Benutzer
Benutzername: 
Gurke
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 172 Bewertungen
Bewertung vom 14.07.2025
Geschke, Linus

Der Trailer / Donkerbloem Bd.1


ausgezeichnet

Des Campers Fluch ist nicht nur Regen und Besuch

Polizeikommissarin Frieda Stahnke wurde von den laufenden Ermittlungen gegen einen mächtigen Immobilienmogul suspendiert, weil sie einigen korrupten Beamten damit gehörig auf die Füße getreten ist. Um auf andere Gedanken zu kommen, nimmt sie an einem True-Crime-Podcast teil, der den Cold Case rund um Lisa Martins Verschwinden von einem Campingplatz in den belgischen Ardennen vor 15 Jahren noch einmal von einer neuen Seite beleuchten will. Interessiert hört zur gleichen Zeit der Kölner Barbesitzer Wout Meertens den Ausführungen zu und gerät ins Fadenkreuz eines Mörders, denn er war damals in Camp Donkerbloem anwesend und genoss die legendären Partys mitten in der Einöde.

Wir liebes es als Familie mit unserem Wohnwagen in den Urlaub zu fahren und bevorzugen abgeschiedene Standplätze, um die völlige Ruhe zu genießen. Linus Geschke hat mit seinem neuesten Thriller „Der Trailer“ nun dafür gesorgt, dass ich zukünftig etwas unruhiger im Wohnwagen schlafen werden, denn er hat dem Bösen ein neues Gesicht gegeben.

Man möchte meinen, dass in diesem Genre irgendwann alle Grausamkeiten der menschlichen Psyche verarbeitet wurden, aber das Ende ist mit diesem Autor noch lange nicht erreicht. Geschke hat sich ein sehr sensibles Thema für das Kernverbrechen ausgesucht und fächert seinen Plot meisterlich darum herum auf. Der Spannungsbogen sucht wahrlich seinesgleichen und ich konnte gar nicht aufhören immer tiefer in den Sumpf der Verbrechen abzutauchen. Nebenschauplätze, die den Leser normalerweise versuchen vom Offensichtlichen abzulenken, hat der Auftakt der Reihe nicht nötig und wir können uns wie kleine Detektive á la „Aktenzeichen XY ..ungelöst“ vollkommen auf Lisas Spur einlassen.

Die Charaktere sind vielschichtig, dabei in ihrem Tun und Denken aber nicht abgedroschen. Wahre Sympathieträger sucht man vergeblich, dafür findet man aber Personen, die ihren Platz im Leben gefunden haben und für ihre Werte einstehen. Das Finale bestätigt diese Einschätzung noch einmal auf eindrucksvolle Weise und gibt eine gute Vorlage für den Folgeband.

Kommentare zu dem Cover gehören für mich eigentlich nicht zwingend in eine gelungene Buchrezension, da es kein vordergründiges Kaufargument darstellt. Bei „Der Trailer“ muss ich aber eine Ausnahme machen, denn hier hat man sich beim Layout größte Mühe gegeben, um dem Charakter einer Trilogie auch den gebührenden Respekt entgegenzubringen. Schon als Einzelband sieht der Eingangsbereich des Silber glänzenden Wohnwagen vor dem dunklen Hintergrund und dem passenden, grauen Farbschnitt sehr unheimlich aus. In der Kombination mit den Folgebänden soll sich daraus dann der komplette Wohnwagen wie ein Puzzleteil ergeben.

Selbst die Abschlussworte und Danksagungen hat Linus Geschke erfrischend anders formuliert und es lohnt sich diese zu lesen, ohne das Gefühl einer endlosen Aufzählungen von treuen Wegbegleitern im Prozess des Schreibens zu haben. Ich freue mich auf den Januar 2026 und ein Wiedersehen mit den bösen Geistern in Camp Donkerbloem.

Bewertung vom 07.07.2025
Grimm, Sandra

tiptoi® Abenteuer Großwerden - Piet kommt in den Kindergarten


sehr gut

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg der frühkindlichen Entwicklung ist die Teilnahme am Kindergartenalltag. Bei diesem tiptoi-Buch aus der Ravensburger Reihe „Abenteuer Großwerden“ begleiten wir den kleinen Piet zu seinem großen Tag in die Eingewöhnung.

