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Lena
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Köln

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Insgesamt 196 Bewertungen
Bewertung vom 23.12.2025
Alvarenga, Daniel

Ruf der Leere


sehr gut

Felix hat anlässlich der Rückkehr seines Freundes Ben aus Australien ein gemeinsames Wochenende in der Jagdhütte seines Vaters geplant und dazu auch seine Studienkollegin Laura eingeladen. Da seine Freunde zu seinem Missfallen noch weitere Personen zum Treffpunkt mitbringen, sind sie ungeplant zu siebt im Wald. Als die Stimmung ohnehin angespannt ist, klopft ein weiterer ungebetener Gast an die Tür und behauptet, "der Tod" zu sein. Er fordert sie auf, bis Mitternacht eine(n) von ihnen zu benennen, die/ der weiterleben darf. Obwohl die Freunde den Mann für geisteskrank halten, stellen sie Überlegungen an, wer es von ihnen verdient, am Leben zu bleiben. Die Frage gerät durch untereinander schwelende Konflikte fast in Vergessenheit, bis der alte Mann zurück ist und eine Antwort verlangt.

Neben der gegenwärtigen Handlung in der Hütte, die einem Countdown gleicht und aus verschiedenen Perspektiven der Feiernden geschildert ist, die sich mehr oder minder gut kennen und sich nicht alle wohlgesonnen sind, gibt es Rückblenden in die Monate davor, die primär erzählen, wie sich Felix und Laura bei ihrem Medizinethik-Studium angenähert haben.
Die Rückblenden geben Aufschluss über die Charaktere und offenbaren, wie die Sympathien in der Hütte verteilt sind. Felix' eigentliche Intention der Party bleibt dabei zunächst verborgen, doch auch er weiß nicht alles über seine Freunde - im Gegensatz zu dem alten Mann.

In Erwartung einer Eskalation ist die Atmosphäre des Romans durchweg angespannt. Mit der Aufforderung des Tods, einen Überlebenden zu benennen, wird dieser Erzählstrang eng mit den Rückblenden in die Studieninhalte von Felix und Laura verknüpft, die in einem Seminar Fragen über Ethik und Moral diskutierten.

Der Roman ist anhaltend spannend, denn es ist unvorhersehbar, ob alles nur ein absurdes Spiel oder bitterer Ernst ist und wer tatsächlich die Oberhand hat. Anders als gedacht, gibt es trotz des Dilemmas, vor dem die Gruppe steht, keine tiefgreifende Diskussion, welches Leben lebenswerter als das andere ist. Stattdessen packt die Frage nach Felix' Hintergedanken und seine offenbar von langer Hand geplante Manipulation und was der alte Mann in der Jagdhütte provozieren möchte.
In "Ruf der Leere" geht es um verletzte Gefühle, Eifersucht und Rache, wobei sich die Geschichte durch das Ausmaß am Niederträchtigkeit zu einem regelrechten Psychothriller entwickelt. Das Ende präsentiert nicht für alles eine Erklärung, sondern lässt Raum für eine eigene Interpretation eines Spiels zwischen Macht und Wahn.

Bewertung vom 20.12.2025
Gesthuysen, Anne

Mädelsabend


sehr gut

Ruth und Walter sind seit knapp 65 Jahren verheiratet und wohnen seit Kurzem in einem Seniorenstift bei Xanten. Während Ruth nach einem Unfall zu Hause dort regelrecht aufblüht und ihre neu gewonnen Freiheit sowie die sozialen Kontakte genießt, möchte Walter wieder zurück in seine gewohnte Umgebung und Ruth wie schon seit jeher bevormunden.
Sara, die ein enges Verhältnis zu ihren Großeltern hat, sieht sie dort gut aufgehoben. Sie selbst ist Ärztin, derzeit in Elternzeit und glücklich mit Sohn Paul und ihrem Lebensgefährten Lars. Als sie ein Angebot für ein Stipendium in Cambridge erhält, muss sie sich entscheiden, ob sie für ihr berufliches Vorankommen ihre kleine Familie gefährdet.

