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Benutzername: 
rumble-bee
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Velbert
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ich würde mich als kreativen Wirrkopf bezeichnen!

Bewertungen

Insgesamt 15 Bewertungen
12
Bewertung vom 20.03.2012
In einer Nacht, woanders
Poladjan, Katerina

In einer Nacht, woanders


gut

Dieses Buch ist ja nicht wirklich dick mit seinen gerade mal 173 Seiten. Und auch die Tatsache, dass es - man höre und staune - ohne eine einzige Kapiteleinteilung, und fast ohne Absätze daherkommt, könnte einen denken lassen, es eigne sich gut zur Überbrückungslektüre zwischen mehreren Wälzern. So nahm ich es mir ganz unvorbereitet und spontan zur Hand, und musste doch entdecken, dass es alles andere ist als ein Buch für "zwischendurch".

Zum Glück habe ich doch ein wenig Erfahrung mit neumodischen literarischen Techniken, und war von daher nicht ganz so "erschlagen" vom wirklich ambitionierten Stil wie manch ein Leser vor mir. Dennoch, ich kann letzten Endes weder sagen, ob mir das Buch wirklich gefallen hat - noch, ob es gut oder schlecht war. Geschweige denn, ob ich das Ende wirklich verstanden habe. So man es denn überhaupt als ein "Ende" verstehen kann.

Ich vermute, dass hier verschiedene Dinge zusammenkommen, die mir den Zugang erschwert haben. Zum einen enthält das Buch, so kann man vermuten, doch zahlreiche autobiographische Bezüge, da auch die Autorin, wie die Protagonistin, vor etwa 37 Jahren in Moskau geboren wurde, aber seit der Kindheit in Deutschland lebt. Vieles ist aus dieser Zeit un- oder halbverdaut geblieben, und bricht sich nun in diesen Zeilen Bahn.

Zweitens, und das muss ich dem Buch wirklich lassen, ist es eine ziemlich plastische und authentische Darstellung dessen, was man als "russische Volksseele", als russische Mentalität bezeichnen könnte. Doch, leider, die ist nun so gar nicht meins! Ich bin ein fröhlicher und optimistischer Mensch, und hätte die junge Mascha am liebsten öfters geschüttelt, sie solle sich doch um alles in der Welt nicht so hängen lassen, und über Vergangenem brüten...

Drittens, das Buch hat keinen wirklichen Abschluss, und man muss eher raten, was die eher traum- oder fieberhaften Sequenzen gegen Ende zu bedeuten haben. Im Klappentext steht zwar zu lesen, Mascha komme einem Familiengeheimnis auf die Spur - doch das stimmt so, meiner Meinung nach, nicht. Das Problem ist, dass sich sowieso der überwiegende Teil der "Handlung" in Maschas Kopf abspielt. Und von daher kann man einfach nicht sagen, ob sie nun etwas "herausgefunden" oder sich nur eingebildet hat.

Es ist wirklich sehr schwierig, etwas Objektives zu diesem Buch zu sagen. Mascha berichtet die ganze Zeit in einem ununterbrochenen Fluss aus wirren Gedanken und sonstigen Splittern - die eigentliche Handlung gerät dabei eindeutig in den Hintergrund. Das ist in zwei Sätzen gesagt. Sie fährt nach Russland, um das Haus ihrer Großmutter zu verkaufen - begegnet vor Ort aber ihren unverdauten Erinnerungen, und flüchtet wieder. Damit sind natürlich keine 173 Seiten gefüllt. Dementsprechend wird der überstürzte Ausflug nach Russland denn auch eher als Folie für ihre eigene Vergangenheitsbewältigung benutzt. Aber, und das ist es gerade, wird hier eigentlich etwas bewältigt? Am Ende bin ich genauso schlau, was Mascha betrifft, wie am Anfang. Eine Entwicklung oder "Bewältigung" im eigentlichen Sinne kann ich da nicht ausmachen!

Ich kann letztlich nicht mehr tun, als drei etwas ratlose Sterne zu verleihen - da ich sehe und anerkenne, dass hier schriftstellerisch neue Wege beschritten werden sollten. Aber "gemocht" habe ich das Buch wohl eher nicht. Es blieb mir letzten Endes fremd - was aber, wie gesagt, auch an der russischen Melancholie und Trägheit gelegen haben kann. Empfehlen würde ich das Buch jedenfalls nur solchen Lesern, die sehr (!) viel Willen zur Mitarbeit und Sinnkonstruktion mitbringen.

