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Benutzername: 
Gurke
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 155 Bewertungen
Bewertung vom 29.09.2016
Auf Null
Junk, Catharina

Auf Null


ausgezeichnet

Es gibt wohl keinen Menschen, der weder in seiner Familie, im Bekanntenkreis noch im Berufsalltag keinen Krebspatienten zu Beklagen hat. Die heimtückische Krankheit gilt als Volkserkrankung und insgeheim fürchtet sich wohl Jeder davor, selbst diese niederschmetternde Diagnose zu erhalten.
Die Protagonistin Nina aus dem vorliegenden Roman muss sich schon in jungen Jahren mit der Leukämie herumschlagen und zeigt, dass der Kampf gegen Ängste, seelische und körperliche Folgen, sowie das „normale“ Leben nach kräftezehrenden Chemotherapien alles andere als einfach und unbeschwert ist.

Ein wenig skeptisch war ich zu Beginn der Lektüre schon, ob die Thematik angenehme Lesestunden bescheren kann. Umso erstaunter war ich dann spätestens nach der letzten Seite, als ich „Auf Null“ mit einem guten, lebensbejahenden Gefühl weggelegt habe.
Zu verdanken ist das eindeutig Ninas ehrlicher Art und rebellischer Goßschnäuzigkeit, die sich auch im lässigen Schreibstil widerspiegelt – wenigstens was ihre Gedankengänge angeht. Da wird ein scheinbar gut gemeintes Geschenk der Eltern mit einer verbalen Heftigkeit zerrissen, die mir den Mund offen stehen ließ und auch die Ecken und Kanten ihre Freundschaften mit nüchternen Beschreibungen offenbart, wie es wahrscheinlich nur Menschen mit einer Nahtoderfahrung gelingt. Verbitterung und Selbstmitleid schwingen unterbewusst natürlich mit, aber auf eine Weise, die sehr verständlich und keineswegs erdrückend ist – hier hat die Autorin wunderbare Arbeit geleistet.

Im stetigen Wechsel erhalten wir Einblicke in Ninas steriler Krankenhauswelt, sowie nach der Entlassung mit allen Höhen und Tiefen. Diese Zeitsprünge habe ich nicht immer als optimal empfunden, aber insgesamt sorgten sie doch für die nötige Abwechslung und halfen die Protagonistin besser zu verstehen. Die kleine, obligatorische Romanze verlief etwas zu vorhersehbar und hätte für meinen Geschmack eine Prise mehr Überraschung vertragen können. Dahingegen war der Nebenstrang um die krankheitsbedingte Funkstille mit Ninas Freundin Bahar ein sehr gelungenes Element und hat mich mit den beiden mitfiebern lassen.
Einige komische, fast schon überspitzte Sezenen wurden von der Autorin zur Auflockerung auch eingewebt, die sich beispielsweise mit der Frage beschäftigen, ob wir selbst bzw. unsere Seele für gängige Krankheiten verantwortlich sind und ob eine Entspannungs-CD eventuell des Rätsels Lösung sein könnte. So ulkig wie es bei der Lektüre auch war, zeigt es doch, dass wir im Ernstfall sehr empfänglich für jeden Strohhalm zur Rettung sind und wie wichtig jeder einzelne Tag im Kreise unserer Lieben ist. Dies und noch vieles mehr hat mir Catharina Junk wieder deutlicher vor Augen geführt und genau deshalb war ihr Debüt für mich gelungen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.07.2016
Weil wir Flügel haben (Restexemplar)
Diffenbaugh, Vanessa

Weil wir Flügel haben (Restexemplar)


gut

Als ich den 400 Seiten starken Roman in den Händen hielt, waren meine Erwartungen erst einmal nicht sehr hoch. Das Debüt der Autorin „Die verborgene Sprache der Blumen“ lag mir mit seiner vom Weg abgekommenen und etwas schwer zu händelnden Protagonistin noch dumpf im Magen und die Inhaltsangabe deutete auch hier wieder ähnliches an. So war es für mich nicht verwunderlich, dass ich mit einigen Startproblemen zu kämpfen hatte.

