Benutzer
Benutzername: 
TochterAlice
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 1450 Bewertungen
Bewertung vom 04.08.2025
Kloeble, Christopher

Durch das Raue zu den Sternen


ausgezeichnet

Moll will singen: Und zwar nicht nur in Moll, sondern in allen Tonlagen. Da es in ihrem kleinen Ort keinen passenden Chor für sie gibt, tut sie alles, um in den Knabenchor hineinzukommen, was eigentlich unmöglich ist. Doch Moll wäre nicht Arkadia Fink - das ist nämlich ihr richtiger Name - wenn sie nicht bekommen würde, was sie will.

Ein überaus unterhaltsamer, warmherziger und tiefsinniger Roman, wie ich es von Christopher Kloeble nicht anders kenne. Hier schafft er es, tief in die Seele eines jungen Mädchens einzudringen und diese für sich sprechen und denken zu lassen - wie junge Mädchen dies eben tun. In diesem Falle ein zutiefst unglückliches junges Mädchen, auch wenn sie es sich nicht eingesteht. Sie hofft trotz anderer Hinweise (eigentlich ist es deutlich mehr als das), dass ihre lustige, liebevolle und so musikalische Mutter pünktlich zum Beginn ihrer Sangeskarriere zurück kommen wird. Und Moll kann zwar nicht zaubern, aber singen - also machen Sie sich auf etwas gefasst!

Bewertung vom 03.08.2025
Kelly, Julia R.

Das Geschenk des Meeres


ausgezeichnet

Eine Geschichte auf zwei (Zeit)Ebenen: im Jahr 1900 und einige Jahre später: Es ist wie bei den Königskindern: sie lieben sich und kommen einfach nicht zusammen. Doch anders als bei den Königskindern stehen sie sich selbst im Wegl Namentlich ist es Dorothy, die Josephs wiederholte Versuche, auf sie zuzukommen, abwehrt. Doch eigentlich ist sie selbst nicht daran schuld - neu aus Edinburgh in das kleine Dorf am Meer zu kommen. um dort als Lehrerin zu arbeiten, ist schnell klar, dass sie und Joseph füreinander bestimmt sind - aber die junge Agnes hat ihn für sich auserkoren und versucht, dies nach Kräften durchzudrücken. Vor allem, indem sie und die ihrigen Dorothy deutlich machen, dass sie die Finger von Joseph zu lassen hat!

Dorothy heiratet einen anderen, bekommt ein Kind und verliert dieses auf tragische Weise. Eine Geschichte von (wenig) Nähe und (überbordender) Ferne mit eindringlich gezeichneten Charakteren - sowohl die Haupt- als auch die Nebendarsteller sind - teils mit wenigen Worten - so klar und deutlich dargestellt, dass ich sie und auch das Setting bildhaft vor mir sehe.

Ein wundervoller, ruhiger, dabei kraftvoller und auch tragischer Roman, in dem am Ende die Hoffnung dominiert. Meine uneingeschränkte Empfehlung!

Bewertung vom 01.08.2025
Kuhn, Yuko

Onigiri


sehr gut

Das teilen Aki, aus deren Sicht dieser Roman erzählt wird und ihre Mutter Keiko, die einst aus Japan nach Deutschland kam, um zu singen, sich in einen Deutschen ver- und dann wieder entliebte, aber mit ihren beiden Kindern dennoch in Deutschland blieb.

Inzwischen ist sie dement - aber ihre kulturelle wie auch nationale Verlorenheit besteht weiterhin. Auch in ihrem Heimatland? Aki, inzwischen selbst verheiratet und Mutter mehrerer Kinder fliegt kurzerhand mit der Mutter nach Kobe, deren Heimatstadt, nachdem sie verspätet erfährt, dass ihre Großmutter verstorben ist.

Die Leser:innen erleben nicht nur die Reise der beiden, sondern tauchen während der Lektüre tief in die Biographien beider Protagonistinnen - und auch einiger mehr - ein.

