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Renas Wortwelt

Bewertungen

Insgesamt 221 Bewertungen
Bewertung vom 22.09.2025
Steinfest, Heinrich

Das schwarze Manuskript


sehr gut

Bei diesem Roman muss man vor allem und ständig aufpassen, den eigentlichen Handlungsfaden nicht aus dem Blick zu verlieren. Erzählt doch der mehrfach preisgekrönte Autor eine ziemlich wilde, immer wieder komplett abschweifende Geschichte.
In deren Mittelpunkt der Selfmade-Unternehmer Ashok Oswald steht, inzwischen über 60 und seit kurzem ganz allein lebend. Denn seine Frau hat ihn verlassen – unter Mitnahme eines teuren Gemäldes – seine Leibwächter, Gärtner, Köchin und weitere dienstbare Geister hat er entlassen oder doch zumindest bis auf weiteres abbestellt.
Nach einer Nacht im Umzugskarton (!) zieht er nun morgens seine üblichen Bahnen durch seinen großen Pool, als Fremde auftauchen und von ihm ein Manuskript erheischen, und das unter massiver Androhung von Gewalt. Erst nach einer Weile begreift Ashok, wovon die Leute reden: Es handelt sich um ein Originalmanuskript, welches ihm dessen Verfasser vor vielen Jahrzehnten in Obhut gab. Gelesen hat Oswald den Text nie, verlegt wurde das Buch ebenfalls nie. Es bedarf einer längeren Suche, bis er das Manuskript überhaupt wieder findet in seinem Haushalt, doch dann händigt er es den Eindringlingen aus.
Nur ist jetzt seine Neugier geweckt, jetzt will er wissen, was es mit diesem geheimnisvollen Buch auf sich hat. Also beginnt er zu recherchieren. Erster Anknüpfungspunkt ist eine inzwischen ehemalige Schauspielerin, die mit dem Autor Peter Bischof befreundet war. Von ihr bekommt er weitere Tipps, die ihn schließlich bis nach Irland bringen.
Auf dieser recht abenteuerlichen Reise, nicht nur auf der Suche nach Antworten, sondern auch in die Vergangenheit, begegnet Ashok Oswald – sein Vorname erklärt sich aus der indischen Abstammung seiner Mutter – vielen absonderlichen Menschen. Deren Geschichten erfährt er, mit ihnen führt er lange Gespräche, vertieft sich in ihre Schicksale. Doch mit der eigentlichen Handlung, seiner Suche nach Erklärungen über das verschwundene Manuskript, haben diese Abschweifungen nichts zu tun.
Schließlich findet er die Antwort auf seine Frage, was das Besondere an Bischofs Buch war und warum es nie veröffentlicht werden durfte. Auch das ist wieder eine ganz besondere, eine ganz besonders kuriose Geschichte für sich.
Auf dem Weg vom Beginn zum Ende des Romans verliert man immer wieder die Orientierung, verläuft man sich in Rückblicken auf Ashoks eigene Geschichte, gerät in die Vergangenheit der ehemals berühmten Schauspielerin, findet sich plötzlich zwischen den Problemen völlig Fremder und muss dann doch wieder den Knoten neu knüpfen an den eigentlichen Handlungsfaden.
So ist der Roman von Heinrich Steinfest stilistisch wirklich gelungen, seine Art, die Figuren zu beschreiben so plastisch, so liebevoll-ironisch, so farbenreich, dass man sie alle vor sich zu sehen glaubt. Dazu seine pointierten, mal mehr mal weniger spitzen, analytischen Bemerkungen zu diversen aktuellen Themen. Andererseits verliert man die Rahmenhandlung immer wieder aus dem Blick, wird auf Abwege geführt. Ich habe, das gebe ich zu, ab und an eine dieser Abschweifungen schlicht überblättert, um nicht völlig aus der Plot herauszufallen, um den Spannungsbogen nicht völlig zu verlieren.
Ein Roman, für den man einen etwas längeren Atem und Durchhaltevermögen braucht, wofür man am Ende mit einer unterhaltsamen, kuriosen und ungewöhnlichen Geschichte belohnt wird.
Heinrich Steinfest - Das schwarze Manuskript
Piper, August 2025
Gebundene Ausgabe, 240 Seiten, 23,00 €

