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Libby196
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Bonn

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Insgesamt 43 Bewertungen
Bewertung vom 08.10.2025
Patch, Jessica R.

Garden Girls


weniger gut

Der Plot des Buches klang spannend – leider konnten mich weder die Sprache noch die Erzählweise abholen. Das war eher kein Thriller, sondern ein Romance-Buch, in dem einer der Protagonisten zufällig Ermittler ist. Es wurde alles viel zu langatmig erzählt, außerdem kam an keiner Stelle wirklich Spannung auf. Vielleicht lag es an der deutschen Übersetzung, oft hat mich auch die Ausdrucksweise gestört (ständig das Wort „Schlips“, wer sagt das noch?) sowie die ständigen merkwürdigen Vergleiche und der religiöse Unterton.
Das Buch ist das dritte einer Reihe rund um die „Strange Crime Unit“, die sich auf Verbrechen spezialisiert hat, die mit Religion bzw. Sekten zu tun haben. Der Hauptcharakter Tiberius (Ty) wurde selbst in eine Sekte geboren, konnte aber daraus ausbrechen – das reichte anscheinend, um Profiermittler zu werden.
Da ich die vorherigen Bücher nicht kannte, war es oft schwer der Story zu folgen, weil so gut wie gar keine Hintergründe oder Vorgeschichten angeschnitten wurden. Anscheinend ist dies aber das erste ins Deutsche übersetze Buch, was leider so gar keinen Sinn ergibt. Es konnte überhaupt kein Gefühl für die Beziehungen zwischen den Personen entstehen und vieles musste man sich selbst halbwegs zusammenreimen, außerdem wurde ständig auf vorherige Fälle angespielt, von denen deutsche Leser:innen ja nichts wissen können.
Dadurch war auch die Storyline, dass eine Teamkollegin, welche die anderen gerade im Urlaub wähnen, eines der Opfer ist, überhaupt nicht schockierend oder überraschend, da ich null Bezug zu dieser Figur hatte und sie vorher überhaupt nicht erwähnt wurde.
Auf den Outer Banks verschwinden Frauen, die nach Blumen benannt sind, und werden irgendwann tot mit Blumen tätowiert vor Leuchttürmen abgelegt. Alles scheint irgendwie eine private Fehde gegen Ty zu sein, aber statt zu ermitteln geht es die meiste Zeit weniger um den Fall als um seine Vergangenheit, alte Liebe, seine Familie etc. Ich habe mich wirklich gefragt, was die Ermittler:innengruppe die ganzen Tage lang macht. Gefühlt haben sie an vielen Tagen überhaupt nicht weiterermittelt, während aber ständig betont wurde, wie zeitkritisch alles wegen des herannahenden Hurrikans ist, und machen dann auch noch Anfängerfehler.
Den Umgang zwischen Ty und Bexley fand ich auch richtig merkwürdig, dafür dass sie sich so lange nicht gesehen haben. Gefühle habe ich da auch keine gespürt. (S. 183 „Iss deine Eier, Bex, und hör auf, dich wie ein aufsässiges Mädchen zu verhalten.“)
Was mich persönlich auch sehr gestört hat war der ständige religiöse Unterton. Zum einen wurden zwar Sekten kritisiert (aber auch nur sehr oberflächlich), viele Gespräche drehen sich dann aber doch um den Glauben oder klingen schon fast wie eine Predigt. Und auch am Ende war es einfach too much, sehr pathetisch à la „alles passiert aus einem Grund“, „das war Schicksal“ etc.
Das Ende fand ich gleichzeitig sehr vorhersehbar (was auch nicht zur Spannung beigetragen hat) als auch unrealistisch, weil die ganze Story so konstruiert, weit hergeholt und unglaubwürdig war, dass es kaum vorstellbar ist, dass die Ereignisse in der Realität auch nur annähernd so passieren könnten. Dazu zog es sich auch noch viel zu lang, sodass ich mich echt zwingen musste, bis zum Ende zu lesen.

