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Benutzername: 
Musling
Wohnort: 
Kiel

Bewertungen

Bewertung vom 29.04.2014
Morgen kommt ein neuer Himmel
Spielman, Lori Nelson

Morgen kommt ein neuer Himmel


sehr gut

Nach Klappentext und Zusammenfassung hatte ich ein zweites "PS: Ich liebe Dich erwartet". Und im Prinzip ist es das auch, nur eben mit einer bittersüßen Mutter-Tochter-Beziehung. Umso mehr freute es mich, dass Hauptfigur Brett Bohlinger im Laufe des Buches ihre eigene Stimme fand.
Die meiste Zeit konnte ich mich sehr gut in sie hineinversetzen, denn ich bin ebenfalls das Nesthäkchen in der Familie, habe 2 ältere Brüder und viel zu früh ein Elternteil verloren. Wahrscheinlich ist deshalb auch mein absolutes Lieblingsbuch Das Orangenmädchen von Jostein Gaarder. Ich erwartete ähnlich intensive Gefühlsschwankungen wie bei jenem Buch, aber was mich davor bewahrt hat, während des Lesens die ganze Zeit nach den Taschentüchern greifen zu müssen, waren die einzelnen leicht schwülstigen Passagen, was aber vielleicht auch der Übersetzung geschuldet ist. Einige Dialoge, Beschreibungen, Seitenfüller ... fand ich einfach "over the top", ein wenig zu kitschig in der Schreibe, obwohl der Stil ansonsten recht flüssig und schnell zu lesen ist.
Als seichte Urlaubslektüre würde ich es aber trotzdem nicht abtun, denn das Jahr, in dem wir Brett schönerweise begleiten, ist eine ganz schöne Karussellfahrt mit vielen Höhen und Tiefen.
Man könnte meinen, das Buch sei von Anfang an vorhersehbar, vor allem was Bretts Liebesleben angeht, aber die Autorin schafft es trotzdem, die Spannung aufrecht zu erhalten, indem sie ein paar Schlenker und Sackgassen einbaut und die vielen verschiedenen Charaktere gut herausgearbeitet hat (Ihrem Bruder Joad hätte ich zwischendurch am liebsten eine geboxt!).
Die Entscheidung, aus der Ich-Perspektive zu erzählen ist meiner Meinung nach die beste Art, keine Distanz zwischen der emotionalen Geschichte und dem Leser aufkommen zu lassen. Man fühlt sofort mit Brett mit und begibt sich mit ihr auf diese Reise.
Was ich ein bisschen nervig fand, war, dass Brett eine ganz schöne "Heulsuse" ist. Bei dem Druck und der heftigen Trauer ist das natürlich verständlich, aber auch bei anderen, eher alltäglichen Dingen schießen sofort die Tränen. Inhaltlich kam es mir zudem manchmal vor, als ob einige Passagen dem Rotstift zum Opfer gefallen sind. An sich sind Geschichte und Abläufe logisch aufgebaut, aber ab und an habe ich mich am Kopf gekratzt und gefragt "Und was ist jetzt aus der oder der Sache geworden?". Ein paar wenige Stränge, wie z.B. das Schicksal von Peter, sind also meiner Meinung nach im Sande verlaufen, was ein bisschen schade war.
Im Großen und Ganzen habe ich mich aber sehr über das Buch gefreut und würde es meinen Freundinnen direkt weiterempfehlen. Ich hatte ein gutes Gefühl, als ich das Buch nach 2 Tagen beiseite legte und habe mich insgeheim für die Bohlinger family gefreut.
Ich könnte es mir sogar gut als Verfilmung (schon gut, schon gut;) vorstellen - vielleicht mit einer leicht überforderten Amy Adams in der Hauptrolle?

++++++++

Fazit: Ein gelungenes Buch mit einer bittersüßen Botschaft, die uns auf den Boden und auch ein bisschen ins Leben zurückholt. Das Buch regt zum Nachdenken und zum Nachahmen an, gleich nach dem ersten Kapitel habe ich in meinen alten Sachen gewühlt, weil ich der festen Überzeugung war, dass ich früher ebenfalls so eine Liste erstellt habe. Gefunden habe ich sie nicht, dafür aber neue Lebensziele, der meinem 14-jährigen Ich bestimmt auch gefallen hätten.

7 von 12 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.