Bewertung vom 19.09.2025
Lühmann, Hannah

Heimat


sehr gut

Eine junge Familie zieht aus der Stadt hinaus in eine beschauliche Wohnsiedlung. Jana, mit dem zweiten Kind schwanger, hat – ohne es mit ihrem Mann abzusprechen – unvermittelt ihre Stelle gekündigt und wird so zur „Nur“-Hausfrau und Mutter von Sohn Louis. Ehemann Noah, Lehrer, ist von ihre Entscheidung nicht begeistert und das nicht nur aus finanziellen Gründen.
Jana ist so nicht ausgelastet, auch wenn sie beständig jammert, wie sehr die Mutterrolle sie belastet, was sie alles zu tun und zu besorgen hat, ohne dass ihr Mann ihr ausreichend helfen würde. Dennoch findet sie Zeit, im Café zu sitzen. Dort lernt sie Karolin kennen, eine Mutter aus der gleichen Siedlung.
Über Karolin gerät Jana in einen Kreis von weiteren Müttern kleiner Kinder. Alle scheinen überglücklich in ihren Mutterrollen, in ihrem Leben, welches sich ausschließlich um Kinder, Mann, Haus und Küche dreht. Janas Faszination für insbesondere Karolin wächst stetig, sie folgt Karolins Instagram-Feed geradezu süchtig, möchte sein wie sie.
Doch hinter der so heilen Fassade scheint auch nicht alles so glänzend, immer öfter entsteht der Eindruck, in Karolins Ehe läuft nicht alles wie es soll.
Geschickt zeigt Hannah Lühmann anhand einer Diskussion der Frauen über einen Erziehungsratgeber, wohin die Chose läuft. In dem Buch, welches die Mütter in einer Art Lesezirkel besprechen, geht es vor allem darum, die Unterbringung von Kindern in Kitas zu verunglimpfen, darzustellen, wie sehr diese frühkindliche Fremdbetreuung Kindern angeblich schadet. Erst eher konträr in ihrer Meinung lässt sich Jana immer mehr in diese Überzeugungen hineinziehen.
Nach und nach wird die ganze Geschichte dann allerdings etwas verworrener. Hinzu kommen immer mal wieder Anspielungen auf bestimmte Parteien und deren Ansichten, so, wenn Jana an einen Werbestand der AfD kommt.
Thematisch ist dieser Roman sehr interessant und durchaus fesselnd. In der Umsetzung fand ich das Buch jedoch nicht ganz so gelungen. Zum einen ging mir die Wandlung in Jana zu schnell, waren die Schritte in ihrer Entwicklung und was genau ihre Veränderung im Einzelnen auslöste, für mich nicht klar genug dargestellt. Dazu wirkten vor allem die Nebenfiguren, wie die anderen Mütter, arg klischeelastig, eher wie Abziehbilder. Sie waren auch nicht viel mehr als Stichwortgeber.
Dann aber vor allem störte mich die Protagonistin Jana, ihr Jammern und Klagen über die so schrecklich hohe Belastung durch ihr eines kleines Kind. Was für ein Luxusproblem, welches hier derart aufgebauscht wurde. Ich mag das bald nicht mehr lesen, es scheint in den letzten Monaten, wenn nicht Jahren, geradezu modern, Romane über die armen gestressten jungen Mütter zu schreiben.
Davon abgesehen war das Buch von Hannah Lühmann auch recht anstrengend, nicht leicht lesbar aufgrund der abgehakten Erzählweise, der kurzen Szenen. Ihr Schreibstil ist dabei wenig herausfordernd, eher simpel mit wenigen Highlights, dafür recht vielen Wortwiederholungen und Phrasen.
Insgesamt aufgrund der beschriebenen Eindrücke eine leicht eingeschränkte Leseempfehlung.
Hannah Lühmann – Heimat
hanserblau, August 2025
Gebundene Ausgabe, 171 Seiten, 22,00 €

Bewertung vom 17.09.2025
Moyes, Jojo

Ein ganz besonderer Ort


weniger gut

Es kommt immer wieder vor – und immer wieder zeigt sich, dass es nicht unbedingt eine gute Idee ist. Die Neuauflage älterer, wenig erfolgreicher Romane, sobald eine Autorin berühmt ist und alle ihre Bücher gekauft werden, ob gut oder schlecht.
Diese Neuerscheinung war zuerst 2004 unter dem Titel „Suzannas Coffee-Shop“ herausgekommen. Die damals titelgebende Suzanna soll, auch laut Klappentext, die Protagonistin des Romans sein. Leider – ein absolutes No Go in einem Roman – tritt die Figur erst auf Seite 85 (!) zum ersten Mal auf.
Vorher muss man sich durch etliche Seiten arbeiten, die aus verschiedenen Perspektiven geschrieben sind, ohne dass man erfährt, in welcher Beziehung die auftretenden Personen zu der angeblichen Protagonistin stehen.
Und so geht es weiter. Man liest mal eine Szene aus Suzannas Perspektive, dann eine aus der Sicht von Vivi, ihrer Stiefmutter. Dazwischen tauchen einzelne Abschnitte auf, anders als die sonst in der dritten Person erzählten in Ich-Form geschrieben, deren Zusammenhang man lange überhaupt nicht versteht, treten darin doch Figuren auf, die noch gar nicht auftauchten oder nur ganz nebenbei mal erwähnt wurden.
Thema der Geschichte ist Suzannas gestörtes Verhältnis zu ihrer Familie. Ihre leibliche Mutter, bei ihrer Geburt gestorben, ihre Stiefmutter sehr liebevoll und zugewandt, der Vater eher abweisend, verschlossen. Dazu ihr eigener Ehemann Neil, der sich sehnlichst ein Kind wünscht, wozu Susanna noch nicht bereit ist.
Suzanna ist eine larmoyante, stets mit allem unzufriedene junge Frau, wenig aufgeschlossen gegenüber anderen Menschen, ständig über Neil und seine immer gut gemeinten Vorschläge und Pläne nörgelnd. Sie glaubt, in einem kleinen Laden, den sie in dem Dorf, in dem sie aufgewachsen ist und wohin sie zusammen mit Neil aus finanziellen Gründen zurückgekehrt ist, ihre Zukunft und Bestimmung zu finden.
In diesem Laden, wo sie Kaffee und Kuchen anbietet und kleine Dekoartikel, Bilder und ähnliches, kommt sie mit anderen Menschen zusammen, zuerst vor allem mit der munteren Jessie. Doch Suzanna muss erst lernen, sich zu öffnen, mit Menschen umzugehen. Nach und nach geschieht dies und dann taucht Alejandro auf, ein Brasilianer, der neu im Dorf ist.
Spätestens, wenn man das bereits auf dem Klappentext gelesen hat, weiß man, wohin die Reise geht. Leider konnte mich der Roman dennoch überhaupt nicht fesseln. Mich störte die ziemlich unsympathische, ständig jammernde und klagende Protagonistin. Mich störten die vielen und überraschenden Perspektivwechsel, die Einschübe in Ich-Form, deren Sinn sich lange gar nicht erschließt. Mich störte, dass man im Grunde gar nicht wirklich erkennt, wer die Protagonistin ist, Suzanna oder Vivi, ihre Stiefmutter. Denn viele Szenen werden aus deren Sicht erzählt und eigentlich ist sie die viel interessante und sympathischere Figur.
Auch ist der Schreibstil weit weg von dem, den man sonst von Jojo Moyes kennt und mag. Es ist erstaunlich, wie groß der qualitative Unterschied bei ihren Romanen sein kann. Manche ihrer Bücher sind sensationell gut, sehr berührend, spannend und wirklich gut geschrieben. Andere dagegen höchstens Mittelmaß, dröge, kitschig, sentimental, voller Phrasen, langweilig.
So ist auch dieser neu aufgelegte Roman eher enttäuschend. Empfehlen kann ich ihn leider nicht.
Jojo Moyes - Ein ganz besonderer Ort
Originaltitel: „The Peacock Emporium“
aus dem Englischen von Karolina Fell
Rowohlt Polaris, August 2025
Klappenbroschur, 493 Seiten, 18,00 €

