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Caro.booklover

Bewertungen

Insgesamt 9 Bewertungen
Bewertung vom 15.02.2023
Labyrinth der Freiheit / Wege der Zeit Bd.3
Izquierdo, Andreas

Labyrinth der Freiheit / Wege der Zeit Bd.3


ausgezeichnet

Toller Abschluss
Ich hatte mich schon sehr auf ein Wiedersehen mit Carl, Isi und Artur gefreut und wurde nicht enttäuscht! Der dritte Teil der Trilogie ist wie erhofft und gewohnt spannend. Die vielen historischen Hintergrundinformationen machen den Kontext der Weimarer Republik so viel besser greifbar, als jedes Geschichtsbuch das könnte. Insbesondere, weil auch die Lebensumstände der Bevölkerung mit den politischen Vorgängen in Beziehung gesetzt werden. Die Inflation ist allgegenwärtig und Verarmung lässt Verzweiflung und Gewalt viel Raum. Die drei Hauptfiguren sind übererschütterlich beständig in ihrer Freundschaft wie eh und je. Ich mag diese Charaktere sehr, die so unterschiedlich und sich dennoch so loyal sind. Die Erzählstränge und Verwicklungen aus den beiden Vorgängern werden fortgeführt. Es ist sicherlich möglich, dieses Buch auch einzeln zu lesen, für den Spannungsbogen und das Gefühl der Bedrohung wäre es aber sicherlich besser, die Reihenfolge einzuhalten. Dann wird auch das Verhältnis der drei zueinander und die Freundschaft viel besser nachvollziehbar bzw. fühlt man sich mit ihnen verbunden.

Fazit:
Gelungener und spannender Abschluss einer Trilogie in einer bewegten, unruhigen Zeit, der die hier beschriebene stabile Freundschaft völlig entgegen zu stehen scheint.

Bewertung vom 18.11.2022
Lügen über meine Mutter
Dröscher, Daniela

Lügen über meine Mutter


ausgezeichnet

Toxisch
Daniela Dröscher erzählt in diesem Roman aus ihrer Perspektive als Tochter davon, wie die offenbar etwas übergewichtige Mutter von ihrem eigenen Ehemann und Vater der gemeinsamen Tochter ständig hauptsächlich deswegen verbal drangsaliert wird. Die beobachteten Auswirkungen auf die Mutter selbst, aber auch für die Wahrnehmung der Mutter und des eigenen Körpers aus Sicht der Tochter werden hier romanhaft erzählt. Eingeschoben sind kurze Interpretationen der Geschehnisse, teilweise werden diese kontextuell nochmal eingeordnet oder die spätere Befragung der Mutter zu den Ereignissen dargestellt. Als weitere Personen, die ebenfalls unmittelbar auf das Verhalten der Mutter Einfluss nehmen, treten die beiden Omas in sehr unterschiedlichen Rollen für das Gesamtgefüge der Familie sowie ein Nachbarskind, das als eine Art weitere Tochter und Freundin der erzählenden Autorin fungiert, auf. Das Buch ist toll geschrieben. Diese äußere Sichtweise der Tochter, also weder von der Beleidigten noch vom Beleidigenden ausgehend, fand ich sehr interessant. Es zeigt sehr gut, wie ein solches Verhalten eben nicht nur die Adressat:innen der Botschaften beeinflussen kann. Die Geschichte ließ mich häufig den Kopf schütteln und stellenweise wütend werden. Wütend nicht nur, weil eine reale Frau so etwas durchleben musste, sondern auch, weil es auch heutzutage solche Beziehungen gibt und bei Weitem nicht alle Frauen selbstbewusst oder unabhängig genug sind, sich davon zu befreien. Die Mutter dieses Romans erscheint wie eine starke Frau, die selbstbewusst genug sein müsste, sich von dieser Beziehung zu befreien. Die Geschichte ist in den 80er Jahren angesiedelt und man sollte meinen, dass es alleinstehende Frauen, noch dazu mit Kind, gesellschaftlich nicht mehr ganz so eine schwierige Stellung hatten, wie noch ein paar Jahre zuvor...dies scheint aber nicht der Fall gewesen zu sein.

Fazit:
Ein vielschichtiger Roman, der Einblick in die Facetten von Auswirkungen äußerer Kommentare und Verhaltensweisen auf uns selbst gibt. Bodyshaming in einer toxischen Beziehung sprachlich und inhaltlich überzeugend umgesetzt!

