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Feder im Wind

Bewertungen

Insgesamt 69 Bewertungen
Bewertung vom 26.09.2025
Onhwa, Lee

Kleine Wunder in der Mitternachtskonditorei


ausgezeichnet

Koreanische Süßigkeiten als Botschaften zwischen dem Diesseits und Jenseits -

Als ich Kleine Wunder in der Mitternachtskonditorei von Lee Onhwa gelesen habe, hat mich zuerst die ungewöhnliche Ausgangssituation gepackt: Yeonhwa erbt von ihrer Großmutter eine kleine Konditorei für koreanisches Gebäck. Doch die Bedingungen sind alles andere als alltäglich. Sie muss den Laden mindestens vier Wochen weiterführen, und geöffnet wird nur zwischen 22 Uhr und Mitternacht. Schon bald stellt sich heraus, dass ihre Kundschaft keineswegs gewöhnlich ist: Es handelt sich um Verstorbene, die ein letztes Mal vorbeischauen, um mithilfe von Gebäck und einer geheimnisvollen schwarzen Katze ihren Liebsten Botschaften zukommen zu lassen. Dabei enthüllt sich nach und nach auch ein Geheimnis, das Yeonhwa selbst betrifft.

Sprachlich hat mich die Geschichte von Anfang an überzeugt. Der Stil ist flüssig, nie schwerfällig, und zwischendurch finden sich poetische, fast schon philosophische Passagen, die den melancholischen Ton schön unterstreichen.

Ein wenig schade fand ich, dass die Hauptfigur Yeonhwa für meinen Geschmack etwas konturlos bleibt. Über sie erfährt man erstaunlich wenig, und auch die schwarze Katze, die eigentlich eine wichtige Rolle spielt, bleibt ziemlich farblos, nicht einmal einen Namen hat sie bekommen. Gerade da hätte ich mir etwas mehr Tiefe gewünscht.

Dafür haben mich andere Aspekte umso mehr begeistert: Jedes Kapitel ist mit einer besonderen Süßigkeit oder einem Gebäck verbunden, das nicht nur kulinarisch, sondern auch inhaltlich mit der jeweiligen Episode verknüpft wird. Das verleiht dem Buch eine besondere Stimmung und macht es fast zu einem multisensorischen Erlebnis. Als kleines Extra gibt es am Ende des Buchs einen QR-Code, der zu einem Youtube-Video der Autorin führt, in dem die erwähnten Köstlichkeiten genauer vorgestellt werden. Das ist eine wirklich schöne Idee. Auch das Cover verdient ein Lob: Die warmen Farben und die stimmige Gestaltung fangen die Atmosphäre des Romans perfekt ein.

Insgesamt ist Kleine Wunder in der Mitternachtskonditorei für mich eine wunderbare Lektüre für kühle Herbst- und Winterabende. Das Buch vereint eine cozy Stimmung mit einer leisen Melancholie. Das ist ideal für die dunklere Jahreszeit. Zwar hätte die tolle Grundidee meiner Meinung nach noch ein wenig ausgereifter umgesetzt werden können, aber dennoch habe ich die Geschichte mit viel Interesse gelesen und empfehle sie gerne weiter.