Bewertung vom 24.09.2025
Kang, Minyoung

Plant Lady


gut

Inhaltlich gut, mit der Erzählweise bin ich nicht warm geworden

Die Geschichte an sich hat mir sehr gut gefallen und hervorzuheben ist auch das schöne Cover, wodurch ich auf das Buch aufmerksam geworden bin!

Eine Frau,  Yu-hee, eröffnet einen Pflanzen-Shop, der sehr erfolgreich wird und Menschen von nah und fern anzieht. Irgendwann spricht sich herum, dass sie übergriffige Männer "beseitigt" und immer mehr Frauen mit solchen Problemen kommen auf sie zu. Dabei hat sie auch immer eigene Erlebnisse in der Vergangenheit im Hinterkopf.

Den Ansatz fand ich spannend, da so gut wie jede Frau solche Erlebnisse kennt und man manche Typen, die einem das Leben schwermachen, gerne einfach verschwinden lassen würde. Ich hätte mir auch (gerade, weil ihr irgendwann ein Ermittler auf die Schliche kommt) noch mehr Spannung gewünscht, stattdessen war die Erzählung weitgehend nüchtern und schon fast sachlich. Vielleicht lag das aber auch an den kulturellen Gegebenheiten?

Soweit ich informiert bin, ist Südkorea noch sehr viel mehr von patriarchalen Strukturen geprägt, sodass Frauen wahrscheinlich über die offiziellen Wege häufig kaum eine Chance haben, gegen solche Männer vorzugehen. Yu-hees Vorgehen war oft sehr brutal, man kann aber ahnen, was Frauen in Südkorea ertragen müssen und dass sie sich einfach irgendwann rächen wollen.

Mit dem Schreibstil bin ich aber nicht ganz warm geworden - ich weiß nicht ganz, woran es lag. Es war mein erstes aus dem Koreanischen übersetztes Buch, eventuell lag es manchmal an Formulierungen oder dem Satzbau, die sich sehr am Original orientiert haben und deshalb im Deutschen etwas unauthentisch/unnatürlich/gestelzt (?) klangen. Mir fehlt das richtige Wort, sprachlich fühlte sich der Text nicht ganz "rund" an.

Es wurde auch erwähnt, dass die Namen im Buch jeweils gut zu ihren Träger:innen passen, hier wäre eine deutsche Übersetzung sinnvoll gewesen. (Einige habe ich gegoogelt, so bedeutet Yu-hee beispielsweise "Helligkeit, Strahlen" oder "Schönheit" und "intelligent, weise" und Do-kyung "Weg" oder "Pfad", bzw. "Respekt", "Ehre".)

Teilweise wurden auch die Blickwinkel gewechselt, was nur durch einfacha Absätze vom restlichen Text getrennt wurde, sodass nicht direkt nachvollziehbar war, aus wessen Perspektive nun geschrieben wurde.

