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Benutzername: 
Friedrich Berkner
Wohnort: 
Gießen
Über mich: 
www.fritzberkner.de

Bewertungen

Bewertung vom 16.05.2012
Melitta von Stauffenberg
Medicus, Thomas

Melitta von Stauffenberg


weniger gut

Es ist teilweise empörend, in welch herablassender Art und Weise der Autor selbst diejenigen diskriminiert, von denen er Quellenmaterial bekommen hat. Die Familie von Stauffenberg möge sich dazu selber artikulieren. Als betroffener relativ naher Verwandter der Familie Schiller (Melitta war die Schwester meines Onkels Otto Schiller) verwahre ich mich gegen den oft vorherrschenden Stil aus Behauptungen, Mutmaßungen und Unterstellungen und "Besserwisserei" in dieser Berichterstattung. Ich bin der Dr. Medicus - was ich hier schreibe, ist die Analyse einer Frau, die ich nie gesehen habe, deren Lebensumstände ich nie verstehen werde. Ich habe nie in dieser Zeit gelebt, weiß aber alles darüber. Das darf der Leser bitte glauben! Es scheint zeitgemäß zu sein, dass Historiker es meist besser wissen als die Menschen, die selbst dabei waren. Zu vielen ihm mitgeteilten Fakten, die er selbstverständlich anzweifelt, sagt er dann lapidar in etwa: "wie er bzw. sie behauptet!" Er "beschreibt" hier mit Sicherheit nicht ein "radikales" Leben auf Grund von Quellen. Man liest das Wort "Landpommeranze" in Verbindung mit Melittas Namen auch wie den Hinweis, sie habe die "Klatschspalten der Berliner Presse gefüllt" (Berliner Illustrite Zeitung). Die dürfte nun sicher nicht in die zuvor angeführte Kategorie "Klatschzeitung" einzuordnen sein? Offensichtlich hat der Autor z. B. in Melittas Geburtsstadt Krotoschin nicht vor Ortrecherchiert. Zu dem aus einem polnischen Buch entnommenen Bild von Schillers Wohnhaus fehlt die Quellenangabe! Bei mir hätte er ein Originalfoto vom heutigen Zustand bekommen können. Ich war vor Ort. Der Vater Michael Schiller war nicht nur Königl. Preußischer Landbauinspektor, sondern man weiß sehr wohl, welche heute noch existierenden Gebäude dem Architekten Schiller (so würde man diesen hochspezialisierten Diplom Ingenieur wohl heute nennen!) zuzuordnen sind.
Auf den "Klang" des berühmten Namens v. Stauffenberg dieser bedeutenden Frau zielend, bietet Dr. Medicus im Vertrauen auf somit schon nahezu gesicherte "Publicity" mit teilweise an Frechheit grenzenden Thesen ein Buch an, welches er dann geschickt und sicher verkaufssteigernd - wohl auch mit Hilfe des Rowohlt Verlages - an die Medien wie Presse und Rundfunk vermarktet. Klingt gut, die Verbindung von Widerstand und (evangelisch getaufter!) "Halbjüdin" evangelischer Eltern?
Melitta hatte es sicher nicht nötig, ihren Namen zu vermarkten, das zumindest wird ja sogar im Buch zugegeben. Auf dem abgebildeten Bild Seite 151 der Familie auf der Hochzeit ihres Bruders Otto Schillers mit der Schwester meines Vaters ist ganz vorne rechts auch meine zu sehen. Deswegen erlaube ich mir diese wenigen Bemerkungen zum Buch, die zum Nachdenken anregen mögen.
Der ebenfalls abgebildete angeblich unbekannte Gast ist Lotte Meyer, die Cousine von Ilse (Schiller). Hätte Herr Dr. Medicus leicht bei mir erfragen können, hat er aber nicht!
Die Darstellungen im Epilog über die Verbindungen Otto Schillers zur Ostforschung und deren Hintergründe lassen oftmals Objektivität vermissen.
Die Schiller-Kinder waren ziemlich sicher Cousinen und Cousins des ersten Marschalls der Sowjetunion und späteren Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets, Kliment Woroschilow.
Da hätte er doch wirklich "sensationelle" Querverbindungen gehabt. Die Info dazu hätte er im Internet finden müssen. Dennoch hat Dr. Medicus auch viele neue Fakten dargestellt, was objektiv erwähnt werden muss. Mit dem Grundwissen aus dem Buch von Bracke und derseriös gestalteten Ausstellung des Kladower Forums von 2009 muss man mit dem Buch leben.
Bedauerlich, dass es in dieser Form unwidersprochen weltweit wohl als eines der "Standardwerke" in bedeutende Bibliotheken einziehen wird, ohne von den beiden Familien kommentiert und richtig gestellt worden zu sein.

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