Bewertung vom 08.09.2025
Perry, Rob

Der Große Gary


ausgezeichnet

Ein toter Wal, ein Windhund und der Beginn eines neuen Lebens - Rob Perry legt mit Der große Gary einen eindrucksvollen Debütroman vor, der gleichermaßen zart, schräg und ermutigend ist. Auf 304 Seiten entfaltet er die Geschichte des 18-jährigen Benjamin, dessen Leben sich mit einem Mal völlig verändert, und zwar ausgelöst durch einen toten Wal am Strand und einen streunenden Windhund, der plötzlich nicht mehr von seiner Seite weicht. -
Benjamin lebt zurückgezogen in einem Caravan Park an der Ostküste Englands. Seit seine Großmutter ins Krankenhaus musste, ein Ort, den er wegen seiner massiven Angst vor Keimen und Krankheiten strikt meidet, schlägt er sich alleine durch. Eigentlich will er bloß seine Ruhe, doch dann tritt ein ungewöhnlicher Gefährte in sein Leben: ein herrenloser Hund. - Als Leonard, ein zwielichtiger Essenslieferant, in dem Tier den berühmten Windhund Der große Gary erkennt und vor dessen brutalen Besitzern warnt, steht Benjamin vor einer Entscheidung. Anstatt sich zurückzuziehen, beschließt er, das Tier zu beschützen. Damit beginnt ein turbulenter Roadtrip voller bizarrer Begegnungen, überraschender Wendungen und vor allem einer Reise zu sich selbst. - Rob Perry erzählt diese Geschichte feinsinnig und warmherzig und zugleich mit einem subtilen Humor, der die schwere Thematik zugänglich macht. Besonders eindrucksvoll ist die ungeschönte, aber empathische Darstellung von Ängsten, Zwängen und Phobien. Der Roman enttabuisiert das Thema psychische Belastungen, ohne belehrend zu wirken. - Zudem feiert das Buch Themen wie Freundschaft, Liebe und die heilende Kraft der Beziehung zwischen Mensch und Tier. Benjamin wächst über sich selbst hinaus, weil er Verantwortung übernimmt, und gerade darin liegt die zentrale Botschaft: Mut entsteht nicht durch Abwesenheit von Angst, sondern durch Handeln trotz Angst. - Fazit: Der große Gary ist Roadtrip, Coming-of-Age-Geschichte und Mutmach-Roman in einem. Witzig, originell und zugleich tief berührend erzählt nimmt er Leserinnen und Leser mit auf eine Reise, die zwischen Schrägheit und Zärtlichkeit pendelt. Benjamin macht eine bemerkenswerte Entwicklung durch, die das offene Ende nur konsequent unterstreicht. - Eine klare Empfehlung für alle, die sich für die Themen Angst und Mut interessieren, die literarische Roadtrips lieben oder die mehr über die besondere Verbindung zwischen Mensch und Hund erfahren möchten.

Bewertung vom 07.09.2025
Kurisu, Hiyoko

Der Laden in der Mondlichtgasse


ausgezeichnet

Süß & sinnhaft! - Hiyoko Kurisus Roman Der Laden in der Mondlichtgasse ist ein literarisches Juwel, das gleichermaßen verzaubert und berührt. Der japanische Wohlfühlroman verbindet Alltagsprobleme mit märchenhaften Elementen und entfaltet so einen ganz eigenen Zauber, der Leserinnen und Leser unmittelbar in die Welt japanischer Mythen und Emotionen eintauchen lässt. - Inhalt und Erzählweise: Im Mittelpunkt steht die geheimnisvolle Mondlichtgasse, ein Ort, der nur zwischen Voll- und Neumond existiert. Zutritt haben allein jene Menschen, deren Leben aus der Balance geraten ist. Dort befindet sich eine ebenso ungewöhnliche wie magische Confiserie, geführt vom rätselhaften Kogetsu. Dieser verkauft seinen Kundinnen und Kunden traditionelle japanische Süßigkeiten, doch jedes dieser Naschwerke hat eine verborgene Wirkung. So begegnen wir etwa der Schülerin Kana, die an ihrer Beziehung zweifelt und sich einsam fühlt, oder dem Immobilienmakler Koguma, der überzeugt ist, wegen seines Äußeren nicht ernst genommen zu werden. Kogetsus Köstlichkeiten schenken ihnen neue Perspektiven, kleine Wunder, die ihr Leben verändern. Dass der Confiserie-Besitzer ein Fuchsgeist ist, der selbst nach Menschlichkeit sucht, verleiht den Geschichten eine zusätzliche Dimension. Der Roman entfaltet sich in sechs miteinander verwobenen Episoden, die sich zu einem stimmungsvollen Ganzen fügen. Jede Geschichte ist ein Plädoyer für Selbstreflexion, für das Annehmen eigener Schwächen und für die Kraft, im Alltäglichen das Besondere zu entdecken. - Stil und Atmosphäre: Kurisu schreibt in einer klaren, leichtfüßigen Sprache, die dennoch poetisch wirkt. Der Ton ist angenehm fließend und lädt dazu ein, in die Geschichten einzutauchen. Besonders reizvoll ist die Verbindung von vertrauten Alltagsthemen wie Einsamkeit, Selbstzweifel, Wünsche und Träume mit märchenhaften Motiven. Dadurch entsteht eine Mischung aus sanfter Melancholie und heilsamer Hoffnung. Die Kapitelüberschriften sind liebevoll gewählt und benennen im wahrsten Sinne zauberhafte Süßwarenkreationen. Am Ende des Buches findet sich zudem ein Glossar, das die im Roman vorkommenden japanischen Naschereien erläutert und kulturelle Hintergründe aufschließt. - Gestaltung: Auch äußerlich überzeugt der Roman. Das Cover in tiefem Blau und schimmerndem Gold wirkt nicht nur atmosphärisch, sondern besticht auch mit seiner hochwertigen Haptik durch den Prägedruck. Schon das Buch in den Händen zu halten, ist ein kleines Erlebnis und perfekt abgestimmt auf den Titel und die magische Stimmung des Inhalts. - Fazit: Der Laden in der Mondlichtgasse ist weit mehr als ein klassischer Wohlfühlroman. Er schenkt Leseglück, weckt Nachdenklichkeit und lädt dazu ein, sich selbst neu zu betrachten. Wer die leisen, warmherzigen Romane von Satoshi Yagisawa mag oder von den poetischen Filmen des Studio Ghibli begeistert ist, wird auch dieses Buch lieben. Einziger Wermutstropfen: Mit seinen 208 Seiten ist das Buch viel zu schnell ausgelesen. Gerne hätte man noch länger in dieser besonderen Welt verweilt. Doch vielleicht ist es gerade diese Kürze, die den Zauber so intensiv macht. - Klare Empfehlung für alle, die sich von einer Mischung aus Alltagsweisheit, Fantasie und japanischem Flair verzaubern lassen möchten.

