Benutzer
Benutzername: 
Calendula

Bewertungen

Insgesamt 123 Bewertungen
Bewertung vom 28.11.2025
Hewlett, Rosie

Medea


ausgezeichnet

Medea, die Hexe von Kolchis. Eine sehr faszinierende Figur aus der griechischen Mythologie. Gleichzeitig eine der dunkelsten. Und vielleicht auch eine der am wenigsten verstandenen? Rosie Hewlett hat sich daran gemacht und eine moderne Version von Medeas Geschichte geschrieben und ihr damit eine Stimme gegeben. Man begegnet Medea bereits als kleinem Mädchen, das bereits in jungen Jahren ihre Magie entdeckt und zugleich immer in Angst lebt. Angst vor dem gewalttätigen Vater und dem Bruder, der sich auch schon in jungen Jahren als Tyrann zeigt. Mit einer Mutter, die selbst aus Angst vor dem Vater nur gebeugt durchs Leben geht und nach Medeas Schilderungen ihr Lachen und ihr Strahlen verloren hat. Einer Schwester, die Medea zwar sehr liebt, aber sich auch stets vor ihr fürchtet und gleichzeitig ihren Schutz benötigt. Medea lernt also bereits sehr früh im Leben stark zu sein und ihre Emotionen vor der Welt zu verbergen.

Sie ist nach unseren Begriffen ein Teenager, als Jason und die Argonauten in Kolchis erscheinen um das sagenumwobene Goldene Vlies zu erbeuten. Medea sieht ihre Chance zur Flucht, in dem sie Jason hilft. Aber ihre Flucht endet in einer kolossalen Katastrophe. Und dort beginnt die blutige Spur, die sich fortan durch Medeas Leben ziehen wird.
In der griechischen Welt verschrien, versucht sie sich gemeinsam mit Jason ein neues Leben aufzubauen. Aber ihr Ruf als Mörderin und unheimliche Hexe eilt ihr immer voraus. Abscheu und Argwohn ihr gegenüber sind ihre ständigen Begleiter.
Wenn man sich die Beziehung zwischen Medea und Jason ansieht, würde man heute wohl sagen, sie führen eine absolut toxische Beziehung. Es ist soviel psychische Gewalt und Manipulation im Spiel - man möchte Medea am liebsten kräftig schütteln, um sie aufzuwecken. Von Beginn an merkt man, mal mehr und mal weniger unterschwellig, wie Jason die emotionale Not einer jungen Frau ausnutzt und für seine Zwecke benutzt. Womit er sich direkt auf die gleiche Stufe wie Medeas Vater stellen kann, denn beide beanspruchen Medeas Magie für ihre Zwecke, ihren Ruhm, als ihre Waffe. Man könnte sagen, Medea kommt vom Regen in die Traufe. Zwar kommen ihr immer mal wieder Zweifel, aber diese verdrängt sie konsequent. Sie will an Jason glauben, an seine Zuneigung zu ihr, seine Liebe. Sie erschafft sich eine Traumwelt, in der sie endlich auch Glück erfährt.

Es ist unglaublich interessant, Medeas Lebensweg und ihre Entscheidungen zu verfolgen. Ihre Sehnsucht nach Akzeptanz, Zuneigung und Zugehörigkeit sind durch die Seiten fast schon greifbar zu spüren und es tat auch mitunter im Herzen weh zu lesen, mit welcher Verachtung ihr begegnet wird. Im Verlauf war ich immer wieder hin und her gerissen. Opfer oder Täterin? Ja, sie ist ohne Zweifel ein Opfer, das geschlagen, gedemütigt und ausgenutzt wurde. Aber sie ist gleichzeitig auch Täterin. Denn zumindest der Mord an ihren Kindern erfolgt aus ihrem eigenen , wenn auch sehr verqueren, Entschluss. Die Autorin schildert dieses Geschehen sehr wertfrei und überlässt es dem Leser, sich eine Meinung zu bilden. Das ist aus meiner Sicht ein sehr geschickter Zug, die Handlung geht einem nicht mehr aus dem Kopf. Man dreht und wendet alle vorliegenden Fakten und Ereignisse.