Die Seiten sind themenweise aufgebaut und geben den Alltag in der Kita gut strukturiert wieder. Wir erleben ein erstes Ankommen nach dem gemeinsamen Weg zu dem Ort des Geschehens mit Piets Papa und schauen uns anschließend vorsichtig und neugierig mit ihnen im Gruppenraum um. Später darf Piet mit seinen neuen Spielkameraden ein gesundes Frühstück genießen und hinterher satt und glücklich im Toberaum spielen. Der Mittagsschlaf darf zum Ausruhen natürlich nicht fehlen und auch der Waschraum zum obligatorischen Windelwechsel wird vorgestellt. Als Höhepunkt dürfen alle Kinder im Garten auf Entdeckungstour gehen, bevor Piets Mama ihr glückliches Kindergartenkind wieder abholt.

Auf jeder Seite gibt es informative Texte, lustige Geräusche und allerhand mehr zu entdecken. Es wurden auch viele liebevolle Details und niedliche Missgeschicke eingebaut, die den Kindern in ihrem Eifer passieren, z. B. verkehrt herum angezogene Jacken oder das verschüttete Wasserglas. Das Buch wird Kindern ab 2 Jahren empfohlen und ich stelle fest, dass mein Sohn, der etwas älter als das empfohlene Alter ist, manchmal noch überfordert mit der Länge der Sätze bzw. den Gesprächen ist. Die kleinen Reime, die beispielsweise beim Berühren der Seiten mit dem tiptoi-Stift ertönen, wenn Tiere angetippt werden, treffen genau seinen Geschmack. Ebenfalls liebt er das Geräusch des Rutschautos oder das Spülgeräusch auf der Toilette.

Als kleinen Minuspunkt empfinde ich, dass die Eingangsworte nicht übersprungen werden können. Die kleinen Spielhände schalten den tiptoi-Stift versehentlich beim Schmökern aus und man muss sich erneut den recht langen Monolog anhören.
Die Angst vor dem Kindergarten kann jedoch spielerisch verarbeitet werden und ich denke, dass wir in ein paar Wochen auch mehr Spaß mit Piet haben werden. Unser erstes interaktives tiptoi-Buch bestand nur aus Tiergeräuschen, was schlichtweg einfacher für die Konzentrationsspanne der Kleinsten ist.

Bewertung vom 25.06.2025
Koelle-Wolken, Patricia

Der Garten der kleinen Wunder


ausgezeichnet

Für Unbeteiligte mag das Zuhause von Toja aussehen wie eine Villa Kunterbunt, die Nachbarn mit ihrem üppigen Unkraut im Garten und dem quietschbunten Chamäleon auf dem Dach ärgern will. In Wirklichkeit ist dies jedoch ihr heimeliger Rückzugsort, der feste Kokon, der einen Anker für ihr höchst zerbrechliches Selbstwertgefühl darstellt.
Als eines Tages die 14-jährige Vica an dem Gartenzaun steht und sehnsüchtig hinüberschaut, lädt Toja das Mädchen sanft ein, sich umzusehen, woraus still und langsam eine tiefe Freundschaft wächst. Gemeinsam mit dem tüchtigen Mann namens Bär wohnt Toja dort in ihrem Paradies voller Naturwunder und hält die Erinnerung an Wilhelmine „Wille“ Sande, die trotz einer schweren Muskelschwunderkrankung niemals die Freude am Leben verlor, aufrecht. Die unverrückbare Botschaft hinter Willes Lebenswerk ist wunderbar einfach und man möchte sie hinausschreien in eine kriegsgetriebene Gegenwart: Seid glücklich und zwingt anderen nicht eine vermeintlich allgemeingültige Doktrin auf.

Bei besonderen Büchern möchte ich für potenzielle Käufer die Rezension immer gerne mit Lieblingszitaten aufwerten, um die Neugierde auf den Inhalt zu steigern. Ich habe in diesem Roman irgendwann leider aufhören müssen, mir Notizen zu machen, weil es die Rezension sprengen würde, wenn ich die ganzen Passagen aufzählen würde. Um anderen trotzdem die Möglichkeit zu geben, vorab in die bildliche Sprache von Patricia Koelle-Wolken abzutauchen, möchte ich exemplarisch ein malerisches Zitat teilen.

