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paragrafeneiterin

Bewertungen

Insgesamt 6 Bewertungen
Bewertung vom 03.09.2025
Maschik, Anna

Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten


sehr gut

Rezension zu "Wenn du es heimlich machen willst, musst du die Schafe töten" von Anna Maschik

Der Titel des Buchs ist zugleich auch sein erster Satz und hat mich, in Verbindung mit dem Cover, magisch angezogen. Gegensätzlicher könnten Cover und Titel meines Erachtens nicht sein. Und genau das macht einen gewissen Reiz aus, der sich durch den gesamten Roman zieht.
Durch einen lyrischen, poetischen Roman, der nicht nur mit Sprache, sondern auch mit der Anordnung von Wörtern und Sätzen im Buch spielt sowie mit Absätzen und dem Hin und Herspringen in der Zeitgeschichte der Familie, um die es geht.

Die Geschichte beginnt mit Ausschnitten aus einem recht entbehrungsreichen Lebens am Hof der Urgroßmutter und zieht sich quer durch die Familie bis zur Urenkelin Alma.
Auf dieser literarischen Reise lernen wir einzelne Familienmitglieder besser kennen (wie zB den Bruder der bis zur Pubertät geschlafen hat), andere werden nur gestreift oder es sie sind ohnehin selbsterklärend (dass Männer eher abwesend waren was Hausarbeit angeht, muss zu dieser Zeit wohl nicht erklärt werden, sondern nur Abweichungen von der Norm hervorgehoben werden). Es passiert Vieles, was erst später im Buch Sinn macht oder mich zum Schmunzeln gebracht hat.

Mich hat besonders berührt, dass jede Generation in der Familie mit ähnlichen Anlagen zur Welt kommt und auf seine Art versucht alles anders zu machen. Dabei entfernen sich die Familienmitglieder aber objektiv betrachtet nur marginal von dem jeweiligen Elternteil - so sehr sie sich auch anstrengen und egal welch große Hürden sie nehmen.

Am Ende blieb der Eindruck bei mir haften, dass das innere Erbe einer Familie schwer wiegt und wir unsere Wurzeln nie loswerden. Egal wie sehr wir sie vielleicht auch ablehnen mögen.

Am besten hat mir die lockere, gewitzte Art des Romans und der Schreibstil des Buchs gefallen. So viel wird nicht gesagt, schwingt aber zwischen den Zeilen mit und wird der Interpretation durch die Leser:innen überlassen.

Liest sich schnell und regt zum Nachdenken an!

Bewertung vom 12.08.2025
Fonthes, Christina

Wohin du auch gehst


sehr gut

Rezension zu "Wohin du auch gehst" von Christina Fonthes

Zum Inhalt:
Als Bijoux aus dem afrikanischen Kinshasa zu ihrer erzkonservativen, Jesus verehrenden Tante Mira nach London kommt, glaubt sie noch an eine rasche Rückkehr in ihre Heimat, sobald die Kriegsunruhen sich gelegt haben. Doch je länger sie dort ist, desto mehr bricht in ihr eine Welt zusammen. Sie fühlt sich eingeengt und kalt. Sehnt sich nach ihrer Mutter und nach Afrika. Als sich Bijoux in eine Frau verliebt, geht sie davon aus, dass etwas mit ihr nicht stimmt und verheimlicht die Verbindung. Das Gefühl nicht sie selbst sein zu können, bestimmt ihren Alltag. Richtig schlimm wird die Situation aber erst, als sie sich aus Verzweiflung gegenüber ihrer Tante und ihrer Mutter öffnet. Ihr Coming Out hat ungeahnte Folgen und zieht am Ende weitere Kreise durch ihre Familie, als Bijoux es je für möglich gehalten hätte. Vielleicht ist sie ihrer Tante Mira ähnlicher als gedacht?