Bewertung vom 22.09.2025
Novak, Genevieve

Crushing


weniger gut

Das Buch ist recht leicht und umgangssprachlich geschrieben und die Übersetzung ist ganz gut, sodass es sich locker und entspannt lesen lässt. Teilweise waren einige Witze dabei, die ich nicht wirklich verstanden habe – entweder, die Autorin hat einen etwas eigenwilligen Humor oder da wurden evtl. Wortwitze nicht ganz passend übersetzt.
Ich hatte hohe Erwartungen an den Inhalt (weil das erste Buch der Autorin so vielen Leuten gefallen hat), wurde inhaltlich aber leider enttäuscht – Vielleicht, weil ich etwas ganz anderes erwartet habe. Ich dachte, es geht um eine junge Frau, die endlich verstanden hat, dass das Glück/die Zufriedenheit im Leben nicht davon abhängt, ob man gerade mit einem (mittelmäßig bis unterdurchschnittlichen) Mann zusammen ist.
Stattdessen ging die Protagonistin Marnie mir echt auf die Nerven. Sie ist 28 Jahre alt und hatte in den letzten 10 Jahren fünf Beziehungen. Single war sie so gut wie nie (was ja schon auf ein gestörtes Bindungsverhalten hinweist). Nach der letzten Trennung will sie sich endlich mal nur auf sich konzentrieren und herausfinden, wer SIE eigentlich ist (ohne sich völlig in einem Mann zu verlieren) – und DER Plot hätte mich interessiert!
Aber nein – sie trifft bei der erstbesten Gelegenheit den nächsten Typen (Isaac), in den sie sich sofort wieder verliebt, weil er ihr ein paar Minuten Aufmerksamkeit gibt. Der hat aber eine Freundin und so redet sie sich ein, dass sie nur befreundet sind.
Und genau das hat mich so genervt! Es hätte wirklich JEDER Typ sein können, sie verfällt direkt wieder in ihr altes Muster, findet ihn nach zwei Sätzen sofort ganz toll und versucht, sich so zu verhalten, wie ER sie gerne hätte – statt einfach mal SIE SELBST zu sein.
Dazu kommt noch, dass Isaac sich wie ein Arsch verhält. Er flirtet offen mit Marnie, sie texten und telefonieren permanent, und ihm ist bewusst, dass er dazu beiträgt, dass ständig eine sexuelle Spannung zwischen ihnen ist. Seine Freundin tat mir die ganze Zeit leid, weil er sie durchgehend belogen und Marnie hingehalten hat. Naja, Marnie ist das jedenfalls erstmal egal und sie macht sich emotional komplett von ihm abhängig. (Ein Treffen mit ihm ist das Highlight ihres Monats?!)
Statt wirklich zu versuchen, ihr Leben mit Dingen zu füllen, die ihr Spaß machen, scheinen alle Hobbies, die sie ausprobiert, nur dem einzigen Zweck zu dienen, etwas zu tun zu haben, wenn der Typ mal nicht kann. Sie wirkt generell sehr frustriert und gar nicht selbstbestimmt, kann nicht alleine sein und klammert sich an wenige Menschen, statt ihren Kreis mal etwas zu erweitern.
Dasselbe lässt sich auch auf ihre Freundin/neue Mitbewohnerin Claud übertragen. Marnie macht sich super schnell von ihr abhängig, übernimmt Gewohnheiten, passt sich an, sagt andere Dinge für sie ab. Sie hat irgendwie gar keinen eigenen Charakter (außer zynisch sein und mit ihren Kollegen streiten/sich beleidigen). Generell wirkte sie auf mich super unreif, eher wie eine 18- nicht wie eine 28-Jährige. Bspw. jammert sie ständig, dass sie kein Geld hat, will aber ihren mies bezahlten Job in einem Café nicht aufgeben und hat auch null Ambitionen, etwas zu ändern.
Auch Claud (die eigentlich als sehr selbstbewusst/selbstbestimmt eingeführt wurde) verfällt dann einem absolut toxischen und misogynen Typen und der Ehemann von Marnies Schwester stellt durchgehend seine weaponized incompetence zur Schau. Wenn das Buch generell abschreckend für (hetero) Frauen auf der Suche nach einer Beziehung wirken sollte, hat es das mit den gezeigten Männern auf jeden Fall geschafft.
Von der Suche Marnies nach sich selbst habe ich leider überhaupt nichts gemerkt. Erst auf den letzten ca. 20 Seiten des Buchs fing der Inhalt an, den ich EIGENTLICH erwartet habe.
Außerdem fand ich den Umgang mit Alkohol wirklich fragwürdig. Marnie und Claud sind eigentlich dauerbetrunken. Und ich HASSE es, wenn jemand (hier Claud) sagt, sie möchte nicht trinken und andere (Marnie) das nicht respektieren und sie zu überreden versuchen.
Im Prinzip endet das Buch an der Stelle, von der ich dachte, dass es da beginnt. Rückblickend gar nicht richtig sagen, worum es eigentlich ging. Ausnahmslos alle Frauen im Buch haben irgendwelche inkompetenten, lügenden oder misogynen Typen an der Backe – immerhin schaffen zumindest sie und Claud es, sich zu trennen.