„Ich richtete mich auf und stellte fest, dass die Stimme, die wie dunkle Schokolade mit einer leichten Salznote klang, zu einer Frau in einem Elektrorollstuhl gehörte.“ (S. 22)

Der Autorin gelingt es, nicht nur eine sonnenwarme Atmosphäre mit ihren Beschreibungen von aufspringenden Blüten in unzähligen, naturnahen Blumenbeeten, vibrierender Geschäftigkeit der Insekten im Gartenparadies und dem leckeren Duft von fernen Kräutern zu zaubern, sondern durch die Protagonisten auch Herzenswärme in unserem Innersten zu erzeugen. Die kleine Gemeinschaft von Menschen, die allesamt ihr persönliches Päckchen im Leben zu tragen haben, verbindet schlussendlich der Frieden eines Sommeratems und lässt uns nach der Lektüre automatisch milder im Alltag zurück.

„Es ist, als ob alles andere unwichtig ist und dass alles hier um uns rum mich trägt und durch mich durchfließt und in mir drin ist. So als ob ich eine Seifenblase bin und voller Licht und fliegen kann.“ (S.88)

Ich gehöre auch eher zu den stilleren Menschen und kann z. B. die Panik von Vica vor einem Schulreferat auch noch Jahre nach dem Abschluss beinahe psychisch spüren. Die behutsame Art und Weise, wie die Autorin uns in die Seelenwelt von introvertierten Personen einlädt, gefällt mir ausgesprochen gut. Nur in wenigen Gesprächen mit Vicas Vater rutscht es ganz leicht in einen belehrenden Ton ab. In den jungen Jahren des Erwachsenwerdens hätte ich mir auch fast schmerzlich eine Wille oder Toja an meiner Seite gewünscht, die Verständnis für diese gewisse „Kauzigkeit“ aufbringen, die eigentlich nur eine andere Normalität ist.
„Der Garten der kleinen Wunder“ erhält einen besonderen Platz in meinem Bücherregal. Sollte es mir irgendwann wieder schlecht gehen, weil die Welt um mich herum zu laut oder zu fordernd wird, möchte ich dieses zauberhafte Kleinod an leise Menschen jederzeit greifbar haben – wie eine Art Kurztherapie.

Bewertung vom 06.06.2025
Weigert, Evelyn

Peace, Moms


sehr gut

Evelyn Weigert war mir vollkommen unbekannt, bevor ich ihren Elternratgeber der etwas anderen Art in den Händen hielt. Die Moderatorin fackelt nicht lange und nimmt uns ohne Umschweife und schonungslos ehrlich mit in den Kreißsaal, auf das stille Örtchen oder in ihre düstere Gedankenwelt während eines Mama-Burn-outs. Vielen anderen Frauen wäre es bestimmt unangenehm, in der Öffentlichkeit über persönliche Ängste, überspitzte Sorgen oder Kackwürste zu schreiben, aber ich liebe diese Offenheit, weil es bei der Berlinerin auch einfach authentisch und nicht aufgesetzt ist.

Die regelmäßigen Aufrufe für mehr Selbstakzeptanz und die Plädoyers, wofür wir als berufstätige Mütter schlichtweg stolz sein dürfen und sollen, helfen dabei, das tägliche Chaos leichter zu ertragen. Ich habe mir manchmal gewünscht, über das Gelesene mit der Autorin in den Austausch zu gehen und auch meine ähnlichen Erlebnisse mit ihr zu teilen, weil ich mich von ihr wirklich verstanden gefühlt habe. Diese aufopfernde Liebe für die eigenen Kinder und wie es dabei an den eigenen Kraftreserven zerrt, oder auch der Wunsch, ein paar Aufgaben im Haushalt in Ruhe zu erledigen, aber gleichzeitig sich vor Sehnsucht nach dem Nachwuchs zu verzehren, der gerade friedlich in der Kita spielt. All das versteht die ältere Generation unserer Eltern nicht (mehr), aber hier sitzen wir auf knapp 200 Seiten alle in einem Boot – in einer Zerreißprobe zwischen Kuschelzeit, Sehnsucht nach selbstbestimmter Zeit und Schlafmangel. Wir sollten definitiv häufiger mit Gleichgesinnten z. B. über das misslungene Abendessen sprechen, statt alles immer zu beschönigen, denn das macht coole Mamas aus.