Eine tolle und moderne Neuerzählung dieser alten Geschichte, die verschiedene Aspekte beleuchtet und auch nachdenkliche Züge hat.

Bewertung vom 13.11.2025
Korn, Carmen

In den Scherben das Licht


ausgezeichnet

Hamburg ist ja meine persönliche Herzensstadt. Und für mich schreibt niemand so so schön über eine Stadt, seine Menschen und Geschichten wie Carmen Korn. Ich liebe ihre Art Geschichten zu erzählen. Ihr Stil ist klar und schnörkellos, wunderbar zu lesen, behutsam, feinfühlig, unterhaltsam aber dabei nie wertend und ich finde ihn sehr lebendig. Dadurch wirkt die Handlung auf mich authentisch und nah an der Realität.

Der 2. Weltkrieg ist beendet, die Alliierten versuchen Ordnung in das vom Krieg versehrte Hamburg zu bringen. Es ist der Beginn der Nachkriegsjahre und die Sorgen der Menschen drehen sich um das tägliche Überleben: Nahrung, Wohnen, Heizen. Jeder Tag ein Kamp, jeder überstandene Tag ist ein weiterer Schritt in Richtung Zukunft.
In diesen wirren Zeiten purzelt Gisela sprichwörtlich in den Keller, dem Gert seine Zuflucht gefunden hat. Freund oder Feind? Beide sind erstmal skeptisch, was sie von ihrem Gegenüber zu halten haben. Die Entscheidung, ob Gisela bleiben kann, liegt allerdings nicht bei Gert. Das letzte Wort liegt bei Friede, der das Haus gehört. Friede stimmt zu und schon bald bilden die drei eine Schicksalsgemeinschaft. Die beiden Kinder haben ihre Familien verloren, wissen nicht, ob noch jemand überlebt hat oder sie alleine sind. Friede ist eine ehemalige Theaterschauspielerin, deren Verlust der Jugend und der glanzvollen Zeiten sie besonders schmerzen. Die drei verbindet aber, dass sie Träume von der Zukunft haben. Und so wächst aus dieser ungewöhnlichen Gemeinschaft am Ende eine Familie der ganz besonderen Art, die im Verlauf der Geschichte um einige ebenso besondere Personen erweitert wird.

Ich muss gestehen, dass Friede sehr schnell mein Herz erobert hat. Ihre Art mag ein wenig unkonventionell sein, manchmal ist sie in ihrer Art auch ein wenig polterig und hängt etwas zu sehr an der glanzvollen Theaterzeit. Aber hinter dem harten Äußeren verbirgt sich ein Mensch mit viel Herz, der sich aus Mitgefühl auch schon mal übers Ohr hauen lässt. Die Sitzungen an ihrem Küchentisch haben für alle therapeutische Wirkung.
Gisela und Gert gehören in die Generation der Kinder, die sehr viel von den letzten Kriegsjahren erinnern und, im Falle von Gert, sogar zur letzten Verteidigung Deutschlands herangezogen wurden. Sie gehen teilweise ganz unterschiedlich mit ihren Erlebnissen um. Während Gert aktiv nach den Resten seiner Familie sucht, wiegelt Gisela hier zunächst ab. Ihr fehlendes Gedächtnis stellt eine zusätzliche Hürde da. Beide Figuren wachsen einem ebenso schnell ans Herz und man möchte aus dem Bauch heraus einfach, dass diesen beiden vom Leben gebeutelten Kindern nur noch das Beste passiert.