Bewertung vom 12.09.2025
Paulsen, Meike

Henriette räumt auf


sehr gut

Ohne zu wissen, wer sich hinter dem Pseudonym Meike Paulsen verbirgt, wollte ich dieses Buch lesen, denn Titel und Klappentext versprachen gute Unterhaltung. Als ich dann herausfand, dass Jutta Profijt die Autorin ist, eine Schriftstellerin, deren ganz großer Fan ich bin, hoffte ich auf Witz, Spannung und fesselnde Handlung.
Gefesselt hat mich der Roman dann auch tatsächlich, er bot genau die richtige Unterhaltung für einen entspannten Sonntagnachmittag im Liegestuhl. Das lag aber weniger an der Handlung als an dem gewohnt flüssigen und leichtfüßigen Schreibstil der Autorin. Sie ist ja vor allem durch ihre „Kühlfach“-Romane bekannt geworden, sie kann aber auch hochspannend und dramatisch, wie sie mit ihrem Roman „Fremd“ bewies, ein absolutes Highlight.
Dieses neue Buch nun ist dagegen ein ziemliches Leichtgewicht, um nicht zu sagen Seicht-Gewicht. Dazu kamen die mir völlig unlogisch erscheinende Handlung, enorm viele Klischees und immer wieder das Gefühl eines erhobenen Zeigefingers.
Es beginnt damit, dass die titelgebende Henriette, allein auf dem ererbten elterlichen Bauernhof lebende und überzeugte Naturfreundin, dahinterkommt, dass ihr jüngerer Bruder Ove, seines Zeichens Bürgermeister der fiktiven Gemeinde Wieversum, die Stadtkasse um Geld betrogen hat. Sie zwingt ihn, das zu bereinigen, will ihn aber nicht anzeigen. Dann findet sie jedoch heraus, dass Ove außerdem einen hohen Kredit aufgenommen und dafür seine Hälfte des Bauernhofs, den sie bewohnt, verpfändet hat. Kreditgeber ist ausgerechnet Sparkassenleiter Sönke, Henriettes Ex-Freund, den sie seinerzeit mühsam loswurde und aus dem Haus verbannte.
Um den drohenden Verlust des Hauses beziehungsweise den Wiedereinzug von Sönke zu verhindern, muss also Geld her, und zwar der immense Betrag von 80.000 €. Doch statt dass Henriette nun ihren Bruder dafür haftbar macht, dafür sorgt, dass er das Geld beschafft, schweigt sie zu seinen Taten, verspricht, ihn niemandem zu verraten. Stattdessen lässt sie sich von der Dorfgemeinschaft helfen, einer Gruppe von Frauen, die immer wieder, ohne nachzufragen, Menschen aus finanziellen Klemmen helfen. Einen so hohen Betrag allerdings musste die Gruppe noch nie aufbringen.
Das sorgt für Hektik, das braucht Einfallsreichtum und das bedeutet viel Arbeit, all das unter Zeitdruck, denn der Kredit läuft bald ab. Zum Glück finden sich auch bei Henriette noch Dinge, die sich zu Geld machen lassen, was genau, das sei hier nicht verraten. Nur so viel, dass Hühner dabei eine ziemlich große Rolle spielen.
Bei all dem kommen dann auch noch diverse Gefühle hinzu, Männer, die versuchen, Henriettes Kopf zu verdrehen, bis natürlich am Ende alles gut wird.
Wie erwähnt, wird diese Geschichte locker-flockig erzählt, viel Tiefgang findet man nicht. Dafür aber viel, arg penetrantes Hochloben von Natur, Dorf, Idylle und Schweigen und dagegen ständiges Verdammen von Stadt, Lärm, Touristen, Menschen und so weiter. Henriette nämlich, die eigentlich ganz sympathisch rüberkommt, ist andererseits ziemlich selbstgerecht, so empfinde ich sie. Die ganze Zeit hat sie stets Recht, ihre Lebensweise ist die beste, das Dorfleben ist das Beste, ihre sehr fest eingefahrenen Rituale und Gewohnheiten – sie ist irgendwas Anfang 50, genau wird das nie genannt- sind die besten. So geht es durch das ganze Buch, das auf die Dauer doch recht stört. Dazu kommen die immer wiederkehrenden, doch recht aggressiv wirkenden Gedanken Henriettes über Männer im Allgemeinen und deren übliche Gewohnheit, sich von Frauen bedienen zu lassen. Hier drängt sich ein ganz klein wenig der Verdacht auf, als hätte die Autorin da ihren eigenen Zorn oder Frust von der Seele geschrieben, sind doch diese Passagen weniger leicht, weniger humorig als der Rest vom Text.
Die anderen Figuren, vor allem Ove und Sönke, sind wandelnde Klischees, in ihrer Beschreibung und in ihrer Handlung. Dem gegenüber Henriettes alter Freund Hanno, der Held in schimmernder Rüstung, absolut fehlerfrei, schweigsam, tüchtig, immer da, wenn er gebraucht wird. Mit dem sie fast ausschließlich mittels Heben und Senken von Augenbrauen kommuniziert.
Nun ja, insgesamt hat mir der Roman schon gefallen, das Ganze war unterhaltsam, aber eben auch mit einigen Mängeln, insbesondere der in meinen Augen völlig unlogischen Weise, in der Henriette mit dem Betrug ihres Bruders umgeht. Aber vielleicht ist das Geschmackssache.
Meike Paulsen - Henriette räumt auf
Ullstein, August 2025
Taschenbuch, 347 Seiten, 2,99 €