Etwas genervt haben mich die Lobhudeleien auf das besonders schwere Schicksal mit zwei kleinen Kindern als Selbstständige mit ihrem Lastenfahrrad. Der kurze Altersunterschied zwischen den Töchtern ist schließlich entweder die eigene bewusste Entscheidung gewesen oder schlichtweg auf schlechte Verhütung zurückzuführen. Dann aber noch zu betonen, wie schwer man im Showbusiness schuften muss, fand ich daneben, denn obwohl es in einem 40-Stunden-Bürojob höchstwahrscheinlich nicht um Existenzängste nach einer Schwangerschaft geht, so ist das Pensum gewiss nicht weniger anstrengend, als beispielsweise in Podcasts über lustige Spielplatzausflüge zu berichten – aber hey: „Cool Moms, don’t judge other jobs“.

Bei der Danksagung bekommen von Evelyn auch die Fotografin und der Layoutverantwortliche für das Cover einen ordentlichen Applaus. Meine erste Intention beim Betrachten des Bildes weckte allerdings eher gemischte Gefühle, weil ich nicht an eine stressgeplagte Mutter, sondern an eine cracksüchtige Barbie dachte. Kaufanreiz war das Cover für mich demnach nicht, aber glücklicherweise begeistert der Inhalt dafür umso mehr.

Mittlerweile bin ich damit beschäftigt, meinen Mann davon zu überzeugen, dass er auch in ein paar Kapiteln schmökern. Ich sehe „Peace, Moms“ nämlich durchaus als Paarlektüre, um mit Humor die eigenen Streitpunkte einer Beziehung von einer anderen Seite zu beleuchten und mehr Verständnis für den anderen Part im Familiengetümmel aufzubringen. Selbstverständlich steht der Spiegel-Bestseller auf meiner Geschenkeliste für gute Freundinnen natürlich auch bereits drauf.

Bewertung vom 21.05.2025
Klein, Martin

Leserabe 1. Lesestufe - Pups-Alarm!


sehr gut

Ari ist ein fröhlicher Junge, der gemeinsam mit seinen Eltern und den beiden Geschwistern einen Ausflug auf den Spielplatz macht. Stolz führt Ari jedem seinen neuen Trick vor, denn es gelingt ihm, mit zackigen Armbewegungen „Achsel-Pupse“ zu erzeugen – die zwar echt klingen, aber glücklicherweise gar nicht riechen. Auf dem Spielplatz gerät Aris Mama in eine peinliche Situation. Ob Ari und seine Freunde sie daraus retten können?

Ein Buch für Leseanfänger, in dem ununterbrochen gepupst wird, ist eine herrliche Idee und dabei bestimmt speziell für freche Schuljungen eine wahre Freude. Auf den mit bunten Bildern gespickten Seiten dreht sich alles um die Töne des Popo, die jeder heimlich macht, aber eigentlich im Verborgenen bleiben. In sehr einfacher Sprache mit reichlich direkter Rede begleiten wir den Sonntag der sympathischen Durchschnittsfamilie.

Ziemlich gestolpert bin ich über die Formulierung des „Karren“ als Synonym für einen Kinderwagen. Hier sollte sicherlich ein kürzeres, vermeintlich leichteres Wort für die Leseanfänger gewählt werden. Ich persönlich ordne den Begriff jedoch eher z. B. in der Landwirtschaft ein. Im Vergleich wählte der Autor dagegen schwierige Kindernamen (Pantea, Per, Jon), die dazu für mein Verständnis nicht der gängigen Schreibweise entsprechen und mich als Erwachsenen schon im Lesefluss stolpern ließen. Den gängigen Begriff des Kinderwagens oder, um es zu verkürzen, den Buggy finde ich deutlich alltagstauglicher.

