jede Unterhaltung endet im Streit. Annike, inzwischen Mitte Vierzig, hat nie einen sogenannten „anständigen“ Beruf erlernt, verdient ihr Geld mehr schlecht als recht als Musikerin, lebt in einer WG, hat ganz offensichtlich kein Interesse daran, eine eigene Familie zu gründen oder ein „geregeltes“ Leben zu führen.
Doch nicht nur daran entzündet sich immer neuer Streit. Als Annike bemerkt, dass ihre Mutter die im Baum vor dem Haus turnenden Eichhörnchen mit Walnüssen bewirft, um sie zu vertreiben, ist sie empört. Dann findet ein Nachbarsmädchen ein verletztes Eichhörnchen und bittet Annike um Hilfe.
Erst widerstrebend, dann immer mehr eingebunden, pflegen nun Annike, die kleine Malou und Onkel Theo das verletzte Tier, was schließlich dazu führt, dass sogar Edith, von Neugier getrieben, ihr Bett verlässt.
Doch natürlich wird es nicht so einfach aufgelöst, es dauert noch, bis Annike mehr Verständnis für ihre Mutter aufbringt und diese sich mehr damit abfindet, dass Annike ihr eigenes Leben lebt. Schließlich entdeckt Annike im Keller Geheimnisse ihres verstorbenen Vaters, Onkel Theo erklärt das merkwürdige Verhalten seiner Schwester in all den Jahren und auch, was es mit Malou auf sich hat, klärt sich schließlich auf.
All das wird munter und leichtfüßig erzählt. Der Autorin gelingt es, eine gewisse Spannung zu erzeugen, man will wissen, was hinter dem ewigen Zwist zwischen Mutter und Tochter steckt und natürlich ist man interessiert daran, wie das Ganze für das verletzte Eichhörnchen ausgeht, dem Malou täglich einen neuen Namen gibt.
So sympathisch die Figuren geschildert sind, vor allem Theo, der ehemalige Lehrer, dem immer wieder Formulierungen aus der Jugendsprache entfliehen, so angenehm „normal“ das Kind Malou dargestellt wird, ohne ins Süßliche abzurutschen, so wenig nachvollziehbar war für mich die Figur der Annike. Für eine Frau von 44 legt sie eher penetrant das Verhalten einer pubertierenden 14jährigen an den Tag. Kaum einmal erschien mir schlüssig, wie sie reagiert, wie sie agiert.
Davon abgesehen war der Roman recht unterhaltsam, wenn auch etwas seicht und oberflächlich. Einige lose Fäden blieben hängen, manchmal wurde der Zufall etwas arg strapaziert. Herrlich dagegen die Schilderung des Besuchs im Tierfachhandel, wo Annike, Malou und Theo einen Käfig für das Eichhörnchen erwerben wollen. Sehr schön auch die Beschreibung des Tieres und seines Verhaltens. Dass die Autorin, die vom Besuch eines Eichhörnchens auf ihrem Balkon zu dieser Geschichte inspiriert wurde, tierlieb ist, spricht aus jedem Satz.
Dana Lukas – Eichhörnchenglück
Piper, April 2025
Taschenbuch, 365 Seiten, 12,00 €

Bewertung vom 05.05.2025
Mein Name ist Hope Nicely. Hope wie Hoffnung und Nicely wie nett.
Day, Caroline

Mein Name ist Hope Nicely. Hope wie Hoffnung und Nicely wie nett.