Der Roman wird abwechselnd aus den Perspektiven der beiden weiblichen Hauptfiguren Ruth und Sara geschildert. Neben der gegenwärtigen Handlung gibt es Rückblenden in die Vergangenheit, die Aufschluss über das Eheleben von Ruth uns Walter geben, die 1953 geheiratet haben.

Die Geschichte spielt am Niederrhein und sprüht vor Lokalkolorit und Liebe für die Figuren. Gerade die älteren Charaktere haben ihren ganz eigenen Charme und gestalten die Geschichte lebendig.
Wie die Autorin in ihrer Danksagung erwähnt, ist die Geschichte aus dem Leben gegriffen und wirkt trotz manch skurriler Einfälle lebensecht und authentisch.

Neben dem Älterwerden geht es insbesondere um Beziehungen und Partnerschaft, Rollenbilder sowie Selbstverwirklichung, Emanzipation und dem Wunsch nach Freiheit. Dabei wird der Wandel der Gesellschaft und die Stärkung der Frauenrechte plastisch durch die Ehe von Ruth und Walter sowie die Beziehung von Sara und Lars dargestellt. Die unterschiedlichen Generationen stehen auch für die unterschiedlichen Vorstellungen von Ehe. Obschon patriarchale Strukturen oder gar Gewalt in Beziehungen gegenwärtig keinen Platz mehr haben, ist es dennoch für Frauen schwer, für ihre Wünsche einzustehen und Familie und Beruf zu vereinbaren.

Die Charaktere sind nahbar und ihre inneren Konflikte sehr gut nachzuempfinden. Sara kämpft mit einem schlechten Gewissen, während Ruth gegen ihren Mann aufbegehrt. Trotz aller Fortschritte in Sachen Emanzipation ist es für beide schwer, Entscheidungen zu treffen und zu ihnen zu stehen.

Die Geschichte beschreibt ernste Themen auf humorvolle Weise. Sie ist ein ehrliches und warmherziges Porträt über den Wandel der Ehe im Verlauf der letzten Jahrzehnte, über die Fortschritte, die errungen wurden, aber auch die Notwendigkeit eines alltäglichen Kampfes zum Erhalt dafür.

Bewertung vom 17.12.2025
Jones, Ruth

Für immer wir


ausgezeichnet

Grace ist für ihre 89 Jahre topfit. Sie lebt alleine in der Pension an der walisischen Küste, die sie lange für Gäste betrieben hat und geht zweimal in der Woche schwimmen. Ihren 90. Geburtstag möchte sie nicht feiern, rechnet jedoch nicht mit den Plänen ihrer Enkelin Elin, die ihrer geliebten Grama eine große Überraschungsfeier mit all ihren Freunden und Bekannten bereiten möchte.
Graces einziger Wunsch ist die Versöhnung mit ihrer Tochter Alys, zu der sie seit 30 Jahren keinen Kontakt hat. Als sie zufällig ihre Adresse ausmacht, da sie als Künstlerin bekannt geworden ist, schreibt sie Alys einen Brief und lädt sie ein, ohne Elin Bescheid zu geben. Elin wurde von ihrer Mutter Alys bitter im Stich gelassen und wollte bei ihrer Tochter alles besser machen. Ihre inzwischen 16-jährige Tochter Beca ist von den Erwartungen ihrer Mutter überfordert und fühlt sich vor allem hinsichtlich ihrer schulischen Leistungen unter Druck gesetzt. Dass ihr Vater akut in der Midlife Crisis steckt, macht die Situation nicht einfacher.

Der Roman wird abwechselnd aus der Sicht aller vier Frauen erzählt - vier Frauen, die unmittelbar miteinander verwandt, aber doch so unterschiedlich sind. Die Kapitel sind jeweils kurz, die Geschichte abwechslungsreich und vielschichtig, da die Frauen an unterschiedlichen Punkten in ihrem Leben stehen. Jede hat ihre eigenen Probleme und dazu kommen die Konflikte, die zwischen ihnen schwelen.