Der Roman ist sehr spannend und kurzweilig geschrieben. Dass die Autorin es auch noch schafft, trotz rasantem Storytelling, soviel akfrikanische Kultur, Geschichte und Gesellschaftstheorie in dieses Buch zu packen, ist wirklich faszinierend.
Am Ende der Lektüre hatte ich das Gefühl wirklich ein bisschen mehr von Afrika und den Menschen dort verstanden zu haben.
Vor allem in Bezug auf deren (vermeintlich in vielen Regionen immer noch vorherrschende) Einstellung zu Homosexualität und generell von der gesellschaftlichen Norm abweichenden Lebensmodellen.

Die Geschichten der Hauptprotagonistinnen Mira und Bijoux werden abwechselnd, kapitelweise und in unterschiedlichen Zeitzonen erzählt. Anfangs war mir nicht klar, wer hier wer ist und wie die Geschichten der beiden Frauen zusammenhängen. Der Überraschungseffekt in der Mitte des Buchs war bei mir jedenfalls groß. Im positivsten Sinne!

Der Titel "Wohin du auch gehst" hat für mich nun mehrere Bedeutungen:

Erstens ist es eine Art "Code" zwischen Bijoux und ihrer Partnerin, um sich gegenseitig zu versichern, dass sie immer füreinander da sind.
Aber zweitens (und diese Bedeutung finde ich persönlich noch schöner) auch, dass egal wohin wir gehen, unsere familiären Bande, die Wurzeln unserer Heimat und auch unsere Vergangenheit, werden uns immer einholen, solange wir uns weigern hinzuschauen und uns damit auseinanderzusetzen. Und um da zu schaffen, brauchen wir eben auch oft die Hilfe anderer Menschen. Es lohnt sich immer diese anzunehmen.

Bewertung vom 18.07.2025
Rubik, Kat Eryn

Furye


gut

Rezension zu "Furye" von Kat Eryn Rubik

Außen Hui, innen pfui - so könnte man das Leben der Hauptprotagonistin kurz und platt beschreiben. Die erfolgreiche Musikmanagerin schleppt privat ein schweres Paket mit sich herum. Der letzte Hoffnungsschimmer, den sie noch in sich trug, wird schließlich durch einen einzigen Anruf ausgelöscht und sie fällt in ein tiefes Loch aus Depression und Verzweiflung. Getragen von starken Emotionen setzt sie sich in ihr Auto und fährt zurück in ihre Vergangenheit - in eine Stadt, die sie lang schon hinter sich gelassen hat. Als sie und ihre beiden Freundinnen sich als Furien bezeichneten und fürchterliche Dinge geschehen sind. Dinge die, wie sich Seite für Seite zeigt, nach wie vor in ihre Gegenwart reichen und sie nie losgelassen haben...

Der Schreibstil ist angenehm gewöhnungsbedürftig, weil sich der Text nicht wie von selbst liest. Die Autorin verwendet intelligente Ausdrucksweisen, manch verschachtelten Satz und sagt sehr viel zwischen den Zeilen. Die Leser:innen werden nicht damit "verwöhnt", dass ihnen alle Gefühle und Gedanken der Protagonist:innen auf dem Silbertablett serviert werden, sondern man muss schon mitdenken und mitfühlen. Ich mag, dass die Autorin uns das zutraut.

Der Roman wechselt zwischen Geschehnisses in der Gegenwart und Erzählungen aus der Vergangenheit ab. Die vergangenen Geschichten stammen aus dem Notizbuch von "Alec" (wie sich die namenlose Erzählerin früher genannt hat). Der letztere Teil ist der, mit dem ich persönlich leider sehr hadere und warum es von mir nur drei Sterne gibt. Denn niemand, so denke ich, würde auf so eine Art als Jugendliche in ein Notizbuch schreiben. Grundsätzlich finde ich es ja total spannend, zwischen zwei Erzählzeiten hin und her zu switchen. Aber wenn die Vergangenheitstext sogar in einer anderen Schrift gestaltet sind und ein Notizbuch sein sollen, dann möchte ich es auch in dem Stil lesen.