Es hat mich einfach genervt wie viel Bedeutung Männern in diesem Buch wieder beigemessen wurde. Am Ende ist sie immer noch unzufrieden und denkt an den dämlichen Typen, dabei gibt es SO VIELE ANDERE SACHEN, die man machen und sein Leben füllen kann! Man muss es halt auch wollen und nicht nur machen „um die Zeit totzuschlagen“, wie es buchstäblich auf der letzten Seite steht.

Bewertung vom 22.08.2025
Goldewijk, Yorick

1000 und ich. Zweifle nicht, zögere nicht, hinterfrage nicht.


gut

Kurze Dystopie

Ich weiß nicht so recht, was ich von dem Buch halten soll - ich denke, man muss es eher als eine Art Metapher sehen, weiß aber nicht, ob Jugendliche (die ja primäre Zielgruppe sein sollen), das so weit abstrahieren können.

Die Protagonistin "8" lebt in einer Art dystopischen Stadt. Jeder Tag ist gleich, aufstehen, mit tausenden anderen, die genauso aussehen wie sie, ins "Terminal" zur Arbeit fahren, stundenlang stupide Fragen beantworten, zurückfahren, schlafen.

Das alles wird begleitet von der permanenten Stimmer von "Evi", die pausenlos durchsagt, dass sie nicht zweifeln, zögern oder hinterfragen, sondern sich dem Willen der "Beseelten" unterwerfen sollen. Ständig präsent sind auch die "Seher" die ständig über der Stadt kreisen und nach "Abtrünnigen" Ausschau halten.

Anscheinend ist die Stadt "Surdus", in der 8 lebt, eine Art Trainingslager, in der den "Unbeseelten" ein eigener Wille, Gedanken, Gefühle etc. abtrainiert werden soll, damit sie irgendwann als Bedienstete auf die "andere Seite" hinter dem Meer übergehen, um den "Beseelten" (also "normalen" Menschen?) zu dienen. Eingeschlossen ist die ganze Stadt von einem hunderte Meter hohen Wall, sodass es kein Entkommen gibt.

So weit, so dystopisch. 8 merkt aber, dass sie "anders" ist, und Dinge fühlt oder denkt, die nicht da sein sollten. Da trifft sie "1000", die auch anders ist und Erinnerungen an eine andere Welt zu haben scheint. Gemeinsam wollen sie aus den Zwängen ausbrechen.

Die Prämisse des Buchs hat mir gut gefallen, dystopische (Jugend-)Romane, in denen die rebellischen Protagonist:innen aus dem unterdrückenden System ausbrechen wollen, habe ich schon einige gelesen. Da hier aber die gesamte Geschichte auf nur knapp 150 Seiten (wenn man die vielen leeren Seiten abzieht) stattfindet, bleibt sie dementsprechend flach und irgendwie inhaltslos.

Am Ende kommt eine Auflösung, die vor dem Hintergrund der aktuellen technischen Entwicklungen vorhersehbar war und irgendwie auch offen bleibt. Natürlich soll das Buch dazu anregen, zu hinterfragen, Dinge nicht als gegeben hinzunehmen und vor allem Entwicklungen wie KI kritisch zu sehen und die ethischen Aspekte zu hinterfragen. Durch den flachen Plot bleibt das aber irgendwie so vage und es passiert nichte Neues oder Spannendes. Das haben vergleichbare Bücher schon vor Jahren besser geschafft.

Bewertung vom 18.08.2025
Menger, Ivar Leon

Der Tower


sehr gut

Ein kurzweiliger Thriller

Der Schreibstil von Ivar Leon Menger ist wie immer toll. Durch die recht kurzen Kapitel fliegt man nur so durch das Buch und es wird keine Sekunde langweilig. Dies war aber das erste seiner Bücher, in dem es mir manchmal etwas *zu* schnell ging.