Bewertung vom 10.09.2025
Johnson, Jill

Nachtschattengewächse


sehr gut

Stilistisch ist an diesem Roman nicht wirklich etwas auszusetzen, er liest sich recht flüssig, die Beschreibungen sind bildhaft, die Figuren scharf profiliert und das Erzähltempo ziemlich hoch. Dennoch hatte ich Probleme mit der Geschichte, der Plot schien reichlich wirr, die Protagonistin arg überzeichnet und Auflösung sowie Ende nicht so ganz schlüssig.
Im Mittelpunkt der Handlung steht Ich-Erzählerin Eustacia Amelia Rose, Professorin der Botanik. Momentan ist die Spezialistin für toxische Pflanzen allerdings beurlaubt oder entlassen, das wird nicht so ganz klar, wegen eines Vorfalls im Labor der Universität, für den sie verantwortlich gewesen sein soll. Dieser Vorfall wird immer wieder erwähnt im Laufe der Geschichte, allerdings erst ganz am Ende wird erklärt, was damals geschah.
Wie überhaupt die Handlung durchzogen ist von Andeutungen und Anspielungen auf Vergangenes, was aufgrund der gewählten Ich-Erzählform einigermaßen unrealistisch erscheint, da die Erzählerin die jeweiligen Vorkommnisse, ihre eigenen Erinnerungen und Erlebnisse ja am allerbesten kennt.
Nun geschieht es, dass Eustacia, die zwischen ihren auf der Dachterrasse gezüchteten Giftpflanzen ein Teleskop stehen hat, damit glaubt, die Entführung einer ihrer Nachbarinnen, die sie lange und ausführlich beobachtet hat, gesehen zu haben. Die Polizei, darunter ein Kommissar, mit dem sie während oben erwähntem Vorfall bereits zu tun hatte, schenkt ihr keinen Glauben, weshalb sie selbst nachforscht. Dabei gerät sie tief in die Verstrickungen der jungen Frau, die vermeintlich entführt wurde.
Als schließlich einige Giftpflanzen aus Eustacias Züchtungen gestohlen und damit Menschen ermordet werden, gerät sie selbst wieder unter Verdacht. Bis sich das Ganze schließlich aufklärt, tauchen viele Figuren auf, viele Verzwickungen und Verwicklungen gilt es aufzuklären, viele Lügen und falsche Verdächtigungen aufzudecken. Hinzu kommt das Gefühlschaos, dass die bildschöne Nachbarin Simone in der lesbischen Eustacia auslöst.
In all dem Durcheinander taucht als liebenswerteste und natürlichste Figur die alte Vermieterin Simones auf, die Eustacia bei der Aufklärung helfen will und hilft.
Das Ganze, das sich in der Zusammenfassung als spannend und interessant darstellt, ist aber so wirr und chaotisch erzählt, so erratisch, mit so vielen Figuren, die nicht sind, was sie zu sein scheinen, mit unlogischen Verbindungen zu Eustacias Vergangenheit – ein ganz besonders unrealistischer „Zufall“ – und mit zu vielen Phobien, Ängsten und Absonderlichkeiten der Protagonistin. Hier wurde etwas zu dick aufgetragen, da wäre meiner Meinung nach weniger mehr gewesen. Auch tut die Ich-Erzählform der Spannung keinen Gefallen, es ist immer kritisch, wenn eine Figur ihre eigenen Störungen schildert soll.
Insgesamt ein wirklich spannender Plot, eine wirklich gute Idee für einen Krimi, die Umsetzung allerdings ist nicht so ganz gelungen.
Jill Johnson – Nachtschattengewächse
Originaltitel: Devil’s Breath
aus dem Englischen von Stefanie Kremer
Atrium, August 2025
Gebundene Ausgabe, 334 Seiten, 24,00 €