"In den Scherben das Licht" ist aber für mich auch die Geschichte einer Stadt und einer Gesellschaft, die sich wieder aufbauen, neu orientieren muss. Es sind die Zwischentöne in der Geschichte, die die Handlung für mich so fesselnd gemacht haben. Denn auch bei Carmen Korn sind nicht alle Menschen automatisch nur gut. Es gibt die Giselas und Gerts, die mit Mühe und Not überleben und Träume haben. Es gibt die Friedes, die von besseren Zeiten zehren und sich tief in ihrem Inneren den eigenen Schuldeingeständnissen stellen müssen. Es gibt die, die auf dem Schwarzmarkt zu großen Nummern werden und fast nahtlos an alte Geschäftserfolge anknüpfen können. Die Rückkehrer aus den Konzentrationslagern, die den Spagat zwischen Vergangenheit, erlittenem Unrecht und Zukunft schaffen müssen. Die späten Kriegsheimkehrer. Wir begleiten Figuren und Stadt über insgesamt zehn Jahre, vom Nachkriegsdeutschland bis ins Wirtschaftswunder. Man kann erleben, wie der schrittweise Aufschwung auch die Menschen verändert. Wie schon wenige Jahre nach dem Krieg eigentlich niemand mehr an Opfer, Verbrechen und Unrecht reden möchte, es aus dem Gedächtnis streichen möchte. Die Aufarbeitung steckt auch zehn Jahre nach dem Kriegsende noch in den Kinderschuhen. Der Umgang der Menschen damit ist sehr individuell und wird von Korn gut eingefangen.

Auf den ersten Blick "passiert" in der Geschichte gar nicht viel. Kein großes Familiendrama, kein Mord, kein großes Tamtam. Aber das täuscht. Es ist ein eher leises Buch. Ein Buch, dass die verschiedenen Grautöne der menschlichen Handlungen in den Vordergrund stellt. Für mich lebt die Geschichte von ihren lebendigen Figuren und von ihrer Entwicklung im Verlauf der Jahre. Der dezente Humor, den die Autorin in Form von Friedes markigen Sprüchen unterbringt, lockert das ganze Geschehen immer wieder auf und sorgt so dafür, dass es neben all dem Traurigen auch etwas zu Lächeln gibt.

Bewertung vom 27.10.2025
Groh, Kyra

The Pumpkin Spice Latte Disaster / Pumpkin Spice Latte Bd.1


sehr gut

Das Buch ist genau zum richtigen Zeitpunkt bei mir eingezogen. Ungemütliches Wetter, dicke Socken, heiße Getränke und eine blöde Erkältung im Anmarsch. Was gibt es da besseres, als es sich mit einem Kuscheldecken-Feeling-Buch einzuigeln. Und ich hatte wieder einmal Spaß mit Kyra Groh. Ich mag ihren fröhlichen Stil und auch wenn ich mich damit als angehend alt oute - als Millenial habe ich jeden einzelnen Millenial-Witz geliebt.
Jude ist extrem schlagfertig, manchmal schon etwas zu sehr. Mitunter ging sie mir damit auch ein wenig auf die Nerven und walzt dann über ihre Mitmenschen hinweg wie eine Dampfwalze. Aber hinter Judes lauter und manchmal ruppiger Fassade verbirgt sich eine Person mit einem großen Herzen und aufgrund ihrer Erfahrungen in der Vergangenheit jemand mit einer extrem hohen Schutzmauer. Es tat mir beim Lesen um den Teenager Jude wirklich leid, die so sehr von ihrem Umfeld abgelehnt wurde. James ist ein wenig grummelig und ihm tut eine ordentliche Portion Jude ziemlich gut. Ihre Annäherung aneinander ist ein wenig unkonventionell, aber sehr unterhaltsam zu lesen.
Das Kleinstadt-Feeling kommt für mich nicht ganz so gut rüber, es wird dafür zu wenig über den Ort erzählt. Aber es kommt trotzdem eine herbstlich schöne Stimmung auf.

