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robertp
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Guntramsdorf

Bewertungen

Insgesamt 51 Bewertungen
Bewertung vom 20.11.2025
Hooton, Richard

Der Tag, an dem Barbara starb


sehr gut

Gedächtnislücke
Margaret Winterbottom ist 89 Jahre alt und ihr Gedächtnis lässt sie immer wieder im Stich. Als ihre Nachbarin und Freundin Barbara bei einem Einbruch ermordet wurde, ist sie sicher, dass sie noch etwas für die Tote hätte erledigen sollen. Gemeinsam mit ihrem Enkel James macht sie sich auf die Suchen nach ihren Erinnerungen und dem Mörder ihrer Nachbarin.
Es ist eigentlich eine Erzählung über das Zusammenleben und Erleben einer Demezkranken. Der Autor Richard Hooton hat, in seinem ersten Roman, viele Erinnerungen an seine Großmutter verarbeitet. Diese hat wie Margret, seine Romanheldin, an der Krankheit gelitten, die Seniorenmomente (man vergisst) erzeugt. Ganz langsam schleicht sich die Krankheit ein und versucht die Oberhand zu bekommen. Margaret greift auf Erinnerungen mit ihrem verstorbenen Ehemann zurück um sich zu orientieren. Hooton schildert überzeugend wie sich Menschen verhalten, die ihre Erinnerungen verlieren. Nebenbei erzählt er die Geschichte einer engagierten Frau, die im zweiten Weltkrieg bei der Dechiffrierungsabteilung Bletchley Park im Geheimdienst tätig war und im Alter am Kreuzworträtsel verzweifelt. Es ist mehr Familiengeschichte als Krimi, mehr Beziehung als Ermittlung.
Ich habe mit Margaret mitgelitten, wenn sie etwas krampfhaft zu erinnern versucht hat (letztlich passiert mir das jetzt auch schon öfters) und mir vorgestellt, wie es ist, wenn man sich selbst langsam vergisst.
Für alle die immer schon wissen wollten wie das Zusammenleben mit einer an Demenz erkrankten Person aussehen könnte. Gespickt mit Familienbeziehungen und einer Dosis Mordermittlung.

Bewertung vom 13.11.2025
Pflüger, Andreas

Kälter


ausgezeichnet

Spannender Rachefeldzug
Andreas Pflüger, deutscher Autor für Film und Theater sowie Krimipreisträger, ist mit seiner Heldin Luzy Morgenroth ein Glückstreffer gelungen.
Die ehemalige BKA Mitarbeiterin und Personenschützerin hat sich nach einer unglücklich verlaufenden Aktion in Israel auf die Insel Amrum versetzen lassen. In Israel wurde ihr Schutzbefohlener gemeinsam mit ihrer Gruppe getötet, der Drahtzieher der Terroraktion Hagen List (genannt Babel) ließ sie zynischer Weise am Leben.
Nach einigen Jahren beschaulicher Polizeiarbeit kommt es auch in Amrum zu einem Gewaltverbrechen. Der Verantwortliche wird als Babel identifiziert und Luzy beginnt eine erbarmungslose Jagd.
Diese führt zunächst nach Berlin, wo sich 1989 die Grenzen öffnen. Währen alle Ossis in den Westen strömen kämpft sich Luzy ins Stasiarchiv zurück. Mit den dort erhaltenen Informationen führt sie die Jagd nach Wien, wo ein Attentat das Riesenrad zum Kippen bringt und Luzy auf einer Donaubrücke ihrem Widersacher gegenüber steht.
Spannend wie eine James Bond Geschichte erzählt Pflüger über die Geheimdienste kurz vor der Wende. Die Aktionen werden von Personen durchgeführt, deren Klarnamen unbekannt sind. Die Angst vor dem Terror (RAF) ist allgegenwärtig. Die Geheimagenten durchpflügen den Kontinent mit falschen Identitäten, immer bereit über Leichen zu gehen.
Luzy selbst ist eine gespaltene Person. Eines Teils sucht sie Ruhe und Frieden, andererseits stählt sie ihren Körper in monatelangen Trainings um Babel gegenüber treten zu können. Ich gönne ihr ihre Zufluchtsstätte in Amrum. Zuviel Böses hat sie in ihrer Zeit beim BKA erlebt.
Für alle die lesen wollen, wie sich Spione im kalten Krieg verhalten, wie sich die Geheimdienste Europa nach dem Krieg aufgeteilt hatten und Spannung a la Bond lieben finden hier in Luzy Morgenroth einer neue weibliche Protagonistin.