Bewertung vom 24.10.2022
Auf See
Enzensberger, Theresia

Auf See


sehr gut

Gesellschaftskritik
Ein zunächst utopisch anmutender Roman entpuppt sich im Laufe der Geschichte als eher gut verpackte Gesellschaftskritik. Die Endzeitstimmung ist nicht real - das entdeckt die 17-jährige Yada beim Durchstöbern geheimer Dokumente. Sie kommt ihrer eigenen Geschichte auf die Spur. Der zweite Erzählstrang fokussiert sich auf Helena, die unfreiwillig zum Orakel und aus einer Experimentierlaune heraus zur Sektenführerin wird. In diesen Kapiteln wurden die absurden Ausmaße, die die Gepflogenheiten unserer heutigen Gesellschaft annehmen können, besonders gut heraus gestellt. Ich fand den Roman spannend und habe Yada sehr gern auf ihrer Reise zur Erkenntnis begleitet. Irgendwann werden die Zusammenhänge aufgelöst, aber danach tut sich nicht mehr viel. Dadurch lässt die Geschichte einen irgendwie nicht ganz zufriedenstellenden Eindruck zurück. Ich kann das nicht ganz genau benennen, aber irgendetwas fehlte mir. Der besondere Clou vielleicht. Oder eine starke Botschaft, die am Ende stehen bleibt.

Fazit:
Eine schön herausgearbeitete Gesellschaftskritik, der aber in letzter Konsequenz das letzte Quentchen zum "Wow"-Buch fehlt.

Bewertung vom 24.10.2022
Schlangen im Garten
vor Schulte, Stefanie

Schlangen im Garten


ausgezeichnet

Wege der Trauerbewältigung

Ein Mann verliert seine Frau, drei Kinder verlieren ihre Mutter. Sie gehen unterschiedlich mit diesem Verlust um. Irgendwie jeder für sich und dann doch wieder gemeinsam. Sie streben voneinander fort, wollen mit ihrer Trauer allein sein und kommen doch wieder aufeinander zurück, wenn es zu schwierig wird. Alle vier rücken wechselnd in den verschiedenen Kapiteln aus ihrer Sichtweise in den Fokus. Stefanie vor Schulte hat mich schon mit ihrem ersten Roman von ihrem schriftstellerischem Können überzeugt. Sie schreibt in solchen Metaphern und Bildern, dass es häufig fast lyrisch anmutet. Auch in diesem zweiten Roman schreibt sie in einer ganz wundervollen Art und Weise, in einer interessanten Mischung aus Härte und Liebe, aus Skurrilität und Realität, aus Nähe und Entfernung. Diese Widersprüche empfinden die Charaktere, diese Widersprüche kennzeichnen die Familie in der Phase der Trauer und diese Widersprüche kennt wohl jede*r mit eigenen Trauererfahrungen. Ein besonderes Buch!

Fazit:
Bildgewaltige Metaphern, teilweise skurril, dabei liebevoll und auch hart - widersprüchlich wie die Trauerbewältigung selbst. Ungewöhnlich schön!

Bewertung vom 29.08.2022
Violeta
Allende, Isabel

Violeta


gut

Isabel Allende lässt in ihrem neuesten Roman die 100-jährige Violeta ihr Leben erzählen. Stilistisch erinnert es an Memoiren, die sie in einer Art Briefroman an ihren Enkel richtet. Ich fand viele Entwicklungen und Passagen sehr interessant, allerdings gab es auch immer wieder langatmige Abschnitte. Das lässt mich insgesamt etwas zwiegespalten zurück. Hin und wieder fand ich die dargestellten Personen etwas zu übertrieben stereotyp. Von einer "Meisterin" wie Allende hatte ich mir irgendwie mehr versprochen.
Auch den im Klappentext angekündigten Abriss der chilenischen Geschichte finde ich eher dürftig. Der Fokus liegt im Endeffekt auf Violetas Leben und den Verstrickungen ihrer Familie und Freunde. Das ist ja auch in Ordnung, drehte sich aber häufig im Kreis und passte nur bedingt in einen historischen Rahmen. Sicherlich wurden größere historische Ereignisse mit platziert, aber es fühlte sich insgesamt nicht wie eine gelungene Fusion an.
Ich musste mich stellenweise fast zwingen, weiter zu lesen, um dann festzustellen, dass es doch wieder interessant und spannend wird.

Fazit:
Meine Haltung zum Roman ist ambivalent. Einerseits gab es interessante und spannende Passagen, andererseits wurde es auch oft langatmig. Letztlich ist es in erster Linie der Roman über ein langes Frauenleben, die in manchen Aspekten ihrer Zeit voraus war, dann aber leider doch in toxische Liebesfallen tappt und ihr Leben davon mitgestalten lässt.