Ich bin begeistert von den kleinen Rätseln der sogenannten Rabenpost und den Stickern im hinteren Teil des Buches. Für jedes abgeschlossene Kapitel kann wie eine Art Fleißbienchen ein lustiger Rabe an der vorgesehenen Stelle im Buch als Belohnung geklebt werden. Das fördert die Motivation der Kinder ungemein und macht das Geschaffte visuell greifbar. Die Rabenpost ermöglicht es noch zusätzlich, an einem Gewinnspiel teilzunehmen und neuen Lesestoff zu ergattern.

Bewertung vom 15.05.2025
Maly, Beate

Zeit der Hoffnung / Die Trümmerschule Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dramatische Jahre liegen hinter Stella Herzig, denn ihre engsten Familienangehörigen wurden als Juden von den Nazis verfolgt und in der Gaskammer von Auschwitz ermordet. Ihr geliebter Verlobter hat das Kriegsende ebenfalls nicht überlebt. Als einzige Bezugsperson freut sich Stella deshalb umso mehr auf ihre beste Freundin Feli, bei der sie Kost und Logis nach ihrer Rückkehr aus dem Londoner Exil erhält. Die beiden Frauen träumen von einem Österreich, in dem die Gerechtigkeit siegt, nach all den unheilvollen Jahren, und in dem der Antisemitismus der Gar ausgemacht wird. Sie wissen, dass sich die Geschichte nur nicht wiederholen kann, wenn die neue Generation sensibilisiert und aufgeklärt wird. Glücklicherweise kann Stella als Lehrerin für Deutsch und Englisch an einem namhaften Gymnasium viele vermeintliche Wahrheiten enttarnen und trotz unvorteilhafter Ausgangslage einen reformierten Unterricht geben. Das braune Gedankengut schwelt jedoch weiterhin unter der Oberfläche und bringt Stella in große Gefahr.

Die unaussprechlichen Naziverbrechen sind am 80. Jahrestag des Kriegsendes natürlich in aller Munde, und es gelingt mir ehrlicherweise nicht immer, mich für das düstere Kapitel deutscher Zeitgeschichte, verpackt in unterhaltsamer Belletristik, zu begeistern. Beate Maly hat mit der Wahl einer jungen, aufstrebenden Jüdin, die aus dem Exil zurückgekehrt ist und deren Familienangehörige in der Gaskammer kaltblütig ermordet wurden, genau die richtige Protagonistin für das heikle Thema gewählt. Stella ist durch ihre pädagogische Ausbildung sehr wortgewandt und ein kluger Kopf, der die Ungerechtigkeiten in der Welt nicht akzeptieren möchte. Sie ist ein erfrischender Gegenpart für viele hoffnungslose Gestalten, denen das Schicksal das Leuchten in den Augen genommen hat und die nur noch funktionieren, um zu überleben. Der verhasste Rechtsextremismus ist allgegenwärtig, nichtsdestotrotz wird ihm nicht die Führung über das Geschehen in den 40er Jahren in der Donaumetropole gegönnt.

Bezweifelt werden darf an der ein oder anderen Stelle schon, ob literarischer Freiraum und Realität einer alleinstehenden Frau tatsächlich zusammenpassen, aber darum geht es in „Die Trümmerschule“ auch gar nicht. Die Nazis haben ihre fiktive Wirklichkeit geschaffen, und jede Person, die in der bestehenden Schlangengrube dagegen Haltung zeigt, gehört auf ein Podest erhoben. Besonders gerührt war ich bei einer Szene, als Juden, Kommunisten und Katholiken gemeinsam Flagge zeigen, denn so sollte es immer sein – das Böse auf einsamen Posten gegen das Gute.

Die Schülerinnen und Schüler des Lindengymnasiums sind die heimlichen Stars, denn ihre Emotionen und Ängste sind greifbar und herzzerreißend erzählt. Kaum vorstellbar, wie viele Risse eine unschuldige Kinderseele mit den verheerenden Ansichten z. B. der Züchtigung mit dem Rohrstock erlitten hat.