Bewertung vom 30.10.2025
Tidhar, Lavie

Adama


sehr gut

„Die Patinnen“ aus Isael
Das Titelbild wird erst auf dem zweiten Blick erkennbar. Es zeigt prominent eine Getreideähre, gehalten von einer, rot, behandschuhten Hand. Schaut man genauer, bemerkt man, dass die Ähre aus einem Maschinengewehr entspringt. Ein Synonym für Palästina, das seine wirtschaftlichen Erfolge nur durch ständige Militärpräsenz und Landwirtschaft erzielt? Jedenfalls ein aktuelles Buch, angesichts des Krieges in Israel.
Es ist eine Familensaga aus der Sicht der weiblichen Familienmitglieder über die Jahrzehnte hinweg er zählt. Die Geschichte ist getränkt in Blut und Tod, der seit Anbeginn des Staates Israel das Leben ihrer BewohnerInnen prägt.
Als Staat im Staat steht hier der Kibbuz Trashim, eine Siedlung mit gemeinschaftlichem Eigentum und basisdemokratischer Verwaltung, dessen Entwicklung sich im Roman entdecken lässt. Wozu brauchen Menschen Geld fragen die Kinder sich hier. Sie werden den Müttern nach der Geburt entzogen, wachsen in einer eigenen Sozietät – überwacht von der Metapelet (Kindergärtnerin) – auf und sind aller Sorgen enthoben. Eltern – meist die Mütter – kennen sie nur von flüchtigen Besuchen, sie spielen keine Rolle. Dementsprechend schwierig ist es die Gemeinschaft zu verlassen, Beziehungen zu „Fremden“ aufzubauen, weil sich alles innerhalb des kleinen Kosmos Kibbuz abspielt. Im Roman schaffen das nur einige Männer (und kommen dabei auf die „schiefe Bahn“). Innerhalb des Kibbuz kennen alle jedes Geheimnis der anderen, auch wenn es noch so tief vergraben wird (Tote, Folterkammern, Waffenverstecke u.a.m.).
Der Roman beschreibt anhand einer Familie (kann man diese losen Verbindungen überhaupt Familie nennen?) die Entstehung Israels aus der Perspektive der Kibbuzim. Diese Geschichte ist gewalttätig, Liebe und Verrat spielen Hauptrollen in der Beziehung zwischen den Menschen.
Die Frauen im Kibbuz bestimmen den Fortschritt der Kommune, sie sind die „Gründerinnen“ und gehen dabei auch über Leichen. Das Lesen des Buches erforderte von mir enorme Anstrengung. Die handelnden Personen werden erst nach und nach in ihren Positionen zueinander erkennbar. Die Lebensgeschichten werden ineinander verschachtelt abgehandelt und als LeserIn muss man auf jedes Detail achten, es kann wichtig in einem anderen Buchabschnitt sein. Die Gewalt, die die agierenden Personen ausüben scheint ihnen immanent, sie kennen kaum ein Gewissen.
Anmerkung: Eine Art Stammbaum der Familie um Hanna, Esther und Ruth wäre hilfreich. Ich habe ihn mir beim Lesen angefertigt, um den Überblick zu bewahren.
Für alle die das heutige Israel besser kennenlernen wollen. Wir erfahren die Leiden und Freuden einer Generation von Siedlern, die ein neues Leben in gemeinschaftlicher Verantwortung führen wollen und erkennen beim Lesen, dass Probleme sich bis in die Neuzeit nicht lösen lassen. Überaus spannend zu lesen, aber man muss verdammt aufpassen um nichts zu versäumen.

