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N.M.

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Bewertung vom 02.02.2016
Die größere Insel
Barkei, Gil

Die größere Insel


ausgezeichnet

4 Tage, 3 Nächte, 2 Promille, ein Ziel: Als der namenlose Ich-Erzähler auf der Partyinsel Mallorca landet, scheint der Verlauf des Kurztrips mit seinen Freunden vorprogrammiert zu sein. Doch nach und nach wird deutlich, dass die wilden Partys und Frauengeschichten, die der Autor in seinem Debütroman witzig und lebhaft schildert, letztlich ein Versuch sind, die unsicheren Perspektiven des eigenen Daseins zu kompensieren.
Der Leser bleibt über die Zukunftspläne des Romanhelden im Unklaren, genauso wie dieser offenbar selbst. Vage scheint was kommt, sicher ist nur das uneindeutige Gefühl, dass sich im Leben des Protagonisten und in den Beziehungen zu seinen Freunden etwas verändern wird oder sich möglicherweise bereits schleichend verändert hat.

Diese diffuse Empfindung des ständigen Auf-der-Suche-Seins, ohne zu wissen, wonach man eigentlich sucht, beschreibt treffend das Lebensgefühl der Generation Y. Die persönliche Sinnkrise des Endzwanzigers drückt sich aus im Hin- und Hergerissen sein zwischen hemmungslosen Partyexzessen, dem aufkeimenden Wunsch nach fester Bindung und dem Rückzug in die eigene Gedankenwelt, in der er nicht nur Kindheitserinnerungen, sondern auch ansatzweise gegenwärtige gesellschaftliche Krisen reflektiert. Dieses Spannungsfeld, das sich in der Zwiespältigkeit des Ich-Erzählers auftut, gibt diesem Roman die nötige Tiefe und ist gleichzeitig Systemkritik an einer Gesellschaft, die die Melancholie und Einsamkeit in einer durchökonomisierten, anonymisierten Welt hinter der glänzenden Fassade eines blinden Hedonismus zu übertünchen versucht.

Der Autor zeichnet in „Die größere Insel“ ein treffendes Portrait seiner Generation, die zwischen jugendlicher, ungebundener Freiheit und neuen Realitäten wie Familiengründung oder Jobsuche schwebt. Gleichzeitig ist der Roman eine Hommage an die Männerfreundschaft, auf die über die verschiedenen Lebensphasen hinweg Verlass ist.
Eine lesenswerte und unterhaltsame Lektüre nicht nur für junge Jahrgänge, sondern auch für all diejenigen, die diese Generation besser verstehen wollen.

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