Bewertung vom 04.09.2025
Sotto Yambao, Samantha

Water Moon


ausgezeichnet

In jeder Hinsicht mitreißend, ideenreich und einzigartig! - Mit Water Moon legt Samantha Sotto Yambao einen Roman vor, der auf 416 Seiten eine ebenso berührende wie fantastische Liebesgeschichte erzählt. Die Autorin versteht es meisterhaft, poetische Sprache, originelle Ideen und emotionale Tiefe zu verweben. Das Ergebnis ist ein Leseerlebnis, das lange nachwirkt.

Selten hat mich ein Buch so verzaubert wie Water Moon. Schon nach den ersten Seiten war mir klar: Hier öffnet sich eine Welt, aus der ich gar nicht mehr auftauchen möchte. -

Worum geht’s?

Im Herzen Tokios, hinter einem unauffälligen Ramen-Restaurant, verbirgt sich ein ganz besonderer Ort: ein Pfandhaus, in dem man seine „falschen“ Entscheidungen gegen Seelenfrieden und eine Tasse feinen grünen Tee eintauschen kann. Hana soll diesen Laden von ihrem Vater Toshio übernehmen. Doch am Übergabetag ist Toshio plötzlich verschwunden, und auch der Tresor ist leer. Gemeinsam mit einem jungen Wissenschaftler begibt sich Hana auf die Suche nach ihm. Auf ihrer Reise stößt sie jedoch nicht nur auf Geheimnisse aus der Vergangenheit, sondern auch auf Wahrheiten, die ihr eigenes Leben für immer verändern. -

Was mich begeistert hat:

Schon das Setting ist ein Traum. Es zeigt Szenen aus dem pulsierenden Tokio und dann eine magische Parallelwelt, die mich sofort an die Filme von Studio Ghibli erinnert hat. Alles wirkt detailreich, fantasievoll und zugleich stimmig. Die Sprache ist poetisch und reich an Bildern, aber gleichzeitig klar und flüssig, sodass man schnell in die Geschichte hineingezogen wird. Ich habe beim Lesen oft innegehalten, weil einzelne Sätze so schön waren, dass ich sie zweimal lesen musste. Inhaltlich überzeugt das Buch mit viel Tiefe. Es geht nicht nur um Liebe, sondern auch um Sehnsucht, Verlust, den Wert von Träumen und darum, wie wir selbst unser Schicksal beeinflussen können. Überraschende Wendungen sorgen dafür, dass es nie vorhersehbar wird. Ganz im Gegenteil, ich habe mehr als einmal mit offenem Mund weitergelesen.