Eine faszinierende, ungewöhnliche Lektüre, während der ich mir wieder und wieder die Frage stellte, ob bzw. inwiefern Akis Geschichte mit der der Autorin übereinstimmt. Wie auch immer, ich könnte es mir sehr gut vorstellen und mich hat diese Darstellung immer wieder sehr bewegt. Zugehörigkeit und Ausgeschlossensein in einem Land, in das man nicht, oder nur teilweise (in Akis Fall zur Hälfte) geboren ist, das sind große zeithistorische Themen, die auch mich selbst betreffen. Autorin Yuko Kuhn vermag das Dilemma derer, die "dazwischen" leben, eindringlich darzustellen - nur an einigen Stellen springt sie ein wenig zu sehr hin und her, die jeweiligen Sequenzen wirken dadurch etwas zerfahren bzw. verwirrend. Doch habe ich immer wieder in die Handlung zurückfinden und mich an den teils traurigen, teils sehr unterhaltsamen oder gar lustigen Schilderungen bereichern können.

Bewertung vom 27.07.2025
Shattuck, Ben

Die Geschichte des Klangs


gut

Ja, ja - die Liebe - ist es vor allem Lionels und Davids Liebe zur Musik oder doch die zueinander? Die ich im übrigen möglicherweise überlesen hätte, wäre ich nicht über das in diesem Kontext überaus unpassende Wort "vögeln" gestoßen.

Während des Ersten Weltkriegs in friedlichen Gefilden: Lionel, ein junger Musiker, vor allem Sänger, lernt David in einem Pub kennen und wird Monate später von diesem eingeladen, ihn auf einer beschwerlichen Reise unter Mitnahme eines alten Aufnahmegerätes - hier soll Lionel beim Tragen helfen - auf der Suche nach alten Folksongs im ländlichen Nordamerika zu begleiten.

Die Schilderung dieser Reise (abgesehen vom Vögeln) hat mir sehr zugesagt, was für ein wunderbares Projekt, dieses Sammeln und Aufzeichnen der Lieder, quasi eine Art Oral History in Liedern. Die ansonsten eher platonisch formulierte Zuneigung der beiden jungen Männer zueinander ist stimmungsvoll und einfühlsam geschildert. Der zweite Teil, der etwa 70 Jahre später, in den 1980er Jahren angesiedelt ist, kann damit aus meiner Sicht leider nicht mithalten und so verläuft diese Novelle für mich ein wenig im Sande....

Bewertung vom 25.07.2025
Hopper, Sophie

Miss Taylor, das Wasser und die Liebe


gut

Eine Frau auf neuen Wegen - zunächst unfreiwillig, da ihre Identität wider ihren Willen aufgedeckt wurde: Milla Taylor heißt eigentlich ganz anders (mit Nachnamen) und ist die Tochter eines wirtschaftlichen Schwergewichts, der Schuld an der Entstehung der Wirtschaftskrise von 1930 und all deren Folgen trug.

Sie führt(e) ein überaus unauffälliges Leben, bis ein ehrgeiziger Journalist einfach so mir nichts, dir nichts im Jahr 1950 ihre Identität aufdeckt - und zwar an ihrem Arbeitsplatz, den sie im Anschluss alsbald aufgibt. Bald entdeckt sie das Tauchen für sich und beteiligt sich an einer archäologischen Expedition eines rein weiblichen Teams nach Yucatan, Mexiko, wo sie beim Tauchen den entscheidenden Fund machte, den die Leiterin der Gruppe allerdings für sich beanspruchte.

Der Zufall verschlägt Milla nach Frankreich, sie taucht weiter - und verarbeitet eine unglücklcihe Liebe.

Das Buch ist aus meiner Sicht ein zweischneidiges Schwert - Thema und auch im Großen und Ganzen der Handlungsverlauf haben mir so gut gefallen, dass ich das Buch (über 400) Seiten an einem Tag durchlas. Das hatte aber auch mit Sprache und Form zu tun, über die ich mich stellenweise ärgerte - die Sprache war so gar nicht an die 1950er Jahre angepasst. Zudem ärgere ich mich als Historikerin auch sehr über atmosphärischen Verfehlungen in Romanen - dieser könnte auch in der Gegenwart angesiedelt sein. Doch möglicherweise ist dies weiteren Rezipienten nicht so wichtig.