Bewertung vom 20.03.2012
Zwitschernde Fische
Séché, Andreas

Zwitschernde Fische


ausgezeichnet

Märchen? Parabel? Liebeserklärung an die Bücher und an das Lesen? Zarte, mythologisch überhöhte Liebesgeschichte? Literarischer Krimi? All das ist dieses Buch, doch nichts davon ganz. Doch gerade die Mischung macht die Faszination aus. Dem Autor ist eine wirklich wunderbare Balance gelungen, so dass jeder Leser genau das aus diesem Buch ziehen kann, was für ihn gerade wichtig ist.

Die Geschichte spielt überwiegend in Athen. Yannis ist ein Büchernarr, und verirrt sich eines Tages in einen geheimnisvollen Buchladen. Mit der rätselhaften, aber wunderschönen Inhaberin Lio entsteht auf Anhieb eine zarte Verbindung. Immer öfter sucht Yannis scheinbar grundlos den verwunschenen Laden auf. Er kauft zwar kein Buch, aber erhält doch so viel: Ansichten, Weisheiten, Erkenntnisse über Bücher und das Lesen. Eines Tages verschwindet Lio, und Yannis macht sich auf die Suche nach ihr. Doch nicht nur er... Wer ist der geheimnisvolle, riesige Fremde mit der Leier? Welche Rolle spielen die Andeutungen über berühmte Schriftsteller, und ihre angeblichen Vergehen? Sind Zeitreisen möglich? Und hat einer der bekanntesten Kriminalschriftsteller der Welt tatsächlich einen Mord begangen?

Ich bin immer noch ganz "baff", und weiß heute schon, dass ich dieses Buch mehrmals lesen werde. Das liegt einerseits an der fantasievollen und vielschichtigen Handlung, die man sicher nicht im Vorbeigehen begreift. Das liegt aber vor allem an den Begegnungen von Lio und Yannis in dem Buchladen, und an ihren dortigen Gesprächen. Selten habe ich solch tiefsinnige Aussprüche über die Literatur und den Wert des Lesens gefunden! Hier ist ein Autor am Werk, der seinen Beruf als Berufung sieht, nicht als Broterwerb. Er versteht es sehr gekonnt, diese Liebe rund ums Buch dem Leser zu vermitteln. Dass auch noch zarte Elemente einer Liebesgeschichte mit hineinspielen, macht die Lektüre zu einem besonderen Genuss.

Dennoch ist der Autor nicht der allzu plakativen Versuchung erlegen, eine reine Romanze aus dem Buch zu machen. Es enthält genauso Elemente aus Literaturgeschichte, Kriminalroman, Fabel und Märchen. Man reist durch die Zeit, trifft berühmte Autoren. Und stellt sich manche Fragen über die Entstehungsgeschichte berühmter Werke! Einfach grandios!

Die einzige Einschränkung, die ich machen würde, ist, dass man nicht allzu sehr auf eine Verortung der Handlung in der "Realität" hoffen sollte. Sowohl die Identitäten der beteiligten Personen, als auch die Enden von Handlungsfäden bleiben angenehm in der Schwebe. Aber das Buch vermittelt die Botschaft, dass es auf "Enden" und Zwecke eben nicht immer ankommt. Am Ende ist Yannis zwar nicht seinem eigentlichen, vordergründigen Ziel näher gekommen, aber sich selbst. Der Leser mag selber beurteilen, wie viel ihm diese Botschaft wert ist. Ich kann nur sagen: ich bin durch und durch bezaubert.

Bewertung vom 20.03.2012
Namiko und das Flüstern
Séché, Andreas

Namiko und das Flüstern


ausgezeichnet

Es handelt sich hier um den Debütroman des Autors Andreas Séché, welcher im Jahre 2011 erschien. Der Autor, seines Zeichens Journalist, hat sich selber öfters in Japan aufgehalten, insbesondere in Kyoto, der alten Kaiserstadt. So ist es vielleicht nicht verwunderlich, wenn er seinen Erstling dort ansiedelt.