Die dreiunddreißigjährige Letty ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und lebt gemeinsam mit ihren mexikanischen Eltern in einem Armutsviertel, wo es nur Sumpf und pure Tristigkeit weit und breit gibt. Ihrer Mutterrolle war sie von Beginn an überhaupt nicht gewachsen, da sie als Teenager ungewollt schwanger wurde und diese Pflichten sofort nach der Geburt an ihre Mutter abgegeben hat. Um die Familie einigermaßen über die Runden zu bekommen, arbeitet Letty nachts als Kellnerin und schläft tagsüber. Als ihre Eltern sich in einer Nacht und Nebel Aktion plötzlich dazu entschließen wieder zurück nach Mexiko zu gehen, verliert Letty aufgrund der neuen Verantwortung komplett die Nerven. Wird sie es schaffen oder kläglich an der Herausforderung scheitern?

Die größten Schwierigkeiten hatte ich bei der Lektüre damit, dass ich kaum Sympathien zu den Handelnden aufbauen konnte. Lediglich der wissbegierige und frisch verliebte 14-Jährige Alex war mein Hoffnungsschimmer zwischen den ganzen Geldproblemen und Alkoholeskapaden der Erwachsenen. Er wirkte mit seiner friedfertigen und vernünftigen Art beinahe wie hineingeschmissen in die Szenerie einer Trash-Tv Sendung, die seine Mutter geschrieben hat. Noch deutlicher wird dieser Faktor als sein Erzeuger nach Jahren wieder auftaucht und seine Mutter in ein Gefühlschaos schleudert – zumal sie gerade dabei war mit einem Kollegen anzubändeln, womit das „Dreiecks-Wirrwarr“ perfekt ist.
Obwohl man Letty zugutehalten muss, dass sie sich im weiteren Verlauf der Handlung durchaus Mühe gibt, um den Karren sprichwörtlich aus dem Dreck zu ziehen, damit jedoch aber andere Steine ins Rollen bringt, die fatale Folgen haben. Wie ein kleiner nerviger Satansbraten nimmt die 6-Jährige Luna auch noch irgendwo dazwischen am Familienleben teil. Mit einer Mischung aus verzogen, quengelig und unterfordert sorgte sie bei mir regelmäßig für Augenrollen, da nützt auch kein Welpenfaktor.
Mr. Everett, Alex‘ Lehrer in den Naturwissenschaften, und Sara, Lettys beste Freundin, agieren glücklicherweise als Nebencharaktere wie gute Feen und zeigen, dass auch am Abgrund noch ein Licht am Tunnel Hoffnung schenkt, was in manchen Szenen wirklich goldwert war und die Stimmung wieder steigen ließ.

Wichtiger Pluspunkt der Autorin ist ihr federleichter Schreibstil, der trotzdem vollgepackt mit schönen Dialogen ist, die dem Ernst der Lage angepasst sind, aber auch Freude bereiten. Der angenehme Lesefluss hat mich mehrmals erstaunt und ein paar Kritikpunkte wieder aufgehoben.
Mein Highlight bei „Weil wir Flügel haben“ sind allerdings unbestritten Alex‘ Ausführungen zu den Federmosaiken seines Großvaters – Bilder aus Vogelfedern, die wie gemalt aussehen. Von dieser Form der Kunst hatte ich vorher noch nichts gehört und gebannt umgeblättert.
Das dramatische Finale ist dann für meinen Geschmack etwas zu gesellschaftskritisch, da hätte ich mir ein weicheres Ende für die Familie gewüscht nach den zahlreichen Höhen und Tiefen, aber wahrscheinlich macht genau dies Vanessa Diffenbaugh aus.

Bewertung vom 29.10.2014
Was wir auch tun
Lucas, Marie

Was wir auch tun


gut

Robin ist 16 Jahre alt und der wahr gewordene Traum vieler schlafloser Jungsnächte! In ihrem Innern fühlt sich die Halbwaisin aber trotzdem einsam und verlassen, denn ihre böswillige Stiefmutter hat ihre erste Jugendliebe Jasper geküsst, ihre Großeltern werden immer mehr von ihren Krankheiten geschwächt und ihr neuer Schwarm Alex lässt sie nicht an seinen Gefühlen teilhaben. In einer verzweifelten Eroberungsaktion erpresst der schöne Jasper seinen Konkurrenten und erschleicht sich somit eine letzte Nacht mit Robin, doch damit beginnt ein Alptraum ungeahnter Ausmaße.