Bewertung vom 24.07.2025
Stieler, Jana

Brackwasser - Stille Wasser sind tief. Und manche sogar tödlich ...


sehr gut

Svea ist dorthin zurückgekehrt, wo sie nie wieder sein wollte. Der Grund: das Haus ihres geliebten Onkels Sören, das er, der offensichtlich durch die eigene Hand verstarb, ihr vererbt hat. Einerseits freut es sie, ihm dadurch nahe zu sein, auch wenn er selbst nicht mehr da ist - sein Hund muss versorgt werden und in dem Haus erinnert alles an ihn.

Ansonsten jedoch hat sie nur traurige bzw. gar böse Erinnerungen an den kleinen Ort: ihre beste Freundin Julia verschwand damals auf Nimmerwiedersehen und deren Freund, den sie bis heute des Mordes an ihr verdächtigt, ist seit Jahr und Tag mit ihrer eigenen Schwester verheiratet, mit der sie früher sehr eng war. Doch seit diese unter dem Einfluss dieses seltsamen Menschen steht, haben sie keinen Kontakt mehr.

Es sind also vor allem zumindest unangenehme, teils sogar sehr schwierige Umstände, die Svea bei ihrer Rückkehr vorfindet, doch dann taucht ein Knochen auf, der laut Untersuchungsergebnis zu ihrer Freundin Julia gehört. Ab dann sieht sich Svea als Ermittlerin im Auftrag ihrer toten Freundin - unbedingt muss sie herausfinden, was passiert ist. Doch bald wird klar, dass sie selbst in großer Gefahr schwebt...

Bewertung vom 20.07.2025
Mitzenmacher, Christian

Knallkrebse


weniger gut

Knallt leider nicht so richtig!
Beziehungsweise im Klartext: die Handlung vermag mich nicht so recht zu erreichen. Als Leserin dieses Romans um einen jungen Mann und angehenden Wissenschaftler, der sich um einen jungen Flüchtling aus Afghanistan kümmert, bleibe ich außen vor.

Auf dem Rücken des Umschlags ist festgehalten, dass hier die Komplexität menschlicher Beziehungen ausgeleuchtet wird. Nicht aus meiner Sicht - ich bleibe hier völlig außen vor, habe nicht den Hauch einer Chance bei dem Beziehungsgeflecht des Ich-Erzählers durchzusteigen. Es sind eher Blitzlichter, Momentaufnahmen, die aus meiner Sicht das Miteinander nicht nachhaltig abbilden, es ist eher eine launenhafte Revue der Begegnungen von Tom mit seinem Schützling Farid, wobei drumherum noch seine Freundin Laura, sein Bruder Lukas und dann noch Yev, den ich so gar nicht einzuordnen vermag. Später kommt dann Sofie in Frankreich dazu, bei der Tom zeitweise unterkommt. Doch in diesen eigentlich doch vorhandenen Beziehungen findet sich keine Dichte und noch weniger Dynamik.

Von mir daher leider nur 2,5 Sterne!

Bewertung vom 20.07.2025
Teige, Trude

Wir sehen uns wieder am Meer


ausgezeichnet

Heftig, berührend, fesselnd: Das sind nur drei - allerdings die stärksten - Emotionen, von denen ich während der Lektüre dieses Romans gepackt wurde und zwar so, dass ich - gelobt seien freie Sonntage - ihn in einem Zug gelesen habe, ja lesen musste!
Diesmal steht vor allem Krankenschwester Birgit, eine enge Freundin der im Regen tanzenden Großmutter Thekla aus dem ersten Band der "lockeren" Trilogie der Autorin Trude Teige um Schicksale im Zweiten Weltkrieg, im Mittelpunkt.

Birgit begibt sich als Krankenschwester in den Norden Norwegens und wird dort Zeugin diverser grauenvoller Kriegshandlungen, die vor allem durch die deutschen Besatzer vollzogen werden. Doch sie begegnet auch der Liebe...

Neben ihr stehen aber vor allem andere Frauen im Zentrum der Handlung: vor allem die erst 16jährige Zwangsarbeiterin Nadja aus der Ukraine, aber auch deren Freundin und Schicksalsschwester und eine Kollegin von Birgit. Wieder ist Trude Teige ein packender Roman gelungen, in dem ich viel Neues über Norwegen im Zweiten Weltkrieg erfuhr - wie immer verpackt in eine spannende Handlung. Auch die Figuren sind sehr gelungen; ich hatte Birgit und die anderen während der Lektüre stets vor Augen.