Bewertung vom 08.09.2025
Montasser, Thomas

Freitags um fünf


sehr gut

Es sind immer amüsante Romane, die reale Hintergründe mit fiktiven Personen verquicken. Wenn dann noch ein kleines Mädchen auf den waschechten Bundeskanzler trifft, verspricht das Ganze mindestens gute Unterhaltung.
So auch dieser kleine Roman, der davon erzählt, wie Ernst Meister, der Bundeskanzler der Bundesrepublik, gestresst, mit krankem Herz und schwerem Gemüt, sich durch die Tage voller Arbeit, Akten und Aufgaben quält. Bis er eines Tages, weil er an einer ausgeprägten Orientierungsschwäche leidet, versehentlich das Kanzleramt durch eine Seitentür verlässt und dabei einem kleinen Mädchen beim Murmelspiel begegnet.
Die beiden kommen ins Gespräch und verabreden sich für den folgenden Freitag um fünf. Doch Meister erkrankt und muss in die Klinik. Dort erreicht ihn eine Karte des Mädchens mit einer Murmel und Genesungswünschen.
Nun tut der Bundeskanzler, trotz der vielen Termine, Reisen und Debatten, was in seiner Macht steht, um immer freitags um fünf ein paar Minuten Zeit für ein Murmelspiel mit Emma zu haben. Aber immer mal wieder kommt doch etwas dazwischen und mal taucht auch das Kind nicht auf, sehr zu seiner Enttäuschung. Nach und nach erfährt er mehr über Emma, wobei sie viel nicht verrät, nur leise Andeutungen, aus denen er sich einiges zusammenreimt.
In ihren Gesprächen geht es um Freundschaft, um Zusammenhalt, ums Kranksein und Gesundwerden, ums Miteinander, ums Leben. Emma findet einfache Worte, die den Bundeskanzler zum Nachdenken bringen. Nachdenken tut er ohnehin viel, über seinen Job, seine Frau, seine Tochter, sein Leben. Schließlich fließen sogar einige der von Emma geprägten Sätze in seine Reden ein, sehr zur Verwunderung und zur Begeisterung seiner Partei und seiner Frau.
Am Ende wird die Geschichte ein wenig rührselig, arg weihnachtlich-kitschig, so nett und locker sie bis dahin geschrieben ist. Dabei spielen dann auch noch ein Erpel sowie der selbstverständlich ungemein gütige und absolut selbstlose Chauffeur Herr Schnute ziemlich große Rollen.
Insgesamt durchaus ein Roman, der Spaß macht, der gut unterhält, mit sympathischen und halbwegs lebensechten Figuren. Ob man sich einen Bundeskanzler und seine Beziehung zu seiner Arbeit so vorstellen mag, sei mal dahingestellt. Doch die Geschichte regt durchaus zum Nachdenken an, ist aber in Gänze nicht so berührend wie erwartet.
Dennoch möchte ich das Buch gerne weiterempfehlen, auch wenn es nicht ganz den Humor und die Wärme erreicht, wie sie Montasser in seinem Roman „ Eine himmlische Katastrophe“ gelingen, den ich wirklich sehr genossen habe.
Thomas Montasser - Freitags um fünf
Wunderlich, August 2025
Gebundene Ausgabe, 159 Seiten, 22,00 €