Bewertung vom 25.09.2025
Maiwald, Stefan

Alle weg


ausgezeichnet

Tutto Bene – Alles in Ordnung (Winter in Italien)
Ich bin gerade (Mitte September) aus Jesolo zurückgekommen. Die Saison ist noch nicht zu Ende. Am Strand kann man anhand der aufgespannten Sonnenschirme erkennen welche Hotels noch ausgelastet sind und wo bereits auf das Ende des Urlauberzustroms gewartet wird. Frühmorgens fährt ein Traktor (Trecker) den Strand auf und ab und glättet den Sand der Uferpromenade. Noch springen Mutige ins Wasser, viele wandern an der Wasserscheide entlang.
Genau jetzt erscheint ein Buch über das Ende der Saison an der Adria. Einen passenderer Abschluss des Urlaubs kann ich mir gar nicht vorstellen. Der Autor nennt die nun folgende Zeit Nebensaison, für mich birgt sie nur Leere. Beinahe alle Geschäfte sind geschlossen. Die Strände leer – ja total ausgeräumt – kein Blatt, keine Liege, kein Strandlokal. Endlos zieht sich die Sandküste entlang der versperrten Hotels. Nur manchmal sieht man Licht aufblitzten, hier scheint es noch etwas zu trinken zu geben oder dort ein Zimmer.
Aber abseits der Strände und den großen, verlassenen Geschäftsstraßen leben die Einheimischen, die Dörfler und Familien. Sie halten die Stadt zusammen und sie treffen sich (in Grad) bei Pino, in dessen Bar. Von Stefan Maiwald erfahren wir warum die Italiener keine Kleiderhaken in der Bar benutzen und weshalb es wichtig ist einen Kamin zu besitzen (es wird auch sehr kalt – molto freddo).
Am interessantesten ist es gewesen über die Befindlichkeiten der Gradesi zu erfahren und wie sie Weihnachten feiern. Ein Fest der Familie also und mit Unmengen zu Essen. Stefan Maiwald hat mir wieder einen Einblick ins italienische Innere geliefert, interessant, aber ich denke Italien im Winter ist für mich kein Urlaubsziel.
Für alle die immer schon wissen wollten, was in der oberen Adria zwischen Oktober und März passiert. Es herrscht Winter und die Bewohner rücken zusammen, sie kochen viel und frieren ein wenig.

Bewertung vom 05.09.2025
Huth, Peter

Aufsteiger


ausgezeichnet

Wünsche
Felix Licht wünscht es sich sehr - den Posten des Chefredakteurs – und heute ist es so weit.
Christian Berg wünscht es sich sehr – seine Vergangenheit als Modemacher zu vergessen – und deshalb kauft er sich eine Zeitschrift.
Beider Frauen wünschen sich sehr, dass ihre Männer glücklich sind.
Eine spannende Geschichte, die mit einem Todesfall beginnt und in eine Presse, Journalisten, Online -Zeitungsverlagsgeschichte umschwenkt.
Der Autor und Journalist Peter Huth schreibt eine Geschichte über das Spannungsfeld Print- versus Onlinemedien.
Eingebettet darin sind Menschenschicksale die allesamt um das Thema – wie wahr ist meine Darstellung der Wahrheit – kreisen. Die Figuren werden präzise beschrieben und wachsen mir im Verlauf der Geschichte immer mehr ans Herz. Felix, der seinen Posten an eine ehemalige Volontärin abgeben muss, wird im Verlauf der Handlung vom enttäuschten Chefredakteur zum Liebhaber seiner Gegnerin.
Charlotte Berg, die sich eine Zeitschrift kauft, um gegenüber ihren Freundinnen reüssieren kann, merkt, dass sie Menschen nicht kaufen lassen und scheitert an ihren feministischen Ansprüchen, die der Gegenwart nicht mehr entsprechen.
Es ist eine Geschichte von Verzweifelten, die alle ihre Bestimmung suchen und sie – im besten Fall – beinahe erreichen. Außen vor bleibt der den Anfang bestimmende Todesfall. Er wird bloß zu einer – die Handlung nicht tangierenden - Klammer und ist thematisch nicht relevant.
Für alle die eine spannende Geschichte im Spannungsfeld Print – Online lesen möchten. Die Figuren sind überwiegend positiv beschrieben. Gute Bildungsbürger im Kampf gegen Onlinesympathisanten, Journalisten gegen Onlinetrolle, Wahrheit gegenüber Eigensicht. Ein Sammelsurium von Figuren, die allesamt rasch ein Eigenleben bekommen und LeserIn ans Herz wachsen.