Was mir besonders gefällt:
Schicht für Schicht werden im Laufe der Geschichte dramaturgische Elemente freigelegt, mit denen ich auf den ersten hundert Seiten niemals gerechnet habe. Anfangs hat sich der Roman eher wie ein Jugendroman gelesen. Doch nach dem ersten Drittel nimmt er rasch an Tiefe, Komplexität und Düsternis zu. Eine Wendung, die für mich unerwartet kam und mich deshalb umso mehr unterhalten und gefesselt hat!

Zusammengefasst eine spannende Lektüre, die man sich nicht nebenbei "reinziehen" sondern ein bisschen Energie zum Mitdenken haben sollte.

Bewertung vom 07.07.2025
Noort, Tamar

Der Schlaf der Anderen


gut

Rezension zu "Der Schlaf der Anderen" von Tamar Noort

Janis und Sina - 2 Frauen, die völlig unterschiedliche Leben führen und mit ganz verschiedenen Herausforderungen kämpfen, haben eines gemeinsam: Schlafprobleme. Oder besser gesagt Schlafstörungen.
Während es bei der einen beruflich bedingt ist (weil sie Nachtwächterin in einem Schlaflabor ist), sollte die andere nachts unbedingt zu Schlaf kommen, aber schafft es einfach nicht. Im Laufe der Geschichte stellt sich heraus, dass beide sich in den Schatten der Nacht vor ihrem Leben verstecken.
Genau das ist es, was die Hauptdarstellerinnen dieses Romans schließlich auch zusammenbringt, als Sina eine Nacht im Schlaflabor unter Janis' Aufsicht verbringen soll. Sofort verspüren sie eine Form von Anziehung, die sie dazu bringt die Nacht ganz anders als geplant zu verbringen und beider Leben auf den Kopf stellen soll...

Hach, die Idee ist wirklich unglaublich gut. Sofort hat mich das Buch in einen Sog gezogen - einfach weil das Setting (Schlaflabor) für mich neu und interessant war und die Hauptprotagonistinnen geheimnisvoll und etwas düster sind. Auf den ersten 100 Seiten hatte ich keine Ahnung in welche Richtung dieser Roman mich führen wird. Das hätte von lesbischer Lovestory, über Krimi bis hin zu Horror alles sein können. Wie sich die Geschichte dann aber tatsächlich entwickelt hat, ließ mich allerdings etwas enttäuscht zurück. Nicht weil das Buch nicht toll geschrieben ist - ich mag den Stil und es hat sich flott gelesen. Sondern allein nur deshalb, weil es dann so ein softer Feel-Good-Friendship Roman wurde, wo ich dann bald wusste, dass weder mit überraschenden Wendungen, noch mit realistischen Ausgängen zu rechnen war.
Tatsächlich sind viele Fakten so unglaubwürdig, dass es für mich in einen literarischen Bereich gegangen ist, den ich einfach bei der Autorin, dem Klappentext und dem Cover nicht erwartet hätte. Zum Beispiel wäre Sina in der Realität schon längst gekündigt worden, wenn sie wochenlang im Unterricht schläft. So bleibt der Roman etwas seicht, rosig, ohne Dramen, ohne Ecken und Kanten.
Dennoch eine schöne Geschichte, mit Wohlfühl-Garantie, die sich leicht und schnell lesen lässt.

Bewertung vom 27.06.2025
Erne, Andrea

Kämmen, schneiden, Haare waschen / Wieso? Weshalb? Warum? Junior Bd.79


sehr gut

Es ist wirklich faszinierend, was die Wieso?Weshalb?Warum?-Autor:innen aus einem Thema wie "Haarpflege" so alles rausholen und kindgerecht umsetzen können.

Com Friseurbesuch über das Haarewaschen und Bürsten, die verschiedenen Haarfarben und -texturen, bis hin zu den unterschiedlichsten Frisuren, kommt in diesem Wissensbuch für Kleinkinder wirklich alles vor, was es zu diesem Thema zu sagen geben kann.