Bewertung vom 18.10.2025
Sandmann, Elisabeth

Wir dachten, das Leben kommt noch


gut

Wer Sandmanns erstes Buch „Porträt auf grüner Wandfarbe“ gelesen hat, dem werden einige Figuren in diesem Buch bekannt vorkommen. Denn Gwen man sich erneut auf die Suche einem Teil ihrer Familiengeschichte. Dieses Mal geht es um einen bestimmten Abschnitt im Leben ihrer Großmutter Ilsabé, die zu Zeiten des 2. Weltkriegs im von Deutschland besetzten Paris lebte. Gleichzeit erhält Gwen ein Angebot für ein äußerst interessantes Buchprojekt. Sie soll über die „SOE-Girls“ schreiben. Agentinnen im inoffiziellen Auftrag der britischen Regierung, die aus dem Untergrund heraus agierten. In Paris erfährt Gwen nicht nur erstaunliches über ihre Großmutter, sondern kann auch wichtige Informationen über die britischen Agentinnen sammeln. Und stellt Kontakt zu Pat her, einer Frau, die eine ganz außergewöhnliche Zeitzeugin ist.

Ich finde es grundsätzlich eine schöne Idee, Gwens Familiengeschichte und auch schob bekannte Figuren mit einzubeziehen. Das macht die Geschichte noch ein bisschen persönliches. Allerdings ist mir manchmal der Bogen von Ilsabés Geschichte zu Pats Geschichte doch etwas zu weit geschlagen. Gut gefallen haben mir dafür die Rückblenden auf Pats Leben in den 1940ern und wie sie sich viele Jahre später an diese Zeit zurückerinnert. Es wird deutlich, wie sehr sie in den direkten Nachkriegsjahren und auch noch später darunter gelitten hat, mit so gut wie niemandem über diese Themen reden konnte. Das engt den Kreis der Personen, die sie verstehen und ihre Gefühle nachvollziehen können, sehr stark ein. Es hat mich auch traurig gemacht zu lesen, wie Pat sich über die Jahre von vielen Menschen zurückgezogen hat.

Die Geschichte von Gwens Großmutter war gut in das Setting eingebaut. An der einen oder anderen Stelle war es mir ein kleines bisschen zu dick aufgetragen, passte aber insgesamt zur Dramatik der Handlung.
Sandmanns Stil ist leicht und trotzdem einfühlsam. Es ist für mich eine solide Geschichte über ein außergewöhnliches Thema, dass einen Anstoß zu weiterer Literatur hierzu gibt. Absolut herausragend empfand ich das Buch letztlich aber nicht, dafür wiederum steht mir Gwens Familiengeschichte dann doch zu sehr im Fokus.

Bewertung vom 12.10.2025
Fagan, Kate

Die drei Leben der Cate Kay


weniger gut

Anne Marie und Amanda sind nicht nur einfach beste Freundinnen, sie sind unzertrennlich. Wie ein Mond um seinen Fixstern umkreisen sie einander. Und sie haben auch einen gemeinsamen Traum. Raus aus der Kleinstadt, Schauspielerinnen wollen sie werden. Nichts weniger als Hollywood ist ihr Ziel. Doch nach einem Vorfall, der beide aus der Bahn wirft, verändern sich ihrer beider Leben. Anne Marie beschließt ihr Leben neu zu starten. Unter anderem Namen und ohne Amanda.