Wer zu diesem Buch greift, sollte sich allerdings im Klaren darüber sein, dass es stellenweise so grausam zugeht, dass man es während der Lektüre kaum verarbeiten kann - die Leser werden nicht geschont, das Leid der Bevölkerung Norwegens wie auch der aus anderen Teilen Europas dorthin verschleppten Menschen wird ausgesprochen eindringlich dargestellt. Ein Buch, das viele Leser verdient!

Bewertung vom 20.07.2025
Fonthes, Christina

Wohin du auch gehst


sehr gut

Das ist meiner Ansicht nach eines der Ziele dieses Romans - sicher wird manch einer nun sagen, dass der Feminismus bereits seit Jahrzehnten auf dem Weg zu wasauchimmer ist und es vom jeweiligen persönlichen Hintergrund abhängt, ob und in welcher Form dies angenommen wird. Das ist zweifellos bei uns der Fall, ebenso in zahlreichen Ländern Westeuropas und anderer westlicher Länder, doch in dem Umfeld, in dem dieser Roman angesiedelt ist, nämlich im Kongo und unter kongolesischen Emigranten, findet dies deutlich weniger statt.Wobei die Handlung des Romans in den 1980er und den 2000er Jahren spielt, aber auch da tickten die Uhren in vielen der genannten Länder schon deutlich anders.

Die Männer beherrschen die Politik wie auch das Heim in vielen Fällen, zudem hindert das soziale Gefüge sowohl im Land selbst als auch außerhalb die Frauen daran, sich in vielerlei Form freizuschwimmen.

Im vorliegenden Roman lernen wir Bijou kennen, die irgendwann von ihren Eltern aus Kinshasa zu ihrer Tante Mireille nach London verfrachtet wird und dann einfach nicht wieder zurückgeholt wird. Das Tantchen bezieht sie in ihr Leben ein, wozu vor allem eine intensive Anbindung zur kongolesischen Gemeinde der Stadt wie auch generell zu Gepflogenheiten des Landes, seinen es Speisen, Traditionen oder auch die Achtung Älteren gegenüber gewahrt werden sollen. Bijou fühlt sich darin überhaupt nicht wohl, zumal sie zum ersten Mal so richtig verliebt ist und eine Beziehung pflegt - und zwar zu einer Frau. Und dann soll sie auf einmal einen Mann heiraten, einen, den die Gemeinde ihr ausgesucht hat.

Bijou will sich von allem lösen, doch irgendwie klappt das nicht...

Ein eindringlicher Roman, den ich mit Interesse, teilweise auch mit Faszination gelesen habe, wenn ich auch einigen Darstellungen nicht ganz folgen konnte bzw. mehr Zeit brauchte, um diese zu verstehen bzw. in Gänze nachvollziehen zu können. Ein Familienroman, der stellenweise schockiert, dann aber wieder richtig warmherzig daher kommt. Etwas für Leser*innen, die auch gern mal Neues kennen lernen!

Bewertung vom 13.07.2025
Moriarty, Liane

Vorsehung


ausgezeichnet

Dieser Roman, in dem die australische Autorin Liane Moriarty ihre Hauptfigur, eine alte Dame namens Cherry Lockwood auf einem Flug viele Mitfliegenden über ihren Todeszeitpunkt und die jeweilige Todesursache informiert und sich nachher nicht mehr daran erinnern kann, hat mich unerwarteterweise sehr begeistert.

Es geht hier nicht um einen Klamauk, sondern um einen Prozess, der sich im Laufe des inzwischen langen Lebens von Cherry entwickelt hat und darum, wie die Empfänger der Nachricht damit umgehen. Und natürlich auch darum, ob ihnen nun der Sensenmann entgegentritt oder nicht.

Moriarty blickt hinter die menschlichen Fassaden und demaskiert diese auf eine gewisse, sehr menschliche Art, die vor Humor und Ironie nur so strotzt - aber auch vor Liebe. Und zwar von der Liebe zu den (meisten) von ihr geschaffenen Figuren und auch zum Leben! Dasjenige ihrer jeweiligen Charaktiere entzieht sie ihnen nicht einfach so, nein, es hat alles seine Logik, seine eigene Bewandtnis. Ich muss sagen, ich bin begeistert - ob nur von diesem, oder auch von anderen Werken der Autorin Liane Moriarty, das wird sich zeigen!