Die Geschichte ist warmherzig geschrieben und lebendig. Die Charaktere sind individuell gestaltet und wirken durch die tiefen Einblicke in ihre Leben, Gedanken und Gefühle lebensecht und nahbar. Die Rückblenden in die Vergangenheit offenbaren die ganze Familiengeschichte und welche Missverständnisse und Zerwürfnisse zwischen den einzelnen Generationen stehen.

Es ist ein Familienroman über belastete Mutter-Tochter-Beziehungen, über Enttäuschungen, Verrat und Überforderung, aber auch über unerschütterliche Mutterliebe, das enge Band einer Familie und das Wiederaufstehen nach dem Scheitern. Man fühlt mit den Charakteren und bleibt gespannt bis zum Schluss, wie die Frauen ihre inneren Dämonen bezwingen und ob es noch nicht zu spät für eine Versöhnung mit der abtrünnigen Alys ist.

Bewertung vom 15.12.2025
Webb, Katherine

Das Grab von Trueslow Hall / Lockyer & Broad ermitteln Bd.3


ausgezeichnet

1999 verschwindet die Archäologin Nazma Kirmani bei Ausgrabungen auf dem Anwesen Trueslow Hall spurlos. Die örtliche Polizei geht der Vermisstenanzeige nach, aber nachdem die Frau in London bei einer Polizeistation vorstellig wird und auch Nachrichten an eine Freundin verschickt hatte, dass es ihr gutgehe, wird von einer freiwilligen Auszeit ausgegangen. Doch Nazma wird nie wiedergesehen und ihre Familie hat nie geglaubt, dass sie ohne ein Wort weggelaufen wäre.
Über 20 Jahre später wird ein verwitterter Rucksack der jungen Frau gefunden, der Zweifel hegt, ob nicht doch ein Verbrechen stattgefunden haben könnte. DI Lockyer und DC Broad nehmen die Ermittlungen in dem Cold Case-Fall auf, um herauszufinden, was damals wirklich mit Nazma passiert ist.

"Das Grab von Trueslow Hall" ist nach "Der Tote von Wiltshire" und "Die Morde von Salisbury" der dritte Band der Cold-Case-Krimireihe um den erfahrenen Ermittler DI Matthew Lockyer und seine jüngere Kollegin Gemma Broad. Da das Privatleben beider Hauptfiguren eine nicht unerhebliche Rolle spielt, ist es empfehlenswert, die ersten beiden Bände zu kennen.

Der Kriminalfall ist in sich abgeschlossen und von einer typisch für einen Cold Case gemächlichen Entwicklung geprägt. Nach über 20 Jahren sind viele Spuren verwischt und Lockyer und Broad sind insbesondere auf die Aussagen von Zeugen und Bekannten des möglichen Opfers angewiesen, die nicht unbedingt vertrauenerweckend sind. Je mehr Details die beiden Ermittler über Nazmas Beziehungen herausfinden, desto mehr Personen wirken verdächtig. Es gilt eine komplexe Kette von Ereignissen zu entwirren, die möglicherweise relevant sein können, wobei die Ermittler Lockyer und Broad wiederholt in Sackgassen landen.

Auch in diesem Fall wird deutlich, wie schwierig es nach so vielen Jahren ist, kleinste Puzzleteile richtig zusammenzusetzen. Durch die Ungewissheit über Nazmas Verbleib und die Anzahl an verdächtigen Personen, ist es spannend zu rätseln, was 1999 wirklich passiert ist.
Die Gegenwart handelt im Jahr 2020 und setzt kurz vor dem zweiten Lockdown im November ein. Die Corona-Pandemie drückt auf die Stimmung, birgt aber den Vorteil, dass Zeugen in der Regel einfach zu Hause anzutreffen sind.