Bewertung vom 01.09.2025
Drvenkar, Zoran

Asa


ausgezeichnet

Der Geist der Liebe
Asas Vater wurde vor ihren Augen ermordet. Als sie feststellt wer dahinter steckt, plant sie ihre Rache. Ein Generationen umspannender Roman um eine Familie, die nur das Beste will, aber dafür auch Menschenleben opfert.
Zoran Drvenkar, Kroate, freier Schriftsteller und seit Jahrzehnten Berliner, beschreibt das Leben einer Dorfgemeinschaft in der Uckermark – im Nordosten Brandenburgs, die sich vor äußeren Einflüssen abschottet und einen eigene Ehrenkodex entwickelt, um zu überleben.
Es ist ein Roman mit seltsamem Aufbau. Der Erzähler – der Geist der Liebe – ist tot und hat somit umfassende Gewalt über die Ereignisse. Lebendig war er mit Asa verheiratet und ihr Seelenverwandter. Eine falsche Entscheidung seinerseits bringt seinen Tod und er wird zum Kommentator der Geschehnisse.
Über ein Jahrhundert schildert der Erzähler die Geschichte der Familie Kolbert, die das Schicksal der Dorfgemeinschaft bestimmt. Die historischen Passagen sind die interessant zu lesen und stellen Stück für Stück den Zusammenhang mit der Gegenwart her. Diese Abschnitte wechseln sich in unzähligen Handlungssträngen mit der undurchsichtigen Lebensgeschichte Asas ab. Je weiter man sich durch die Geschichte liest desto klarer werden die Zusammenhänge. Da sich die Geschichte über mehrere Generationen ist es ratsam sich die Namen der Familienmitglieder gut zu merken. Diese überfluten die Geschichte mit ihren eigenen Biografien und machen die Aktionen Asas erst verständlich.
Für alle die gerne eine erbarmungslose Rachegeschichte und eine Familiensaga mit sehr vielen Darstellern lesen wollen. Die Geschichte ist bis zum Schluss spannend und weist viele interessante Finten auf. LeserInnen sind darauf angewiesen die einzelnen Puzzleteile an die richtige Stelle zu setzen, aber viele der Teile sind zunächst nur schneebedeckte Flächen (ehe sie in Blut getränkt werden).

Bewertung vom 16.08.2025
Doughty, Louise

Deckname: Bird


sehr gut

Flucht
Heather Berriman, genannt Bird, wird gejagt. Die Agentin einer Unterorganisation des englischen Geheimdienstes hat sich wegen hoher Steuerschulden verletzlich gemacht. Gedeckt von ihrem Vorgesetzten Kieron schien der Betrug lange Zeit gutzugehen, aber jetzt wird ein Opfer gesucht und in Bird gefunden. Heather hat sich vorbereitet, zu lange schon ist sie beim Geheimdienst, um zu wissen, irgendwann kommt alles ans Tageslicht. Sie taucht ab und flüchtet in die Einsamkeit des englischen Nordens. Skye, Inverness oder Thurso nennen sich die Dörfer wo sie kürzer oder länger verweilen kann, immer auf der Flucht, angespannt, immer allein.
Der Roman von Louise Doughty ist kein Thriller, sondern eine Beschreibung einer Frau, die auf sich allein gestellt in feindseliger Umgebung überleben muss. Tatsächlich ist ihre Schuld – sie hat ihre Kreditschulden nicht bei der Behörde gemeldet – gering, aber die Vertuschung gemeinsam mit ihrem korrupten Vorgesetzten macht sie erpressbar und zum Sündenbock.
Im Roman wird das Leben von Heather, ihre Freundschaft mit Flavia, eine Kameradin im WRAC (Woman‘s Royal Army Corps) in Rückblenden erzählt. Ihr Vater war selbst Spion und sie wird nach dem Ausscheiden aus dem Militärdienst als Agentin angeworben, wo sie gerne arbeitet. Mit Flavia, die ein Kind bekommt und aus der Armee ausscheiden muss, verbindet sie eine innige Freundschaft, die durch ein Missverständnis zerbricht.
Auf ihrer Flucht versucht sie zu verstehen, weshalb sie zur Zielscheibe geworden ist. Die Korruption ihres Vorgesetzten hat sie vorerst gar nicht wahrgenommen, erst mit den Jahren erkennt sie in welchem Dilemma sie steckt. Ihre Verstecke findet sie an den einsamsten kältesten Orten der Welt, sie findet keine Wärme und Geborgenheit. Zufällig findet sie heraus, das Flavia schon vor Jahren verstorben ist und mit dem Gedanken an deren Töchter Adelina findet sie einen Anker, der sie von einer Zukunft träumen lässt.
Für alle die sich einen Agentenroman ohne James Bond Aktion wünschen ist das der wohl geeignetste Protagonist. Er stellt das Geheimdienstleben trostlos dar, keine Freunden, kein Familienleben und keine Liebe. Wer sich auf ein solches Leben einlässt, kann niemandem vertrauen und bleibt sein Leben lang allein. Nur in der Distanz ist eine Bindung möglich und schwer zu behalten.