Ich hätte gerne mehr über die Hooligan-Szene, in der Alex feststeckt, erfahren, birgt sie doch viel Gesprächsstoff, kann Angst schüren und wäre für einen Jugendroman ziemlich neu gewesen. Zumal das auf dem Klappentext groß angekündigte Geheimnis um seine Person wohl nur bei unreifen Charakteren ein Drama nach sich zieht und im Grunde vollkommen überspitzt wird. Offenheit ist für alle Beteiligten leider ein Fremdwort und so verselbstständigt sich ein dunkler Fleck aus der Vergangenheit zu einem schwarzen Unheil!

Hannes & Käfer, die beiden Jungs aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die sich zufällig finden, sind mein heimliches „Lieblingspärchen“, da Robins Affinität zu ihren beiden Herzbuben doch zu sehr vom Äußeren geprägt ist. Nun sind Jugendliche zwar in dieser Hinsicht seit jeher stark davon vereinnahmt, aber so kam bei mir nicht das Gefühl auf, dass wir es hier mit dem Traumpaar schlechthin zu tun hätten. Alex war mir von den Dreien noch am sympathischsten, war er doch recht vielschichtig und zeigte unverfälschte Gefühle, während mir sowohl Jasper, als auch Robin zu wankelmütig waren. Sie sind allein schon durch ihr wohlbetuchtes Elternhaus etwas abgehoben, wobei Robin wenigstens durch den Umgang mit ihren Großeltern viele Pluspunkte sammeln konnte, welche sie dann aber wieder verspielte, indem sie zum Beispiel bei der kleinen Liebeskummer-Szene ihrer Freundin Steffi am liebsten peinlich berührt aus dem Café fliehen würde, weil sie angeblich nicht gerne auffällt, trägt dann jedoch am ersten Schultag grüne Hotpants und einen riesigen Strohhut, um eben genau eins zu tun: aufzufallen..

Den Schreibstil würde ich mit recht ungewöhnlich beschreiben, da hier viele kurze, zackige Sätze gewählt wurden und die Gegenwartsform noch mehr Holprigkeit beisteuert. Der Eindruck wird außerdem verstärkt, indem selten Absätze und nie Kapitelunterbrechungen eingeflochten wurden, sodass ich mir beim Lesen Zwangspausen auferlegte, um nicht im Wirbel der Buchstaben unterzugehen. Ein schöner Lesesog kam dadurch leider selten zustande und schlussendlich konnte die Autorin meinen Geschmack lediglich in Ansätzen treffen, deshalb vergebe ich nur gut gemeinte 3,5 Sterne.

Bewertung vom 05.10.2014
Seelenweh / Leitner & Grohmann Bd.3
Berwein, Saskia

Seelenweh / Leitner & Grohmann Bd.3


ausgezeichnet

Kommissarin Jennifer Leitner ist noch gar nicht richtig aus ihrem Urlaub zurück, als sich über dem sonst so beschaulichen Lemanshain erneut das Unheil zusammenzieht. Die grausam verstümmelte Leiche einer 17-jährigen Ausreißerin in einer abgelegenen Hütte stellt die Ermittler vor ein Rätsel, denn niemand scheint der Tod von Isabella zu wundern, geschweige denn zu kümmern. Sie galt als kleine „Hure“, die vermutlich von einem ihrer zahlreichen Freier ermordet wurde, doch Jennifer will den Mord an der jungen Frau nicht ungestraft lassen und gräbt tiefer. Als ein Kollege vom BKA plötzlich eine brutale Fährte zu einem Großstadt-Serienkiller knüpft, schrillen im Präsidium die Alarmglocken. Kommissarin Leitner, der eine große Portion Skepsis vor dem BKA zu eigen ist, hält weiterhin die Augen offen und wird ungewollt mitten hineingezogen. Ist sie dieses Mal mit ihren gefährlichen Alleingängen zu weit gegangen?