Bewertung vom 09.08.2022
Was ich nie gesagt habe / Gretchen Bd.2
Abel, Susanne

Was ich nie gesagt habe / Gretchen Bd.2


sehr gut

Tom Monderath deckt weitere Familiengeheimnisse auf, über die nie gesprochen wurden. Jedenfalls nicht mit ihm. In diesem zweiten Teil der Familiengeschichte steht sein Vater Konrad und dessen Vergangenheit im Vordergrund. Wie schon im 1. Teil "Stay away from Gretchen" wechseln die Zeitebenen zwischen der heutigen Gegenwart und der Vergangenheit beginnend zwischen den beiden Weltkriegen. Die Autorin beschreibt erneut die historischen Begebenheiten sehr anschaulich, findet aber andere Aspekte der Geschichte, was sicherlich nicht einfach ist, wenn man in ähnlichem Kontext schreibt. Eine bildhafte Zeitreise entsteht vor dem inneren Auge und die Geschehnisse haben mich wie schon im 1. Band sehr berührt. Es ist einfach unfassbar, welches Leid viele Menschen erdulden mussten, das macht einem die eigene privilegierte Situation überdeutlich bewusst. Die Entdeckung von Konrads Geheimnissen ist spannend beschrieben und hat mannigfaltige Auswirkungen für die Gegenwart, auch auf Toms Beziehung. Das Ende war für meinen Geschmack dann doch etwas sehr dick aufgetragen. Im 1. Teil fand ich es schon grenzwertig klischeehaft-happy ending, aber dieses Mal war es dann doch etwas zu sehr übers Ziel geschossen, sodass ich dafür einen Stern abziehe. Ich kann mir aber vorstellen, dass es durchaus Fans von solchen Auflösungen gibt, insofern ist das meine ganz eigene persönliche Wertung, die dem Rest des Romans keinen Abbruch tun soll. Ich würde das Buch trotzdem erneut lesen.

Fazit:
Eine schöne und spannende Fortsetzung der Familiengeschichte Monderath, die auch väterlicherseits von lang gehüteten Geheimnissen nicht verschont ist. Der Autorin gelingt erneut eine bildhafte Schilderung der bewegten Vergangenheit.

Bewertung vom 30.03.2022
Via Torino
Leuthner, Aja

Via Torino


gut

Der Roman wird auf drei Zeitebenen erzählt: Eleonoras Geschichte 1969, Rosalias Geschichte 1990 und die Gegenwart 2018. Eleonoras Geschichte schien mir dabei sehr vordergründig, wobei ich diese leider auch am langweiligsten fand. Die Beschreibung der Arbeiteraufstände habe ich als immer gleich und langatmig empfunden. Der Funke eines revolutionären Geistes ist leider nicht auf mich übergesprungen. Demgegenüber nehmen Rosalias und Melinas Geschichten weniger Raum ein. Diese beiden Frauen sind aber eigentlich interessanter. Der Stoff wiederum ist nicht neu: Kind kennt den Vater nicht, Mutter möchte nichts erzählen, es gibt einen Konflikt, irgendwann kommt es doch ans Licht...Hier gab es für mich keine neuen Ansatzpunkte. Der Konflikt wurde zwar als solcher ausformuliert und von beiden Seiten dargestellt, aber auch das war insgesamt eher langweilig zu lesen. Das Ende fand ich dann wiederum übertrieben schnulzig. Das Einzige, was mich bei der Lektüre gehalten hat, war das spürbar transportierte italienische Flair, bei dem man wirklich ins Träumen geraten kann.

Fazit:
Insgesamt war der Roman nicht das Richtige für mich. Die Geschichte habe ich als zu langatmig empfunden. Die Zeitebenen sind zwar gut gewählt, aber nicht ausgewogen dargestellt und der (für mich gefühlte) Fokus auf Eleonora 1969 ist leider der am wenigsten spannende Teil der Geschichte.

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Bewertung vom 10.03.2022
Abels Auferstehung / Paul Stainer Bd.2
Ziebula, Thomas

