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Svenjas_BookChallenges
Wohnort: 
Leipzig

Bewertungen

Insgesamt 2 Bewertungen
Bewertung vom 25.09.2016
Die Nachtigall
Hannah, Kristin

Die Nachtigall


ausgezeichnet

Die Schwestern Vianne und Isabelle Rossignol (zu Deutsch: Nachtigall) wuchsen nach dem Tod ihrer Mutter getrennt voneinander auf und während die ältere Vianne so schnell wie möglich ihre eigene Familie mit ihrer Jugendliebe Antoine gründete, machte Isabelle es sich zur Aufgabe, aus jedem einzelnen Internat, in das ihr Vater sie steckte, zu fliehen und gegen sämtliche Regeln und Normen zu rebellieren. Als 1939 der Krieg nach Frankreich kommt, ist es für Vianne ein Schock, denn ihre heile Welt bricht zusammen, ihr Mann wird einberufen und mit den Deutschen kommen Hunger, Tod und Terror in das kleine, idyllische Städtchen, in dem Vianne und Antoine mit ihrer Tochter Sophie leben. Für Isabelle hingegen ist es, das Gefühl hat man zumindest anfangs, eine große Chance, denn endlich hat sie eine Aufgabe, wird gebraucht und kann ihre rebellische Ader nutzen, um etwas Gutes zu tun.

Anhand dieser fiktiven Charaktere erzählt Hannah, wie der Krieg ein Land veränderte und seine Einwohner in unermessliches Leid stürzte. Detailgetreu und schonungslos zeichnet sie die sechs Jahre unter deutscher Besatzung nach und lässt nichts aus. Wie die zurückgebliebenen Frauen sich behaupten mussten. Und was die Mitglieder und Organisatoren der französischen Widerstandsgruppe Résistance aufs Spiel setzten, um für die Freiheit ihres Landes zu kämpfen.

Die beiden Schwestern könnten unterschiedlicher nicht sein und der Krieg und die deutsche Besatzung machen das so deutlich, wie vermutlich nichts davor oder danach. Isabelle ist eine furchtlose junge Frau, die das Herz auf der Zunge trägt und sich deshalb schon vor ihrer Tätigkeit mehrmals großer Gefahr aussetzt. Doch sie ist nicht nur widerspenstig und eigensinnig, sondern auch leidenschaftlich und unfassbar mutig, getrieben von einer fast schon übersinnlichen Kraft. Während sie in Paris als Kurier für die Résistance tätig ist und später mehr als hundert abgeschossene Fliegerpiloten der Alliierten auf dem Pfad der Nachtigall über die Pyrenäen in die Freiheit führt, ist die Gefahr stets deutlich spürbar an ihrer Seite und als Leser weiß man, dass die Frage nicht lautet, ob Isabelle irgendwann den Deutschen in die Hände fällt, sondern wann. Es ist von Anfang an eine Gewissheit, die man hat, weil man weiß, dass in diesem Krieg selten etwas gut gegangen ist. Weil man weiß, wie tödlich er war. Und das macht Isabelles Leistung umso unglaublicher.

Man könnte jetzt denken, dass in Hannahs Roman Isabelle die mutige, starke und Vianne die feige und schwache Schwester ist. Doch so einfach ist das nicht, denn Die Nachtigall zeigt, dass die Welt sich vor allem in Kriegszeiten nicht in Schwarz und Weiß teilt. Am Anfang scheint es so, als würde Vianne die Anwesenheit der Besatzer einfach dulden, als würde sie resignieren und einfach ihrer Wege gehen, um niemanden auf ihre Familie aufmerksam zu machen und schlichtweg zu überleben. Und nicht einmal das kann man ihr vorwerfen, denn an oberster Stelle steht für sie ihre Tochter und nicht nur eine Mutter kann nachvollziehen, dass sie alles tut, um Sophie zu schützen. Sie gerät immer wieder mit Isabelle aneinander, weil sie der Meinung ist, dass diese mit ihrer offen zur Schau gestellten Feindseligkeit gegenüber der Nazis ihrer aller Leben gefährdet und manchmal möchte man Vianne rütteln, ihr die Augen öffnen. Doch verurteilen kann man sie nicht, denn wer von uns weiß schon, was er getan, wie er reagiert hätte?


Mein Fazit:
Dieses Buch ist unglaublich. Es ist eines der wenigen, das mich emotional so erreicht und mitgerissen hat, dass es mir weder im Schlaf noch tagsüber während der Arbeit noch sonst irgendwann aus dem Kopf ging. Ich habe geweint, mit den beiden Schwestern mitgefiebert, mit ihnen gelitten und mit ihnen geliebt und ich habe die Luft angehalten, wenn die Situation für Isabelle oder Vianne aussichtslos erschien.