Man merkt, dass die Autorin gebürtige Wienerin ist und ihre Heimat bedingungslos liebt. Trotz all der Schutthaufen und Ruinen, die Stella auf ihrem Weg durch die zerbombte Stadt begleiten, blitzt die Schönheit der Kaiserstadt an jeder Ecke mit kleinen baulichen Kostbarkeiten auf. Ich möchte auch dorthin reisen und den Sehnsuchtsort Wien mit Stellas Augen sehen – heute in seinem neuen, alten Glanz, aber auch mit dem wichtigen Hintergrundwissen über eine Vergangenheit voller Leid und Elend.

Bewertung vom 06.05.2025
Bär, Matthäus

Drei Wasserschweine wollen's wissen / Die Wasserschwein-Reihe Bd.2


sehr gut

Die Angst geht im Tierpark um, denn seit letzter Nacht fehlt von den Flamingos jede Spur. Emmy, Raul und Tristan sind die einzigen Tiere, die sich nachts frei auf dem Gelände bewegen können, und die Raben bitten sie um Hilfe. Die drei Freunde könnten unterschiedlicher nicht sein, aber gemeinsam sind sie ein unschlagbares Team. Werden sie das Rätsel um die Flamingos auflösen können?

Im Hauptteil hatte ich etwas Sorge, dass die Handlung für die kleinen Leser möglicherweise eine etwas zu grobe Richtung einschlägt. Es wurden ausgerissene Federn gefunden und vermutet, dass Raubtiere sich an pinken Zoobewohnern vergriffen haben. Im Grunde natürlich der wahre Lauf der Natur, aber nicht unbedingt der favorisierte Plot von Eltern, die sich auf ein lustiges Abenteuer mit friedliebenden Wasserschweinen eingestellt haben. Diese Sorgen wurden im Laufe der Geschichte jedoch nicht bestätigt.

Die großflächigen Zeichnungen haben einen wichtigen Anteil im Kinderbuch. Die Weggefährten werden liebevoll und mit ausdrucksstarken Mienen zu Papier gebracht. Elefanten und Flamingos hat wahrscheinlich jedes Kind schon einmal live gesehen, aber bei Katzenpandas und Baumstachlern dienen die Bilder als hilfreiche Unterstützung für das Gelesene. Die Kapitel haben eine ideale Länge von durchschnittlich sieben Seiten, die in angenehmer Schriftgröße abgedruckt sind.

Besonders lobend erwähnen möchte ich die eingebauten Wortwitze á la „die Gestreiften“ für Zebras oder „die Aufrechtgehenden“ für Menschen sowie kluge Schweineweisheiten, die auch mir als erwachsenem Leser ein Schmunzeln ins Gesicht gezaubert haben. Nicht zu vergessen ist mein persönliches Highlight, als Tristan in einem Rap-Battle gegen die Waldrappe antrat.

In Vorbereitung auf die Buchbewertung habe ich mich selbst gefragt, ob „Die Wasserschweine wollen’s wissen“ als Gute-Nacht-Lektüre zu empfehlen ist, womit der erste Band der Reihe jedenfalls beworben wird. Ich komme zu keinem eindeutigen Ergebnis. Einerseits wird die Detektivarbeit von Emmy, Raul und Tristan sehr spannend erzählt, sodass an Schlaf streckenweise nicht zu denken ist, aber andererseits enden viele Kapitel auch damit, dass die Helden müde und erschöpft auf der Wiese in die Traumwelt gleiten, was eine gute Überleitung für die Zuhörer wäre. Man muss es wahrscheinlich einfach selbst probieren, ob das eigene Kind zügig zur Ruhe kommt.

Capybaras gehören wahrscheinlich eher nicht zu den Tieren im Zoo, bei denen Kinder stundenlang vor dem Gehege verweilen möchten. Die Protagonisten sagen schließlich selbst, dass ihre liebsten Hobbys von der gemütlichen Sorte sind: schlafen, fressen und im Tümpel baden. Umso mehr freue ich mich, dass Matthäus Bär den possierlichen Nagetieren eine Bühne geschaffen hat und ihnen somit nach der Lektüre sicherlich mehr staunende Blicke und Bewunderung ihrer treuen Fans gesichert ist.