Durch die beiden megaspannenden Vorgänger „Todeszeichen“ und „Herzenskälte“ waren die Erwartungen an den mittlerweile dritten Teil der Leitner & Grohmann Reihe natürlich riesig.
Saskia Berwein hat diese auch mit „Seelenweh“ vollkommen erfüllt, denn schon der Prolog war wieder ein Appetithappen erster Güte und tropfte (wie auch der gesamte Thriller) vor menschlichen Abgründen.
Zum Ausgleich wartete die Autorin mit einer weicheren, persönlicheren Seite der Protagonistin auf, was mir sehr gut gefiel, zeigt es doch nur, dass hinter der harten Ermittlerin auch eine Frau mit Gefühlen steht und wir noch mehr mit ihr mitfiebern können. Zudem offenbart sich uns auch ein klareres Bild davon, warum sich Jennifer noch immer krampfhaft gegen ein wenig mehr Nähe zu ihrem Kollegen, Staatsanwalt Grohmann, wehrt, was sicherlich einige weibliche Fans schier zur Leseverzweiflung bringt.
Das Objekt der kollegialen Schwärmerei wiederum hat im aktuellen Buch wenig zu lachen und kaum Zeit für Grübeleien, denn seine neue Vorgesetzte, Oberstaatsanwältin Ricarda Anstett, hält ihn ordentlich auf Trab und krempelt als Drill Instructor alte Erfolgsstrategien neu um. Sie belebt mit ihrer herrischen Art erfolgreich das Geschehen und obwohl wir Leser uns vermutlich alle wünschen, dass sie mit ihrer Hochnäsigkeit gehörig auf eben jene gepuderte Nase fällt, warten wir doch gespannt auf ihre nächsten bösen Schwingungen – speziell im Alphaweibchenzoff mit Jennifer, die sich aber glücklicherweise nicht unterbuttern lässt.

Berweins lockerer Schreibstil ist so luftig wie Luftschokolade und zergeht zwar nicht auf der Zunge, dafür aber definitiv vor dem Auge. Zum großen Finale fallen die losen Stücke dann alle zusammen zu einer perfekten Tafel. Was wie ein kranker Auswuchs der Phantasie in Form einer Kirchenbeichte begann, und das Wort „krank“ wird wohl dem ein oder anderen beim Schmökern in den Sinn kommen, endet mit Fassungslosigkeit über die vermeintliche Liebe einer Mutter, die jedoch aus Egoismus, Angst und Abgestumpftheit ein Monster erschuf.

Kurzum verlasse ich Lemanshain nach der letzten Seite wieder nur ungern für eine zwölfmonatige Wartezeit auf den Nachfolger, der erfreulicherweise schon bestätigt wurde.

Bewertung vom 11.08.2014
Kopf, Zahl oder Liebe
Czukas, Liz

Kopf, Zahl oder Liebe


sehr gut

Heart LaCoeur ist 17 Jahre und eine überzeugte Single-Lady, denn seitdem ihre Mutter nach der Geburt ihrer beiden Kinder aus egoistischen Motiven die kleine Familie verlassen hat, um frei zu sein, hat sie sich ein stricktes Date-Verbot verhängt, damit sie bloß nicht schwanger wird. Für den jährlichen Prom-Ball will sie gemeinsam mit ihrer Clique einen entspannten Abend ohne Gefühle, aber mit ausgelassener Tanzlaune verbringen. Als ihr Sitznachbar aus dem Französisch Unterricht sie allerdings zu der vielleicht romantischsten Nacht des Schuljahres einlädt und kurz darauf ihr Bruder für seinen Kumpel Troy dringend eine Begleitung sucht, um dessen Liebeskummer zu bekämpfen, sitzt die Protagonistin in der Zwickmühle. Wie soll sie sich entscheiden? Schnell wird der ursprüngliche Plan verworfen und die Wahl zwischen Mann A und Mann B muss gefällt werden. Mit ihrem besten Freund Schroeder wirft sie eine Münze und damit nimmt der Abend seinen Lauf..