Die Ausstattung:

Besonders erwähnen möchte ich die wunderschöne Buchaufmachung: den genial gestalteten Buchbezug, das ebenfalls toll designte Vorsatzpapier und als Highlight den Origami-Schutzumschlag, der perfekt zum Thema passt. Diese Ausgabe ist ein richtiges Schmuckstück im Regal! -

Mein Fazit:

Water Moon ist magisch, inspirierend und zutiefst berührend. Es ist eine dieser Geschichten, die man nicht einfach zur Seite legt, sondern die einen gedanklich noch lange begleiten. Für mich ganz klar ein 5-Sterne-Buch, das ich bestimmt noch ein zweites, drittes oder viertes Mal lesen werde und das ich nicht nur Fantasy-Fans sehr ans Herz legen möchte.

Bewertung vom 03.09.2025
Yagisawa, Satoshi

Die Tage im Café Torunka


ausgezeichnet

Geschichten über das Leben an sich. Feinsinnig und unaufdringlich erzählt. -


Mit Die Tage im Café Torunka legt der japanische Bestsellerautor Satoshi Yagisawa bereits seinen dritten ins Deutsche übersetzten Roman vor – und erneut gelingt es ihm, mit leisen Tönen eine große Wirkung zu entfalten.

Der Schauplatz ist diesmal ein kleines, unscheinbares Café in einer Seitenstraße des Tokioter Stadtviertels Yanaka. Schon beim Betreten meint man, den Duft frisch aufgebrühten Kaffees in der Nase zu haben. Seit zwanzig Jahren wird dieser Ort von einem leidenschaftlichen Cafébesitzer geführt, unterstützt von seiner Tochter und dem schweigsamen Shuichi, der regelmäßig aushilft. Sonntag für Sonntag taucht zudem die geheimnisvolle Chinatsu auf. Sie hinterlässt Origami-Balletttänzerinnen, behauptet, Shuichi von früher zu kennen, und erst allmählich gibt sie ihre Geschichte preis. Peu à peu öffnet sich eine Vergangenheit, die eine neue Freundschaft und Verständnis füreinander wachsen lässt.

Doch nicht nur Chinatsu, sondern noch einige andere Menschen finden aus den unterschiedlichsten Gründen ihren Weg ins Café Torunka. Sie berichten in der Ich-Perspektive von Hoffnungen, Zweifeln, Verlusten oder stillen Sehnsüchten. So entsteht eine literarische Collage, die von leiser Melancholie geprägt ist, ohne je ins Sentimentale zu kippen. Yagisawas Stärke liegt darin, gerade in den kleinen Gesten und unspektakulären Begegnungen große Gefühle aufscheinen zu lassen.

Der Ton des Romans bleibt unaufgeregt, fast kontemplativ. Die Sprache ist klar und fließend, unprätentiös, und doch voller feinsinniger Anspielungen, die mehr andeuten, als sie direkt benennen. Und genau darin liegt der Reiz: Was zwischen den Zeilen mitschwingt, macht den besonderen Zauber dieser Geschichten aus.

Fazit: Die Tage im Café Torunka ist eine unaufdringliche, aber tief berührende Lektüre, die bestenfalls an einem regnerischen Herbstwochenende gelesen werden kann. Wer sich auf Yagisawas Erzählweise einlässt, erlebt Momente, in denen die Welt für einen Augenblick innehält – so wie es die Besucher:innen des kleinen Cafés selbst empfinden.

Bewertung vom 09.08.2025
Mikail, Nadia

Katzen, die wir auf unserem Weg trafen


sehr gut

Ein leiser Roadtrip, der mitten ins Herz trifft

Nadia Mikails Debütroman ist ein stilles, aber eindringliches Jugendbuch, das vom Ende der Welt erzählt und doch vor allem vom Leben handelt. Die Ausgangslage ist apokalyptisch: In neun Monaten wird ein Meteorit die Erde treffen. Keine Rettung, keine Hoffnung auf ein Wunder. Und doch ist es gerade diese Aussicht auf das unausweichliche Ende, die die siebzehnjährige Aisha dazu bringt, längst verschüttete familiäre Brücken wieder aufzubauen.

Gemeinsam mit ihrer Mutter, ihrem Freund Walter, dessen Eltern und dem Streuner-Kater Flohsack macht sie sich in einem kunterbunten Wohnmobil auf die Reise von Nord- nach Südmalaysia, um ihre Schwester June zu finden. Und vielleicht auch sich selbst.