Die klassische Polizeiarbeit ist realitätsnah dargestellt und zeugen von einer guten Intuition des Inspectors. Die persönlichen Geschichten der beiden Hauptfiguren werden fortgesetzt, wobei Lockyers Gedanken über seine erzwungene Vaterschaft phasenweise zu viel Raum einnehmen. Broads Schwierigkeiten im Zusammenleben mit ihrem dominanten Freund bleiben zunächst hintergründig. In beiden Fällen sind die Auswirkungen auf die Ermittlungen zu spüren, denn sowohl Lockyer als auch Broad werden auch emotional in die Fallaufklärung hineingezogen.
Das Ende kann als Ausblick auf einen vierten Band gewertet werden, indem Lockyer die Chance erhält, seinen persönlichsten Fall lösen zu können - die Aufklärung des Tods seines Bruders.

Bewertung vom 13.12.2025
Shapiro, Dani

Leuchtfeuer


gut

Am 27. August 1985 versursacht Theo Wilf einen Unfall, bei dem die Freundin Misty Zimmerman ums Leben kommt. Theo ist erst 15 Jahre alt und hat keinen Führerschein, seine 17-jährige Schwester Sarah, die ebenfalls im Auto saß, hatte ihm den Schlüssel gegeben, da sie selbst getrunken und ihn zu einer Mutprobe überreden wollte. Um Theo zu schützen, übernimmt Sarah die Schuld. Ihr Vater Ben Wilf, der Art ist, eilte noch zur Unfallstelle, konnte Misty jedoch nicht retten. Die Familie schweigt über die Unfallnacht und lebt fortan mit der Last der Falschaussage. Die Schuld droht vor allem Theo und Sarah noch Jahre später zu zerbrechen, während Bens Ruf als Arzt schwer beschädigt ist.

Der Roman handelt auf mehreren Zeitebenen und wird nicht rein chronologisch erzählt. Ausgehend von dem Unfall im Sommer 1985 springt der Roman in die Jahre 1999, 2010, 2014 und 2020 und wird dabei aus wechselnden Perspektiven der handelnden Personen erzählt.
Im Kern geht es dabei nicht nur um die Familie Wilf und die Folgen ihrer Schuld und des Schweigens, sondern auch um die Familie Shenkman, die in den 1990er in die Nachbarschaft gezogen ist. Ben hilft Silvester 1999 bei der Geburt des kleinen Waldo und begegnet ihm zehn Jahre später wieder. Waldo ist ein hochbegabter, aber einsamer Junge, der unter der Strenge seines Vaters leidet. Ben ist der erste, der Waldo, der sich so leidenschaftlich für die Sterne und das Universum interessiert, wirklich zuhört.

Der Roman handelt von Schuld, einem unverarbeiteten Trauma und einem lebenslangen schlechten Gewissen. Was im Sommer 1985 passiert ist, wird nach außen ausgeblendet, ist jedoch innerlich weiterhin vorhanden und bestimmt die Lebenswege der Beteiligten.
Familie Shenkman hat damit gar nichts zu tun, weshalb der Klappentext falsche Erwartungen weckt und irritierend ist. Die Begegnung zwischen Ben Wilf und Waldo Shenkman löst keine Kette von Ereignissen aus und steht mitnichten in einem Zusammenhang mit dem verheerenden Unfall oder den Folgen.

Nur rein oberflächlich kommt zum Tragen, wie Sarah und Theo mit ihrer Schuld umgehen, wie sie selbst blockiert sind oder welche Art selbstzerstörerisches Verhalten sie an den Tag legen. Darüber hinaus handelt der Roman, der sich zeitlich über 50 Jahre erstreckt, von Krankheiten und Todesfällen unabhängig des Unfalls und verliert sich auf den letzten 50 Seiten in den Gedanken der Figuren und ihrem Umgang mit der Corona-Pandemie.