Das Besondere an der Geschichte ist die Erzählung in wechselnder Perspektive, die in Anlehnung an den Titel in eine „Kopf“-Variante in Begleitung von Troy und eine „Zahl“-Variante für den Ballpartner Ryan aus dem Französisch Unterricht geteilt ist. Mir persönlich haben diese Wechsel sehr gut gefallen, da sie schon zu Beginn eines jeden Kapitels mit einer witzigen Zusammenfassung in zwei Sätzen als Untertiteln eine überspitzte Darstellung des Geschehens gaben, sowie optimal zu dem Charakter von Heart passten. Ein Nachteil war allerdings auch, dass die Grenzen der beiden Varianten zum Teil immer mehr verschwommen, was einige Déjà-Momente mit sich brachte und ich mir nicht mehr ganz sicher war, ob beispielsweise ein gefühlvoller Tanz mit intensivem Blickkontakt hier oder dort stattfand – für den Lesespaß war das aber eher nebensächlich. Ungefähr nach der Hälfte des Romans dachte ich dann aber ehrlich gesagt, dass die Szenenwechsel nun genug ausgereizt wurden und abgebrochen werden könnten, da Heart in emotionaler Verfassung etwa auf dem gleichen Stand war und die Gefahr bestand, dass wir nur noch auf der Stelle treten. Die Autorin hat mich dann aber doch noch gut unterhalten können.

Heart lief den ganzen Abend im Schatten des Unglücks, sodass sogar ihr Kleid mit einer abenteuerlichen Klebe-Aktion gerettet werden musste, aber sie dabei cool und locker blieb. Liz Czukas hat mit ihrem Debüt hier einen tollen Anti-Love-Prom mit einem Mädchen jenseits des Girlie-Schemas geschaffen, der dennoch auf ein Happy End hoffen ließ, nur nicht so kitschig daherkam und sicherlich viele Fans findet, obwohl ich mir persönlich noch eine logische Aufklärung der Ereignisse nach dem Münzwurf gewünscht hätte.

Bewertung vom 29.07.2014
Einer da oben hasst mich
Seamon, Hollis

Einer da oben hasst mich


sehr gut

Richie steht kurz vor seinem 18.Geburtstag, doch ob er den von vielen Jugendlichen ersehnten Schritt in das Erwachsensein noch erleben wird, ist fraglich, denn Richie hat Krebs im Endstadium. Die letzten Wochen bis zu seinem Tod muss er in einem Hospiz verbringen, wo hauptsächlich alte und gebrechliche Menschen auf ihre letzte Reise warten - bis auf Sylvie. Sie ist erst 15 Jahre alt und Richies große Liebe. Gemeinsam treiben sie (sofern es ihre Kräfte zulassen) viel Unfug im Krankenhaus und schmieden Pläne für die Zukunft, falls ihr Immunsystem vielleicht doch noch die nötigen Kräfte für die Genesung mobilisieren kann oder die Wissenschaft einen bahnbrechenden Durchbruch schafft. Den grenzenlosen Optimismus von Sylvie kann der Protagonist allerdings nicht teilen, denn die Chancen für einen Junge mit dem EDOHM-Syndrom, was bedeutet, dass eine höhere Macht ihn in diese missliche Lage gewünscht hat, stehen denkbar schlecht.

Mir hat der Roman von Hollis Saemon sehr gut gefallen, weil der Alltag im Hospiz authentisch, aber nicht zu bedrückend dargestellt wurde. Man spürt deutlich, dass die Amerikanerin selbst (gezwungenermaßen durch die Pflege ihres Sohnes) einige Zeit in den Fluren und Zimmern solcher Einrichtungen verbracht hat und nicht nur wie unbeteiligte Besucher den bedrückenden Geruch nach Desinfektionsmitteln wahrnimmt.
Aus der Sicht eines Jungen geschrieben, dem manchmal schon die Kräfte zum Aufrichten im Bett fehlen und trotzdem nicht den Sinn für Ironie und Abgeklärtheit verlor, hat die Autorin dennoch ein starke Persönlichkeit gemacht. Aufgrund seines Schicksals lässt er sich nicht hängen, sondern genießt die Treffen mit seinem flippigen Onkel oder die Gespräche mit der hübschen Sylvie unendlich. Vollkommen in seine Gefühlswelt aufgenommen, habe ich mich zwar nicht gefühlt, weil er bei heiklen Themen gerne abwiegelt und sie unter den Teppich kehrt, aber durch seine kindliche Ader, die durch das Kuscheln mit seiner Sternendecke ein Gesicht bekommt und natürlich seine furchtbaren Begleiterscheinungen der Krankheit, war er mir sofort sympathisch! Der lockere Schreibstil vermitteln zudem den Eindruck, als würden wir die Geschichte aus erster Hand am Bett des Patienten hören.