Die Grundidee finde ich gut und die sich daraus ergebenden Fragen könnten kaum philosophischer sein. Ein Buch, über das man richtig gut diskutieren könnte. Leider hat die Autorin für meinen Geschmack hier sehr viel Potential verschenkt. Mir hat es zunächst gefallen, dass die Handlung aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Wahrnehmung und Erinnerungen sind immer subjektiv, eine Begebenheit wird manchmal von zwei Menschen unterschiedlich erinnert. Die Kapitel, die sich um Anne Marie und Amanda direkt drehen, waren für mich noch die besseren. Sie erzählen von einer tiefen Freundschaft, aus der sich eine lebenslange Verbindung entwickelt. Die Kapitel, in denen Amanda von ihrem Leben „danach“ erzählt, fand ich ebenfalls gut und zum Nachdenken anregend. Der Rest ist leider eher mittelmäßig. Viele Kapitel drehen sich um eine Hollywood-Schauspielerin, die Probleme hat ihren Platz in der Welt zu finden und letztlich feststellt, dass der Glanz von Hollywood ziemlich schnell verblasst, wenn man selbst erst einmal darin lebt. Auch wenn sie eine wichtige Person für die spätere Cass ist – viele Passagen wirken wie Lückenfüller, weil die eigentlich Handlung schon recht dünn ist.
Mir fehlt der rote Faden, die Orientierung. Sie springt ohne richtiges Konzept zwischen Figuren und Zeitebenen hin und her. Dazu bleibt alles, jeder Dialog, jede Handlung, jede Emotion, sehr sehr oberflächlich. Keine der Figuren hat auch nur annähernd eine Art von Tiefe. Dafür werden Gesten wie das Heben einer Augenbraue oder die Haltung einer Hand ausgiebigst analysiert. Mir kam es vor, als würde jede der Figuren eine Rolle innerhalb einer Geschichte spielen. Dadurch kam von den beschriebenen Emotionen leider kaum etwas mir an.

Für mich ergibt sich der Eindruck, dass hier vielleicht zu viel gewollt wurde. Würde der Fokus auf den beiden Freundinnen liegen, mit allen Aspekten – es hätte ein unglaublich gutes Buch werden können. So bleibt es für mich eine allerhöchstens durchschnittliche (Liebes-)Geschichte.

Bewertung vom 27.09.2025
Maiwald, Stefan

Alle weg


gut

Die Urlaubssaison neigt sich dem Ende zu. Die Sonnenschirme werden endgültig eingeklappt, die Sonnenliegen weggeräumt und die Sommerbräune irgendwann nur noch eine schöne Erinnerung an den Urlaub, die Touristen reisen wieder ab. Wer bleibt, sind die Einwohner dieser Urlaubsorte. Zeit durchzuatmen, neue Pläne zu schmieden, ein Resümee über die Saison zu ziehen und sich auf den Winter vorzubereiten. Wie die Einwohner von Gardo die Nebensaison begehen, davon erzählt Stefan Maiwald.
Und das tut er sehr charmant und mit viel Witz. Und so wie er liebevoll augenzwinkernd die Eigenarten seiner Mitmenschen aufs Papier bringt, nimmt er sich selbst auch nicht ganz so ernst. Das finde ich einen sehr angenehmen Zug von ihm, weil ich nichts schlimmer finde als Autoren, die auf andere mit dem Finger zeigen und selbst immer perfekt dastehen. Man merkt aber durch die Zeilen, wie sehr er seinen Mitmenschen zugetan ist. Dementsprechend liebevoll sind die Geschichten auch geschrieben, egal ob es um Lokalpolitik oder schrullige Eigenarten geht. Und sie machen auch ein wenig Lust, sich im Oktober in Pinos Bar zu setzen und bei einem Glas Wein Lokalfußball zu schauen.
Wenn man die Vorgängerbände kennt, hat man sicherlich noch mehr Spaß an dem Buch und versteht den einen oder anderen Witz noch etwas besser. Aber Maiwald ist sehr darum bemüht, alle Leser abzuholen und nicht nur Insiderwitze zu machen.

Bewertung vom 15.09.2025
Izquierdo, Andreas

Über die Toten nur Gutes / Ein Trauerredner ermittelt Bd.1


sehr gut

Ich lese Andreas Iquierdos Bücher immer sehr gerne, einen Krimi hatte ich allerdings bisher noch nicht dabei und seinen Namen würde ich mit diesem Genre jetzt auch nicht sofort in Verbindung bringen. Aber hier haben wir ihn: Mads Madsen. Ein gut gekleideter Trauerredner, Liebhaber von Jazz und alten Filmen und durch einen unglücklichen Zufall zum Aufklärer des mysteriösen Todes seines Jugendfreundes Patrick geworden.