Bewertung vom 17.07.2025
Kitamura, Katie

Die Probe


gut

Zwei Gegenwarten
Eine Schauspielerin trifft sich zum Dinner mit einem jüngeren, gut aussehenden Mann, einer Affäre nicht abgeneigt, in einem Restaurant in New York. Der junge Mann, Xavier, überrascht sie mit der Feststellung ihr Sohn zu sein. Als auch ihr Mann Thomas das Lokal betritt, sich umsieht und wieder verlässt, erklärt sie Xavier niemals ein Kind geboren zu haben. Zuhause beginnt das Ehepaar sich und ihre Ehe in Frage zu stellen.
Im zweiten Teil wird die Annahme von Xavier zur Wirklichkeit. In dieser Gegenwart hat die Schauspielerin einen Sohn mit ihrem Ehemann. Xavier nistet sich im Apartment der Eltern ein, wie ein Parasit breitet er sich aus und übernimmt das Kommando. Seine Mutter zuerst erfreut über die Rückkehr des verlorenen Sohns sehnt sich schnell wieder danach ihn loszuwerden.
Die Autorin Katie Kitamura beschreibt das Leben der New Yorker Uperclass. Eingebettet in einem, über die Jahre erworbenen, Wohlstand kommt es durch einen Eindringling zu Unruhe, Verdächtigungen und Zweifel. Die Hauptperson – eine gefeierte Bühnenkünstlerin – ist es gewohnt in Rollen zu schlüpfen und mir als Leser erscheint es als ob sich der zweite Teil auch als Traum entpuppen könnte. Die Entscheidung liegt bei mir, denn „Was wäre wenn ..“ wird seitens der Autorin nicht kommentiert.
Für alle die lesen wollen, wie wenige Begegnungen eine Beziehung in Wanken bringen und eigene Ängste den Blick auf den Partner völlig verändern können. Welche Rolle spiele ich im Leben und wie wirke ich auf mein Gegenüber?