Bewertung vom 08.09.2025
Perry, Rob

Der Große Gary


ausgezeichnet

Dieser berührende und nachdenklich machende Roman enthält eigentlich genau das, was ich an solchen Geschichten besonders mag: ungewöhnliche Figuren mit Ecken und Kanten, ein Plot voller unverhoffter Wendungen und ein liebenswertes Tier im Mittelpunkt.
Dennoch hat mich das Buch ein wenig zwiegespalten zurückgelassen. Zum einen treten ganz außergewöhnliche Charaktere auf, Figuren, die Tiefe und ein scharfes Profil haben. Es gibt eine Haupthandlung voller interessanter Verwicklungen und dramatischer Spannung. Und es geht vor allem um Mitmenschlichkeit, Verständnis, Geduld, Freundschaft und Vertrauen. Dafür vergebe ich gerne und aus Überzeugung fünf Sterne.
Doch es dauerte recht lange, bis ich mit dem Personal und der Geschichte wirklich warm wurde. Zu viel wurde erklärt, zu viel wurde drumherum geredet, bis die Handlung Fahrt aufnahm, bis die Figuren Profil gewannen, bis man einen roten Faden ergreifen konnte.
Der Roman, das Debüt des britischen Autors, erzählt von Benjamin, einem 18-jährigen Jungen, der mit seiner Großmutter in einem Mobilheim lebt. Die Oma allerdings ist im Krankenhaus und er damit ganz auf sich allein gestellt. Was besonders deswegen mit Problemen verbunden ist, weil Benjamin an einer ganzen Reihe von Phobien leidet. Allem voran hat er Angst vor Krankheiten, vor Ansteckung, davor, sich zu beschmutzen. Was gerade extrem belastend für ihn ist, denn ein Virus geht um.
Eines Tages begegnet Benjamin ein Windhund, der ihm nach Hause folgt, bei ihm bleibt. Der Hund fasst großes Zutrauen zu dem Jungen, der ihn tatsächlich bei sich aufnimmt, trotz des Schmutzes und der für Benjamin unappetitlichen Nebenerscheinungen. Dann allerdings erscheint ein Unbekannter, der sich als Leonard vorstellt und Benjamin erklärt, dass der Hund Gary heiße und ein sehr berühmter Hund sei, der bei Hunderennen eingesetzt wird. Gary werde vermisst und der Junge müsse ihn zurückgeben, sonst drohe ihm Ärger.
Ärger gibt es dann tatsächlich und zwar reichlich, denn Benjamin beginnt den Hund zu lieben, er findet in ihm einen Freund, etwas, das er bisher noch nicht kannte. Der Junge erkennt in dem Tier eine Freundlichkeit, die er selbst von Menschen bislang kaum erlebt. Eine Ausnahme ist Camille, seine Vorgesetzte im Supermarkt, wo Benjamin arbeitet. Sie ist so etwas wie seine gute Seele, seine Beschützerin. Und wird später noch sehr wichtig im weiteren Verlauf der Handlung.
Denn es wird geradezu dramatisch, als die Besitzer des Hundes auftauchen und Gary zurückholen. Daraufhin wächst Benjamin geradezu über sich hinaus, mal mehr mal weniger hilfreich begleitet von Leonard und Camille.
So wird die Geschichte gegen Ende durchaus spannend, sogar actionreich. Dennoch blieb mir ein gewisses Gefühl des Unverständnisses zurück. Denn es gab doch die eine oder andere Logiklücke, das eine oder andere Plothole, es blieb manches unerklärt. Auch dauerte es, bis man Zugang zu den Figuren, auch zu Benjamin, bekam, bis die Handlung wirklich ergriff, berührte, bis man hineinfand. Dazu fehlten bei den Figuren die Hintergrundgeschichten, über Camille beispielsweise erfuhr man so gut wie nichts, auch nicht über Leonards eigentliche Geschichte, über Benjamins Vergangenheit, das blieb alles unerwähnt. Was schade ist, da wäre noch Potential gewesen.
Insgesamt aber ist das Ganze eine sehr gefühlvolle Story, eine ungewöhnliche Geschichte mit einem außergewöhnlichen Protagonisten, die trotz mancher Lücke vollauf empfehlenswert ist.
Rob Perry - Der Große Gary
Originaltitel: DOG
aus dem Englischen von Hanna Große
DuMont, August 2025
Gebundene Ausgabe, 298 Seiten, 24,00 €