Die Protagonistin Nova bekommt das Angebot, ein Jahr im neuen, hochmodernen Pramtower mitten in Berlin zu leben - und das völlig kostenlos! Perfekt, da sie gerade sowohl ihren Job als auch ihre Wohnung und ihren Freund verloren hat. Der Tower ist komplett KI-gesteuert, von der Öffnung der Wohnungstür rein über Stimmerkennung bis zur Temperatur des Duschwassers.

Direkt am Anfang hätte ich mir schon etwas mehr Infos über Novas Hintergrund gewünscht. Sie blieb über das gesamte Buch für mich nicht richtig greifbar bzw. irgendwie etwas blass und "charakterlos", weil wir nicht so richtig etwas über ihr Leben erfahren. Wir erfahren zwar, dass sie einen semi-erfolgreichen Instagramkanal, hauptsächlich über Kunst, Feminismus und Nachhaltigkeit, führt - okay, aber was beschäftigt sie wirklich? Hier wirkt es ein bisschen so, als wären ein paar aktuelle "Buzzwords" und Themen, für die junge Frauen sich halt so interessieren, ohne wirkliche Substanz eingestreut worden.

Die Handlung selbst streckt sich auch nur über wenige (ich glaube drei, vier) Wochen, was auch dazu führt, dass es mir oft einfach zu schnell ging und Nova häufig entweder nicht nachvollziehbar handelt oder ihre Meinung super schnell ändert. Nach und nach bemerkt sie, dass im Tower nicht alles mit rechten Dingen zuzugehen scheint. Ihre Nachbarn (mit denen sie sich jeden Freitag zum Essen treffen MUSS) verhalten sich teilweise sehr merkwürdig, Konrad behauptet sogar, die KI lasse ihn nicht mehr aus dem Tower hinaus. Bei manchen Aktionen der KI wird zwar auch Nova stutzig, erstmal nimmt sie aber alles so hin, weil der "Tower" ihr ungeahnte Chancen eröffnet. So haben zwei ihrer neuen Nachbarn zufällig eine Galerie im Tower eröffnet und stellen Nova gleich nach ihrem ersten Kennenlernen als Galeristin ein.

Irgendwann beginnt sie aber, merkwürdige Träume zu haben und die KI wird immer übergriffiger und scheint sich zu verselbstständigen.

Mehr möchte ich gar nicht zur Handlung selbst schreiben, das aktuelle Thema "Gefahren der KI" wurde sehr interessant umgesetzt und am Ende gab es einen Twist, den ich so nicht habe kommen sehen. Alles in allem also ein gutes Buch, das angenehm zu lesen war. Es hätte aber gerne noch mehr "Thrill" haben können, auch der Schluss war mir persönlich zu schnell erzählt, sodass sich nicht so viel Spannung aufgebaut hat.

Bewertung vom 10.08.2025
Laabs, Laura

Adlergestell


gut

Cover und Klappentexxt des Buchs haben mich sofort angesprochen. Ich habe es auch gerne gelesen, bleibe aber ein wenig ernüchtert zurück. Erzählt wird die Geschichte einer namenlosen Protagonistin, die Anfang der 1990er Jahre kurz nach dem Mauerfall in Ostberlin aufwächst. Sie lebt mit ihrer Muter (der Vater ist irgendwann in "den Westen" abgehauen) in einem Vorort, in der Nähe des sogenannten "Adlergestells", einer riesigen sechsspurigen Straße.

"Eingestreut" werden die Erfahrungen von Menschen verschiedenen Alters und verschiedener Herkunft aus der Nachbarschaft, und wie sie die Geschichte Deutschlands und ihr Leben in dieser Zeit voller Umbrüche erlebt haben.
Darunter bspw. Gerda, die drei Männer und drei Kriege überlebt hat, Vanessa, die ein Turn-Ausnahmetalent war, bis sie mit 13 von ihrem Trainer schwanger wurde; Eleftheria, die aus Griechenland kam, um zu helfen und Deutschland alles von sich zu geben, aber nie etwas zurückbekommen hat; und die Mutter, die sich engagiert und kämpft, am Ende jedoch auch geschlagen geben muss.