Man sollte sich jedoch davor hüten, dem Buch allzu große autobiographische Bezüge zuzuschreiben. Es stimmt zwar, der Protagonist ist ebenfalls Journalist, interessiert sich für japanische Kultur und Gärten, schreibt aus der Ich-Perspektive, und bekommt im ganzen Buch keinen Namen. Dennoch wird durch die vielfältige und kunstvolle Verschränkung der Themen des Buches klar, dass es auf vielerlei Ebenen funktioniert. Es ist genauso Märchen wie Liebesgeschichte, philosophische Reise wie Fabel, halbes Sachbuch wie Lebensbeichte. Alle diese Facetten so zu vereinen, dass sich das Buch trotzdem wie "aus einem Guss" liest, ist das besondere Verdienst des Autors.

Bei diesem Buch widerstrebt es mir ganz besonders, den Inhalt nachzuerzählen, eben weil sich das Buch keinesfalls darauf reduzieren lässt. Daher nur ein paar grobe Leitlinien. Unser Protagonist wird von seiner Hamburger Illustrierten nach Japan geschickt, um über die dortigen Gärten einen Bericht zu verfassen. Doch es geschieht Unerwartetes. Er begegnet Namiko, einer geheimnisvollen Japanerin, die Germanistik studiert, und die in ihm sowohl romantische Gefühle als auch Lebenslust und Poesie weckt. Schon nach kurzer Zeit muss er sich daher die Frage stellen, wie sein Leben wirklich weiter verlaufen soll. Namiko wird für ihn zu einem Geschenk, zu einem richtungsweisenden Ereignis.

Die besondere Technik des Autors besteht nun darin, die Gestaltung dieser Rahmenhandlung so leicht wie nur irgend möglich zu halten. Was viel eher zählt, ist der Inhalt. Denn Namiko ist nicht nur Person, sie ist geradezu ein Sprachrohr der asiatischen Philosophie, Kunst, Kultur und Religion. Die Handlung der einzelnen Kapitel hängt an einem dünnen Faden - sie werden vielmehr dazu genutzt, um durch Namiko Weisheiten und Einsichten zu vermitteln. Immer wieder macht sie Ausflüge mit dem Helden, sie liegen gemeinsam im Gras oder sitzen an romantischen Orten. Und dort erzählt Namiko. Davon, was asiatische Gärten "bedeuten". Wie die Schriftzeichen entstanden, und was sie heute noch aussagen. Wie die japanische Weltsicht aussieht . Wie man "Koans", also Zen-Rätsel, zu verstehen hat. Und so weiter.

Hinzu kommt, dass der Erzähler selbst gelegentlich eher "nachdenkliche" Kapitel beisteuert. Wie sein vorheriges Leben aussah. Wie er sich zu verändern beginnt. Was ihm an Unterschieden zwischen den Kulturen auffällt. Besonders schön gemacht ist die Tatsache, dass alle diese Kapitel leicht wieder aufzufinden sind, sie sind einfach wunderbar "portioniert". Wer sich also eher für die philosophischen Inhalte des Buches interessieren sollte, kann sie später problemlos wiederfinden, und erneut lesen.

Ganz besonders erwähnen möchte ich die Sprache. Selten habe ich es erlebt, dass - ausgerechnet - ein männlicher Autor so poetisch, dabei doch glaubwürdig und tiefgründig über das Leben und vor allem die Liebe berichtet! Das geht weit darüber hinaus, was beispielsweise ein David Foenkinos oder ein Marc Levy zu bieten haben! Es ist einfach anders, greifbar, und dennoch schön. Wunderbar formuliert, griffig, beinahe schon kalendertauglich. Manche Sätze möchte man sich am liebsten abschreiben und übers Bett hängen.

Kommt man auf den letzten Seiten an, hat man einen dicken Kloß im Hals - das garantiere ich! Und man wird sofort den kurzen Prolog noch einmal lesen wollen, der nun in einem anderen Licht erscheint. (Mehr verrate ich an dieser Stelle natürlich nicht!) Ich kann gar keine treffenden Worte finden, die wirklich mein Fazit zum Ausdruck brächten. Ich weiß nur eines: dass dies nicht das letzte Mal gewesen ist, dass ich diese Perle von einem Buch gelesen habe. Einfach wundervoll.