Ich habe mich wirklich sehr amüsiert beim Lesen der Geschichte. Izquierdo erzählt seinen Krimi kurzweilig und unterhaltsam. Seine Figuren sind charmant ausgearbeitet, jede mit eigenen kleinen Besonderheiten ausgestattet. Dadurch ergeben sich schwungvolle Dialoge zwischen ihnen, die man sich wirklich gut vorstellen kann und die dadurch auch nicht gestellt wirken. Auch der Witz wirkt nicht künstlich oder aufgesetzt. Die Kapitel sind recht kurz, zwischen dem Rühren in der Suppe auf dem Herd und dem Abwarten der letzten Minute der Waschmaschine ließ sich prima immer wieder ein kleines Kapitel einschieben. Und dank des gefälligen Stils war es auch kein Problem wieder in die Geschichte reinzukommen. Und Spannung gibt es auch, damit hatte ich in diesem Umfang ehrlich gesagt gar nicht so gerechnet. Gut, ein klein wenig übertrieben sind die actionhaftigen Szenen am Ende vielleicht schon. Aber es passt insgesamt in diesen etwas ungewöhnlichen Krimi und warum soll es nicht auch mal im Flensburger Umland stattfinden, statt immer in Amerika.

Ich habe mich auf jeden Fall richtig gut unterhalten gefühlt.

Bewertung vom 31.08.2025
Horncastle, Mona

Peggy Guggenheim


ausgezeichnet

Um Peggy Guggenheim ranken sich Geschichten, Gerüchte, Vermutungen und Anekdoten. Nicht immer schmeichelhaft. Mal wird sie als Femme fatale betitelt, die die Männer reihenweise verschlingt. Als unkonventioneller Freigeist, die nicht viel auf gesellschaftliche Normen gibt. Und auch als Kunstkäuferin mit wenig Verstand und großem Geldbeutel. Also durchaus eine Frau mit einer ziemlich großen Projektionsfläche. Umso besser gefällt mir, dass der Focus in dieser Kurzbiografie auf ihrem Schaffen liegt und nicht auf ihrem Privatleben. Ganz ohne einen Einblick ins Private geht es natürlich nicht, wenn man über den Werdegang eines Menschen schreibt. Liegt die Prägung doch oft in den Erlebnissen der Kindheit und Jugend. Aber der Autorin ist eine weitgehend neutrale Schilderung von Peggys Familienleben gelungen. Die ein oder andere etwas humoristische Formulierung bei der Patchwork-Konstellation sei da an der Stelle verziehen, auch wenn man es noch sehr versucht nüchtern aufzuschreiben. Es bleibt ein wenig ein Kuriosum.
Horncastle deutet im Nachwort an, dass es nicht die einfachste Beziehung zwischen Peggy und ihren Kindern gab und lässt es bewusst heraus. Ich finde das gut, es geht in diesem Buch einzig und allein um das künstlerische Lebenswerk der Peggy Guggenheim.
Und das ist als Kunstsammlerin, Galeristin, Entdeckerin und Mäzenin ein wahnsinnig starkes Vermächtnis. Das Buch vermittelt das Bild einer Frau, die einerseits ein Kind ihrer Zeit ist, andererseits auch den engen Vorstellungen der damaligen Gesellschaft zu entfliehen versucht, auch ein wenig ihrer Zeit voraus ist. Eine Frau, die im wahrsten Sinne des Wortes lebensfroh war, durch die Seiten aber auch unruhig und von einer Rastlosigkeit getrieben erscheint. Dafür auch zielstrebig, großzügig, loyal und ein kleines bisschen rachsüchtig. Und ein bisschen exzentrisch. Aber erwartet man das nicht auch irgendwie von jemandem aus der Kunstszene? Ich bin mir ziemlich sicher, dass in heutige Zeit Peggy Guggenheim auch ein Social Media Star wäre, der Kunst und Glamour ganz wunderbar miteinander Einklang gebracht hätte.