sehr gut

Eigentlich wäre dieses Buch ein Roman genau nach meinem Geschmack. Denn ich mag besondere Protagonist:innen, Figuren mit Ecken, Kanten und scharfem Profil und vor allem Charaktere, die Ausnahmen sind, die gerade wegen ihres Andersseins interessant sind.
Und Hope Nicely, die Hauptfigur in dieser Geschichte, ist ganz sicher besonders. Was sie nicht müde wird, immer wieder zu betonen. Wodurch die Lektüre aber leider sehr anstrengend wird.
Hope, die bei ihrer Adoptivmutter Jenny Nicely aufwächst, wurde schwer geschädigt, weil ihre leibliche Mutter während der Schwangerschaft weiter viel Alkohol trank. So erlitt Hope das sogenannte FAS, das fetale Alkoholsyndrom. Hope kann mit Veränderungen nicht gut umgehen, kann sich nicht allein versorgen, braucht Halt und Anleitung. Die bekommt sie von ihrer Adoptivmutter, von ihrer Sozialarbeiterin.
Nun besucht Hope eine Schreibwerkstatt, denn sie will ein Buch schreiben. Ein Buch über ihre eigene Geschichte. Dieses Buch ist bestimmt für ihre leibliche Mutter. Denn Hope wird vor allem von einer einzigen Frage umgetrieben: Warum hat ihre Mutter während der Schwangerschaft weiter Alkohol getrunken?
In der Schreibgruppe wird sie überwiegend wohlwollend aufgenommen, man geht rücksichtsvoll mit ihr um, auch wenn sie sich den „Normen“ nicht anpasst. Nur ein Teilnehmer fühlt sich dadurch gestört und hetzt permanent gegen sie – so viel Klischee muss sein.
Doch dann erkrankt Jenny schwer, Hope muss plötzlich allein klarkommen. Doch zum Glück finden sich in der Gruppe Menschen, die sich um sie kümmern. So kann ihr Buch wachsen und sie schließlich Antworten auf die eine wichtige, aber auch viele andere Fragen ihres Lebens finden. Dass dabei manch arg unrealistischer Zufall herangezogen wird, stört ein wenig. Da hätte ich mir vielleicht mehr Mühe, mehr Einfallsreichtum gewünscht.
So weit ist dieser Roman spannend, anrührend und auch fesselnd. Die Figuren, vornehmlich die Teilnehmer der Schreibwerkstatt, aber auch Ärzte und Schwestern im Krankenhaus oder andere, die sich um sie kümmern, sind lebendig und authentisch geschildert. Die Geschichte entwickelt sich stringent, Spannung entsteht und Emotionen werden angesprochen.
Doch leider ist die Erzählweise unglaublich anstrengend. Denn die Geschichte wird komplett aus Hopes Perspektive erzählt und das in Ich-Form. Das weckt zwar Bewunderung für die Autorin, die sich aufgrund eines eigenen medizinischen Vorfalls, wie sie im Nachwort erläutert, in gewissem Maß in Hope einfühlen konnte. Aber es führt dazu, dass der Stil eher einfach, um nicht zu sagen einfältig ist, sich ständig alles wiederholt, beginnend damit, dass Hope in jedem Satz wieder erklärt, wer Jenny Nicely ist. Sie analysiert ihr eigenes Verhalten, erklärt es immer wieder, verwendet immer wieder dieselben Formulierungen. Das wird bei dem Umfang des Romans auf die Dauer sehr anstrengend.
Man verliert immer wieder den eigentlichen Handlungsfaden, weil Hope vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt, weil sie sich, ausgelöst durch bestimmte Situationen, an ähnliche in der Vergangenheit erinnert fühlt, von denen sie dann erzählt. Dabei ist sie durchaus liebenswert, aber das macht die Lektüre nicht angenehmer, einfacher. Sondern sehr wenig entspannend.
Was sehr schade ist, da sowohl Thema wie auch die Hauptfigur interessant sind.
Caroline Day – Mein Name ist Hope Nicely. Hope wie Hoffnung und Nicely wie nett.
aus dem Englischen von Katrin Mrugalla
Piper, April 2025
Klappenbroschur, 357 Seiten, 16,00 €