Die Hoffnung, dass es auf der Hospiz-Station vielleicht ein kleines Wunder gibt und das Pärchen Hand in Hand die Medikamente absetzen kann, flackert vermutlich automatisch bei den Lesern in regelmäßigen Abständen auf, sodass wir bis zum Ende mitfiebern.
Ein regelrechter Stimmungskiller der Handlung ist allerdings Sylvies herrischer und ungehobelter Vater, der sich wie ein Elefant im Porzellanladen aufführt und damit allen Beteiligten (inklusive den Lesern) die Laune vermiest. Klüger wäre hier in meinen Augen einen etwas weniger aufbrausenden Charakter dem schwächlichen Richie entgegenzusetzen, obwohl er sich ohne Frage wacker schlägt!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.07.2014
Und plötzlich war der Wald so still
Eriksson Sandberg, Moa

Und plötzlich war der Wald so still


sehr gut

Im friedlichen Rydöbruk haben die Sommerferien begonnen und Hanna kann sich nichts schöneres vorstellen, als mit ihren besten Freundinnen Jonna und Sabina an dem idyllischen Badesee mitten im Wald zu spielen und sich in Fantasiewelten zu träumen. Als dann die Nachricht von einer verschwundene Mitschülerin durch das Dorf wandert, die immer sehr beliebt und selbstbewusst war und zeitgleich einige Änderungen in Hannas Leben zusammenkommen, gerät der Wald immer mehr zu einer Bedrohung und wird zu einem Symbol der Gefahr. Einziger Lichtblick in dieser seltsamen Zeit ist der neue Junge in der Klasse, der gebürtiger Pole ist und Hanna mit seiner schüchternen Art, sowie seinem Aussehen sofort verzaubert hat. Auch Sabina ist frisch verliebt, doch kann ein Sommer, der mit einer Entführung anfing wirklich gut enden?

Die Mädchen sind 12 Jahre alt und von ihrem Entwicklungsstand her doch so unterschiedlich. Jonna interessiert sich noch kein bisschen für das andere Geschlecht, und liebt es, am Nachmittag ein Eis zu essen oder sich für ein spannendes Experiment im Wald zu verkleiden. Sabina dagegen ist schon ziemlich früh eher reif und will sich nicht mehr an den kindlichen Spielen beteiligen, sondern am liebsten nur herumknutschen. Die Protagonistin steht sprichwörtlich genau zwischen den Stühlen, denn einerseits deutet noch vieles in ihrem Denken und Handeln auf das kleine Mädchen hin, was bei einem Alptraum auf den Schoß ihres Vaters krabbelt, andererseits legt sie die Unbekümmertheit von Kindertagen langsam ab und lernt, dass es noch andere Dinge im Leben gibt, die eigentlich den Erwachsenen vorbehalten waren, jedoch so herrlich verlockend sind. Den Zwischenweg von dem naiven Kind zur widerspenstigen Teenagerin hat die Autorin ganz toll dargestellt und die Erinnerung an eigene unbeschwerte Stunden in der stillen Natur mit Gleichaltrigen aufleben lassen, die mich beim Lesen sogar nostalgisch werden ließen.

Die schwedische Idylle war atmosphärisch prima aufgebaut und durch das Drama um die verschwundene Linda sogar unterschwellig gruselig angehaucht. Einen Krimi darf man keineswegs erwarten, aber der Verlag hat Moa Eriksson Sandbergs Werk schließlich auch in das Genre „Roman“ eingeordnet. Zu Beginn war ich durch den Sturm der Gefühle regelrecht schockverliebt in den sanften Schreibstil und den gelungenen Handlungsbogen, der mit jeder Zeile irgendwie die Hektik und den Technikwahn der heutigen Jugend vergessen lässt. Im letzten Viertel bekam meine Begeisterung dann allerdings einen kleinen Dämpfer, weil speziell das Eheleben von Hannas Eltern etwas gegen meinen Geschmack verlief und einiges insgesamt beinahe in der Schwebe blieb.

