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Saskia | Who is Kafka?
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Köln

Bewertungen

Bewertung vom 10.06.2015
Ein einziger Moment / Eversea Bd.1
Boyd, Natasha

Ein einziger Moment / Eversea Bd.1


weniger gut

Ich habe ja so meine Problemchen mit den typischen Liebesromanen, und Eversea hat mich leider mal wieder darin bestätigt. Ich war zwar in der Stimmung für ein bisschen Romantik und Kitsch und wäre auch mit einem nicht ganz so smoothen Plot gut klargekommen, doch Natasha Boyd hat für ihren Roman jedes noch so ausgelutschte Klischee wiederbelebt. Da kommt man sich als reflektierter Leser schon fast ein wenig veralbert vor. Das Buch liest sich wie einmal eingefroren und wieder aufgewärmt.

Versteht mich nicht falsch: Eversea macht zum Teil wirklich Spaß und konnte mich immer mal wieder packen. Doch der Nachgeschmack, der bleibt, ist schal und geht eher in Richtung Muss-ich-nicht-nochmal-haben.

Gleich zu Beginn wird der Leser von Klischees in Empfang genommen, die ich zwar erwartet habe, allerdings nicht in dieser Menge. Keri Ann, eine Waise, ist eine Protagonistin, wie man sie aus unzähligen Büchern kennt. Ich empfand sie nicht als besonders tiefgründig, sondern eher als naiv, kindisch und flatterhaft, auch wenn sie zur Selbstreflektion fähig zu sein scheint. Auf jeder Seite lässt sie es krachen, und zwar in Form von Emotionsfeuerwerken, die nach einer Weile recht mühsam zu lesen sind, da sich ihre Gedanken immerzu im Kreis drehen.

Was mich außerdem gestört hat, ist dass Keri Ann bis auf einen schlabbrigen Teenagerkuss noch keinerlei Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht hat – da fühle ich mich ganz unangenehm an Shades of Grey erinnert. Es ist das gängige Klischee: Jungfrau wird von reichem, heißem Mann aus ihrer Unbeflecktheit errettet. Als wäre das Ganze weniger spannend, wenn Keri Ann ihre Jungfräulichkeit irgendeinem x-beliebigen Kerl von ihrer Highschool geschenkt hätte. Und natürlich ist die Gute, die sich bestenfalls für durchschnittlich hält, eine wahre Granate. Es ist die typische Wunderhübsches-Mädchen-das-sich-selbst-hässlich-findet-sieht-ein-wie-heiß-sie-ist-Wendung.

Jack Eversea ist insgesamt sympathisch, allerdings in gewisser Weise auch der typische Hollywoodschauspieler. Sehr schade ist, dass sich die Geschichte wirklich fast ausschließlich um Keri Ann und Jack dreht. Andere Charaktere wie Keri Anns beste Freundin Jazz oder ihr Bruder Joey scheinen nur Randfiguren zu sein und blieben auch entsprechend blass.

“I know that sounds weird, but it’s like, when you are surrounded by things and people and requirements all day long, you stop thinking for yourself. You become automated. […] And you forget who you are inside all that and how you feel and what you like to do and how you would react.” – S. 83

Viele Wendungen in der Geschichte waren so unnötig, konstruiert und klischeehaft (um nur mal ein Stichwort zu nennen: peinliche betrunkene Mailboxnachricht), dass mir nach einer Weile ein wenig die Lust vergangen ist. In manchen Situationen, die absolut nicht dafür gedacht waren, musste ich mich sogar schlapplachen, weil sie so absurd waren. Ich möchte natürlich niemanden spoilern, deswegen verrate ich nicht, um welche Szenen es sich handelt – aber wer Eversea liest, wird es wahrscheinlich problemlos herausfinden.

Das Buch besteht zu einem großen Teil aus Sex- oder Fast-Sex-Szenen, womit ich nicht so ganz gerechnet hatte. Trotzdem haben mich die Szenen nicht gestört, da sie geschmackvoll geschrieben sind, wenn auch mit der typischen Prise Übertreibung.

Der Schreibstil ist Durchschnitt. Leider häufen sich Wiederholungen. Vielleicht sollte mal jemand nachzählen, wie oft Keri Ann errötet, Jack sich durch sein unwiderstehlich tolles Haar streicht und “Oh Gott” sagt. Trotzdem ließ sich die Geschichte angenehm lesen, sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch.

whoiskafka.wordpress.com