Bewertung vom 23.04.2025
Miler, Zdenek;Nettingsmeier, Simone

Der kleine Maulwurf als Maler


sehr gut

Mein Mann wollte dieses Kinderbuch unbedingt für unseren Sohn haben, damit wir ihn an den kleinen Helden aus seinen eigenen Kindertagen heranführen können. Nun war er als Erwachsener allerdings ein wenig enttäuscht, dass die Hauptfigur nur einen recht kleinen Anteil an den Bildern hatte und der listige Fuchs deutlich mehr im Fokus stand.

Die Zeichnungen sind für Nostalgie-Fans jedoch eine wahre Freude, denn beim Schmökern der Seiten scheint die Zeit regelrecht stehen geblieben zu sein. Wir begleiten die tierischen Freunde bei ihrem kunterbunten Spiel mit den Farbtöpfen, sodass der Wald in allen Nuancen der Farbpalette leuchtet und mit Punkten, Streifen & Co. kreativ verziert wird. Eltern sollten entsprechend vorbereitet sein, denn die kleinen Leseratten bekommen bestimmt sofort wieder Lust, ihre Tuschkästen und Filzstifte zu benutzen.

Die Aufteilung des Textanteils auf den Seiten im Verhältnis zu den Bildern ist gut gewählt, um die Aufmerksamkeit der Kinder nicht zu überfordern. In klaren Sätzen wird das Gezeichnete in Worte gefasst und mit kurzen Einschüben in der Form der direkten Rede optimal zum Vorlesen verpackt.

Als Bonus wären ein Ausmalheft, kleine Farbtöpfchen oder Buntstifte sicherlich gelungen gewesen, um hier die Thematik der Kunstlehre greifbarer zu machen, was dann aber natürlich das Produkt insgesamt auch preisintensiver macht.

Maulwürfe sind bei uns im Garten auch hin und wieder aktiv beim Auftürmen der Erdhügel und ich bin mir sicher, dass wir alle wieder einen etwas milderen Blick auf diese Schönheitsfehler mitten auf der grünen Wiese haben werden.

Bewertung vom 11.04.2025

tiptoi® - Kennst du diese Tiergeräusche?


ausgezeichnet

Ich bin vollkommen jungfräulich an die Bedienung des TipToi-Stiftes gegangen und habe im Vorfeld gar nicht darüber nachgedacht, wie die Audiodateien in einem Papierbuch zur Verfügung stehen könnten. Umso größer war zu Beginn die Herausforderung, dem Buch auch die entsprechenden Spezialeffekte zu entlocken. Mangels Laptops oder PCs konnten wir den TipToi-Manager nicht herunterladen und mussten einen kleinen Umweg gehen, der sich aber nach dem erfolgreichen Download der Datei via Smartphone als völlig simpel erwies. Dafür wird lediglich ein USB-Kabel benötigt, um beide Komponenten miteinander zu koppeln. Eine Alternative wäre wohl auch der Kauf einer Ladestation, aber notwendig ist das eben nicht für einen Betrieb.

Mein 2-Jähriger drückte anfangs immer nur auf den An-/Ausschalter am TipToi-Stift und freute sich wie verrückt über die Ansage des Akkustands.
Einige Versuche, ihn für die Tiergeräusche zu begeistern, scheiterten, weil er den Stift grundsätzlich lieber falsch herum hielt. Nach kurzer Zeit gelang es ihm aber, die Spitze des Stifts zielgenau auf die bunten Bilder der Tiere zu halten und dadurch die täuschend echten Tierstimmen ertönen zu lassen.
Tiefes Blöken, freudiges Bellen und emsiges Piepsen, die thematisch geordnet nach Urwald oder heimischen Arten aufwarten, sind jedoch nicht die einzigen Effekte, die Ravensburger für die junge Leserschaft bereithält.
Mit einer Berührung der Tiernamen gibt es eine kurze Beschreibung der jeweiligen Spezies – vorschulischer Bio-Unterricht für kleinste Entdecker sozusagen. Besonders erfreulich finde ich, dass das Erzählte nicht abrupt endet, sobald das Kind den Stift nicht mehr auf das Feld drückt – der spielerische Charakter wird somit mehr in den Vordergrund gerückt, weil nicht streng auf den durchgängigen Druck durch den Stift geachtet werden muss.