Außerdem auf farblich abgehobenen schwarzen Seiten mit weißem Text immer wieder die Beschreibung von typischer Werbung oder "Phänomenen" der frühen 90er - Fairy Ultra, Yogurette, Krönung Light, Merci - alles sehr hochglanz, aber sehr weit entfernt vom wirklichen Leben der Menschen. Dies untermalt die Zerrissenheit, die die Menschen empfunden haben müssen, sehr gut.

Die Protagonistin wird in diesem Sommer mit ihrer besten Freundin Lenka und dem rebellischen Mädchen Chaline eingeschult. Gemeinsam schlagen sie sich in diesem Leben zwischen Röhrenfernseher, Center Shocks und Lemmingen durch, zwischen Sozialismus und Kapitalismus, verstehen nicht so ganz, was gerade in der Welt und vor allem in Deutschland passiert, aber spüren, dass sich alles wandelt. Das ist durch den Schreibstil und die stilistischen Mittel sehr gut rübergekommen.

Sprachlich und auch vom Aufbau hat mir das Buch sehr gut gefallen. Spürbar war durchweg die trostlose, irgendwie auch ausweglose Zukunft, was sich auch im Erwachsenenleben der Protagonistin nicht geändert zu haben scheint. Sie irrt ziel- und lustlos durch die Gegend, mag weder ihren Job noch die Männer, die sie dated so wirklich. Das fand ich sehr ernüchternd, sie scheint an gar nichts Spaß zu haben, überhaupt nicht zu wissen, was sie mag und ist irgendwie eine reine Mitläuferin.

Vielleicht macht gerade das das Buch so realistisch, im Rahmen der Geschichte fand ich es aber sehr schade, dass irgendwie alls Protagonist:innen, egal wie alt und woher, am Ende gescheiterte Existenzen sind, die ziellos im Leben herumirren. Lediglich die früher so unangepasste Chaline ist dem trostlosen Vorort entkommen, macht ihren Job aber auch ihne jegliche Leidenschaft für die Sache.

Bewertung vom 08.08.2025
Drvenkar, Zoran

Asa


sehr gut

Ich bin sehr hin- und hergerissen, wie ich das Buch bewerten würde. Insgesamt würde ich 3,5 Sterne geben.

Worum gehts?
Asa ist nach sechs Jahren aus dem Gefängnis freigekommen. Jetzt will sie sich an zahlreichen Menschen aus ihrer Vergangenheit (u. a. ihrer Familie) rächen. Doch warum war sie überhaupt im Gefängnis und an wem und warum will sie Rache nehmen?
Das wird auf knapp 700 Seiten sehr gekonnt erzählt.

Gut gefallen hat mir:
- Der Schreibstil. Zoran Drvenkar schreibt wirklich gekonnt, die Figuren haben Tiefe, die Kapitel aus unterschiedlichen Perspektiven lassen den Charakter der jeweiligen Person gut erkennen.

- Die Konzeption der Geschichte. Auf verschiedenen Zeitebenen und aus unterschiedlichen Perspektiven wird immer ein Stück mehr erzählt, sodass man sich als Leser:in nach und nach das gesamte Bild zusammensetzen kann.

- Die Familienhistorie. Es wurde eine sehr gut durchdachte Familiengeschichte erzählt, die sich seit über 100 Jahren entwickelt, von Kriegen, Gewalt und Familienschicksalen geprägt war und so schlussendlich zu dem geführt hat, was Asa passiert ist.