Hanna dient trotzdem als hervorragendes Paradebeispiel für Mädchen auf der ganzen Welt, die sich von ihren Müttern missverstanden, von den Vätern vernachlässigt fühlen und sich von den Freundinnen aus der Vergangenheit abnabeln wollen. Die junge Zielgruppe wird sicherlich noch begeisterter sein als ich und den Roman, der sich so leider erschreckend flott durchschmökert, gerne erneut zur Hand nehmen – natürlich am besten in Waldnähe.

Bewertung vom 09.07.2014
Raum
Donoghue, Emma

Raum


gut

Normalerweise lese ich ein Buch in höchstens 2-3 Tagen in einem Rutsch, wenn ich mich erst einmal dazu entschlossen habe. Bei „Raum“ war das anders, denn obwohl Emma Donoghues Werk in einigen Bücherforen große Wellen der Begeisterung ausgelöst hat und mich deshalb zum Kauf veranlasste, was bei mir die Wirkung aber eher wie ein müder Wasserlauf, der an die Kaimauern platschte und mich bis zum Schluss nicht richtig erreichte.

Die Autorin hat ein Buch aus der Sicht eines 5-jährigen Jungen geschrieben, der gemeinsam mit seiner verschleppten Mutter in einer schalldichten Gartenlaube leben musste und nur durch den Fernseher eine Ablenkung von seiner kleinen Welt bekommt. Mangels Kontakt zu der Außenwelt ist er nicht nur sprachlich, sondern auch in allen anderen Bereichen nicht altersgemäß entwickelt, wenngleich seine Mutter sich die größte Mühe gibt, um ihm eine gute Erziehung zu gewährleisten und Abwechslung in den tristen Alltag zu zaubern. Das „falsche Kinderdeutsch“ des Jungen hat es mir sehr schwer gemacht einen flüssigen Leserhythmus zu finden, zumal einige Beschreibungen gar nicht sofort das Gemeinte deutlich erklärten und damit den Zusammenhang vermissen ließen. Die ganze Situation war auch so schrecklich bedrückend und machte wütend, denn reine Fiktion war die Entführung speziell durch jüngste Ereignisse in den Medien nicht. Ich schwankte oft zwischen Mitgefühl für die beiden Protagonisten und purer Lesemüdigkeit, die durch die nervenden Dialoge von Mutter und Sohn hervorgerufen wurden. Das Stillen eines Kindes in dem Alter, was für Jack wichtigster Tagesordnungspunkt war, hat mich auch bis zum Schluss eher verstört und dafür gesorgt, dass ich eher Abstand zu dem Inhalt nahm.

Der Höhepunkt der Geschichte ließ gar nicht allzu lange auf sich warten und war auch ein Klimax, den ich als gelungen einordnen würde, allerdings den weiteren Verlauf in einem noch schwächeren Licht erscheinen ließ. Was eigentlich Erleichterung und Neugierde für die weitere Entwicklung der Protagonisten auslösen sollte, brachte bei mir leider nur Langeweile hervor. Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen, war es danach fast der abgehandelte Tagesablauf einer Fallstudie aus Arztakten, die wir Leser geduldig absitzen müssen. Würde „Raum“ auf einer wahren Begebenheit beruhen, hätte ich wahrscheinlich nicht so streng die Eintönigkeit kritisiert, aber hier dachte ich nur, warum man unbedingt die Seiten füllen muss, wenn doch nichts geschieht? Als dann auch noch der Junge ständig an dem verfaulten Zahn seiner Mutter zur Beruhigung lutschte, kam neben der Langeweile auch noch Ekel hinzu.

Menschen, die bei der Nachricht von einem weiteren unschuldigen Vergewaltigungs- oder Entführungsopfer im Fernsehen weinen müssen, würden Jack mit Sicherheit am liebsten sofort an die eigen Brust drücken – ich bin dagegen froh, dass ich das Buch zuschlagen und mich wieder erfreulicheren Büchern zuwenden kann.