Bewertung vom 30.06.2015
Das Meer in deinem Namen / Ostsee-Trilogie Bd.1
Koelle, Patricia

Das Meer in deinem Namen / Ostsee-Trilogie Bd.1


ausgezeichnet

Zunächst beginnt die Handlung in Berlin, der Heimatstadt der Protagonistin Carly, welche vor allem im ersten Fünftel ausgiebig vorgestellt wird - ebenso ihre große, unerfüllte Liebe Thore, ihr bester Freund Orje, ein Drehorgespieler, ihre etwas exzentrische Freundin Miriam, ihr versnobter Bruder Ralph und ihre Tante Alissa, bei der Carly aufgewachsen ist. Im Laufe der Geschichte kommen noch viele weitere Charaktere hinzu, die alle liebenswert gezeichnet und auf ihre eigene Art und Weise jeweils sehr speziell sind. Die Wichtigste von ihnen ist ohne Frage Henny, Thores verstorbene Tante und die Frau, deren Haus Carly für den Verkauf herrichten soll.
Carly war mir zu Beginn zwar sympathisch, aber auch etwas befremdlich. Ihre Unbekümmertheit und ihre Liebe zu den Sternen haben mir von Anfang an imponiert. Nicht nachvollziehen konnte ich allerdings ihre naive Liebe zu ihrem ehemaligen Professor Thore, einem verheirateten Mann, dem sie als persönliche Assistentin jeden Wunsch von den Lippen abliest. Man bekommt den Eindruck, dass Thore ihre Gutmütigkeit und ihre Schwäche für ihn ausnutzt und hofft Seite für Seite inständig darauf, dass Carly sich irgendwann von ihrer Zuneigung lösen kann. Als sie dann jedoch in Ahrenshoop an der Ostsee eintrifft, beginnt sich, ihr Wesen zu entfalten und sie wächst immer weiter über sich hinaus, was sie zu einem sehr bewundernswerten Charakter macht. Es zeigen sich außerdem viele Parallelen zu der mysteriösen Henny, die überall in Ahrenshoop und vor allem in ihrem charmanten Haus Naurulokki (Finnisch für Lachmöwe) ihre Spuren hinterlassen hat. Carly taucht ein in Hennys Leben und stößt dabei auf so manches Geheimnis, das auch mit dem verschollenen Künstler Joram zu tun hat.
Zwischendrin gibt es immer wieder Kapitel, in denen aus Hennys Perspektive erzählt wird. Diese sind jedoch sehr geheimnisvoll und für meinen Geschmack etwas zu kurz, sodass sie weniger über die Person Henny verraten, als das Wirrwarr von Geheimnissen noch weiter zu spinnen und ab und an auch den Lesefluss etwas zu stören. Unglaublich gut gefallen haben mir hingegen die zahlreichen Notizen, Zettelchen und Briefe, auf die Carly während ihrer Arbeit im Haus stößt und die eine tiefe Verbundenheit zwischen Henny und dem geheimnisvollen Joram offenbaren und in ihr den Wunsch wecken, herauszufinden, was mit ihm passiert ist. Zusätzlich bindet Koelle originelle Rezepte der Gerichte in den Text ein, die Carly und ihre Freunde kochen und genießen, was einen als Leser auf besondere Weise an der Geschichte teilhaben lässt und einem natürlich auch Hunger macht. :D Einige der Rezepte werde ich sicherlich mal ausprobieren.
Während die Geschichte in meinen Augen besonders in der Mitte ein wenig ins Stocken geriet und auf der Stelle trat, ist es vor allem Koelles unheimlich flüssiger und irgendwie auch romantischer Schreibstil, der mich immer am Ball bleiben ließ. Besonders bildgewaltige Beschreibungen des idyllischen Küstenstädtchens Ahrenshoop und ein hervorragendes Einfühlsungsvermögen und Gespür, wenn es um die Beschreibung der Charaktere geht, machen die Geschichte lockerleicht und verträumt, auch wenn sie nicht durchgehend so spannend ist, wie ich es mir erhofft hatte. Der Roman lebt für mich vor allem durch die liebevolle Beschreibung des Häuschens Naurulokki, das eine ganz eigene Magie ausströmt und es vermag, alle Personen miteinander zu verbinden. Naurulokki ist ein kuscheliges und ganz spezielles Heim, zu dem jeder irgendwie zurückkommt und in das man sich als Leser nur zu gerne hineinwünscht.
Insgesamt ist die Geschichte eine Geschichte zum Wohlfühlen, gewürzt mit ein paar Geheimnissen, scheinbar unüberwindbaren Ängsten und vor allem sehr liebenswerten und charmanten Charakteren. Sehr erfrischend fand ich es, dass keine aufgeblähte und erzwungene Liebesgeschichte enthalten war, denn das muss nicht immer sein und hätte hier wohl eher kitschig und übertrieben gewirkt. Ein bisschen mehr Spannung und der Roman wäre für mich perfekt