Nicht so gut fand ich:
- Es ist meiner Meinung nach kein Thriller. Es gab ein paar spannende Momente, über weite Strecken ist die Erzählung aber eher ein Familiendrama. Es fehlte der typische "Thrill", der ein Buch so spannend macht, dass man es kaum aus der Hand legen kann. Dafür hatte es mir zu viele Längen. Die Familiengeschichte ist fraglos von sehr viel Grausamkeit, Gewalt und (falsch verstandenem) "Gemeinschaftsgefühl" und einer komischen Auffassung von Stärke geprägt, das macht es für mich aber zu keinem Thriller.

Insgesamt war das Buch an keiner Stelle langweilig und ich fand es sehr interessant, die Familiendynamiken nachzuvollziehen und zu verstehen, wie sich so eine grausame Tradition entwickeln und so lange unhinterfragt von so vielen Generationen weitergeführt werden konnte.

Bewertung vom 14.07.2025
Hausmann, Romy

Himmelerdenblau


ausgezeichnet

Romy Hausmann schreibt genau die Thriller, die ich lesen möchte! Es muss nicht immer blutrünstig und brutal sein. Hausmann beleuchtet die seelischen Abgründe der Menschen und schafft es, ambivalente Figuren zu schaffen, die die gesamte Palette der menschlichen Emotionen abbilden.

Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen und die Geschichte ist extrem gut konzipiert. Am Ende bleiben keine losen Stränge offen und die Auflösung hat mich wirklich überrascht. Alle Charaktere haben ihr Päckchen zu tragen und sind mehr oder weniger tragische Figuren - das macht sie aber auch greifbar.

Die Demenz des Hauptprotagonisten Theo fand ich sehr gut und realistisch dargestellt (ich kenne niemanden mit Demenz, gehe aber davon aus, dass Theos Verhalten gut recherchiert war). Auch die anderen Personen, allen voran Liv, Phil und Sophia, fand ich gut gezeichnet, Nicht immer sympathisch, aber ihre Handlungen waren mit Kenntnis der Hintergrundgeschichten immer nachvollziehbar.

Bewertung vom 23.06.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


sehr gut

Viele spannende Lebensfragen

Was wäre, wenn das Leben anders verlaufen wäre? Wenn man, statt nach dem Abi in die Großstadt zu ziehen und Karriere zu machen, mit seiner Jugendliebe zusammen im Dorf geblieben und ein Kind bekommen hätte?

Toni passiert genau das - eigentlich lebt sie mit Jakob zusammen in der Großstadt und die beiden versuchen seit einiger Zeit erfolglos, schwanger zu werden. Bis sie sich irgendwann fragt, ob sie das eigentlich noch will - dieses Leben, den Partner, überhaupt ein Kind?
Plötzlich wacht sie in einem ganz anderen Leben auf, verheiratet mit ihrer Jugendliebe Adam und gerade Mutter einer Tochter geworden, lebt sie mit ihm im Heimatdorf.

Erzählt wird abwechselnd aus beiden Perspektiven, das hat mir sehr gut gefallen. Es ist ein Buch über viele Themen, die die meisten (Frauen) irgendwann beschäftigen: Möchte ich Mutter werden? Kann ich mir ein Leben ohne Kind(er) vorstellen? Mit wem möchte ich zusammen sein, passen unsere Zukunftsvorstellungen und was, wenn das Leben, das man sich früher ausgemalt hat, nicht passiert?

Wie oft malt man sich aus, wie das Leben wäre, wenn man diese oder jene Entscheidung getroffen hätte - oder eben nicht? Wäre das Leben besser, schlechter, oder einfach anders?

Das Buch ist eher als Gedankenexperiment zu verstehen, ich denke, darum gibt es am Ende auch keine "Auflösung", eher eine Annäherung an die Frage: Wie schließt man mit dem Verlauf des eigenen Lebens Frieden? - Denn beeinflussen oder planen kann man es eben nur bedingt.

Einen Punkt Abzug gebe ich, weil das Buch zwar nie langweilig war, aber eher so dahinplätscherte und auch keine wirklichen Spannungs- oder "Aha"-Momente hatte. Ich würde es aber (vor allem) Frauen empfehlen, die vielleicht manchmal mit ihren Entscheidungen hadern oder sich fragen, ob ein anderes Leben "besser" wäre.

