Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
lak
Wohnort: 
plauen

Bewertungen

Bewertung vom 26.12.2009
Endspiel
Kowalczuk, Ilko-Sascha

Endspiel


ausgezeichnet

Vogtland Anzeiger vom 14.08. 2008 (S. 12)

Von Plauen ging das Erdbeben aus
„Endspiel“ - Buch würdigt die Stadt

Frühjahr diesen Jahres erschien neben zahlreichen anderen Büchern anlässlich des bevorstehenden 20-jährigen Jubiläums von politischer friedlicher Revolution, politischer Wende und Mauerfall beim renommierten auf historische Themen spezialisierten Verlag C.H. Beck ein Buch mit dem Titel „ENDSPIEL – Die Revolution von 1989 in der DDR“ von Ilko-Sascha Kowalczuk. Der Autor, Jahrgang 1967 war sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur“ des Deutschen Bundestages und Arbeitet als Projektleiter in der Forschungsabteilung der Birthler-Behörde.

Einleitend wird ausgiebig die niederschmetternde wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Lage in der DDR Ende der 80er Jahre ebenso geschildert, wie die Folgen des aus dem Ruder laufenden Prozess von Glasnost und Perestroika in der UdSSR unter Gorbatschow. Der Autor zeichnet ein Chronik der sich besonders im Umfeld der evangelischen Kirche der DDR langsam organisierenden Opositionsbewegungen und der staatlichen Repressionsmassnahmen dagegen. Er weist nach, dass „die Wende“ eine – wenn auch friedliche - vollgültige Revolution nach einschlägigen wissenschaftlichen Kriterien war. Er sieht die Staatssicherheit „Schild und Schwert der Partei“ und nicht als „Staat im Staat“. Diese sei von den Repräsentanten der SED und ihren Nachfolgeorganisationen zur eigenen Entlastung und Existenzsicherung als Sündenbock aufgebaut worden, obwohl die Entscheidung, nicht auf die Demonstranten feuern zu lassen eher von einem resignierenden Mielke als von vorgeblichen Reformkadern der SED wie Krenz, Schabowski, Modrow und Gysi getroffen worden sei.

Ausführlich würdigt Kowalczuk der damit auch kürzlich in einem SPIEGEL-Artikel zum Thema zitiert wurde die Rolle Plauen, als Ort der ersten friedlichen Massendemonstration in der DDR mit deutlich über 10.000 Teilnehmern. Diese sei „das eigentliche Erdbeben“ am 40. Jahrestag der DDR gewesen. Der Aufruf zu dieser Demonstration, der nur in wenigen Exemplare zirkulierte wird über zwei Buchseiten im kompletten Wortlaut wiedergegeben. Plauen sei nur deswegen „nicht zur Heldenstadt erklärt worden, weil die Tragweite der Ereignisse ohne westliche Fernsehkameras nicht bekannt wurde“. Bis heute sei nur wenigen bewusst, „dass diese Stadt die erste war wo der Wille zur Revolution UND ZUR DEUTSCHEN EINHEIT massenhaft auf der Straße bekundet wurde“. „An diesem Tag beteiligten sich prozentual so viele Bürger der Stadt an den Protesten wie in keiner andern Stadt.“ Der Abschnitt endet mit der Aussage, dass Plauen wochenlang die Stadt in der DDR blieb, die allen anderen jeweils einen Schritt voraus war. „Hätte irgend ein verantwortlicher Politiker in Ost oder West im Oktober auf Plauen geschaut“, hätte er gewusst, „wohin und wie schnell die Reise gehen würde.“ Joachim Gauck, der erste Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde wird zitiert: „Die Massen waren stürmisch erwacht. Plauen sei Dank! Sie wollten Endspiel. Götterdämmerung war angesagt.“

Dem Buch von Ilka-Sascha Kowalczuk ist Verbreitung, Aufmerksamkeit und Beachtung zu wünschen, auch um die Wahrnehmung der historischen Rolle Plauens und der Plauener Bürger beim Ausbruch der friedlichen Revolution 1989 auch über die Grenzen der Stadt und des Vogtlandes hinaus zu verstärken und zu verankern. lak

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.