Stil und Erzählweise

Nadia Mikail erzählt in einer klaren, unaufgeregten Sprache, die oft wie ein leiser Atemzug wirkt: zurückhaltend, aber voller Gedankenkraft Die fragmentarische Struktur mit vielen Zeitsprüngen und Rückblenden verlangt vom Leser Aufmerksamkeit, belohnt aber mit einer emotionalen Tiefe, die weit über das reine Roadtrip-Abenteuer hinausgeht. Die Stimmung changiert zwischen melancholischer Nachdenklichkeit und zarter Hoffnung. Ein Balanceakt, der besonders bei Themen wie Trauer, Depression und Verlust beeindruckend gut gelingt.

Themen und Wirkung

Im Kern ist dieses Buch kein Katastrophenroman, sondern eine Geschichte über Familie, Vergebung und die Frage: Mit wem möchte ich die letzten Tage meines Lebens verbringen? Die drohende Apokalypse ist hier eher ein Hintergrundrauschen, das jede Entscheidung bedeutungsvoller macht. Nadia Mikail, inspiriert von eigenen Erfahrungen während der Pandemie, fängt meisterhaft das Gefühl ein, dass Zeit ein kostbares Gut ist, gerade wenn sie knapp wird.

Gestaltung und Lesegenuss

Das Cover ist farbenfroh und verspielt, fast in Kontrast zum ernsten Kern der Geschichte, und die liebevollen Katzenillustrationen von Nate Ng im Innenteil sind ein optisches Highlight. Der Titel Katzen, die wir auf unserem Weg trafen ist etwas irreführend gewählt. Warum das so ist, sollte jeder Leser für sich selbst herausfinden. Und noch ein kleiner Wermutstropfen: Manche Passagen wirken sprachlich etwas holprig, was möglicherweise der Übersetzung geschuldet ist. Dennoch überwiegt der positive Gesamteindruck deutlich.

Fazit

Katzen, die wir auf unserem Weg trafen ist ein sanftes, tief berührendes Jugendbuch, das ohne Effekthascherei auskommt. Es wächst Seite für Seite, bis es am Ende mitten ins Herz trifft. Für Leser ab 14 Jahren, die Geschichten mögen, die leise sind, dafür aber lange nachhallen.

Bewertung vom 02.08.2025
Kelly, Julia R.

Das Geschenk des Meeres


ausgezeichnet

Wenn das Meer Erinnerungen zurückbringt - ein Roman voller Geheimnisse und tiefer Gefühle

Schon nach den ersten Seiten war mir klar: Dieser Roman würde mich nicht mehr loslassen. Julia R. Kelly nimmt einen mit an die raue Küste Schottlands im Winter des Jahres 1900. An einen Ort, an dem das Meer wesentlich mehr verbirgt, als es preisgibt.

Die Geschichte beginnt mit einem schockierenden Fund: Ein Fischer namens Joseph entdeckt am Strand einen scheinbar leblosen Jungen. Als er ihn ins Dorf bringt, löst das blankes Entsetzen aus – denn das Kind sieht aus wie der Sohn der Lehrerin Dorothy, der vor Jahren im Meer verschwand. Ausgerechnet Dorothy nimmt den fremden Jungen bei sich auf, bis geklärt ist, woher er stammt. Doch mit seiner Ankunft brechen alte Wunden auf, und das Dorf wird von Fragen erschüttert: Was verbindet Joseph mit beiden Vorfällen? Was hat sich in jener Nacht abgespielt, als Dorothys Sohn verschwand? Und warum wurden Dorothy und Joseph nie ein Paar?

Die Sprache des Romans ist nüchtern und klar, doch gerade diese schnörkellose Erzählweise verleiht der Geschichte eine beklemmende Intensität. Das Cover spiegelt das Setting und die Stimmung perfekt wider. Düster, aber zugleich von einer melancholischen Schönheit.

Thematisch bewegt sich die Autorin auf tiefem Grund: Liebe und Eifersucht, Trauer und Schuld sowie Angst durchziehen das Buch wie unsichtbare Strömungen. Hin und wieder blitzt ein Hoffnungsschimmer auf, doch die Grundstimmung bleibt eher trostlos. Und genau das macht den Roman so authentisch.