Die Verbindung der beiden Familien Wilf und Shenkman hat sich mir bis zum Schluss nicht erschlossen und hatte für mich deshalb keinen Mehrwert. Die Geschichte um Schuld und Verantwortung blieb lückenhaft und unrund. Das Potenzial der Ausgangssituation für eine spannende und dramatische Familiengeschichte wurde enttäuschend unzureichend ausgeschöpft und entwickelt nicht das Signal eines Leuchtfeuers.

Bewertung vom 09.12.2025
Vermette, Katherena

Die Frauen der Familie


sehr gut

Phoenix ist in einer Jugendstrafanstalt untergebracht, wo sie ein Kind zur Welt bringt, das ihr unmittelbar nach der Geburt entzogen wird. Die Wut im Bauch, die übrig bleibt, prägt ihren weiteren Aufenthalt im Strafvollzug und steht einer vorzeitigen Entlassung im Wege.
Ihre jüngere Schwester Cedar hat diverse Aufenthalte in Pflegefamilien hinter sich und musste dabei einen tragischen Verlust verkraften. Nun wird sie von ihrem Vater und dessen neuer Frau in Obhut genommen - eine neue Familie, die gut zu ihr ist, wo sie sich aber trotzdem nicht Zuhause fühlt.
Ihre Mutter Elsie kämpft in der Zeit nicht für ihre Töchter, sondern gegen ihre Drogensucht, die sie mit wiederholten Aufenthalten in Entzugskliniken versucht, in den Griff zu bekommen.
Vor der Trennung von Mutter und Töchtern haben sie alle zusammen im "braunen Haus" bei Elsies Mutter Margaret gelebt, bis diese nach dem Tod ihrer eigenen Mutter beschlossen hat, dass es Schluss ist, sich um andere zu kümmern.

Die Geschichte der Familie Stranger wird aus rein weiblicher Sicht aus der Perspektive der drei Generationen von Frauen Margaret, Elsie, Phoenix und Cedar erzählt. Die Geschichte erstreckt sich über fünf Jahre, liefert jedoch durch Rückblenden und Erinnerungen noch weit mehr Informationen über das Leben davor. Auf diese Weise erfährt man aus jeder Perspektive einzelne Puzzlestücke aus dem Leben der Familie, die ihr Zusammenleben und ihre Trennung geprägt haben.
Die Geschichte ist tragisch und schildert ungeschönt, wie Fehler und Traumata an nachfolgende Generationen weitergegeben werden. Der Roman handelt von Kriminalität und Gewalt, von fehlender Mutterliebe und (zu) frühen Schwangerschaften, von Überforderung, Egoismus und Einsamkeit.
Es ist ein charakterfokussierter Roman, der es nicht leicht macht, sich mit den Figuren zu identifizieren, die bis auf die unschuldigen Kinder fehlerbehaftet sind. Dennoch fühlt man mit den Frauen mit und kann ihren Schmerz und ihre Wut und das Gefühl der Ausweglosigkeit so gut nachempfinden.

Anders als gedacht, spielt die kulturelle Identität der Stranger-Frauen als Indigene nur eine untergeordnete Rolle. Rassismus und Vorurteile sind nicht eigens Schuld an den Problemen, mit denen die Frauen zu kämpfen haben. Statt von kolonialen Traumata handelt der Roman vielmehr von einer familiären Zerrüttung und den Auswirkungen in Form von Wut, Gewalt und Einsamkeit, die universell auf alle Ethnien übertragbar ist.

Bewertung vom 08.12.2025
Raabe, Marc

Schlüssel 17 / Tom Babylon Bd.1


ausgezeichnet

Im Berliner Dom wird die grauenhaft zugerichtete Leiche der Dompfarrerin Brigitte Riss aufgefunden. Um ihren Hals hängt ein Schlüssel mit der eingeritzten Zahl 17. Tom Babylon ist Kommissar des LKA Berlin und als einer der ersten am Fundort. Brigitte Riss ist die Mutter einer ehemaligen Schulfreundin und der Schlüssel erinnert ihn an einen Leichenfund in Brandenburg vor knapp zwanzig Jahren, bei dem er mit seiner Clinique genau so einen Schlüssel gefunden hatte, mit dem wenig später seine jüngere Schwester verschwand.
Aufgrund seiner persönlichen Involvierung in den Fall darf Tom nicht weiter ermitteln, recherchiert jedoch im Hintergrund weiter. An seiner Seite ist Polizeipsychologin Sita Johanns, die aufgrund seiner bekannten Alleingänge ein Auge auf ihn haben sollte, aber selbst mit den Dämonen ihrer Vergangenheit zu kämpfen hat.