Das Buch gibt einen umfassenden und guten ersten Eindruck zu Peggy Guggenheim als Kunstsammlerin und Galeristin. Gleichzeitig macht es auch Lust, sich noch eingehender mit der Person und ihrer Arbeit zu beschäftigen. Nur das Name-Dropping artet an der einen oder anderen Stelle für meinen Geschmack etwas zu sehr aus.

Bewertung vom 30.08.2025
Slaughter, Karin

Dunkle Sühne / North Falls Bd.1


ausgezeichnet

Eine neue Reihe von Karin Slaughter muss ich mir genauer ansehen, ist sie doch eine der wenigen Thriller-Autorinnen, die ich noch lese und das auch noch sehr gerne. Nach der Lektüre bin ich zwar (noch) kein glühender Fan Emmy Clifton geworden, aber doch sehr angetan.
Mir hat sehr gefallen, dass man schon in dieser Geschichte wirklich viel über Emmy, ihr Privatleben und ihr familiäres Umfeld erfährt. Das sie eine Figur ist, die zwischen anerzogenen Verhaltensmustern und ihren eigenen Wünschen schwankt. Das macht sie für mich sehr nahbar und man fühlt sich beim Lesen viel "dichter" an der Geschichte dran.
Slaughters Schreibstil finde ich großartig. Er macht die Handlung durchweg spannend, lässt dem Leser aber auch Momente des Durchatmens. Und die braucht man auch immer wieder mal, um die vielen Informationen und Details zu verarbeiten und auch, um manchmal ein wenig Abstand zur Handlung bekommen. Denn wie gewohnt sind die Details zwar nicht übermäßig brutal, aber mit wenigen Sätzen doch so beschrieben, dass tief Durchatmen auch mal angebracht ist. z.B. wenn einer neunjährigen die Schuld an den Blicken der Männer zugewiesen wird, weil sie zu kurze Shorts trägt. (Was habe ich mir da auf die Fast gebissen....!)
Gleichzeit ist es eine Studie über das soziale Gefüge in einer amerikanischen Kleinstadt. Wie verzwickt es mitunter sein kann, verwandtschaftliche Verflechtungen aufzudröseln und hinter die Fassaden zu blicken. Welche moralische Vorstellungen herrschen. Ein klein wenig Klischee darf es auch sein, aber es ist gut verpackt und drängt sich nicht übermäßig in den Vordergrund.
Ich bin immer wieder überrascht, wie Details und scheinbare Nichtigkeiten (die ich persönlich über den Verlauf schon gar nicht mehr auf dem Schirm hatte) zur Aufklärung wieder aufgegriffen werden und zu einem stimmigen Gesamtbild zusammengefügt werden, gefällt mir immer wieder sehr. Wobei ich das Wiederholen vieler Fakten hier hin und wieder doch etwas ermüdend fand. Der finale Showdown hat mich damit dann aber doch wieder versöhnt.

Insgesamt für mich ein spannender Thriller und eine Reihe, bei der sich das Dranbleiben für mich lohnt.

Bewertung vom 17.08.2025
Georg, Miriam

Die Verlorene


sehr gut

Ich habe das Buch wahnsinnig gerne gelesen. Nach ihren bisherigen Geschichten ist dieses Buch eine für mich überraschende Abwechslung.
Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen. Einmal wird die Gegenwart erzählt. Änne stürzt in ihrem Haus und verletzt sich schwer. Sie fällt in ein Koma und verstirb kurz darauf. Schon Ännes Krankengeschichte wirft bei Laura und ihrer Mutter Ellen erste Fragen auf, denn es scheint einige Unstimmigkeiten zu geben, die sich beide nicht erklären können. Laura findet im Nachlass ihrer Großmutter einige persönliche Dinge, die nicht zu den wenigen Informationen passen, die Änne ihnen im Laufe ihres Lebens über ihre Vergangenheit erzählt hat. Es tauchen weitere Fragen auf. Ellen, die als Nachkriegskind von jeher eine eher schwierige Beziehung zu ihrer eigenen Mutter hatte, fühlt sich jetzt erst recht von ihrer eigenen Mutter um Erklärungen betrogen. Laura versucht, ihre Mutter mit ihrer Großmutter nachträglich auszusöhnen und entwickelt auch selbst ein großes Interesse an ihrer eigenen Familiengeschichte. Sie macht sich auf die Suche nach dem Leben von Änne.