Mich hat vor allem die enorme Sogwirkung beeindruckt. Action sucht man hier vergeblich, stattdessen entfaltet sich die Wahrheit Schicht für Schicht. Der stetige Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist ein kluges erzählerisches Mittel, das die Spannung hochhält, ohne Effekthascherei. Die Figuren wirken in ihrem Handeln und Nicht-Handeln absolut glaubwürdig, und gerade ihre stillen Konflikte haben mich tief bewegt.

Fazit: Das Geschenk des Meeres ist so tiefgründig wie das Meer selbst. Ein Roman, der lange nachhallt. Es ist jedoch alles andere als ein Heile-Welt-Buch, sondern ein kraftvolles, melancholisches Leseerlebnis mit authentischen Charakteren und einer Geschichte, die sich leise, aber unaufhaltsam entfaltet. Für mich ein absolutes Highlight mit einer klaren 5-Sterne-Empfehlung!

Bewertung vom 13.07.2025
Maurus, Michael

Das Multiversum der Menschlichkeit


ausgezeichnet

Eine Reise durch zehn Dimensionen der Menschlichkeit

„Das Multiversum der Menschlichkeit“ ist eine Einladung, die scheinbar alltäglichen menschlichen Qualitäten als universelle Kräfte zu begreifen. Michael Maurus gliedert sein Buch in zehn thematische Kapitel, die jeweils einem zentralen Aspekt des Menschseins gewidmet sind: Liebe, Selbstfürsorge, Wut, Mut, Vergebung, Empathie, Hoffnung, Geduld, Dankbarkeit und Authentizität.

Jedes Kapitel beleuchtet nicht nur die emotionale Dimension dieser Themen, sondern schlägt eine Brücke zwischen persönlichen Erfahrungen, philosophischen Überlegungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. So werden etwa Phänomene aus der Natur und Physik als Metaphern genutzt, um die Tiefe menschlicher Verbindungen zu erklären. Michael Maurus zeigt, dass dieselben Kräfte, die das Universum formen, auch unser Zusammenleben prägen – subtil, aber wirkungsvoll.

Die Texte sind durchdrungen von erzählerischen Vignetten, Reflexionen und poetischen Bildern. Der Autor stellt Fragen statt Antworten zu diktieren und fordert dazu auf, die eigenen Erfahrungen und Überzeugungen zu hinterfragen. Dabei wird der Bogen weit gespannt: von der leisen Kraft der Dankbarkeit bis zur stürmischen Energie der Wut. Ziel ist es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie diese Emotionen nicht nur individuell erlebt, sondern auch gesellschaftlich wirksam werden können.

Das Buch kann linear gelesen werden, lädt aber ebenso dazu ein, es an beliebiger Stelle aufzuschlagen und sich inspirieren zu lassen. Es ist kein Ratgeber im klassischen Sinn, sondern eher eine Sammlung von Impulsen und Betrachtungen, die zu einer vertiefenden Selbstwahrnehmung und zu mehr Menschlichkeit im Alltag anregen.

Mein Leseeindruck

Ich habe „Das Multiversum der Menschlichkeit“ als ein leises, aber sehr berührendes Buch erlebt. Es zwingt einem nichts auf und belehrt nicht, sondern eröffnet Räume zum Nachdenken und Innehalten. Gerade diese Zurückhaltung empfand ich als eine große Stärke: Ich konnte meine eigenen Gedanken entwickeln, statt fertige Rezepte präsentiert zu bekommen.

Die Sprache ist poetisch und zugleich klar. Immer wieder hat mich ein Absatz oder ein Bild so berührt, dass ich erst einmal eine Pause brauchte, um das Gelesene auf mich wirken zu lassen. Ich finde es beeindruckend, wie Michael Maurus wissenschaftliche Konzepte und emotionale Erfahrungswelten miteinander verwebt, ohne dass es gekünstelt oder bemüht wirkt. Es entsteht ein Gefühl von Verbundenheit – mit sich selbst, mit anderen, mit dem großen Ganzen.

Besonders schön finde ich, dass man das Buch nicht zwingend von vorne bis hinten lesen muss. Ich habe es oft einfach aufgeschlagen und mich überraschen lassen. Fast immer war da ein Gedanke, der gepasst hat, der mich berührt oder inspiriert hat.