"Schlüssel 17" ist der erste Band der vierteiligen Thriller-Reihe um den Berliner LKA-Kommissar Tom Babylon.
Zwei Handlungsstränge beschreiben die Geschehnisse in der Gegenwart im September 2017, wobei die Folgen des Leichenfunds im Berliner Dom im Vordergrund stehen. Daneben gibt es Szenen aus einer psychiatrischen Einrichtung in Berlin-Kladow, in der eine Patientin Angst vor der Zahl 17 hat und unter religiösen Wahnvorstellungen zu leiden scheint.
Ergänzt wird die Gegenwart durch Toms Erinnerungen an den Sommer 1998, als seine Schwester verschwand und die Ereignisse darum herum, die sein Handeln bis heute prägen.

Die Handlung ist dynamisch und lässt weder Ermittler noch Leser zu Atem kommen. Nach dem Fund der ersten Leiche mit Schlüssel folgen weitere Schlüssel mit der Aufschrift 17 sowie weitere tote oder verschwundene Menschen. Verschiedene Perspektiven geben dabei umfangreiche Einblicke in die schwierigen Ermittlungen, denn ein Motiv für den symbolträchtigen Mord ist zunächst nicht ersichtlich.
Durch die Verknüpfung von Gegenwart und Vergangenheit setzen sich die einzelnen Puzzleteile allmählich zusammen, wobei Erschütterndes zu Tage tritt.

Der Thriller ist von unberechenbaren Charakteren und unkonventionellen Ermittlungen geprägt. Hier scheinen nicht nur die Verbrecher Vergangenes vertuschen zu wollen, auch innerhalb des Polizeiapparats scheint fast jeder ein Geheimnis zu haben, das ihn kompromittieren könnte. Eine andauernde Gefahr für die handelnden Personen ist spürbar, was die Spannung erhöht.

"Schlüssel 17" ist der fesselnde Auftakt einer Thrillerreihe mit Hauptfiguren, die stark von persönlichen Motiven und traumatischen Erlebnissen geprägt sind und sich beruflich im Graubereich bewegen. Auch wenn der Kriminalfall zu einem befriedigenden Abschluss kommt, werden am Ende nicht alle Fragen geklärt, was die Neugier auf den zweiten Band "Zimmer 19" weckt.

Bewertung vom 06.12.2025
Solinger, Janna

Zoe und die Liebe


sehr gut

Zoe London ist gelernte Konditorin, backt aber nur nebenberuflich im Auftrag aufwändige Torten. Hauptberuflich ist sie Moderatorin bei einem lokalen Radiosender in Köln und hat dort ihre eigene Sendung "London Calling". Als ihr Chef ungefragt das Konzept ihrer Sendung ändert und in den Nachmittag verlegt, um noch mehr Zuhörer zu erreichen, ist die sonst so fröhliche und optimistische Zoe vor den Kopf gestoßen. In der Livesendung soll sie nun Anrufe von Zuhörern entgegennehmen und gleich die erste Anruferin wirft Zoe vor, eine Maske zu tragen und nur vordergründig glücklich zu sein, was Zoe zum Nachdenken bringt. Zudem ist Zoe erstmals verliebt, was gar nicht zu ihrer Annahme passen mag, beziehungsunfähig zu sein.