Überrascht wurde ich durch die Möglichkeit, an der Buchleiste mit dem Würfelsymbol ein kleines Quiz zu starten, um gemeinsam die Tierlaute zu erraten. Im Laufe des nächsten Jahres wird hier sicherlich mit Mama und Papa ordentlich um die meisten Treffer konkurriert.
Daneben besteht auch die Option lustige Kinderlieder mit einem Notensymbol anzuhören. Hier ist das „Kikeriki“-Lied vom Bauernhof ein Garant für strahlende Tänzchen.

Mittlerweile ist auch schon das zweite TipToi-Produkt aus dem Ravensburger Verlag bei uns eingezogen und ich befürchte, dass mein Sohn süchtig nach dem coolen orangen Stift mit den vielen Möglichkeiten ist. 😉

Bewertung vom 04.03.2025
Engelmann, Gabriella

Der Gesang der Seeschwalben / Die Bücherfrauen von Listland Bd.1


sehr gut

Anna ist freischaffende Autorin aus Hamburg und auf dem Weg nach Listland zu ihrem nächsten Coup. Nach dem großen Erfolg ihres Podcasts mit dem Gast Fenja Lorenzen, die ihr Leben den Büchern verschrieben und sich zeitlebens für eine Stiftung und zahlreiche Museen eingesetzt hat, möchte Anna nun ein Buch über das Leben der Bücherfrau verfassen, das ihre private Seite näher beleuchtet. Schnell zeigt sich, dass aus dem kurzen Aufenthalt für Interviews und Recherchen ein längeres Unterfangen wird, bei dem dunkle Familiengeheimnisse wie Muscheln und Treibholz im Wattenmeer bei Ebbe zum Vorschein kommen.

In abwechselnden Perspektiven springen wir zwischen der Vergangenheit in den Kriegsjahren des Nationalsozialismus und der Gegenwart hin und her. Ich mag den Schreibstil von Gabriella Engelmann sehr gerne, denn manchmal wurden aus alltäglichen Beobachtungen kleine Schätze in Sätzen verpackt, die mich auch noch nach der Lektüre nachdenklich begleitet haben.

„Ich verweilte noch einen Moment vor der Buchauslage und sinnierte darüber, dass Daniel Kathrins Porridge als legendär bezeichnete, wohingegen ich gar nicht wusste, dass meine Tochter Haferbrei mochte. (S. 228)“

Die Zuneigung der Autorin zu ihren Bücherfrauen wurde durchweg schön herausgearbeitet und tatsächlich sind Bücher bei „Der Gesang der Seeschwalben“ der heimliche Star. Sie zeigen eindrucksvoll, welche Mythen sie umspielen, welche Gefühle sie auslösen und schlichtweg ein ganzes Leben beeinflussen können. Ein Zitat ist mir dabei besonders im Gedächtnis geblieben, was die innere Zerrissenheit der älteren Dame bildlich beschreibt:

„Für mich waren wohl die Bücher meine Familie, aber das war mir nie so richtig klar. Romane konnten mir nicht wehtun, sie waren immer für mich da. (S. 202)“.

Die Autorin gönnt uns Lesern und ihren Protagonisten allerdings wenig Müßiggang oder gar eine Verschnaufpause, denn selbst in den vermeintlichen Momenten der Entspannung bei einem Strandspaziergang überschlagen sich plötzlich die Ereignisse. Nun sollte man sich eigentlich nicht über ein „Überangebot“ beschweren, aber aus meiner Sicht hätte dieser erste Band der Dilogie durchaus Potenzial für einen weiteren Teil gehabt, der dann vielleicht auch nicht so gehetzt wirkt. Zudem würde man einer anbahnenden Liebesgeschichte auch deutlich mehr Glaubwürdigkeit und Raum geben, wenn die Etappen nicht im Galopp überrannt werden. Nichtsdestotrotz habe ich mich sehr gut unterhalten gefühlt und erwarte die Fortsetzung gespannt, um mehr über Martje, die ältere Schwester von Fenja, zu erfahren.