Bewertung vom 20.03.2012
Operation Eaglehurst / Null-Null-Siebzig Bd.1
Ferber, Marlies

Operation Eaglehurst / Null-Null-Siebzig Bd.1


ausgezeichnet

Mit Rollator auf Verbrecherjagd

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll; so sehr hat mir dieses Krimi-Debüt der Übersetzerin und Autorin Marlies Ferber gefallen! Denn sicher ist es eine Sache, als Erstling einen „lustigen Krimi“ zu veröffentlichen, wie es derzeit gerade Mode ist. Eine völlig andere Sache ist es jedoch, glaubhafte Charaktere mit einer unterhaltsamen Story und vielen, liebevollen Referenzen an große Krimi-Vorbilder so zu verquicken, dass ein eigenes, aber durch und durch glaubwürdiges „Produkt“ entsteht.

In diesem Buch fließen Reminiszenzen an James Bond und Miss Marple gekonnt zusammen, sowohl was „Setting“ und Handlung, als auch was die handelnden Personen betrifft. Hauptpersonen sind erstens James Gerald, pensionierter Geheimdienstagent in den 70ern, und seine Freundin, Nachbarin und ehemalige Kollegin Sheila Humphreys (ihrerseits auch schon 69 Jahre alt). Ein ungutes Bauchgefühl treibt James mitsamt seinem Spezial-Rollator (!) in die Seniorenresidenz „Eaglehurst“ in Hastings an der Südküste Englands. Sein ehemals bester Freund ist in der besagten Seniorenresidenz plötzlich verstorben, und James mag an die Harmlosigkeit des Vorfalls einfach nicht glauben. Sheila wettert per Telefon anfangs noch gegen James’ Entschluss, sich im Heim niederzulassen – doch einige unerklärliche, weitere Todesfälle später reist auch sie an, um gemeinsam mit James der Sache auf den Grund zu gehen…

Die Handlung mag ich gar nicht weiter zerpflücken. Es würde dem Buch und seinem ganz eigenen, herzallerliebsten Witz auch gar nicht gut tun, dem Leser alles vorweg zu nehmen. Ganz wie bei Miss Marple & Co. ergibt sich jede neue Situation, jede neue Verwicklung aus einem scheinbar winzigen Detail heraus. Auch von scheinbaren Vergiftungen und Überfällen auf der Straße lassen sich James und Sheila nicht beirren! Mit Charme (Sheila) und knochentrockenem Witz (James) begegnen sie so mancher Situation, und das ist mehrfach wirklich urkomisch!

Besonders herrlich fand ich die Veralberung, bzw. Bezugnahme auf den Technik-Spleen des „echten“ James Bond. James ist eine wahre Fundgrube an hochmodernen Ermittlungstechniken, und jongliert mit Apparaturen, bei denen man als Leser nur noch mit den Ohren schlackert. Und das mit 70! Und letztlich sind es genau diese Dinge, die der Aktion ihren Erfolg einbringen.

Sheila wird angenehm als Begleitfigur aufgebaut, nicht zu dominant, eher wie eine „würzende Beigabe“. Mit ihren 69 Jahren wirkt sie doch viel jünger, immer noch attraktiv, charmant, und ihren Minirock (!) schwingend. Ein wunderbar skurriles Paar, das sich die Autorin hier ausgedacht hat! Auf die zahlreichen „literarischen Verneigungen“ vor weiteren Kriminalfiguren, geschickt in der Handlung versteckt, möchte ich nur am Rande hinweisen. Krimi-Leser werden schon allein am Herauspicken dieser Details ihre helle Freude haben!

Ich habe ungern im (wiederum herrlich schrägen) Epilog von den Figuren Abschied genommen. Ganz wie in einem dieser alten Schwarzweiß-Filme mit Margaret Rutherford, bleibt man am Ende verblüfft, aber auch wieder befriedigt zurück. Es geht weniger darum, ob man den Täter selber auch erraten hätte – mir wäre dies z.B. nicht gelungen. Es geht vielmehr darum, den Leser glänzend zu unterhalten, und sich vor literarischen Vorbildern zu verbeugen. Beides ist der Autorin hervorragend gelungen. Bitte mehr davon!