Bewertung vom 01.05.2025
Die Frau hinter der Bühne
Garvey, Elaine

Die Frau hinter der Bühne


gut

Dies ist wieder einmal so ein Roman, dessen Protagonistin mir fremd blieb, in deren Gefühlswelt ich mich nur schwer einfühlen konnte. Dabei ist Mairéad, die aus einem irischen Dorf nach London kam mit dem Traum, Theaterregisseurin zu werden, durchaus sympathisch.
Sie ist jung, leicht verpeilt, sehr unsicher und vor allem sehr schüchtern. Was dazu führt, dass sie in dem hektischen und ziemlich brutalen Umfeld im Theater, in welchem sie als Kostümbildnerin arbeitet, ziemlich weit unten ist in der Hackordnung. Ihre Aufgaben umfassen so spektakuläre Dinge wie die Risse in den Kleidungsstücken, die die Schauspieler verursachen, zu flicken, täglich die Kostüme der Darsteller, für die sie zuständig ist, zu waschen und zu bügeln.
Dabei gerät sie oft in peinliche Situationen, muss mit dem übergriffigen Verhalten der arroganten männlichen Schauspieler klarkommen und dazu noch die ständige, oft heftige Kritik ihrer Chefin verkraften. Mairéad ist nur ein kleines Glied in der Kette und das spürt sie täglich. In den Arbeitsabläufen, in den Diskussionen, die meist um die Kollegen und Kolleginnen kreisen. Dazu ist sie sehr einsam, lebt in einem gemieteten Zimmer, verbringt ihre Mittagspausen mit Spaziergängen durch die Stadt.
Da stirbt ihre Großmutter und sie muss zurück in das Dorf, wo sie aufgewachsen ist. Hier begegnet sie allen Verwandten, Onkeln, Tanten, ihrer Mutter, dem getrennt lebenden Vater und den Menschen im Dorf. Auch hier wieder ständige Diskussionen, aus denen Mairéad meist ausgeschlossen ist, nur Zuhörerin, es sei denn, sie wird, wie bei der Arbeit, nun auch hier ständig kritisiert, wegen ihrer Kleidung, ihres Berufs und anderem.
So bleibt die junge Frau stets irgendwie in der Schwebe, gehört so richtig weder hier noch dort dazu, muss ihren Platz, ihren Weg erst finden.
Das Ganze wird auf sehr verwirrende Weise erzählt, es treten unfassbar viele Figuren auf, die dazu oft noch mit verschiedenen Namen benannt werden, so dass man beim Lesen ständig die Frage vor Augen hat, wer spricht jetzt eigentlich über oder mit wem. Die Dialogphasen sind oft sehr, wirklich sehr lang, gehen über etliche Seiten, ohne dass man in diesen Gesprächen einen tieferen Sinn erkennen kann, ohne dass eine Handlung geschieht oder vorangebracht wird.
Dazu kommt die sehr verschlungen Erzählweise, der meist unverhoffte Wechsel von aktueller Handlung in einen Rückblick und wieder retour, so dass man erst nach einigen Zeilen begreift, in welchem Teil der Geschichte man sich grade befindet.
So nett die Protagonistin auch dargestellt ist, so wenig konnte sie mich erreichen und so wenig konnte mich dieser Roman erreichen. Das lag weniger am Thema oder an der Figur, sondern eher an der wenig lebendigen Erzählweise.
Elaine Garvey - Die Frau hinter der Bühne
aus dem Englischen von Juliane Zaubitzer
Droemer, April 2025
Gebundene Ausgabe, 220 Seiten, 22,00 €

Bewertung vom 28.04.2025
Magritte und Georgette
Monfils, Nadine

Magritte und Georgette


gut

An diesen Roman bin ich mit recht großen Erwartungen herangegangen. Das liest man schließlich nicht oft, einen Kriminalroman mit einer historischen Person als Hobbyermittler. Doch so recht konnte mich die Geschichte um eine Mordserie an jungen Frauen nicht fesseln.
Was nicht am Plot lag, sondern daran, dass sich meiner Meinung nach die Autorin nicht recht entscheiden konnte, ob sie nun einen Krimi oder eine Romanbiografie schreiben möchte. So enthält der Roman viele interessante Informationen über den bekannten belgischen Maler, über seine Ehe mit der innig geliebten Georgette, die er seit Kindertagen kannte, über seine Malerei, seine Freunde, seine Art zu leben.
Dabei gerät die Kriminalhandlung fast in den Hintergrund. Darin geht es um eine Mordserie an jungen Frauen. Alle erhalten anonyme Schreiben, in welchen ihnen geschmeichelt wird, Komplimente gemacht werden und man sie schließlich um ein Treffen bittet. Alles ganz geheim, selbstverständlich. Doch für die Frauen, meist sind es einsame oder unglücklich verheiratete junge Frauen, enden diese klandestinen Treffen tödlich.
Magritte, befreundet auch mit einem der zuständigen Polizeiermittler, sucht Kontakt zu den Angehörigen der Ermordeten, schleicht sich auch schon mal heimlich in ihre Häuser. Vor allem aber beschäftigt ihn die merkwürdige Übereinstimmung zwischen seinen Gemälden und den ermordeten Frauen. Immer wieder ertappt er sich, dass er diese Frauen auf seinen Bildern wieder zu erkennen glaubt.
Seine Frau Georgette unterstützt, ja animiert ihn bei seinen Nachforschungen, sucht auch selbst nach Informationen, die dienlich sein können. Doch zwischen all diese an sich durchaus spannenden Episoden sind lange Abschnitte eingefügt über das Leben Magrittes, seine Kindheit, seine Malerei, die natürlich durchaus interessant sind, aber in einem Kriminalroman doch, wenn sie zu viel Raum einnehmen, eher stören. Erst gegen Ende nimmt das Ganze etwas mehr Fahrt auf, entsteht mehr Spannung.
Dazu kam für mich ein zusätzliches Manko, nämlich, dass nie erwähnt wird, wann sich die Handlung zuträgt. Einziger Anhaltspunkt sind die Fernseher, vor denen viele der Figuren ständig sitzen. Das verweist auf mindestens die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts. Wenn man bedenkt, dass Magritte 1898 geboren wurde, wäre er zur Zeit der Handlung also bereits in seinen Sechzigern. Dennoch klettert er an Regenrohren herunter, überspringt Gartenzäune. Das erschien mir etwas unglaubwürdig. Hier hätte eine zeitliche Einordnung gutgetan, wie auch eine etwas stärkere Konzentration auf die Krimihandlung.
Insgesamt ein nicht uninteressantes Buch, wenn auch etwas zäh erzählt.
Nadine Monfils - Magritte und Georgette
aus dem Französischen von Sabine Schwenk
Eisele, März 2025
Taschenbuch, 304 Seiten, 18,00 €