Die Hauptfigur Zoe ist eine Frohnatur, die der Liebe bisher aus Angst, sich ins Unglück zu stürzen, bewusst aus dem Weg gegangen ist.
Sie scheint in ihrer Radiosendung "London Calling" aufzugehen, wo sie in einer Mischung aus Talk und Musik aus ihrem Leben berichtet und Ratschläge erteilt, damit auch ihre Hörer ein Bewusstsein für Positive im Leben entwickeln. Zoe pflegt innige Freundschaften, auch zu deutlich älteren Personen, die ihr die fehlende Familie ersetzen.

Die gegenwärtige Handlung wird durch Ausschnitte aus ihrer Sendung ergänzt, die unterhaltsam sind und authentisch wirken. Daneben gibt es einzelne Rückblenden in Zoes Kindheit, dir erklären, warum sie nicht bereit ist, eine feste emotionale Beziehungen einzugehen. Dass sie sich immer mehr in ihren Chef Tobias verliebt, stellt sie vor eine große Herausforderung.

Die Geschichte ist lebendig und abwechslungsreich und mit viel Kölner Lokalkolorit erzählt. Zoe ist eine liebenswerte Figur und auch die Nebencharaktere sind individuell und mit Liebe gezeichnet.
Der Roman ist unerwartet tiefgründig, denn er handelt nicht nur von einer romantischen Liebe, sondern auch von einem verlässlichen Netz aus guten Freunden, den Tücken des Single-Daseins, Selbstoptimierung, Konfrontation mit Ängsten und dem Mut zur Veränderung. Es geht um die Suche nach Glück und um die Angst, dieses wieder zu verlieren. Zoe muss erst lernen, dass es erforderlich ist, Risiken einzugehen und sich aus der eigenen Komfortzone herauszubewegen, um überhaupt die Chance zu haben, das Glück zu empfangen.
Mit viel Charme und Witz begleitet man Zoe mehrere Monate auf ihrem Weg zu einem Neuanfang und dem Mut, Träume zu leben, selbst wenn diese nicht von Dauer sein sollten.

Bewertung vom 02.12.2025
Mackintosh, Clare

Die Toten der anderen / Ffion Morgan Bd.3


ausgezeichnet

In der luxuriösen Wohngegend "The Hill" ereignen sich hintereinander mehrere Einbrüche, wobei nicht alle Wertsachen entwendet werden. DS Leo Brady, der die Ermittlungen übernimmt, geht bald davon aus, dass in den Villen gezielt nach etwas gesucht wird und es möglicherweise einen Zusammenhang mit einem ungelösten Mordfall gibt, der sich vor zehn Jahren in dem Viertel ereignet hat und der derzeit durch einen True-Crime-Podcast wieder in aller Munde ist.
Parallel dazu leitet Leos Lebensgefährtin DC Ffion Morgan die Ermittlungen zum Tod einer Immobilienmaklerin, deren Leiche nach einer feuchtfröhlichen Party mit ihren Kollegen in einem Fluss im walisischen Grenzgebiet aufgefunden wurde.

"Die Toten der anderen" ist nach "Die letzte Party" und "Spiel der Lügner" Band 3 der Krimireihe "Ein Fall für Ffion Morgan".
Der Roman wird aus wechselnden Perspektiven von Ffion, Leo und Leos Exfrau Allie erzählt, wobei neben den beiden Kriminalfällen, in denen Ffion und Leo unabhängig voneinander ermitteln, auch der True-Crime-Podcast "Without Conviction" um das ermordete Ehepaar Carmichael sowie das Privatleben von Ffion und Morgan und Allies Versuche, sich in "The Hill" beliebt zu machen, Teil der Handlung sind.

Obschon zu ahnen ist, dass die beiden Kriminalfälle in einem Zusammenhang stehen müssen, ist es aufgrund der großen Anzahl an Nebencharakteren und den wenig vertrauenerweckenden Bewohnern in "The Hill" lange nicht zu durchschauen, wer am Ende der oder die Täter sind.