Bewertung vom 03.09.2025
Eisfeldt, Carla

Lügen sind Rudeltiere


sehr gut

Dass es für mich als in Frankfurt Geborene ein besonderes Vergnügen ist, einen dort spielenden Roman zu lesen, muss sicher nicht extra betont zu werden. Noch dazu, wenn er so temporeich und flüssig geschrieben ist wie dieses Krimi-Debüt.
PR-Beraterin Romy hat ein seltsames Vergnügen daran, fremde Beerdigungen zu besuchen. Bei der Beisetzung eines Mordopfers beobachtet sie merkwürdige Vorgänge und schlittert so, auch dank ihrer Impulsivität und ihrer unkontrollierbaren Neigung zum Lügen, in eine Affäre um Mord und Erpressung größeren Ausmaßes.
Romy ist eine junge alleinstehende Frau, oft am Rand der Pleite und gut befreundet mit ihrer Nachbarin, der älteren Margit, die sich besorgt zeigt um das Liebesleben Romys. Romys Geschichte folgen wir in einer der Erzählperspektiven in Ich-Form, dazwischen eingeschoben kürzere Kapitel aus Sicht von Margit, in der dritten Person geschrieben, und ein paar wenige Szenen im Rückblick aus der Sicht des Mordopfers Lukas Dellbrück, mit dessen Beerdigung Romys ganzer Schlamassel beginnt.
Weitere Rollen in der sich nun entwickelnden turbulenten Geschichte spielen ein Herrenmantel, ein hoher Geldbetrag, eine Gucci-Handtasche sowie diverse Droh- und Erpresserschreiben. Dazu treten auf ein wirklich extrem gutaussehender Projektentwickler, seines Zeichens der Bruder des Ermordeten, ein älterer erfolgreicher Konkurrent ebendieses Bruders, plötzlich ins Koma gefallen, ein schnöseliger schnauzbärtiger Kommissar sowie ein zartbesaiteter Fotograf, in heißer Liebe entbrannt zum Ermordeten.
Romy bringt es fertig, sich komplett in dieses Konstrukt zu verstricken, ohne wirklich zu verstehen, worum es eigentlich geht. Natürlich, so muss es sein, gerät sie am Ende selbst in Gefahr und natürlich wird sie gerettet (das ist kein Spoiler, oder?).
Die Frankfurter Autorin, die nach Kurzgeschichtenbänden hier ihr Romandebüt vorlegt, erschafft eine durchaus liebenswerte Protagonistin. Doch manchmal war sie mir dann doch zu überdreht, waren ihre Aktionen zu unlogisch, zu impulsiv, nicht nachvollziehbar. Auch dreht sich ihr Gedankenkarussell zu viel und zu schnell, da wird vieles ausgesprochen, was man nicht alles wissen muss.
Wer der Mörder war ist mir recht früh klar gewesen (vielleicht weil seine Beschreibung ein wenig arg dick aufgetragen ist), die Twists sind einerseits meist sehr gelungen, bergen einige Überraschungen, andererseits kann die Autorin nicht jedes Klischee umschiffen, was aber nicht schlimm ist, wenn so leichtfüßig erzählt wird, ohne dabei leichtgewichtig zu sein.
Viele verzwickte Hintergründe für die Tatmotive hat sich die Autorin einfallen lassen, daher wird die ganze Geschichte irgendwann aber auch ein bisschen arg verwickelt und ein wenig unübersichtlich.
So recht hat sich mir während der ganzen Lektüre nicht erschlossen, warum Romy eigentlich auf eigene Faust ermittelt. Aber die Frage stellt sich im Grunde bei jedem Hobbydetektiv in solchen Krimigeschichten.
Immer wieder gibt es Andeutungen über Romys "Geheimnis", über etwas, das sie quält - es geht um das ungeklärte Verschwinden ihres Vaters. Doch das wird immer nur in Nebensätzen erwähnt, hier wäre mehr Raum gewesen, um auch der Person mehr Tiefe, mehr Ernsthaftigkeit zu geben. Denn Romy ist ziemlich oberflächlich, impulsiv, spontan, unkontrolliert. So dass man ihr auch nur schwer ihre beruflichen Fähigkeiten abnimmt, die so gar nicht zum Rest der Figur passen wollen.
Auch wenn Margit eine nette Figur ist und für Unterhaltungswert sorgt, sind die Kapitel mit ihr für die Handlung im Grunde meist ganz unerheblich, wo doch in einen Krimi eigentlich nur Szenen gehören, die auch zum Fortschritt der Handlung beitragen.
Für ein Debüt finde ich diesen Krimi wirklich gelungen, Abstriche mache ich u.a. wegen der Länge, denn manches war zu umständlich erzählt. Dazu blieben alle Figuren, auch Romy, leider ein wenig flach, hatten keinen Background, keine eigene Geschichte, nicht mal Margit so wirklich, trotz der vielen Hinweise auf ihre Fußpflege-Kolleginnen.
Insgesamt ein durchaus lesens- und empfehlenswertes Debüt, das Lust auf mögliche Fortsetzungen macht. Vielleicht bekommen Romy und Margit und andere dann auch mehr Profil.
Carla Eisfeldt - Lügen sind Rudeltiere
Gmeiner, August 2025
Taschenbuch, 467 Seiten, 15,00 €

Bewertung vom 01.09.2025
Parker, Claire

Mister Welcome


ausgezeichnet

Der Humor in diesem Roman ist so britisch, dass man meint, die Teetassen klirren und die Times rascheln zu hören. Man fliegt durch diese Geschichte – ich habe tatsächlich eine Nacht durchgelesen, weil ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte.
Dabei fängt es ganz harmlos damit an, dass die neunjährige Trish – die diese wunderbar abgedrehte Geschichte im Rückblick in Ich-Perspektive erzählt - sich ein paar Pence verdienen darf, indem sie der etwas verschrobenen Mrs Carter zur Hand geht. Dafür soll Trish regelmäßig für die ältere Dame deren geliebte Heftromane vom Buchhändler holen und die ausgelesenen zurückbringen. Während das Kind nun diese Aufgabe erfüllt, kommt sie Mrs Carter, die alles über alle in der Siedlung weiß und die von Zeit zu Zeit in ihrer Straße Cupcakes verteilt und dabei die neuesten Neuigkeiten erfährt, immer näher.
Neben vielen im Haus von Mrs Carter lebenden Vögeln wohnt bei ihr auch ein Papagei. Sein richtiger Name tut nichts zu Sache, denn Trish nennt ihn nur Mr. Welcome, denn mit diesem Wort begrüßt er jeden, der das Haus betritt. Trotz all ihrer Bemühungen gelingt es Trish jedoch nicht, ihm weitere Worte beizubringen. Allerdings – und das wird noch eine große Rolle spielen – wiederholt er stets das letzte Wort, das man zu ihm spricht.
Als Mrs Carter stirbt, erbt Trish den Papagei und nimmt ihn mit nach Hause, nicht zur gänzlichen Begeisterung ihrer Mutter. Trishs Vater, ein bislang erfolgloser Schriftsteller, erlaubt es, sehr zur Freude auch von Trishs jüngerem Bruder. Der ist absolut fussballbegeistert und nun begibt es sich, dass Mr. Welcome scheinbar die nächsten Fußballergebnisse vorhersagen kann. Jedenfalls gewinnen der Junge und seine Freunde, die eigentlich noch viel zu jung zum Wetten sind.
So nach und nach eskaliert die Sache, denn immer mehr Menschen hören von den wundersamen Fähigkeiten des Papageis, wollen von ihm Ratschläge, Hilfe bei Entscheidungen oder einfach nur jemanden, der ihnen zuhört.
Parallel dazu scheinen neue Käufer für das Haus der verstorbenen Mrs Carter gefunden, Käufer, die ganz besondere Persönlichkeiten sind. Mit dem Sohn des Hauses freundet sich Trish an, was zu weiteren Eskalationen und ziemlichen Turbulenzen führt. Schließlich findet sich die Familie Fisher in hohen und höchsten Kreisen wieder, etliche Artikel in der Zeitung erschienen, eine Auseinandersetzung mit der Reporterin droht, weitere sehr verwunderliche Ereignisse nehmen ihren Lauf.
Das Ganze ist so voller Tempo, voller Witz und Absurditäten, dass die Lektüre einen Heidenspaß macht. Allein die irrsinnig komischen Kommentare des Mädchens über die Absonderlichkeiten der Erwachsenen, ihr scharfer Blick und ihre Gelassenheit in all diesem Trubel, all das ist absolut gelungen. Dazu die herrlichen Dialoge, vor allem die innerhalb Trishs Familie, die trocken kommentierende Mutter, der verpeilte Vater, hier passt einfach alles.
Ein Buch, das man verschlingt, bei dem man sehr oft sehr herzhaft lachen muss, auch mal verdutzt den Kopf schüttelt. Ein Buch, das einfach eine große Freude ist, das keinen Anspruch erhebt, große Literatur zu sein, das eine völlig absurde und an den Haaren herbeigezogene Geschichte erzählt, das aber vielleicht gerade deshalb so unterhaltsam ist.
Eine große Empfehlung für dieses kleine Buch
Claire Parker - Mister Welcome
Atlantik, August 2025
Gebundene Ausgabe, 191 Seiten, 20,00 €