Bewertung vom 23.04.2025
Der Tod segelt mit
Schnabel, Andreas

Der Tod segelt mit


ausgezeichnet

Zugegeben, die Handlung ist ziemlich weit hergeholt, die vielen Beteiligten machen den Roman etwas verwirrend und auch der Humor, der schon sehr gut unterhält, ist manchmal etwas unpassend, aber insgesamt bietet dieser Krimi, der schon fast ein Thriller ist, rasante Unterhaltung mit einem abwechslungsreichen Personal und etlichen überraschenden Twists.
Es beginnt damit, dass zwei dubiose Herren ein Schulungs-Segelschiff mieten, den immens hohen Betrag dafür in bar bezahlen und die Truppe, die schließlich mit Skipper Bert Buske in See sticht, eher ungewöhnlich für einen Schulungstörn ist. Bald stellt sich heraus, dass es sich bei der anzulernenden Besatzung, die sich durchaus als fähig herausstellt, um diverse Militärangehörige, Sicherheitsbeamte und Geheimdienstmitarbeiter handelt. Dazu gehören noch zwei Teenager, Cousin und Cousine, die es zu beschützen gilt.
Wovor bzw. vor wem, das klingt dann zwar etwas hanebüchen und eher unrealistisch, wird aber mit solch einem Tempo, sehr viel Witz und netten Pointen, mit wilden Verfolgungsjagden, verwirrenden Identitäten und heftigen Schießereien erzählt. Es gibt zahlreiche Opfer, immer wieder tauchen neue Agenten oder neue Bedrohungen auf. Dazu entwickelt sich eine zarte, mit viel verständnisvollem Humor beschriebene Liebesgeschichte. Oder vielmehr sind es sogar zwei solcher Herzensangelegenheiten.
Dazu kommen mit ausreichend Profil beschriebene Figuren, auch wenn ihnen ein wenig der Tiefgang, die jeweiligen Hintergrundgeschichten fehlen. Sie existieren nur im Hier und Jetzt, was aber der Handlung eher nicht schadet, die sich wirklich auf das Vordergründige konzentriert, durch keine Nebensächlichkeiten ablenkt und so eine erhebliche Spannung, ja geradezu einen Sog entwickelt.
Abgesehen von einigen Szenen abseits des Segelschiffs spielt sich das meiste an Bord ab. Die Erzählperspektiven sind nicht immer klar und eindeutig, nicht immer ganz fehlerfrei. Die Figuren sind zahlreich, viele bleiben eher schemenhaft, kommen an Bord und verschwinden wieder, so dass man sich immer mal ein wenig verwirrt fragt, wer war der denn jetzt.
Insgesamt aber ein sehr unterhaltsamer Roman, ein bisschen oberflächlich, ein bisschen blutig, ein bisschen humorig, aber Spaß macht die Lektüre auf jeden Fall. Gerne begegnet man dem Skipper Bert Buske einmal wieder, vielleicht geht er ja mal wieder auf einen so spannenden Törn.
Andreas Schnabel - Der Tod segelt mit
emons, Juni 2024
Taschenbuch, 287 Seiten, 14,00 €