Auch die Gestaltung hat mir sehr gefallen: Das Cover ist überaus ästhetisch und passt wunderbar zum Inhalt. Der gerillte Einband hat eine tolle Haptik, was das Buch zu einem sinnlichen Erlebnis macht. Innen ist das Buch klar und stimmig gestaltet und mit liebevollen Details versehen. Das hat mich ebenfalls sehr angesprochen.

Ich würde „Das Multiversum der Menschlichkeit“ allen empfehlen, die gerne zwischen den Zeilen lesen, die gerne reflektieren und sich selbst besser verstehen möchten. Für mich persönlich ist es ein echtes Buchjuwel – leise, klug und zutiefst berührend.

Bewertung vom 07.07.2025
Slocombe, Penelope

Sunbirds


ausgezeichnet

Ein leiser, eindringlicher Roman über Verlust und Hoffnung – großartig erzählt!

„Sunbirds“ ist ein tiefberührender Roman über Verlust, Vergebung und die oft schmerzhafte Suche nach einem Neuanfang. Im Mittelpunkt steht Anne, eine Mutter, die seit sieben Jahren mit dem Verschwinden ihres Sohnes Torran lebt. Er verschwand spurlos aus einem Hotel in einem abgelegenen indischen Bergdorf. Der Schock dieses Ereignisses hat ihr Leben zerstört: Sie ließ Schottland, ihre Ehe und ihr altes Ich hinter sich.

Als endlich ein neuer Hinweis auftaucht, schöpft Anne neue Hoffnung. Zusammen mit ihrer Nichte Esther, die als Journalistin zu dem Fall recherchiert, reist sie in die entlegenen Täler des Himalayas. Diese majestätische, unbarmherzige Landschaft wird im Roman zu mehr als nur einer Kulisse – sie spiegelt Annes innere Welt wider: rau, schroff, zugleich aber auch tröstlich in ihrer Unbestechlichkeit.

Penelope Slocombe gelingt es, die Beziehung zwischen Anne und Esther vielschichtig und glaubwürdig zu zeichnen. Die gemeinsame Reise bringt lang Verdrängtes und Unausgesprochenes an die Oberfläche. Beide Frauen müssen sich mit schmerzhaften Wahrheiten auseinandersetzen und lernen, einander neu zu vertrauen.

Besonders beeindruckend ist die Sprache des Romans: ruhig, klar und voller Tiefe. Slocombe verzichtet auf übertriebenen Pathos, erzählt stattdessen mit leiser Eindringlichkeit und großer Präzision. Die Landschaftsbeschreibungen sind so detailreich und bildhaft, dass die Himalaya-Region quasi zu einem eigenen, bedeutungsvollen Charakter wird.

„Sunbirds“ ist kein einfacher, aber ein berührender Roman. Er handelt von Trauer und Schuld, vom mühsamen Ringen um Vergebung und von der zarten Hoffnung auf einen Neuanfang, selbst in größter Verzweiflung. Die Geschichte zeigt, wie man selbst in einer Welt voller Schmerz ein Licht finden kann – manchmal genau dort, wo man es am wenigsten erwartet.

„Sunbirds“ ist aus meiner Sicht ein überaus empfehlenswerter Roman für alle, die sich auf eine tiefgründige, atmosphärische und emotional bewegende Erzählung einlassen möchten.

Last but not least hat mich auch das Buchcover sehr angesprochen – dies vor allem in Bezug auf die kraftvollen Farben und die Symbolik.

Bewertung vom 25.06.2025
Gosling, Sharon

Der alte Apfelgarten


ausgezeichnet

Zwischen Apfelbäumen und alten Konflikten – ein Roman über Mut und Versöhnung

Mit „Der alte Apfelgarten“ legt Sharon Gosling ihren vierten Roman vor – und trifft einmal mehr mitten ins Herz ihrer Leser:innen. Die Autorin, die bereits mit ihren vorherigen Feel-Good-Romanen warme, atmosphärische Geschichten voller Menschlichkeit und Hoffnung erzählt hat, bleibt auch hier ihrem Stil treu: einfühlsam, lebensnah und gleichzeitig voller Leichtigkeit.

