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Benutzername: 
Stephi Philipp
Wohnort: 
Brandenburg

Bewertungen

Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 13.03.2009
Totenmesse
Dahl, Arne

Totenmesse


ausgezeichnet

Was haben eine Geiselnahme, der Kalte Krieg, ein Ferienhaus im Mittelmeerraum und fossile Brennstoffe miteinander zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Arne Dahl belehrt seine Leser jedoch eines Besseren. Er konstruiert eine Handlung, deren einzelne Handlungsstränge anfangs keinen Bezug zueinander zu haben scheinen, die sich aber mit dem Fortschreiten des Buches immer weiter annähern, bis am Ende schließlich ein kompliziertes Geflecht aus Überschneidungen und Zusammenhängen entsteht, was dem Leser aktuelle Probleme der Welt vor Augen führt.

Obwohl ich zugegebenermaßen anfangs Probleme hatte, in die Handlung hineinzufinden, konnte Dahl mich absolut überzeugen. Er schreibt ein sehr anspruchsvolles Buch, was überraschend komplex ist und in meinen Augen nicht zu der Kategorie „für zwischendurch“ gehört. Besonders gut gefallen hat mir die recht große Ermittlergruppe. Es gibt in Form von Kerstin Holm zwar eine Leiterin, dennoch sind die einzelnen Mitglieder der Gruppe gleichermaßen an der Lösung des Falls beteiligt. Es wird nicht, wie so oft üblich, ein Ermittler in den Mittelpunkt gestellt, was der Handlung in meinen Augen viel Authentizität verleiht.

Als besonders positiv ist mir außerdem der Stil Dahls aufgefallen. Er versteht es, die Gefühle und Gedanken der einzelnen Personen immer in die entsprechende Situation einfließen zu lassen. Dabei macht er keinen Unterschied zwischen ihren Positionen und verleiht ihnen eine Tiefe, die in dieser Form selten in Thrillern zu finden ist. Ermittler und Verdächtige werden gleichermaßen greifbar für den Leser und ermöglichen es ihm, sich ein eigenes Bild zu machen. Gekoppelt mit einer sehr angenehmen und den einzelnen Handlungsabschnitten angepassten Sprache entsteht ein rundes Gesamtbild, wodurch das Buch flüssig zu lesen ist.

Alles in allem bietet „Totenmesse“ großartige Unterhaltung auf hohem Niveau mit einem spannenden Ende, das ebenso überzeugend ist, wie das ganze Buch. Dabei kommen weder zwischenmenschliche Beziehungen noch Witz zu kurz. Ich möchte dieses Buch sehr empfehlen.

Bewertung vom 20.02.2009
Licht am Ende des Tunnels
Wolf, Klaus-Peter

Licht am Ende des Tunnels


sehr gut

Robert Sonntag, Sohn einer Millionärsfamilie, wird entführt. Sein Entführer ist ein Mitarbeiter seines Vaters, welcher wiederum nach dem Tod von Roberts Opa die Geschäfte übernommen hat. Mehrere Wochen befindet sich das Kind in der Hand des Entführers und einzig seinem Opa hat er es zu verdanken, dass er nicht die Nerven verliert und verschiedene schwierige Situationen meistert. Nun stellt sich natürlich die Frage, wie der tote Opa eine Hilfe sein soll - ganz einfach, Robert meint, die Seele seines geliebten Opas ist bei ihm geblieben und steht ihm nun mit Ratschlägen zur Seite.

Wie man es wohl von einem Jugendbuch erwarten darf, geht die Entführung glimpflich aus - zumindest für Robert. Dennoch ergeben sich nach seinem Freikommen Fragen, die die bisherige Handlung in Frage stellen. Für einen erwachsenen Leser ist diese Wandlung sehr leicht zu erahnen, aber unter der Voraussetzung, dass es sich bei diesem Buch um ein Jugendbuch handelt, ist die Wendung durchaus gelungen und vor allem gut konstruiert. Obwohl voraussehbar, ist die Handlung nicht unglaubwürdig. Wolf lässt seine Figuren vom Beginn des Buches an auf den Ausgang hinarbeiten, was die Handlung nachvollziehbar und glaubhaft macht.

Dass das Ende ziemlich offen bleibt, würde mich bei jedem anderen Krimi vermutlich enttäuschen, in diesem Fall jedoch finde ich diese Lösung ziemlich gelungen. Obwohl vom Autor keine Lösung vorgegeben wird, deutet er zumindest eine mögliche Richtung an. Somit kann jeder Leser für sich selbst entscheiden, wie er die Geschehnisse interpretiert. Unter der Voraussetzung, dass es sich um ein Jugendbuch handelt, finde ich dieses Ende sogar sehr passend.