Die Geschichte ist abwechslungsreich und unterhaltsam, was gerade an den vielfältigen Nebenschauplätzen liegt, die neben den eigentlichen Kriminalfällen eröffnet werden. Die Ermittlungen geraten damit schon einmal in den Hintergrund, insbesondere durch Allies Perspektive, die sich bei den Schönen und Reichen anbiedert und deren Verhalten oftmals zum Fremdschämen ist.
Für Unterhaltung sorgen zudem Ffions und Leos private Beziehung, in der Ffion vor einer engeren Bindung zurückschreckt, ihre erfolglose Haussuche und Ffions Hund Dave, der nur schwer in die Schranken zu weisen ist.

Die Verbrechensaufklärung ist am Ende schlüssig und lässt durch gezielte Rückblenden keine Fragen offen. Das Leben von Ffion und Leo scheint sich weiter zu verkomplizieren und lässt gebannt auf weitere Teile der Reihe warten.

Bewertung vom 01.12.2025
Swan, Karen

Winterträume im Schnee


weniger gut

Die Dokumentarfilmerin Clover Philips hat zuletzt einen BAFTA für ihren Film über den Surfer Cory Allbright gewonnen, der vor vier Jahren schwer verunglückt und seitdem psychisch und physisch schwer gezeichnet ist. Sein ehemaliger Freund und Konkurrent Kit Foley wird wegen seines rücksichtlosen Verhaltens für den Unfall verantwortlich gemacht und ist gleichzeitig Clovers neues Projekt. Sie hat sich während der Dreharbeiten mit Corys Familie angefreundet und möchte herausfinden, was bei den Weltmeisterschaften tatsächlich passiert ist. Unterstützt wird der Film von Kits Sponsor, während Kit sich weiterhin weigert, über den Vorfall zu sprechen. Er hat sich inzwischen vom Surfsport abgewandt und möchte seine nächsten Erfolge als Snowboarder feiern. Clover begibt sich deshalb mit ihrem Team in die österreichischen Alpen nach Zell am See, wo Kit trainiert. Untergebracht im selben Chalet ist es selbst durch die erzwungene Nähe schwer für Clover, an Kit heranzukommen, der in der Presse als Monster dargestellt wird.

Das Cover und der Titel suggerieren eine romantische, winterliche (Liebes-)geschichte, die ein heimeliges Gefühl hinterlässt. Die Geschichte ist allerdings frostig, die Stimmung feindselig und die Charaktere von gegenseitigem Misstrauen geprägt.

Nach Clovers Erfolg und einem tragischen Unglück entwickelt sich die Geschichte in Österreich nur schleppend. Clover gibt Kit zu verstehen, dass sie ihn nicht leiden kann, Kit reagiert abweisend und hat keinerlei Interesse an einem klärenden Interview oder einem Film über seine Person. Das Verhalten der beiden Hauptfiguren ist in Bezug auf den Erfolg des Films, den beide aus unterschiedlichen Gründen notwendig haben, kontraproduktiv und deshalb nur schwer nachzuvollziehen. Die ganze Geschichte wirkt damit konstruiert und widersinnig und tritt lange Zeit auf der Stelle.
Die körperliche Anziehung, die zwischen Clover und Kit entsteht, sorgt für Knistern, aber nicht für Romantik oder Emotionen. Interessant wird die Geschichte erst nach 500 Seiten, wenn sich endlich bemüht wird, eine Erklärung für Kits Verhalten zu finden.

Gewalt, Todesfälle, Lügen, zerrüttete Familien, Verrat und böses Blut prägen den Roman und verhindern unbeschwerte Winterträume. Die Geschichte entwickelt sich durch die sturen Hauptfiguren nur schwerfällig und zögert die Aufdeckung von Kits Geheimnis künstlich in die Länge. Seine Märtyrerrolle ist diesbezüglich bis zum Schluss völlig unglaubwürdig. Romantik, Liebe und ein stimmungsvolles Setting zur Vorweihnachtszeit erwartet man vergebens.