6 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.03.2012
Weiße Nana
Landgrafe, Bettina

Weiße Nana


ausgezeichnet

Nach kleinem Zögern entscheide ich mich für 5 Sterne für dieses wunderbare Buch, das ich so ungern als Sachbuch bezeichnen möchte. Sicher, rein fachlich betrachtet ist es ein Erfahrungsbericht, nämlich die Lebensgeschichte einer Krankenschwester aus Hagen, und die Geschichte ihres Engagements für das afrikanische Land Ghana. Aber es hat für mich noch andere Qualitäten, die eben sonst bei einem Sachbuch selten anzutreffen sind. Und genau das hat die Lektüre für mich zu etwas Besonderem gemacht.

Verblüfft hat mich zuerst einmal das Vorwort von Atze Schröder. Ja, richtig gelesen, Atze Schröder! Dem hätte ich am allerwenigsten so viel Ernst und Tiefe zugetraut. Und doch hat er die Autorin kennengelernt und getroffen, ist mit ihr nach Ghana gereist - und hat wohl auch als Spendenbotschafter für sie fungiert, obwohl dies völlig an mir vorbeigegangen ist, wie ich gestehen muss. Diese Frau muss einfach etwas Besonderes haben, wenn ein gestandener Comedian sich für sie einsetzt!

Das Buch beginnt wie ein typischer Erfahrungsbericht unter vielen, die ja nach wie vor auf dem Buchmarkt im Schwange sind, und sich gut verkaufen. Doch schon bald merkt man, die Autorin berichtet eigentlich ungern von sich selber, sie berichtet gerade so viel von ihrer Kindheit und Jugend, wie zum weiteren Verständnis nötig ist. Sobald wir als Leser mit ihr in Afrika landen, beginnt sich die Chronologie zu verwischen, werden Fakten und ihre eigene Person in den Hintergrund gedrängt. Das Ganze wird, ich kann es nicht anders sagen, zu einer Liebesgeschichte - nämlich einer Liebesgeschichte zwischen ihr und dem Land Ghana, und vor allem seinen Menschen.

Im absoluten Vordergrund steht die Schilderung einzelner Projekte, und der damit verbundenen Schwierigkeiten. Jahreszahlen und technische Abläufe kommen nur sehr am Rande vor - immer geht es nur um den Eindruck der nächsten "Notwendigkeit". Und das alles beschrieben in einer absolut menschlichen, aber sehr farbigen Ausdrucksweise, mit viel Liebe zum "sprechenden Detail", mit treffsicherem Blick für menschliche Eigenheiten vor Ort, mit großem, ja größtem Respekt vor gewachsenen Strukturen. Bettina Landgrafe ist eben nicht die Weiße, die alles besser weiß - sondern sie sieht sich als Mensch unter Menschen, der den besten Weg sucht, um nachhaltig die Lebensumstände zu verbessern. Ein Freund, der helfen will - nicht ein Westler, der sich von oben herab einbringen will.

Gleichzeitig spricht zu jedem Zeitpunkt aus ihren Worten das eigene Erstaunen, wie viel gelingen konnte, wie viel angepackt wurde. Auch nicht die Spur von Stolz - nur Freude, Freude über jeden Schritt, der in Richtung Besserung gegangen werden konnte. Das macht dieses Buch so menschlich!

Erstaunt hat mich, wie sehr sie ihr Privatleben schützt - sofern es sich in Ghana abspielt, wird es beschrieben, aber der in Deutschland liegende Teil verbleibt wie unter einer Schutzhaube. Dies unterstreicht für mich die Glaubwürdigkeit der Autorin - sie geht eben vollends in "ihrer Sache" auf. Sehr, sehr beeindruckend!

Nein, reines Sachbuch ist es sicher nicht. Es hat Anteile einer Liebesgeschichte, aber durch das Vernetzen eines Projektes mit dem nächsten hat es auch etwas von einem Abenteuer-Roman. Da die Menschen zu jeder Zeit im Vordergrund stehen, sogar diejenigen, die unsereins zu den "Bösen" zählen würde, entsteht der Eindruck, selber vor Ort gewesen zu sein. Dokumentarisch, authentisch, liebevoll, farbig - alles das ist dieses Buch. Mich hat es zu einem Zeitpunkt meines Lebens erwischt, wo auch ich zu "neuen Ufern" aufbreche. Ich nehme daher sehr viel aus der Lektüre mit - Mut, aber auch Ergriffenheit. Wie viel man doch bewegen kann, wenn man an etwas glaubt, hat mir die Autorin aufs Eindrücklichste bewiesen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.03.2012
Elefanten sieht man nicht
Kreller, Susan

Elefanten sieht man nicht


sehr gut

Ein definitiv mutiges Buch! Auch der Schreibstil, sowie die Struktur und die ganze Aufmachung, haben mir sehr gefallen. Mein persönliches Problem liegt nur darin, dass ich das Buch "als Jugendbuch" bewerten soll - aber dass ich gleichzeitig meine eigene, "erwachsene" Perspektive nicht ganz ausschalten kann.