Über den Inhalt:

Im rauen Nordosten Schottlands, dort wo die Klippen steil ins Meer abfallen, liegt die Crowdie Farm – ein Ort voller Erinnerungen und Geheimnisse Für Nina Crowdie ist diese Farm mehr als nur ein Zuhause: Es ist ihr Lebensinhalt. Während sie mit viel Hingabe Kühe melkt, Hühner versorgt und sich dem unbarmherzigen Wetter stellt, lebt ihre ältere Schwester Bette seit Jahren in London – weit weg von der familiären Verantwortung und den Schatten der Vergangenheit.

Die beiden Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein. Ein Altersunterschied von zehn Jahren, verschiedene Lebenswelten, eine nie gekittete Kindheitsdynamik. Kurzum, ihre Verbindung war und ist brüchig. Doch der plötzliche Tod ihres Vaters zwingt sie, sich nicht nur miteinander, sondern auch mit dem Erbe auseinanderzusetzen, das er ihnen hinterlassen hat: die gemeinsame Verantwortung für den Hof. Was auf den ersten Blick wie eine zweite Chance aussieht, entpuppt sich bald als große Herausforderung – denn der Familienbetrieb ist überschuldet, und Bette muss sich der Frage stellen, ob sie wirklich bereit ist, erneut Teil dieses Lebens zu werden, das sie so bewusst hinter sich gelassen hat.

Inmitten all dieser Spannungen stoßen die Schwestern auf einen vergessenen Apfelgarten. Es ist ein verwunschener Ort voller alter, seltener Apfelsorten, die einst zu edlem Cider verarbeitet wurden. Dieser verwilderte Schatz wird zum Symbol ihrer Hoffnung bzw. zur letzten Möglichkeit, die Farm vor dem Bankrott zu retten und vielleicht auch, ihre eigene Beziehung zu heilen.

Stärken des Romans

Sharon Gosling gelingt es meisterhaft, eine Geschichte zu erzählen, die sowohl emotional berührt als auch authentisch wirkt. Die raue schottische Landschaft dient nicht nur als Kulisse, sondern spiegelt auch die inneren Konflikte der Figuren wider. Der Kontrast zwischen dem ländlichen, erdverbundenen Leben und der städtischen Entfremdung bringt die zentralen Themen des Romans kraftvoll zum Ausdruck: Familie, Entwurzelung, zweite Chancen und dem Mut, sich der eigenen Vergangenheit zu stellen.

Die Figuren sind vielschichtig gezeichnet. Besonders Bette durchläuft eine glaubhafte Wandlung – vom distanzierten Stadtmenschen zur Frau, die sich ihrer Herkunft stellt und neue Perspektiven zulässt. Nina, die stille Heldin des Landlebens, überzeugt durch innere Stärke und ihre stille Beharrlichkeit. Die Beziehung zwischen den Schwestern ist das emotionale Herzstück des Buches – voller Missverständnisse, alter Wunden, aber auch vorsichtiger Annäherung und Hoffnung.

Gestaltung und Lesegefühl

Auch optisch ist „Der alte Apfelgarten“ ein Genuss: Das Cover besticht durch sanfte, natürliche Farben und ein liebevoll gemaltes Landschaftsmotiv, das sofort Lust auf eine literarische Reise in die Highlands macht. Die hochwertige Klappbroschur mit prägnanten Zitaten rundet das positive Gesamtbild ab.

Der Roman ist sprachlich klar, angenehm lesbar und eignet sich hervorragend als Sommer- oder Urlaubslektüre. Trotz ernster Themen bewahrt die Geschichte eine Leichtigkeit, die nie ins Kitschige abdriftet, sondern stets glaubwürdig bleibt.

Fazit:

„Der alte Apfelgarten“ ist ein einfühlsamer und atmosphärischer Roman über den Wert von Familie, die Kraft der Erinnerung und die Hoffnung auf einen Neuanfang – eingebettet in eine landschaftlich eindrucksvolle Kulisse. Sharon Gosling erzählt mit Wärme, Tiefe und einer Prise Humor. Wer sich gerne in gut erzählte, herzliche Geschichten fallen lässt, wird hier fündig.

Klare Leseempfehlung! Nicht nur für Fans von Familiengeschichten, sondern für alle, die an die heilende Kraft von Natur, Zeit und Versöhnung glauben.