Abels Auferstehung / Paul Stainer Bd.2


ausgezeichnet

Der 2. Fall für Paul Stainer und seinen jungen Kollegen Junghans verlangt dem noch trauernden Kommissar alle Konzentration und Sinnesschärfe ab. Das Milieu der Burschenschaften rückt in den Fokus und damit deren historische Nähe zu Gewalt, Radikalität und Nationalismus. Diesem können sich auch die beiden Ermittler nicht entziehen. Der Fall ist zunächst sehr kryptisch und verlangt viel ausdauernde Spurensuche, vor allem in Form von Befragungen, was ich an historischen Krimis generell interessant finde. Der Autor setzt die Entwicklung der Ermittlungen auch in diesem 2. Fall sehr gut um. Dabei bleibt es auch nicht aus, dass die Ermittler sich selbst in Gefahr begeben, insbesondere angesichts der noch andauernden Personalknappheit bei der Polizei und der weiter spürbar fehlenden Ordnung in der Gesellschaft, obwohl der Krieg zum Zeitpunkt der Geschichte seit zwei Jahren vorüber ist. Dieses hintergründige Gefühl für die damaligen Umstände vermittelt der Autor (erneut) mit seiner Fähigkeit, durch das Geschriebene eine authentische Atmosphäre zu schaffen. Sprachlich ist es sehr schön zu lesen ohne dabei in der Wortwahl zu trivial zu sein. Das Buch ist sehr spannend und bietet dazu die schon aus Band 1 gewohnte Situationskomik durch Schlagabtäusche zwischen Stainer und dem (oftmals naiven) Junghans. Letzterer hat im Vergleich zum 1. Fall eine merkliche Charakterentwicklung durchgemacht ohne seine Unerfahrenheiten vollständig zu verleugnen, was gut zu seinen Erlebnissen passt ohne die Figur komplett "umzukrempeln". Es wird spannend sein, inwiefern sich das im 3. Fall mit weiteren Veränderungen niederschlagen wird.

Fazit:
Erneut ein sehr empfehlenswerter historischer Krimi von Thomas Ziebula, der durch spannende Ermittlungsarbeit im eher düsteren Nachkriegs-Leipzig überzeugt.

Bewertung vom 22.02.2022
Dschinns
Aydemir, Fatma

Dschinns


ausgezeichnet

Fatma Aydemirs Roman "Dschinns" spielt im Jahr 1999. Sie schreibt über eine Familie, die aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist. Zunächst war es nur der Vater Hüseyin, der als Gastarbeiter in einer Fabrik schuftete, bis er seine Ehefrau und die Kinder hinterher holen durfte. Alle, bis auf die älteste Tochter Sevda. Sie musste im Dorf ausharren und sich um die betagten Großeltern kümmern. Erst spät durfte sie schließlich auch nach Deutschland kommen. Ein Mädchen, das in der Türkei nicht zur Schule gegangen ist und nun nach Ankunft in Deutschland formell nicht mehr schulpflichtig ist. Für mich war sie die zentrale Figur des Romans. Interessant ist, dass ich diesbezüglich verschiedene Einschätzungen gelesen habe. Das liegt vermutlich daran, dass die Autorin allen Familienmitgliedern (beiden Eltern und den vier Kindern) jeweils ein eigenes Kapitel widmet und die Protagonisten dort ihre Sicht auf ihr Leben und ihre Lebenswirklichkeit geben, zusätzlich zu den Gedanken zur eigentlich aktuellen Situation des Buches, die sich rund um Hüseyins plötzliches Versterben abspielt. Ich empfand die Einblicke als sehr interessant. Ich stelle es mir sehr schwer vor, zwischen den Kulturen hin- und hergerissen zu sein, sich nirgendwo richtig zugehörig zu fühlen. Sich nicht deutsch zu fühlen, weil die Eltern es nicht tun. Sich nicht türkisch zu fühlen, weil man zwar die Sprache spricht, dies aber mit Akzent und das Land eigentlich nicht kennt. Sich nicht kurdisch zu fühlen, weil man erst kürzlich erfahren hat, dass das Bergdorf aus dem die Eltern stammen, als kurdisch gilt. Was ist man dann? Wo gehört man dann hin? Für die Identitätsbildung und das Selbstwertgefühl sind diese Dinge entscheidend. Ich finde es wichtig, diese Einblicke über solche Romane zu bekommen, wenn man solche Identitätskrisen nicht selbst durchmachen musste. Einige kritisieren, dass Deutschland "nicht gut" wegkomme in diesem Roman. Das empfinde ich nicht so. Die Kritik am Land ist wohldosiert, nicht übermächtig und in den Situationen adäquat. Der Fokus liegt vielmehr auf den identitären Krisen insbesondere der Kinder der Familie, die alle mit unterschiedlichen Problemen zu kämpfen haben. Die Autorin vermittelt damit ein facettenreiches Bild letztlich verschiedener Lebensverläufe, die dennoch zu einer Familie gehören und teilweise unterschiedlicher nicht sein könnten.
Ich habe auch das Debüt der Autorin "Ellbogen" im Erscheinungsjahr gelesen und war von ihrem Schreibstil sofort in den Bann gezogen. Das ist auch mit diesem Buch so. Sie kann es einfach! Richtig gut! Die Geschichte an sich hat mir deutlich besser gefallen als "Ellbogen".

Fazit:
Für mich ein Must-read! Wer sich in die Gedankenwelt von Migranten, insbesondere der 2. Generation, einfühlen möchte, wird hier ein (soweit ich das beurteilen kann) umfassendes Bild erhalten und zusätzlich mit einer wundervollen Erzählsprache verwöhnt.