Als Jugendbuch ist es wirklich super, da gibt es für mich kein Wenn und Aber. Schon allein die Aufmachung ist ganz der Zielgruppe angepasst. Und obwohl ich das sonst nie in Rezensionen erwähne - hier muss es sein. Stimmungsvolle Farbgebung, große Schrifttypen mit angenehmem Zeilenabstand, dickes, griffiges Papier, nicht allzu langer Text. Wunderbar, das dürfte auch eher lesefaule Jugendliche nicht abschrecken. Zudem ist die grafische Gestaltung des unter dem Schutzumschlag verborgenen Hardcover-Einbandes sehr tiefsinnig - das Buch sieht aus wie die Hütte, die in der Handlung eine gewichtige Rolle spielt.

Die Heldin Mascha ist wirklich wie aus dem Leben gegriffen. Sie ist 13, und verbringt die Sommerferien bei ihren Großeltern in einem kleinen Kaff. Wunderbar gezeichnet ist ihre Langeweile, und ihr schon leicht pubertierender Blick, der all die Scheinheiligkeiten dieser Dorfidylle schnell entlarvt. Auch die Tatsache, dass das Buch durchgehend aus ihrer Perspektive geschrieben ist, erleichtert die Identifikation mit Mascha.

Vielleicht ist eben diese Langeweile mit ein Grund dafür, dass sich Mascha ungewöhnlich heftig in ein Projekt, eine Eingebung, verrennt und verbeißt. Sie lernt zwei merkwürdige Kinder kennen, die 9jährige Julia und ihren 7jährigen Bruder Max. Die sind nicht nur scheu, nein, sie haben auch noch blaue Flecken und Verletzungen am ganzen Körper! Und bei einem heimlichen Blick durchs Fenster erfährt Mascha auch, wieso. Fortan fühlt sie sich für die "Rettung" von Julia und Max verantwortlich, zumal ihr kein einziger Erwachsener Gehör schenken will. Und bevor sie gar nichts tut, entschließt sie sich zu einer wenig durchdachten Verzweiflungstat...

Das Buch verbringt die meiste Zeit damit, eben den Fortgang dieser überstürzten Aktion Maschas zu schildern. Die Einleitungs- und Kennenlern-Phase fiel im Vergleich dazu kurz aus; ebenso kurz ist der Schluss, mitsamt dem Ausblick auf die weitere Handlung. Es ist ein eher offenes Ende, und das kann man nun, bedenkt man die Schwere des Themas Kindesmisshandlung, gut oder schlecht finden. Ich persönlich vermute, dass die Autorin ihre jugendlichen Leser nicht zu viel "belehren" wollte, und Raum lassen wollte für eigene Gedanken.

Dennoch, hier setzt meine leichte Kritik an dem Buch an, die auch Schuld daran ist, dass ich nur 4 Sterne vergebe. Würde und könnte sich etwas wirklich so abspielen? Würde sich eine 13jährige so verhalten, die doch am Anfang des Buches so abgeklärt war? Und würden Julia und Max das wirklich so mit sich machen lassen? Ich finde die Idee, die diesem Buch grundsätzlich zugrunde liegt, sehr gut, nur kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dieser Idee seien ein paar Punkte geopfert worden. Darunter eben z. B. teilweise die altersgerechte Charakterisierung der Kinder, sowie ein logischer und wahrscheinlicher Ablauf.

Andererseits ist eben fraglich, inwiefern ein jugendlicher Leser ebenso kritisch wäre wie ich. Was die erwünschte Zielgruppe betrifft, ist das Buch sicherlich sehr zupackend und treffend geschrieben! Herausragend ist auch die durchgängig tiefsinnige Sprache, die nur so vor Ausdrücken trieft, die man sich am liebsten abschreiben oder auswendig lernen möchte. Ich würde das Buch daher insgesamt doch sehr empfehlen! Allerdings nicht ohne eine begleitende Diskussion.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

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