Am besten finde ich, dass es durchwegs positiv attributiert ist. Alles macht Spaß, alles ist interessant, alles ist in Ordnung so wie es ist.
Das gefällt mir an all den Büchern aus dieser Reihe, aber hier ist es natürlich besonders hilfreich, weil gerade das Haareschneiden (aber auch das Waschen, Bürsten und Frisuren machen) bei vielen kleinen Kindern erstmal mit Tränen und Unverständnis verbunden ist. Warum sollte man etwas tun, was ziept oder sich einfach unangenehm komisch anfühlt?
Da hilft dann so ein Buch extrem weiter! Deshalb bin ich dem Verlag wahnsinnig dankbar, dass sie sich auch so vermeintlich (!) banalen Themen annehmen! Nur weil etwas für Erwachsene alltäglich und selbstverständlich ist, kann es für die Kleinsten eine riesen Hürde und ein wichtiges Thema sein.

Bewertung vom 11.06.2025
Maury , Avril

Noch fünfzig Sommer mehr


sehr gut

Rezension zu "Noch fünfzig Sommer mehr" von Avril Maury


Eleni hat schwere Schickalsschläge einstecken müssen, die mit tragischen Verlusten ihrer Familienmitglieder einhergingen. Deshalb verschanzt sie sich in ihrem Häuschen, gemeinsam mit ihrem treuen Kaninchen. Ein junger Mann schafft es nicht nur sie wieder aus dem Haus zu locken, sondern entpuppt sich auch noch als die große Liebe ihres Lebens. Theo versteht es wie kein anderer mit Eleni und ihren Traumata umzugehen. Doch als auch er plötzlich und unerwartet verstirbt, bricht Elenis Welt, innen wie außen, komplett auseinander.
Eigentlich ist auch Eleni schon sowas wie tot, als plötzlich immer wieder Pflanzen mit Nachrichten vor ihrer Tür stehen. Erinnert an eine blühende Vergangenheit wagt sie sich in ihren Garten und langsam wieder bis zum Gartentor. Von dort aus beginnt eine Reise in Elenis Vergangenheit und schließlich auch in ihre neue Zukunft...

Sehr gekonnt hat die Autorin hier Angststörungen und damit verbundene Panikattacken thematisiert und diese doch sehr anspruchsvollen Inhalte in einen Liebesroman am Meer mit Feel-Good-Charakter gepackt. Das ist sehr beeindruckend wie ich finde. Denn häufig werden die Romane sehr schwer und dramatisch, sobald diese Themen auf den Plan kommen.
Man kann sich nur wünschen als betroffene Person auf so viel Liebe, Verständnis und Positivität zu treffen, wie es die Hauptprotagonistin Eleni bei Theo getan hat. Oft werden Betroffene stattdessen stigmatisiert und ausgegrenzt. Menschen haben Angst vor psychischen Krankheiten. Der junge Theo zeigt im Buch wie es auch anders gehen kann. Hoffentlich ein Anreiz für viele Angehörige und Freund:innen und die es noch werden könnten.

Wo sollte man dieses Buch lesen?
Im Idealfall am Meer oder im Garten. Aber ansonsten überall wo man Zeit hat, denn ich habs in 3 Tagen gelesen, weil es so schön flott geht und man wissen will wies ausgeht und welche Geheimnisse in Elenis Vergangenheit stecken.

Wann sollte man dieses Buch NICHT lesen?
Wer gerade akut von Angststörungen oder Panikattacken betroffen ist, sollte warten bis er:sie sich entsprechend stabilisiert hat. Die Geschichte könnte sonst stellenweise zu noch mehr Deprimiertheit und dem Gefühl von Einsamkeit beitragen.

Wie fühlt man sich, nachdem man dieses Buch gelesen hat?
Dieser wunderschöne Roman ist definitiv geeignet, den Glauben an die Liebe, die Freundschaft und die Gesellschaft in einem zu stärken beziehungsweise wiederzufinden, sollte man selbige verloren haben.
Es bleibt auch eine melancholische Sehnsucht zurück. Nach Orten am Meer, nach Heimatgefühl, nach lieben Menschen, die einen in und auswendig kennen.