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Benutzername: 
DonHo
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 12.05.2023
Nachts ist man am besten wach [Ungekürzt] (MP3-Download)
Sanders, Kristina

Nachts ist man am besten wach [Ungekürzt] (MP3-Download)


ausgezeichnet

Ich habe selten so eine gelungene Kombination von Humor und Ernsthaftigkeit erlebt! Ich würde dieses (Hör)Buch vor allem Frauen zwischen 25 und 50 und allen Menschen, die in tiefen Lebenskrisen stecken oder mit starken Veränderungen zu kämpfen haben empfehlen. Das (Hör)Buch hat schwere Kost leicht verpackt, dadurch hat die Geschichte zwar philosophische Tiefgänge, aber auch eine gewisse "Leichtigkeit" und ist zur Entspannung geeignet. Es handelt sich um eine beeindruckende Geschichte, die online durch soziale Netzwerke und mit viel Einsamkeit beginnt und mit dem realen Leben und der konstruktiven Macht menschlichen Miteinanders und Gemeinschaft endet. Es tauchen neben Witzen, lustigen Pointen auch immer wieder amüsanten Nebenfiguren, die die Stimmung trotz der ernsten Lage aufhellen. Man kann fast schon sagen es ist eine Komödie mit geistigem Tiefgang.Es war schön zu sehen, wie Menschen einander aus der Einsamkeit und der Hilflosigkeit hinaushelfen können. So können auch Lebensumbrüche und - zusammenbrüche noch positiven Ausgang haben kann. Es ist eine Komödie mit Sinn und ohne Oberflächlichkeiten!
Auch die Erzählstimme hat mir sehr gut gefallen, obwohl ich diesbezüglich nur schwer zu überzeugen bin.

Bewertung vom 12.04.2023
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


ausgezeichnet

In der Schule trifft die aus einer sehr privilegierten, finanziell gut situierten Familie stammende und sehr selbstbewusste Sophie Luise auf eine Gegenwelt: die eingeschüchterte, aus einer sehr religiösen Familie stammende und aus Somalia geflohene Ayana. Diese Unterschiede und auch die sprachlichen Barrieren hindern sie nicht daran, sich gegenseitig ins Herz zu schließen. Es gelingt ihr trotz der Bedenken von Ayanas Eltern und Sophie Luises Vater Ayana mit in den Luxusurlaub in der Toskana mitzunehmen. Auch ein Starwinzer und seine Frau sind dabei. Hierbei prallen nicht nur Gegensätze und (teilweise wirklich widerliche) Klischees aufeinander. Es kommt zu einer Katastrophe, die drei Familien vor große Herausforderungen stellen. Es kommt aber nicht nur zu juristische und grundsätzliche Fragen wie etwa Schuld, (vermeintliche) Moral in Relation mit Pragmatismus / "Schadensregulierung" und Flucht/ Migration, sondern auch darum, wer zu Wort kommen darf und kann ...

Obwohl ich mich mit keinem der Charaktere und ihren Motiven/ Denkweisen identifizieren konnte, hat der Autor sie und ihren Einstellungen nachvollziehbar dargestellt und obwohl mir der Schreibstil zu Beginn des Buchs nur mäßig gefiel (das hat sich im Laufe des Lesens geändert), fande ich das Buch sehr spannend und konnte es kaum aus den Händen legen.

Dieses Buch ist definitiv nicht für jemanden geeignet, der nach einer einfachen und entspannenden Unterhaltungsliteratur sucht! Es ist vielmehr ein ausgezeichneter Roman, für jeden, der eine anspruchsvolle Auseinandersetzung mit den Themen Schuld, Migration/ Flucht (nach Europa) und Wiedergutmachung/Kompensation jenseits von Klischees und den -wie ich finde- üblichen schwarz-weiß-Denkweisen sucht. Dabei lässt der Autor zugleich auch einige Dinge offen bzw. diskutiert sie nicht zu Ende - wie auch in der realen Welt. Der Autor liefert jedoch sehr interessante Denkanstöße.

Bewertung vom 08.04.2023
Nach einem Traum
Schad, Gina

Nach einem Traum


ausgezeichnet

Das Buch legt die Psyche und die psychische Entwicklungen einer jungen Frau offen, die sich sehr unglücklich in einen verheirateten Familienvater verliebt. Dieser erwidert zwar ihre Gefühle, aber liebt sein Familienleben und will es für sie nicht aufgeben. Im wirklichen Leben hält er sie auch physisch auf Distanz und sucht lediglich digital ihre Nähe - mit Nachrichten, Social Media etc. In der digitalen Welt steigern sich beide in ihre Gefühle auch weiter rein. Als Simon merkt, dass Marie seine Grenzen nicht versteht bzw. verstehen will, zieht er (vermeintlich) die Reißleine und bricht den Kontakt ab - sowohl im wirklichen Leben als auch digital. Das Angebot des Internets, der Google-Suchfunktion und Social Media zu erfahren, wie Simon sein Leben führt/ weiterlebt, lässt Marie nicht los ... Ihr Traum von einem Paarleben mit Simon ist und war nie real und wird es auch nicht sein. Ihr toxisches Gedankenkarussell und digitale "Fetzen" nähren jedoch ihre Fantasiewelt weiter... Sie gibt schließlich einmalige berufliche und persönliche Chancen auf nur um ihren Simon vermeintlich nah zu sein. Es gibt jedoch noch spannende Überrasschungen .... Obwohl immer wieder spätere Nachrichten Maries, die von Simon unbeantwortet bleiben, eingeschoben werden, anhand derer Marie im Nachhinein bestimmte Situationen kommentiert, gelingt es der Autorin nicht allzu viel zu verraten und es bleibt bis zum Schluss sehr spannend!