Bewertung vom 26.05.2025
Prödel, Kurt

Klapper


sehr gut

Reise in die Vergangenheit

Als Millenial habe ich diesen Roman auf einer anderen Ebene gefühlt. Die Beschreibung der Kleinstadt in NRW, die Straßen, die Schule, der Ausflug zum Müller oder Mecces, Krümeleistee, das erste Mal kiffen - irgendwie haben wir doch alle dieselbe Teenagerzeit gelebt.

Einen Typen wie Klapper hatte auch fast jede:r in der Klasse (oder war es selbst), seine Wahrnehmung des Kleinstadtlebens 2011 fand ich toll beschrieben, sowohl rein sprachlich als auch die kleine Beobachtungen des Alltags, die natürlich von seinem teenagertypischen "alle missverstehen mich"-Gehabe dominiert werden.

Klapper (eigentlich Thomas, von seinen Mitschüler:innen so genannt, weil seine Gelenke immer laut knacken), knapp 16, Computernerd und Außenseiter, hat die Sommerferien alleine vor dem PC verbracht. Am ersten Schultag kommt ein neues Mädchen in die Klasse, das "Bär" genannt werden möchte. Sie setzt sich überraschenderweise neben ihn, und nach und nach entsteht eine Art Freundschaft, die vom gemeinsamen Basteln an einer Counter Strike-Map (und von Bär, die den Ton angibt) dominiert wird. Gleichzeitig kommt Bär aber auch bei den "coolen" Jungs gut an, steht mit ihnen in der Raucherecke und ist quasi der Inbegriff von Coolness.

Für meinen Geschmack hätte der Roman noch mehr in die Tiefe gehen können. Beide leben zwar in einem nach außen schicken Neubaugebiet (Bär im "Bonzenviertel"), hinter den Fassaden liegen aber größere Probleme verborgen. Klappers Mutter nimmt täglich Tabletten und ist regelmäßig in Kliniken, Bärs Mutter scheint ein ernsthaftes Alkoholproblem zu haben, sodass sie sich oft alleine um ihre 5 jüngeren Geschwister kümmern muss. Was genau ihr Vater macht - außer den ganzen Tag in Birkenstocks zu telefonieren - war mir irgendwie unklar, auch Klappers Vater zeichnet außer Neid auf die Nachbarn und hässliche karierte Hemden nichts aus. Er ist einer der typisch gleichen Reihenhausväter.

Die Gespräche zwischen den beiden Teenagern sind aber sehr einsilbig. Sie scheinen wohl zu merken, dass beim jeweils anderen etwas los ist, sprechen es aber nie aus. Das fängt zwar die Charaktere der etwas eigenwilligen Teenager ein, ist für die Story aber etwas schwierig und macht beide nur schwer greifbar.

Abwechseld wird dann aus der "Jetzt"-Zeit 2025 erzählt - Klapper, beruflich unbedeutender "Computer-Mann", stößt zufällig auf Bärs alten Counter Strike-Account - sie war seit 13 Jahren nicht mehr eingeloggt. Der größte Teil des Textes spielt 2011 und man erfährt, was damals passiert ist.

Am Ende ging es mir ein bisschen schnell, der Twist (den ich nicht habe kommen sehen), und die Folgen wurde recht knapp erzählt, komplett habe ich nicht rauslesen können, was genau nun passiert war, da kamen leider auch nicht wirklich viele Gefühle rüber.

Teilweise wirkten mir die "Nerd-Begriffe" etwas zu gewollt, die Figuren zu klischeehaft und das Ende unnötig schwer - ich hatte einen anderen Ausgang erhofft, aber es war realistisch.

Alles in allem aber ein gut erzählter Coming-of-Age-in-den-2010ern-Roman mit unerwarteter Dramatik.