Natürlich ist die sprachliche Gestaltung des Buches auf die Zielgruppe ausgerichtet, was dem älteren Leser nicht verborgen bleibt. Die Geschichte wird aus der Sicht von Robert mit Hilfe eines Ich-Erzählers vermittelt. Dadurch können die Gedankengänge des Jungen zum einen natürlich sehr detailliert dargestellt werden, andererseits wird die Handlung durch Überlegungen und Kommentare Roberts aufgelockert. Hinzu kommt, dass sich junge Leser vermutlich leicht mit der Person Robert identifizieren können, da er der breiten Masse der Jungen in seinem Alter zumindest weitestgehend entsprechen dürfte.

Das Besondere an dem Buch ist natürlich die Verbindung Roberts zu seinem verstorbenen Opa und die Tatsache, dass er allein durch seinen Glauben so viel Kraft aus der Verbindung zwischen ihnen schöpfen kann. Fast alle Ideen, die er natürlich selbst entwickelt, schreibt er seinem Großvater zu. Das mag im ersten Moment etwas ungewöhnlich wirken, aber man darf beim Lesen nicht vergessen, dass es sich bei Robert um einen 10-jährigen Jungen handelt, der in einer schwierigen Situation einen klaren Kopf behält. Wie das letztlich geschieht, ist dabei nebensächlich. Abgesehen davon zeigt dieses Buch natürlich eindrucksvoll, dass der Glaube eines Menschen (und hier wage ich zu behaupten, dass das Alter des Menschen unerheblich ist) Berge versetzen kann.

Alles in allem ist „Licht am Ende des Tunnels" ein gelungenes Jugendbuch, was durchaus auch erwachsenen Lesern ein paar schöne Lesestunden bereiten kann.

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Bewertung vom 19.02.2009
Darling Jim
Mørk, Christian

Darling Jim


sehr gut

Rache ist das zentrale Thema dieses Thrillers - sowohl als Handlungsantrieb als auch als Ziel. Dies allein deutet bereits darauf hin, dass das Buch „Darling Jim“ für seine Leser einiges bereithält - und um es gleich vorweg zu nehmen: man wird nicht enttäuscht.

Fiona, Aoife und Róisín sind Schwestern, leben in einer kleinen Stadt in Irland und erliegen, wie viele andere Frauen in der Region auch, dem Charme Jims. Dieser ist Geschichtenerzähler, ein sogenannter seanchaí, und ist viel mehr, als er zu sein vorgibt. Leider erkennen die Schwestern dies viel zu spät, was ihnen zum Verhängnis wird. Ein einzelner Mann schafft es, angetrieben von niederen Beweggründen, erst einen Keil zwischen die Geschwister, dann zwischen Freunde und schließlich zwischen die Bewohner der ganzen Stadt zu treiben. Reihenweise erliegen sie seinem Charme. Alle, egal ob jung oder alt, himmeln ihn an und man stellt sich als Leser schon gelegentlich die Frage, was so besonders an ihm ist.

Erzählt wird die Geschichte der Schwestern durch ihre Tagebücher. Ein am Geschehen unbeteiligter Mann findet diese und lässt sich von den Mädchen ihre Geschichte erzählen. Dies geht soweit, dass er schließlich Nachforschungen anstellt und das Leben der Schwestern nachvollziehen und vor allem offene Fragen klären möchte. Als Leser schwebt man währenddessen immer etwas in der Luft. Die Geschichten, von denen man teilweise nicht weiß, ob sie wahr sind oder nicht, sind geprägt von den Gefühlen der Erzählerinnen und lassen einen verstehen, wie es zu der einen oder anderen Handlung kam. Parallel dazu kann man nur schwer begreifen, wie es überhaupt zu den Geschehnissen kommen konnte. Man wird also permanent gefordert und muss sich bereits während des Lesens immer wieder Urteile bilden, was das Lesen unheimlich spannend und anspruchsvoll gestaltet.

Gleiches trifft auf das Ende zu. Die Auflösung ist gleichermaßen schockierend und gefühlsbetont, dass es selbst beim Lesen teilweise nicht ganz einfach ist, den Spagat zu schaffen. Belohnt wird man für seine „Bemühungen“ mit einer sehr tiefgründigen und unkonventionell erzählen Geschichte, bei der man gelegentlich nicht weiß, mit wem man sympathisieren soll/möchte bzw. mit wem nicht.

Christian Mørk zeichnet seine Charaktere unterschiedlich stark, was aber dem Handlungsverlauf geschuldet und notwendig ist, um verschiedene Aspekte richtig wirken lassen zu können. Er offenbart dem Leser genau so viel, wie nötig ist, um Gedankengänge und Handlungen verstehen bzw. nachvollziehen zu können, lässt aber gleichzeitig noch genug offen, um dem Leser eine Interpretationsmöglichkeit zu geben und die Charaktere selbst kennen lernen zu können.

„Darling Jim“ ist für mich ein sehr tiefgründiges Buch, was besonders durch die Handlungsmotivationen der einzelnen Charaktere interessant ist und dem Leser einen Einblick in die Psyche von Opfern und Tätern gleichermaßen gewährt. Die Erzählweise des Autors ist unkonventionell, funktioniert aber ausgesprochen gut und macht das Buch zu einem Lesevergnügen.