Bewertung vom 09.06.2025
Berkel, Christian

Sputnik


sehr gut

Im Mutterbauch
Christian Berkel, Schauspieler – bekannt als Kriminalist, beschreibt mit 67 Jahren wie er sich als Embryo im Bauch seiner Mutter fühlt. Langsam wird er größer, beginnt eine Kommunikation mit seiner Nahrungsquelle und ist dann sehr erstaunt, das Licht der Welt zu erblicken.
Ein interessanter Einstieg in eine Biografie der hier vor mir liegt. Die Welt wird immer größer und anstrengender. Langsam lernt man die Eltern kennen. Der Vater ist Arzt, die Mutter scheinbar krank – wahrscheinlich Krebs, doch beide kümmern sich um den Jungen, sobald Not am „Kind“ ist.
Einfach macht es Herr Berkel mir (den LeserInnen) es nicht. Seine Wörter verbinden sich zu Wortkaskaden, in denen wertvolle Information zu holen ist, aber man muss genau hinschauen (lesen). Was man merkt ist die Intensität mit der er lebt. Bereits in jungen Jahren ist er überzeugt immer das „Richtige“ für sich zu tun. Ein Egoist, ja, aber ein sympathischer. Von der Mutter lernt er die französische Sprache, de facto im Mutterbauch. Eine französische Bekanntschaft aus einem Urlaub ermöglicht ihm ein Semester Schule in Paris und seine Leidenschaft für diese Stadt und das Theater sind nicht mehr zu unterdrücken.
Christian gerät immer tiefer in die Boheme, die Theaterszene und das Kulturleben der französischen Hauptstadt. Er beschließt dort zu studieren (und seine Eltern müssen ihn unterstützen) und Schauspieler zu werden.
Die Welt außerhalb dieses Kosmos ist ihm unbekannt. Das aktuelle Geschehen und Begrifflichkeiten (RAF, Stammheim, D-Day) aktuell und vergangen kennt er nicht. Er lebt in einer Blase (Mutterbauch), in der er Mittelpunkt ist. Sein Egoismus ist grenzenlos, aber nicht unsympathisch. Seine Mentoren sind aus dem Hochadel der französischen Schauspielkunst (Barrault, Bertin, Dux), trotzdem fühlt er sich ihnen überlegen. Er will spielen und verfolgt dies mit der eigenen Selbstaufgabe.
Seine Eltern sind geprägt vom zweiten Weltkrieg. Ihre Biographien klingen an, sind dem jungen Schauspieler aber nicht wichtig. Erst spät erkennt er welche Mühsal seine Erzeuger ertragen mussten.
Für alle die eine Biographie eines Süchtigen nach Selbstdarstellung lesen wollen. Schwierig zu lesen, da Vorkenntnisse der diversen Schauspielschulen und in der Theaterwissenschaft notwendig sind, um zu erkennen welche „Berühmtheiten“ Berkel als Lehrer und Unterstützer fördern. Gleichzeitig auch eine Aufarbeitung der elterlichen Geschichte während der Nazizeit.

Bewertung vom 19.05.2025
Nicholas, Anna

Das Teufelshorn


sehr gut

Mallorca für Mörder
Isabel „Bel“ Flores Monserrat genießt die idyllische mallorquinische Atmosphäre ihrer Heimatstadt Sant Marti. Noch weiß sie nicht, dass sich ihr Leben innerhalb weniger Stunden massiv ändern wird.
Die ehemalige Kommissarin aus Madrid wird vom Bürgermeister überredet wieder in den Polizeidienst einzutreten. Ein Mädchen ist verschwunden, wahrscheinlich entführt worden und das sind nicht die Schlagzeilen die sich der Dorfchef wünscht. Schon bald werden weitere Leichen gefunden und Flores scheint einen Zusammenhang zwischen den Verbrechen zu ahnen. Die Ermittlerin beginnt – gemeinsam mit ihrem Kollegen Tolo Cabot – einen Wettlauf gegen die Zeit.
Anna Nicholas beschreibt das Meer, die Buchten und Berge Mallorcas wie in einem Urlaubsprospekt. Als Leser werde ich aufs Genaueste mit den Gassen, Geschäften und vor allem Bars und Cafés des Landes vertraut gemacht. Die herzliche Ermittlerin, die nebenbei als Vermieterin von Ferienwohnungen ihre Mutter unterstützt, hat ihre Eigenarten. Als Haustier hält sie sich ein Frettchen, als Dienstwagen einen, in die Jahre gekommenen, Fiat, welchen sie öfter, wegen der Geschindigkeit gegen eine Vespa eintauscht. Neben der Aufklärung der Entführung und Morde erfahren wir viel über Land und Leute. Die sonnigen Hügel und Berge sowie der lange Strand sind die Schauplätze der Handlung. Das Teufelshorn ist eine fiktive Felsnadel vor einer Höhle an der Küste, hier findet Flores einige Hinweise auf die Mörder.
Der Roman liest sich wie ein Butterbrot. Er erzeugt bei mir ein Urlaubsgefühl, wohl weil ich schon in Mallorca gewesen bin. Die Handlung wird sowohl durch die Ermittlungsergebnisse als auch Anekdoten im Umfeld der Kommissarin lesenswert und hält das Interesse wach. Es erschließt sich für mich nicht wie Flores ihren Alltag innerhalb von 24 Stunden unterbringen kann. Ihre Aktivitäten würden für einen Tag und eine Nacht zu kurz, aber was soll’s es ist unterhaltsam.
Für alle die einen Roman in der Art der Bruno Chef de Police von Martin Walker Geschichten mögen. Sie sind hier gut aufgehoben mit den Alltagsgeschichten einer Hauptkommissarin in einem Dorf voller liebenswerter Menschen und Mördern.