Bewertung vom 28.08.2025
Maletzke, Elsemarie

Jane Austen


ausgezeichnet

Fesselnde Biografie einer Ausnahme-Schriftstellerin, packend und unterhaltsam geschrieben

Was für ein wunderbares, erfreuliches und erfreuendes Buch, eine Biografie, die sich genauso spannend und so leichtfüßig, aber doch gehaltvoll liest wie die unvergleichlichen Romane von Jane Austen.
Elsemarie Maletzke gelingt es, ein Sachbuch so zu schreiben, dass man meint, einen fesselnden Roman zu lesen. Einen Roman voller sympathischer, natürlicher und vor allem interessanter Figuren.
Nahezu chronologisch erzählt Maletzke von Austens Leben, ein Leben, das im 18. Jahrhundert beginnt und nach nur 42 Jahren im Jahr 1817 endet. In diesem Leben, welches sie nur in wenigen Bereichen selbstbestimmt leben durfte, waren die von ihr verfassten Romane sicher nicht nur Beschäftigung, nicht nur Beweis ihrer genialen schriftstellerischen Fähigkeiten, sondern möglicherweise auch eine Art Flucht aus eben diesem Leben.
Denn Frauen zu dieser Zeit, zumal unverheiratete, hatten wenig Möglichkeiten. Meist verbrachten sie ihr Leben als mehr oder weniger geduldete Tanten, die den Vätern, Brüdern, Schwägern auf der Tasche lagen. Jane Austen blieb ihr Leben lang unverheiratet, wohnte die meiste Zeit zusammen mit ihrer ebenfalls ledigen Schwester Cassandra und ihrer verwitweten Mutter, finanziell unterstützt von ihren älteren Brüdern.
Die Familie, insbesondere die Brüder, nahmen ihr Schreiben nicht wirklich ernst, manchmal meinten sie gar, sich dafür rechtfertigen zu müssen. All das, die Mühen Janes, Platz zum Schreiben zu finden – berühmt ist das winzige Tischchen, an welchem sie ihre meisten Romane schrieb – die Bemühungen ihres Bruders Henry, die Romane an Verlage zu verkaufen, die Entscheidung Janes, sich selbst um die Veröffentlichung zu kümmern, all das erzählt Maletzke auf unnachahmlich unterhaltsame, stets auch amüsante Art, jedoch ohne sich über die damaligen Sitten wirklich im negativen Sinn lustig zu machen. Aber die eine oder andere ironische Zwischenbemerkung kann sie sich dann doch nicht verkneifen, zum Glück möchte man sagen, denn gerade sie machen die Lesefreude noch einmal größer.
So fliegt man durch die Seiten, lernt viel über das Leben der Frauen in der damaligen Zeit, über die Art der Nachbarschaft, der Pflege von Kontakten und Familienbeziehungen. Und natürlich über Jane Austen, die dankenswerterweise eine enorm fleißige Briefschreiberin war, aus denen Maletzke sehr viel zitiert. Wie im Übrigen auch aus Austens Romanen, die immer treffsicher die Finger in die Wunden der Gesellschaft legen, war Austen doch eine sehr genau Beobachterin, eine Chronistin der damaligen Lebensart und insbesondere der Verschrobenheit der englischen Gesellschaft.
Eine ganz wunderbare Biografie, die Lust macht, die Romane Austens noch einmal zu lesen. Und Lust macht auf weitere Bücher von Elsemarie Maletzke, die auch Autorin von Romanen ist, aber auch noch einige andere hochgelobte Biografien verfasst hat. So war ihr Buch über Jane Austen ganz sicher nicht das letzte, das ich von ihr lese.
Elsemarie Maletzke - Jane Austen
Schöffling, Juli 2025
Gebundene Ausgabe, 315 Seiten, 24,00 €