Der Schreibstil ist sehr einmalig und ich hab das Buch verschlungen!

Wenn der Traum nicht Wirklichkeit ist, aber du es dir anhand digitaler "Krümmel" zusammenbasteln willst

Ich kann dieses Buch jedem ans Herz legen, der sich für die Digitalisierung unserer Beziehungen, Social Media und Online-Stalking interessiert!

Bewertung vom 04.02.2023
Salomés Zorn
Bekono, Simone Atangana

Salomés Zorn


sehr gut

Die Autorin stellt die Jugendgeschichte der schwarzen, aus Afrika stammenden Protagonistin Salome in den Niederlanden vor. Hierbei präsentiert sie Stück für Stück wichtige Ereignisse aus ihrem Leben, die schließlich als einzelne Puzzleteile zu einem Gesamtbild ihrer bisherigen Biografie führen. Abwechselnd werden Abschnitten aus ihrer Kindheit und Jugend mit ihrer Familie, in der Schule, in der niederländischen Gesellschaft, im Urlaub in Kamerun, ihrem Aufenthalt in einem therapeutisch begleiteten Rehabilitationszentrum, ihr Gewaltausbruch gegenüber zwei rassistischen Tätern und ihrer Gerichtsverhandlung erzählt. Dabei bleibt die Autorin stets bei Salomés Perspektive und gibt einen tiefen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonistin. Deutlich wird, dass Salomés Leben nicht durch Liebe und Gemeinschaft, sondern durch, Hass, Ver- und Missachtung, Wut, Gewalt, Isolation und emotionaler Vereinsamung geprägt ist. Die Wurzel dieser Ausgrenzung ist Salomés Hautfarbe und Herkunft. Menschen können ihre Hautfarbe und ihre Herkunft nicht selbst wählen. Dagegen können Menschen wählen nicht rassistisch zu sein und andere Menschen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbilds und ihrer Herkunft nicht auszugrenzen, psychisch und/ oder physisch zu verletzen. Um keine Verzehrung der eigentlichen Ursache bzw. keine Täter-Opfer-Umkehr vorzunehmen, ist als der Rassismus ihrer Mitmenschen und der gesellschaftlichen Strukturen verantwortlich zu machen. Das Buch ist nicht angenehm zu lesen. Dies liegt zum einen an der düsteren Gedanken- und Gefühlswelt der Welt und zum anderen daran, dass die hässlichste und gnadenloseste Seite des Rassismus in seiner pursten Form – die Entmenschlichung und Degradierung anderer Menschen aufgrund von äußeren Merkmalen, die Menschen nicht selbst wählen können. Der Zufall entscheidet, wer Rassismus ertragen muss.
Dieses Buch ist kein Buch zum Entspannen, sondern wer die Grausamkeiten der Welt kennenlernen kann. Die Protagonisten erlebt lediglich aufgrund ihrer Herkunft und ihrer Hautfarbe Ablehnung, Hass, Respektlosigkeit, Verachtung und Spot – physische und psychische Gewalt. Obwohl sie durch Passivität und durch Leistung versucht zu fliehen, verfolgt sie der Rassismus überall hin. Das System der Gesellschaft ist so aufgebaut, dass es für Salomé kein Entkommen gibt. Rassismus und rassistische Klischees werden der Gesellschaft von Grund auf eingeimpft und sind selbst im Unterbewusstsein von Menschen ohne böse Absichten stark verankert.
Dieser Rassismus, der zu Ausgrenzung, Mobbing, physischer und psychischer Gewalt führt bei Salome zu endlosem Schmerz und Kränkungen - jeder rassistische Stoß ist ein Schmerz auf neues. Es gibt keine Abstumpfung. Wie in der griechischen Sage des Prometheus, dem ein Adler täglich einen Teil seiner Leber heraushackt, der bis zum nächsten Tag nachwächst.

Griechische Sagen werden immer wieder gekonnt eingearbeitet und versinnbildlichen die Gefühle und Empfindungen bezüglich bestimmter Situationen und Menschen der Protagonistin. Auch der sonstige Schreibstil ist abgestimmt auf Salomés Gefühls- und Gedankenwelt: knallhart, düster, roh und ungeschmückt.

Die wiederkehrenden Schmerzen und Kränkungen führen zur Frustration, Verzweiflung und unbändiger Wut. Es zeigt sich dabei anhand von Salomés Gedanken- und Gefühlswert die destruktive Energie der Wut, die für Salomé zunehmend unerträglich wird. Schließlich entlädt sich Salomés Zorn in Gewalt - ein verzweifelter Versuch, um nicht mehr Opfer rassistischer Gesellschaftsstrukturen und Menschen zu sein.
Die Brutalität, die ihr widerfahren ist, gibt sie zurück – mit negativen Konsequenzen für die Ausgrenzer, sie selbst und die betroffenen Familien. Wut ist und bleibt destruktiv und zerstört. Dementsprechend kommt es bedauerlicherweise nicht zur Durchbrechung der Teufelsspirale ….
Dieser Roman ist wahrlich kein Buch für entspannende Stunden, sondern gewährt mutige Einblicke in hässliche Wahrheiten und brutalen Rassismus – ohne Filter und schonungslos offen.