Die zweite Ebene erzählt die Geschichte der Familie Thomke, die in Schlesien ein Gut besitzt. Im Focus stehen hier die Zwillingstöchter Änne und Luise. Die beiden Mädchen haben eine sehr enge Beziehung zueinander. Während Luise ein lebensfroher Mensch ist, dem die Zuneigung der Menschen problemlos zuzufliegen scheint, ist Änne "anders". Sie ist nicht nur ruhiger, zurückhaltender und weniger nahbar, sie umgibt ein wenig eine ablehnende Aura. Sie wird häufig abgelehnt, fühlt sich ausgeschlossen und missverstanden. Ihre Beziehung zu ihrer Schwester ist einem Maße eng, die schon als krankhaft bezeichnet werden kann. Die Familie erlebt den Krieg in Schlesien, den Einmarsch der Roten Armee und die Neuordnung der Landesgrenzen nach dem Krieg.

Den Teil der Vergangenheit fand ich unheimlich stark geschrieben. Die Beschreibungen des Gutes mit all seinen Tieren, der Landschaft und dem Leben der Familie und mit den Fremdarbeitern sind so detailliert beschrieben, dass man das Gefühl hat als stiller Beobachter hinter einem Fenster zu stehen und dem Treiben zuzusehen. Die Ängste während des Krieges, die Unsicherheiten darüber, wie es weitergehen soll und was es zu tun gilt um das Überleben zu sichern. Georgs Stil passt hier einfach perfekt. Es ist hoch emotional und mit viel Fingerspitzengefühl geschrieben. Das Schicksal der Menschen ging mit beim Lesen unheimlich nahe. Die Figuren sind toll ausformuliert ohne überladen zu sein und wirken auf mich lebendig. Das zieht sich konsequent bis zum Ende und verdeutlicht die Dramatik in all seinen Facetten.

Den Gegenwarts-Teil fand ich schwächer. Aus der Geschichte von Änne und Luise kann man leicht ableiten, woher die Probleme zwischen Ellen und ihrer Mutter herführen. Die Interaktion zwischen Laura und Ellen empfand ich dagegen ziemlich blass. Es bleibt für mich oft oberflächlich, die Dialoge zwischen beiden wirken auf mich recht leblos. Lauras Recherche vor Ort zeigt zwar die Schwierigkeiten, die mit den Nachkriegswirren einhergehen. Sie stolpert aber für mein Empfinden von einem Glückstreffer zum nächsten, ohne selbst viel dazu beizutragen, bis dann eher zufällig Antworten findet.

Das Ende und die Auflösung, da hadere ich ein wenig mit mir. Auch hier ist mir zu viel Zufall im Spiel, es wirkt wenig glaubwürdig und ist mir dann insgesamt zu überzogen. Andererseits gibt es Aspekte, die auf mich dennoch authentisch wirken und den leicht negativen Eindruck des Ende dann doch etwas abmildern. Sehr gefallen dagegen hat mir, dass die Autorin bewusst einen Schlussstrich gezogen hat, der nicht allzu romantisiert ist.

Würde ich für das Buch eine Leseempfehlung aussprechen? Unbedingt! Die Kritik über das Ende ist wirklich meckern auf sehr hohem Niveau. Die Geschichte ist gefühlvoll, mitreißend und ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie Miriam Georg Details aus den ersten Kapiteln im Verlauf des Buches wieder aufgreift und in die Geschichte einarbeitet.